Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 27.01.2015, Az. 1 StR 613/14

1. Strafsenat | REWIS RS 2015, 16542

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1
StR 613/14

vom
27. Januar
2015
in der Strafsache
gegen

wegen
gewerbsmäßiger [X.]ei

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Der 1. Strafsenat des [X.] hat am 27. Januar 2015 gemäß §
349 Abs.
2 und 4 StPO beschlossen:

1. Auf die Revision des Angeklagten W.

wird das Urteil des [X.] München
II vom 17. September 2014, soweit es ihn betrifft, aufgehoben

a) im Strafausspruch und
b) hinsichtlich der Feststellung gemäß §
111i Abs.
2 StPO.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
3. Im Umfang der Aufhebung wird das Urteil zu neuer Verhand-lung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmit-tels, an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des [X.] zurückverwiesen.

Gründe:
Das [X.] hat den Angeklagten W.

wegen gewerbsmäßiger [X.]ei gemäß §
374 Abs. 2 [X.] in zehn Fällen unter Einbeziehung der Einzelstrafen aus einem Strafbefehl zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten verurteilt. Daneben hat es gegen ihn wegen weiterer 42 Taten der gewerbsmäßigen [X.]ei eine zweite [X.] von zwei Jahren und sechs Monaten verhängt. Zudem hat es gemäß §
111i 1
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Abs.
2 StPO festgestellt, dass hinsichtlich eines Betrages von 352.545,10 Euro nur deshalb nicht gegen ihn auf Verfall erkannt wird, weil Rechte Verletzter im Sinne des §
73 Abs.
1 Satz
2 StGB entgegenstehen.
Den nicht revidierenden Mitangeklagten [X.]

hat das [X.] wegen gewerbsmäßiger [X.]ei in vier Fällen und wegen vorsätzlichen unerlaubten Besitzes einer halbautomatischen Kurzwaffe zu einer Gesamtfrei-heitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat. Zudem hat es gemäß §
111i Abs. 2 StPO festgestellt, dass gegen ihn in Höhe eines Betrages von 16.553,88 Euro Verfall nicht angeordnet wird, weil Rechte Dritter entgegenstehen.
Mit seiner auf die Verletzung materiellen Rechts gestützten Revision wendet sich der Angeklagte W.

gegen seine Verurteilung. Das Rechtsmittel erzielt den aus der [X.] ersichtlichen Teilerfolg.

I.
Nach den Feststellungen des [X.] erwarb der Angeklagte W.

im Zeitraum von Mai 2009 bis Januar 2014 in 52 Fällen insgesamt 8.937 Stangen unversteuerter und unverzollter Zigaretten, um
diese gewinnbringend weiterzuveräußern. Die Zigaretten waren von anderen Personen von [X.] aus auf dem Landweg über einen -
nicht näher festgestellten -
anderen [X.] dabei

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352.545,10
Euro, bestehend aus 30.886,27 Euro Zoll, 64.850,21 [X.] Angeklagte veräußerte die Zigaretten im Inland gewinnbringend an ver-schiedene Abnehmer weiter. Zu seinen Abnehmern gehörte der Mitangeklagte [X.]

, der auch von weiteren Lieferanten unverzollte und unversteuerte [X.] zum gewinnbringenden Weiterverkauf erwarb.

II.
Der Schuldspruch der gewerbsmäßigen [X.]ei (§
374 Abs.
2 [X.]) in insgesamt 52 Fällen wird von den Feststellungen getragen. Die Nach-prüfung des Urteils aufgrund der [X.] hat insoweit keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben (§
349 Abs.
2 StPO).
Die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen belegen, dass beim [X.] der unversteuerten und unverzollten Zigaretten nach [X.] durch andere Personen zu gewerblichen Zwecken jeweils [X.] verkürzt wurde (§
370 Abs.
1 [X.]), weil an den Zigarettenpackungen entgegen §
17 Abs.
1 [X.] bzw. für die vor dem 1.
April 2010 begangenen Taten entgegen §
12 Abs. 1
[X.] a.F. keine [X.] Steuerzeichen (Steuerbanderolen) angebracht waren. Sie belegen auch -

