Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 29.01.2015, Az. 1 StR 359/13

1. Strafsenat | REWIS RS 2015, 16349

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1
StR 359/13

vom
29. Januar 2015
in der Strafsache
gegen

1.
2.

wegen
gewerbs-
und bandenmäßigen Betruges

hier:
Anhörungsrüge des Verurteilten M.

S.

-
2
-
Der 1. Strafsenat des [X.] hat am 29.
Januar 2015 gemäß §
356a StPO
beschlossen:

Die Anhörungsrüge des Verurteilten M.

S.

vom
13.
November 2014 gegen das Urteil des Senats vom 8. Oktober 2014 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Gründe:
Der Senat hat die Revision des Verurteilten gegen das Urteil des [X.] vom 13.
Dezember 2012 mit Urteil vom 8. Oktober 2014 [X.]. Die Revisionsentscheidung des Senats ist
seinem Verteidiger am 7.
November 2014 zugegangen.
Mit dessen Schriftsatz vom 13.
November 2014, der beim Senat am Folgetag eingegangen ist, hat der Verurteilte hierge-gen die Anhörungsrüge erhoben. Er hat beantragt, das Urteil des Senats auf-zuheben und das Verfahren in den Stand vor Erlass des Urteils zurückzuver-setzen.

Der zulässige Rechtsbehelf ist unbegründet; es liegt keine Verletzung des rechtlichen Gehörs (§
356a StPO) vor.

1. Der Senat hat weder Verfahrensstoff noch Tatsachen oder [X.] verwertet, zu denen der Verurteilte zuvor nicht gehört worden wäre. Auch wurde zu berücksichtigendes Vorbringen nicht übergangen, noch in sons-tiger Weise der Anspruch des Verurteilten auf rechtliches Gehör verletzt.

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Der Umstand, dass der Senat die Rechtsansicht der Verteidigung des Verurteilten zwar zur Kenntnis genommen hat, ihr aber im Ergebnis nicht ge-folgt ist, stellt keine Verletzung des rechtlichen Gehörs dar. Es ist schon grund-sätzlich davon auszugehen, dass das Gericht das von ihm [X.] Vorbringen eines Beteiligten auch zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen hat (vgl. [X.] [Kammer], Beschluss vom 30.
Juni 2014

2
BvR 792/11 Rn.
16 mwN, [X.], 434), zumal es nach Art. 103 Abs.
1 [X.] nicht dazu verpflichtet ist, jedes Vorbringen eines Beteiligten ausdrücklich zu [X.] (vgl. [X.], Beschluss vom 20.
Juni 2007

2
BvR 746/07; [X.], Senatsbeschluss vom 31.
Juli 2006

1 [X.]/06 mwN). Jedenfalls wurden hier der gesamte schriftliche Vortrag des Verurteilten sowie die Ausführungen der Verteidigung in der Revisionshauptverhandlung bei der Entscheidungsfin-dung des Senats berücksichtigt.

2. Soweit der Verurteilte (wie schon sein Verteidiger in der [X.]) geltend macht, er habe in seiner Revisionsbegründung aus-führlich dargelegt, dass die Beweiswürdigung des [X.] rechtsfehlerhaft sei, deckt er keinen Verstoß gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör auf.

Das [X.] hat sich in dem angefochtenen Urteil im Rahmen der Beweiswürdigung ausführlich mit der Frage der Kenntnis des Angeklagten und der beiden Mitangeklagten von der Vorspiegelung falscher Tatsachen durch die Haupt-
und [X.] auseinandergesetzt (LG-UA S.
64-71). Es hat sich dabei, gestützt auf Zeugenaussagen, u.a. davon überzeugt, dass allen Ange-klagten aufgrund von Besprechungen bewusst war, dass gezielt nach Käufern gesucht wurde, die bereits Schulden hatten und nur über niedrige Einkommen verfügten ([X.]), und dass dieser Käuferkreis mit falschen Verspre-chungen zum Kaufabschluss bewogen werden musste (LG-UA S.
66). Weiter-4
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hin hat es in den Blick genommen, dass [X.] waren ([X.]). Es hat sich, wiederum gestützt auf Zeugenaus-or-würfen über nicht zutreffende Versprechungen der Haupt-
und [X.] konfrontiert waren. Aufgrund einer Gesamtwürdigung einer Vielzahl von Indi-zien hat sich das [X.] schließlich die Überzeugung gebildet, dass die Angeklagten spätestens Anfang 2007 wussten, dass die Vermittler die Käufer mit falschen Versprechungen zum Abschluss von Kaufverträgen bewegten und dass sich die Angeklagten diese falschen Versprechungen für ihre Verkaufsab-schlüsse nutzbar machten (LG-UA S.
71). Im Rahmen seiner Ausführungen zur Beweiswürdigung hat das [X.] zudem seine Überzeugung von der Mit-wirkung des Angeklagten in jedem Einzelfall begründet; dabei hat es dargelegt, dass der Angeklagte in jedem Einzelfall wesentliche Entscheidungen traf, in-dem er u.a. die Objekte und die Kaufpreise festsetzte, entschied, ob ein Kunde [X.] persönlich an die Käufer auszahlte (UA
S.
54, 56).

