Bundesgerichtshof, Beschluss vom 28.06.2011, Az. 1 StR 37/11

1. Strafsenat | REWIS RS 2011, 5445

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Gegenstand

Gewerbsmäßige Steuerhehlerei: Verkauf geschmuggelter Zigaretten; Anordnung des Verfalls von Wertersatz


Tenor

[X.]Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 24. August 2010 im Rechtsfolgenausspruch dahin abgeändert, dass die Feststellungen gemäß § 111i Abs. 2 Satz 1 und 2 StPO entfallen; insoweit wird die Verfolgung der Taten auf die anderen Rechtsfolgen beschränkt (§ 430 Abs. 1, § 442 Abs. 1 StPO).

II. Im Übrigen wird die Revision des Angeklagten als unbegründet verworfen (§ 349 Abs. 2 StPO).

III. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten und seine nicht revidierende Ehefrau wegen gemeinschaftlich begangener gewerbsmäßiger [X.]ei in 23 Fällen zu zwei Jahren und neun Monaten Gesamtfreiheitsstrafe verurteilt. Zugleich hat es festgestellt, „dass nicht auf Verfall erkannt worden ist, weil Ansprüche des Steuerfiskus entgegenstehen“ und „dass die Angeklagten aus den Taten ersparte Steueraufwendungen in Höhe von 411.057,77 € erlangt haben“.

2

Die Revision des Angeklagten ist - soweit über sie nach der aus dem Tenor ersichtlichen Verfolgungsbeschränkung noch zu entscheiden ist - unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).

3

1. Nach den Feststellungen des [X.]s erwarben der Angeklagte und seine Ehefrau zwischen Juli und Dezember des Jahres 2009 von [X.] Lieferanten an verschiedenen Orten im [X.] in 23 Fällen auf unbekanntem Weg unverzollt eingeführte Zigaretten (im Wesentlichen der Marke „[X.]“), die sie an Zwischenhändler und Endabnehmer weiterveräußerten.

4

Das [X.] hat den Ankauf der Zigaretten als gewerbsmäßige [X.]ei gemäß § 374 [X.] i.V.m. Art. 4 Nr. 10 des [X.] und mit den §§ 19, 12 [X.] aF gewertet. Es ist zudem der Ansicht, der Angeklagte habe die von den [X.] aufgrund ihrer Steuerstraftaten ersparten Steueraufwendungen (Tabaksteuer in Höhe von insgesamt 358.630,31 € und Zoll in Höhe von insgesamt 52.442,25 €) erlangt, wobei der Anordnung des Verfalls von Wertersatz Ansprüche des [X.] (§ 111i Abs. 2 StPO, § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB).

5

2. Die Feststellungen tragen den Schuldspruch. Eine Vortat i.S.d. § 374 [X.] lag schon deswegen vor, weil die Lieferanten beim Verbringen der Zigaretten in das Steuergebiet der [X.] die hierbei entstehende Tabaksteuer (vgl. § 19 [X.] in der auch nach Änderung des [X.] für den Tatzeitraum maßgeblichen Fassung) hinterzogen hatten. Die Tabaksteuer ist eine Verbrauchsteuer i.S.d. Abgabenordnung (§ 1 Satz 3 [X.] aF = § 1 Abs. 1 Satz 3 [X.]). Den Umstand, dass für diese Zigaretten zuvor überdies Einfuhrabgaben i.S.d. Art. 4 Nr. 10 des [X.] hinterzogen worden waren, kann der Senat schon daraus entnehmen, dass es sich im Wesentlichen um Zigaretten der Marke „[X.]“ handelte (vgl. [X.], Beschluss vom 9. Juni 2011 - 1 StR 21/11). Anhaltspunkte dafür, dass die verfahrensgegenständlichen Zigaretten nicht in das Gemeinschaftsgebiet eingeführt, sondern dort hergestellt worden sein könnten, sind weder vorgetragen noch ersichtlich.

6

Der Umstand, dass der Angeklagte lediglich wegen [X.]ei gemäß § 374 [X.] und nicht auch wegen der vom [X.] mitumfassten (§ 264 StPO) und nicht gemäß § 154 Abs. 2 StPO von der Verfolgung ausgenommenen Tabaksteuerhinterziehung gemäß § 370 Abs. 1 Nr. 2 [X.] i.V.m. § 19 [X.] aF verurteilt worden ist (der Angeklagte war Empfänger [X.]. § 19 [X.] aF), beschwert den Angeklagten nicht (vgl. zu Konkurrenzen und Strafzumessung insoweit auch [X.], Beschluss vom 9. Juni 2011 - 1 StR 21/11).

7

3. Auch der Strafausspruch kann bestehen bleiben. Zwar ist die Strafzumessung nicht frei von [X.]; die verhängten Strafen sind aber angemessen [X.]. § 354a Abs. 1a Satz 1 StPO.

8

Im Ansatz zutreffend hat das [X.] der Strafzumessung die [X.] und damit die Höhe der durch die jeweilige Vortat hinterzogenen Verbrauchsteuern und Einfuhrabgaben zugrunde gelegt. Dies entspricht dem von § 374 [X.] unter Strafe gestellten Tatunrecht, das in der Aufrechterhaltung eines vom Vortäter geschaffenen steuerrechtswidrigen Zustands liegt (vgl. [X.], Urteil vom 7. November 2007 - 5 [X.], [X.], 105, 106; [X.] in Franzen/Gast/[X.], Steuerstrafrecht, 7. Aufl., § 374 [X.] Rn. 2).

