Bundesgerichtshof, Beschluss vom 29.01.2015, Az. 1 StR 359/13

1. Strafsenat | REWIS RS 2015, 16345

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Revisionsverfahren in Strafsachen: Anhörungsrüge des Verurteilten


Tenor

Die Anhörungsrüge des Verurteilten M.     S.    vom 13. November 2014 gegen das Urteil des Senats vom 8. Oktober 2014 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Gründe

1

Der [X.] hat die Revision des Verurteilten gegen das Urteil des [X.] vom 13. Dezember 2012 mit Urteil vom 8. Oktober 2014 verworfen. Die Revisionsentscheidung des [X.]s ist seinem Verteidiger am 7. November 2014 zugegangen. Mit dessen Schriftsatz vom 13. November 2014, der beim [X.] am Folgetag eingegangen ist, hat der Verurteilte hiergegen die Anhörungsrüge erhoben. Er hat beantragt, das Urteil des [X.]s aufzuheben und das Verfahren in den Stand vor Erlass des Urteils zurückzuversetzen.

2

Der zulässige Rechtsbehelf ist unbegründet; es liegt keine Verletzung des rechtlichen Gehörs (§ 356a StPO) vor.

3

1. Der [X.] hat weder Verfahrensstoff noch Tatsachen oder Beweisergebnisse verwertet, zu denen der Verurteilte zuvor nicht gehört worden wäre. Auch wurde zu berücksichtigendes Vorbringen nicht übergangen, noch in sonstiger Weise der Anspruch des Verurteilten auf rechtliches Gehör verletzt.

4

Der Umstand, dass der [X.] die Rechtsansicht der Verteidigung des Verurteilten zwar zur Kenntnis genommen hat, ihr aber im Ergebnis nicht gefolgt ist, stellt keine Verletzung des rechtlichen Gehörs dar. Es ist schon grundsätzlich davon auszugehen, dass das Gericht das von ihm entgegengenommene Vorbringen eines Beteiligten auch zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen hat (vgl. [X.] [Kammer], Beschluss vom 30. Juni 2014 - 2 BvR 792/11 Rn. 16 mwN, [X.], 434), zumal es nach Art. 103 Abs. 1 GG nicht dazu verpflichtet ist, jedes Vorbringen eines Beteiligten ausdrücklich zu bescheiden (vgl. [X.], Beschluss vom 20. Juni 2007 - 2 BvR 746/07; [X.], [X.]sbeschluss vom 31. Juli 2006 - 1 [X.]/06 mwN). Jedenfalls wurden hier der gesamte schriftliche Vortrag des Verurteilten sowie die Ausführungen der Verteidigung in der Revisionshauptverhandlung bei der Entscheidungsfindung des [X.]s berücksichtigt.

5

2. Soweit der Verurteilte (wie schon sein Verteidiger in der Revisionshauptverhandlung) geltend macht, er habe in seiner Revisionsbegründung ausführlich dargelegt, dass die Beweiswürdigung des [X.] rechtsfehlerhaft sei, deckt er keinen Verstoß gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör auf.

6

Das [X.] hat sich in dem angefochtenen Urteil im Rahmen der Beweiswürdigung ausführlich mit der Frage der Kenntnis des Angeklagten und der beiden Mitangeklagten von der Vorspiegelung falscher Tatsachen durch die Haupt- und Untervermittler auseinandergesetzt ([X.]). Es hat sich dabei, gestützt auf Zeugenaussagen, u.a. davon überzeugt, dass allen Angeklagten aufgrund von Besprechungen bewusst war, dass gezielt nach Käufern gesucht wurde, die bereits Schulden hatten und nur über niedrige Einkommen verfügten ([X.]), und dass dieser Käuferkreis mit falschen Versprechungen zum Kaufabschluss bewogen werden musste ([X.]). Weiterhin hat es in den Blick genommen, dass die „nicht zutreffenden Rechenbeispiele", die den Kunden vorgelegt wurden, (auch) im Büro der Angeklagten erstellt worden waren ([X.]). Es hat sich, wiederum gestützt auf Zeugenaussagen, zudem davon überzeugt, dass die Angeklagten „ganz konkret" mit V or-würfen über nicht zutreffende Versprechungen der Haupt- und Untervermittler konfrontiert waren. Aufgrund einer Gesamtwürdigung einer Vielzahl von Indizien hat sich das [X.] schließlich die Überzeugung gebildet, dass die Angeklagten spätestens Anfang 2007 wussten, dass die Vermittler die Käufer mit falschen Versprechungen zum Abschluss von Kaufverträgen bewegten und dass sich die Angeklagten diese falschen Versprechungen für ihre Verkaufsabschlüsse nutzbar machten ([X.]). Im Rahmen seiner Ausführungen zur Beweiswürdigung hat das [X.] zudem seine Überzeugung von der Mitwirkung des Angeklagten in jedem Einzelfall begründet; dabei hat es dargelegt, dass der Angeklagte in jedem Einzelfall wesentliche Entscheidungen traf, indem er u.a. die Objekte und die Kaufpreise festsetzte, entschied, ob ein Kunde „geeignet" war, die Provisionen an die Vermittler freigab und teilweise auch [X.] persönlich an die Käufer auszahlte ([X.], 56).

7

Seine Überzeugung vom Wissen der Angeklagten, dass diese die Verkäufe jeweils zu Preisen vorgenommen hatten, die nicht den Verkehrswerten entsprachen, hat das [X.] auf [X.] ff., insbesondere [X.], im Einzelnen begründet. Das [X.] hat im Rahmen der Beweiswürdigung auch dargelegt, aus welchen Gründen es zu der Überzeugung gelangt ist, dass den Käufern über die Finanzierung des bevorstehenden Immobilienerwerbs unrichtige Tatsachenangaben gemacht wurden die nicht zutreffen konnten ([X.] ff.).