Seine Überzeugung vom Wissen der Angeklagten, dass diese die [X.] jeweils zu Preisen vorgenommen hatten, die nicht den Verkehrswerten entsprachen, hat das [X.] auf [X.] ff., insbesondere [X.], im Einzelnen begründet. Das [X.] hat im Rahmen der Beweiswürdigung auch dargelegt, aus welchen Gründen es zu der Überzeugung gelangt ist, dass den Käufern über die Finanzierung des bevorstehenden Immobilienerwerbs unrichtige Tatsachenangaben gemacht wurden die nicht zutreffen konnten (LG-UA S.
61 ff.).

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Der Umstand, dass die Verteidigung die Beweise anders als das Land-gericht würdigt, zeigt keine Verletzung des Anspruchs des Verurteilten auf rechtliches Gehör auf.

Dasselbe gilt für die Beanstandung, der Vorwurf mittäterschaftlichen und bandenmäßigen Handelns sei nicht belegt; die Beweiswürdigung des Landge-richts ist auch insoweit tragfähig ([X.] S.
13, 21). Dass der [X.] des [X.] nicht gefolgt ist, es liege ein uneigentliches Organisationsdelikt vor ([X.] S.
21), offenbart keine Verletzung des An-spruchs des Verurteilten auf rechtliches Gehör.

3. Soweit der Verurteilte behauptet, zwischen der Täuschung der Käufer und dem angenommenen Vermögensschaden bestehe kein Ursachenzusam-menhang, deckt er ebenfalls keinen Gehörsverstoß auf. Vielmehr besteht ein Ursachenzusammenhang, wie der Senat in den Urteilsgründen näher dargelegt hat. Soweit der Senat in diesem Zusammenhang ergänzend darauf hingewie-sen hat, das [X.] habe nicht festgestellt, die Käufer könnten bereit ge-wesen sein, Wohnungen zu einem über dem Verkehrswert liegenden Preis und somit überteuert zu erwerben und damit ihr Vermögen objektiv weiter zu [X.] bzw. ihre Überschuldung weiter zu erhöhen ([X.] f.), trifft dies zu.

Die dem Urteil des 5.
Strafsenats vom 20.
März 2013 im Verfahren 5 StR 344/12 ([X.]St 58, 205) zugrunde liegende Rechtsauffassung zur Schadens-feststellung bei Betrug hat der Senat in den Blick genommen. Da der [X.] jedoch anders gelagert war als die dort zugrunde liegende [X.], wie vom Senat dargelegt (UA S.
17), bedurfte es entgegen der Auffassung des Verurteilten keiner Anrufung des [X.] gemäß §
132 Abs.
2 [X.].
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Im Hinblick auf die Ausführungen des [X.] zum nicht vorhandenen [X.] in seinem schriftlichen Antrag auf Verwerfung der Revision des [X.] (dort S.
7), bestand für die Verteidigung in der [X.] Gelegenheit zur Klarstellung. Jedenfalls rechtfertigen auch die rechtlich zutreffenden Ausführungen im Urteil des Senats zur Frage des Erfordernisses einer Stoffgleichheit zwischen dem Gegenstand der Täuschung und dem ent-standenen Vermögensschaden ([X.]) nicht die Besorgnis des Verurteilten, der Senat könnte das [X.] nicht zur Kenntnis genommen ha-ben.

4. Der Vortrag des Verurteilten zur Begründung seiner Anhörungsrügen erschöpft sich letztlich in einer Wiederholung und Vertiefung des Revisionsvor-bringens. Die Anhörungsrüge dient jedoch

zumal wenn wie hier im Rahmen einer Revisionshauptverhandlung rechtliches Gehör gewährt worden ist

nicht dazu, das Revisionsgericht dazu zu veranlassen, das [X.] nochmals zu überprüfen.