9

Jedoch begnügt sich das [X.] hinsichtlich der „bei der Einfuhr nicht abgeführten Abgaben“ ([X.]) - im Gegensatz zu der im Einzelnen dargelegten Berechnung der hinterzogenen Tabaksteuerbeträge - auf die Angabe eines Gesamtbetrags. Berechnungsgrundlagen sind weder festgestellt noch ersichtlich. Dies stellt - wie auch sonst das Fehlen von Feststellungen zu den für die Besteuerung maßgeblichen Parametern (Besteuerungsgrundlagen) - einen Rechtsfehler dar (vgl. [X.], Urteil vom 12. Mai 2009 - 1 [X.], [X.], 639; [X.], Beschluss vom 25. Oktober 2000 - 5 StR 399/00, [X.], 200). Die „angesichts der Vielzahl der [X.] … niedrige Gesamtfreiheitsstrafe“ ([X.]) ist jedoch ebenso wie die Einzelstrafen - unter Berücksichtigung aller nach § 46 StGB für die Strafzumessung erheblichen Umstände - angemessen, selbst wenn der Betrag hinterzogener Einfuhrabgaben neben der Tabaksteuer gänzlich unberücksichtigt bliebe (§ 354 Abs. 1a Satz 1 StPO). Diese Wertung im Antrag des [X.] teilt der Senat. Sie wird von den im Übrigen [X.] Feststellungen des [X.]s getragen; die Anforderungen an die Anwendung des § 354 Abs. 1a Satz 1 StPO (vgl. [X.], Beschluss vom 14. Juni 2007 - 2 BvR 1447/05, 2 [X.], [X.]E 118, 212) sind gegeben.

4. [X.] nach § 111i Abs. 2 StPO hält dagegen rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Das [X.] hat den Umfang des [X.] unzutreffend bestimmt, indem es angenommen hat, der Angeklagte habe die von den [X.] ersparten Aufwendungen für Verbrauchsteuern und Zoll erlangt.

Zwar kann ein Täter auch dadurch etwas [X.]. § 73 Abs. 1 Satz 1 StPO erlangen, dass er sich Aufwendungen erspart. Infolgedessen kann bei einer Steuerhinterziehung auch ein Betrag in Höhe nicht gezahlter Steuern dem Verfall von Wertersatz unterliegen ([X.], Beschluss vom 13. Juli 2010 - 1 StR 239/10, [X.], 406), wobei allerdings der Verfallsanordnung regelmäßig Ansprüche des Steuerfiskus [X.]. § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB entgegenstehen (vgl. [X.], Beschluss vom 28. November 2000 - 5 StR 371/00, [X.], 155). Das [X.] hat jedoch nicht beachtet, dass der [X.] weder aus der Tat noch für die Tat die vom „Importeur“ hinterzogenen Steuern und Abgaben erlangt. Er erspart sich „aus der Tat“ auch nicht Aufwendungen, nur weil er wegen der Tat für die (zuvor) verkürzten Steuern gemäß § 71 [X.] gesamtschuldnerisch haftet. Vielmehr erlangt der [X.], indem er die Zigaretten ankauft oder sich sonst verschafft, zunächst die Zigaretten und durch den anschließenden Weiterverkauf den hieraus erzielten Erlös. Die Aufwendungen des [X.]s für den Erwerb der Zigaretten bleiben dabei unberücksichtigt (Bruttoprinzip; vgl. [X.], Urteil vom 29. Juni 2010 - 1 StR 245/09, [X.], 83 mwN). Ist der [X.] auch Empfänger i.S.d. § 19 [X.] aF, hat er daneben die Aufwendungen für die beim Verbringen der Zigaretten in das [X.] Steuergebiet entstandene Tabaksteuer erspart. Die Hinterziehung von Tabaksteuer ist hier indes nicht Gegenstand der Verurteilung.

Der Senat beschränkt den Rechtsfolgenausspruch mit Zustimmung des [X.] auf die gegen den Angeklagten verhängten Strafen (§ 430 Abs. 1, § 442 Abs. 1 StPO). Angesichts des Umstandes, dass der Angeklagte nach den Feststellungen des [X.]s jetzt weitgehend [X.] ist, würde die Verfallsanordnung neben den verhängten Strafen - wirtschaftlich - nicht ins Gewicht fallen.

Nack     

Wahl     

     Graf

Ri[X.] Prof. Dr. [X.] ist
urlaubsabwesend und deshalb
an der Unterschrift gehindert.

Jäger     

Nack

Meta

1 StR 37/11

28.06.2011

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Neuruppin, 24. August 2010, Az: 13 KLs 333 Js 22299/09, Urteil

§ 73 Abs 1 S 1 StGB, § 73 Abs 1 S 2 StGB, § 71 AO, § 374 AO, § 1 TabStG, § 12 TabStG, § 19 TabStG, Art 4 Nr 10 ZK, § 111i Abs 2 StPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 28.06.2011, Az. 1 StR 37/11 (REWIS RS 2011, 5445)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 5445

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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