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11) entnommen werden -
dass der Angeklagte W.

als [X.] entgegen §
23 Abs.
1 Satz
3 [X.] bzw. gemäß §
19 Satz
3 [X.] a.F. über die von ihm erworbenen Zigaretten nicht unverzüglich bei den [X.] eine Steuererklärung abgab.
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III.
Der Strafausspruch hat keinen Bestand.
Das [X.] ist bei der Bestimmung des Schuldumfangs rechtsfeh-lerhaft davon ausgegangen, dass sich die Taten der gewerbsmäßigen Steuer-hehlerei des Angeklagten auf Einfuhrabgaben bezogen, die bei der Einfuhr in das Steuergebiet der Bundesrepublik [X.] hinterzogen worden waren.
Eine Einfuhr von Tabakwaren ist dann gegeben, wenn diese aus Dritt-ländern oder Drittgebieten in das Steuergebiet gelangen, es sei denn, die [X.] befinden sich beim Eingang in das [X.] Steuergebiet in einem zollrechtlichen Nichterhebungsverfahren (§
19 Abs. 1 Nr. 1 [X.]).
Keine Einfuhr liegt dagegen vor, wenn unversteuerte Tabakwaren aus dem freien Verkehr eines anderen Mitgliedstaats der [X.] nach [X.] verbracht werden.
Deshalb waren hier beim Verbringen der Zigaretten nach [X.] durch die Lieferanten des Angeklagten weder Zölle noch Einfuhrumsatzsteuer (§
21 Abs.
2 UStG) entstanden; sie konnten daher auch nicht verkürzt werden. Bei der entstandenen und verkürzten [X.] handelte es sich hier [X.] nicht um eine Einfuhrabgabe.
Allerdings belegen die Feststellungen, dass hinsichtlich der vom Ange-klagten erworbenen Zigaretten tatsächlich Einfuhrabgaben verkürzt worden [X.], nämlich bei der Einfuhr der aus [X.] stammenden Zigaretten in das Gebiet der [X.]. Jedoch fand diese Einfuhr nicht in der Bundes-republik [X.], sondern in einem anderen Mitgliedstaat der Europäi-7
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schen [X.] statt, den das [X.] nicht näher festgestellt hat; von dort aus wurden die Zigaretten auf dem Landweg nach [X.] verbracht. [X.] wurden damit die Einfuhrabgaben eines anderen Mitgliedstaats der [X.]. Zwar sind solche Einfuhrabgaben, die im Rahmen vorge-lagerter Taten verkürzt wurden, grundsätzlich auch vom Straftatbestand der (gewerbsmäßigen) [X.]ei erfasst (§
374 Abs. 4 [X.]). Im vorliegenden Fall hatte jedoch das [X.] das Verfahren gemäß §
154a Abs. 2 StPO beschränkt und dabei hinterzogene ausländische Verbrauchsteuern und [X.] aus dem Verfahren ausgeschieden (UA S.
22).
Die von dem Angeklagten begangenen Straftaten der gewerbsmäßigen [X.]ei (§
374 Abs. 2 [X.]) bezogen sich somit lediglich auf die beim Verbringen nach [X.] hinterzogenen [X.]n im Umfang von [X.] 256.808,62 Euro und nicht, wie vom [X.] angenommen, [X.] in Höhe von 352.545,10 Euro. Der [X.] kann nicht ausschließen, dass das [X.] niedrigere Einzel-
und Gesamtstrafen verhängt hätte, wenn es lediglich die verkürzte [X.] [X.] berücksichtigt hätte. Es bedarf daher einer neuen tatrichterlichen Strafzumessung.

IV.
Auch die Feststellung gemäß §
111i Abs. 2 StPO hält rechtlicher Nach-prüfung nicht stand. Das [X.] hat den Umfang des [X.] unzutref-fend bestimmt, indem es angenommen hat, der Angeklagte habe die von den [X.] ersparten Aufwendungen für Steuern und Abgaben erlangt.