Im [X.] enthalten die (neuerlichen) Ausführungen des Verurteilten den Vorwurf, der Senat habe in der Sache fehlerhaft entschieden. Mit diesem [X.] kann er aber im Rahmen des §
356a StPO nicht gehört werden (vgl. u.a. Senatsbeschluss vom 9.
November 2006

1 [X.]/06 mwN). Der Senat hat die
Entscheidung ausführlich begründet und die entscheidungserheblichen Punkte angesprochen; einer weitergehenden Begründung des Urteils bedurfte es nicht. Entgegen der Auffassung des Verurteilten hat der Senat seine Ent-scheidung auch nicht auf Ausführungen gestützt, mit denen der Verurteilte nach dem bisherigen Prozessverlauf nicht zu rechnen brauchte.
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5. Soweit der Verurteilte nun erstmals eine rechtsstaatswidrige Verfah-rensverzögerung im Revisionsverfahren beanstandet, deckt er einen Verstoß gegen Art.
103 Abs.
2, Art.
2 i.V.m. Art.
20 Abs.
3 [X.] nicht auf.

Zwar weist er zutreffend darauf hin, dass der Antrag des [X.] auf Revisionsverwerfung bereits am 23. August 2013 gefertigt [X.] ist (Eingang beim Senat am 29. August 2013), das Urteil aber erst am 8.
Oktober 2014 verkündet worden ist. Gleichwohl wurde das [X.] vom Senat nicht verzögert, sondern stets gefördert.

Ob die Verfahrensdauer angemessen ist, muss nach den Umständen des Einzelfalls beurteilt werden. Wie auch in den Ausführungen der Verteidi-gung in der vorliegenden Anhörungsrüge deutlich wird, hatte das Verfahren ei-ne umfangreiche Wirtschaftsstrafsache mit schwierigen und grundlegenden Fragen zur Dogmatik des Straftatbestands des Betruges beim Verkauf von Im-mobilien, insbesondere zur Bestimmung des Vermögensschadens, zum [X.]. Hinzu kamen, wie schon aus Art, Zahl und Umfang der mit den [X.] erhobenen materiell-
und verfahrensrechtlichen Beanstandungen er-kennbar wird, eine Vielzahl von weiteren Rechts-
und Verfahrensfragen. Der Sachverhalt war komplex und wies im Hinblick auf die Einschaltung von Ver-mittlern und [X.]n sowie die Verknüpfung von Erwerbs-
mit Finanzie-rungsgeschäften tatsächliche und rechtliche Besonderheiten auf. Bereits die tatrichterliche Hauptverhandlung hatte sich deshalb über 13 Monate erstreckt, in der 37 Sitzungstage stattfanden (zur Terminierung in komplexen und schwie-rigen Wirtschaftsstrafsachen vgl. [X.], Beschluss vom 20. März 2008

1 [X.], [X.]R StPO §
213 Terminierung
1).

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Dies machte es für den Senat erforderlich, nach gründlicher [X.] der ersten Senatsberatung einschließlich der Aufarbeitung vorhandener Rechtsprechung zu den einzelnen Fragenkomplexen ergänzende umfangreiche Beratungen durchzuführen, bei denen weitere Rechtsfragen zu klären waren. Diese ergaben sich aus der Verschränkung der einzelnen materiellen Rechts-fragen untereinander sowie mit den aufgeworfenen verfahrensrechtlichen Fra-gen erst aus dem Zwischenergebnis der ersten Senatsberatung. Auch diese Beratungen mussten wieder gründlich vorbereitet werden.

Schließlich ergab sich die Notwendigkeit, über die Revision des [X.] auch noch eine Revisionshauptverhandlung durchzuführen. In dieser [X.] vom 16.
September 2014 hatte die Verteidigung die Gelegenheit, ihre rechtlichen Bedenken gegen das Urteil des [X.] Passau noch einmal darzulegen und mit dem Senat und dem Vertreter des [X.] zu erörtern.

Erst nach weiteren ausführlichen Beratungen, in denen auch das neue Vorbringen der Verteidigung eingehend gewürdigt worden ist, konnte der Senat am 8. Oktober 2014 das Urteil in dieser Sache fällen und verkünden.

Die Gesamtdauer des Revisionsverfahrens ist somit im Hinblick auf [X.] Umfang und Schwierigkeit angemessen.

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6. Die Kostenentscheidung folgt aus einer entsprechenden Anwendung des §
465 Abs.
1 StPO (vgl. u.a. [X.], Beschluss vom 5.
Mai 2014

1 [X.]).

Raum Rothfuß

Jäger

Cirener Fischer
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Meta

1 StR 359/13

29.01.2015

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 29.01.2015, Az. 1 StR 359/13 (REWIS RS 2015, 16349)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 16349

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