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Zwar kann ein Täter auch dadurch etwas i.[X.]. § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB erlangen, dass er sich Aufwendungen erspart. Infolgedessen kann bei einer Steuerhinterziehung auch ein Betrag in Höhe nicht gezahlter Steuern dem [X.] unterliegen ([X.], Beschluss vom 13. Juli 2010 -
1 [X.], [X.], 406), wobei allerdings der Verfallsanordnung regelmäßig Ansprüche des Steuerfiskus i.[X.]. § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB entgegenstehen ([X.], Beschluss vom 28. November 2000 -
5 [X.], [X.], 155). Das [X.] hat jedoch nicht beachtet, dass der [X.] die vom [X.] hinterzogenen Steuern und Abgaben weder aus der Tat noch für die Tat erlangt. Er erspart

die Ware günstiger beziehen kann und wegen der Tat für die (zuvor) verkürzten Steuern gemäß § 71 [X.] haftet. Vielmehr erlangt der [X.], indem er die Zigaretten ankauft oder sich sonst verschafft, zunächst die Zigaretten und durch den anschließenden Weiterverkauf den hieraus erzielten Erlös ([X.], Beschluss vom 28.
Juni 2011 -
1 [X.], [X.], 394). Die Aufwendun-gen des [X.]s für den Erwerb der Zigaretten bleiben dabei unberück-sichtigt (vgl. [X.], Urteil vom 29. Juni 2010 -
1 [X.], [X.], 83 mwN).
Ist der [X.] auch Empfänger im Sinne des §
23 Abs.
1 Satz
2 [X.], hat er daneben die Aufwendungen für die beim Verbringen der [X.] in das [X.] Steuergebiet entstandene [X.] erspart ([X.], Beschluss vom 28. Juni 2011 -
1 [X.], [X.], 394). Die Hinterzie-hung von [X.] ist hier nach einer entsprechenden [X.] gemäß §
154a Abs.
2 StPO (UA S.
22) jedoch nicht mehr [X.].

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V.
Einer Aufhebung von Feststellungen bedarf es nicht, weil diese von den [X.], die zur teilweisen Aufhebung des Urteils führen, nicht betroffen sind (§
353 Abs.
2 StPO). Das [X.] darf weitere Feststellungen treffen, die
mit den bisherigen nicht im Widerspruch stehen. Es wird dabei im Hinblick auf §
111i Abs. 2 StPO auch Gelegenheit haben, die von dem Angeklagten aus der Veräußerung der Zigaretten erlangten Erlöse zu bestimmen.

VI.
Eine Erstreckung der Aufhebung auf den nichtrevidierenden Mitange-klagten [X.]

gemäß §
357 StPO kommt auch insoweit nicht in Betracht, als dieser ebenfalls wegen gewerbsmäßiger [X.]ei (§ 374 Abs. 2 [X.]) ver-urteilt worden ist. Denn die beiden Angeklagten wurden nicht wegen derselben
Taten im Sinne des §
264 StPO (vgl. [X.], Beschluss vom 12. September 1996 -
1 StR 509/96, [X.]R StPO § 357 Erstreckung
6) verurteilt. Sie haben

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die Zigaretten von unterschiedlichen Lieferanten angekauft. Soweit der [X.] [X.]

unversteuerte Zigaretten auch von dem Angeklagten W.

angekauft hat, kommt eine Erstreckung der Aufhebung gemäß §
357 StPO je-denfalls deshalb nicht in Betracht, weil es an einem Zusammenwirken der [X.] in derselben Richtung fehlt (vgl. [X.] in [X.], 7.
Aufl., §
357 Rn. 9).
[X.]Jäger Radtke

Mosbacher [X.]

Meta

1 StR 613/14

27.01.2015

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 27.01.2015, Az. 1 StR 613/14 (REWIS RS 2015, 16542)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 16542

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