8

Der Umstand, dass die Verteidigung die Beweise anders als das [X.] würdigt, zeigt keine Verletzung des Anspruchs des Verurteilten auf rechtliches Gehör auf.

9

Dasselbe gilt für die Beanstandung, der Vorwurf mittäterschaftlichen und bandenmäßigen Handelns sei nicht belegt; die Beweiswürdigung des [X.] ist auch insoweit tragfähig ([X.] UA S. 13, 21). Dass der [X.] der Auffassung des [X.] nicht gefolgt ist, es liege ein uneigentliches Organisationsdelikt vor ([X.]), offenbart keine Verletzung des Anspruchs des Verurteilten auf rechtliches Gehör.

3. Soweit der Verurteilte behauptet, zwischen der Täuschung der Käufer und dem angenommenen Vermögensschaden bestehe kein Ursachenzusammenhang, deckt er ebenfalls keinen Gehörsverstoß auf. Vielmehr besteht ein Ursachenzusammenhang, wie der [X.] in den Urteilsgründen näher dargelegt hat. Soweit der [X.] in diesem Zusammenhang ergänzend darauf hingewiesen hat, das [X.] habe nicht festgestellt, die Käufer könnten bereit gewesen sein, Wohnungen zu einem über dem Verkehrswert liegenden Preis und somit überteuert zu erwerben und damit ihr Vermögen objektiv weiter zu vermindern bzw. ihre Überschuldung weiter zu erhöhen ([X.] f.), trifft dies zu.

Die dem Urteil des 5. Strafsenats vom 20. März 2013 im Verfahren 5 StR 344/12 ([X.]St 58, 205) zugrunde liegende Rechtsauffassung zur Schadensfeststellung bei Betrug hat der [X.] in den Blick genommen. Da der vorliegende Fall jedoch anders gelagert war als die dort zugrunde liegende Fallkonstellation, wie vom [X.] dargelegt ([X.]), bedurfte es entgegen der Auffassung des Verurteilten keiner Anrufung des [X.] gemäß § 132 Abs. 2 GVG.

Im Hinblick auf die Ausführungen des [X.] zum nicht vorhandenen Erfordernis einer „Stoffgleichheit" zwischen Täuschung und Schaden in seinem schriftlichen Antrag auf Verwerfung der Revision des Verurteilten (dort S. 7), bestand für die Verteidigung in der Revisionshauptverhandlung Gelegenheit zur Klarstellung. Jedenfalls rechtfertigen auch die rechtlich zutreffenden Ausführungen im Urteil des [X.]s zur Frage des Erfordernisses einer Stoffgleichheit zwischen dem Gegenstand der Täuschung und dem entstandenen Vermögensschaden ([X.]) nicht die Besorgnis des Verurteilten, der [X.] könnte das [X.] nicht zur Kenntnis genommen haben.

4. Der Vortrag des Verurteilten zur Begründung seiner Anhörungsrügen erschöpft sich letztlich in einer Wiederholung und Vertiefung des [X.]s. Die Anhörungsrüge dient jedoch - zumal wenn wie hier im Rahmen einer Revisionshauptverhandlung rechtliches Gehör gewährt worden ist - nicht dazu, das Revisionsgericht dazu zu veranlassen, das [X.] nochmals zu überprüfen.

Im [X.] enthalten die (neuerlichen) Ausführungen des Verurteilten den Vorwurf, der [X.] habe in der Sache fehlerhaft entschieden. Mit diesem Vorbringen kann er aber im Rahmen des § 356a StPO nicht gehört werden (vgl. u.a. [X.]sbeschluss vom 9. November 2006 - 1 [X.]/06 mwN). Der [X.] hat die Entscheidung ausführlich begründet und die entscheidungserheblichen Punkte angesprochen; einer weitergehenden Begründung des Urteils bedurfte es nicht. Entgegen der Auffassung des Verurteilten hat der [X.] seine Entscheidung auch nicht auf Ausführungen gestützt, mit denen der Verurteilte nach dem bisherigen Prozessverlauf nicht zu rechnen brauchte.

5. Soweit der Verurteilte nun erstmals eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung im Revisionsverfahren beanstandet, deckt er einen Verstoß gegen Art. 103 Abs. 2, Art. 2 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG nicht auf.

Zwar weist er zutreffend darauf hin, dass der Antrag des [X.] auf Revisionsverwerfung bereits am 23. August 2013 gefertigt worden ist (Eingang beim [X.] am 29. August 2013), das Urteil aber erst am 8. Oktober 2014 verkündet worden ist. Gleichwohl wurde das Revisionsverfahren vom [X.] nicht verzögert, sondern stets gefördert.

Ob die Verfahrensdauer angemessen ist, muss nach den Umständen des Einzelfalls beurteilt werden. Wie auch in den Ausführungen der Verteidigung in der vorliegenden Anhörungsrüge deutlich wird, hatte das Verfahren eine umfangreiche Wirtschaftsstrafsache mit schwierigen und grundlegenden Fragen zur Dogmatik des Straftatbestands des Betruges beim Verkauf von Immobilien, insbesondere zur Bestimmung des Vermögensschadens, zum Gegenstand. Hinzu kamen, wie schon aus Art, Zahl und Umfang der mit den Revisionen erhobenen [X.] und verfahrensrechtlichen Beanstandungen erkennbar wird, eine Vielzahl von weiteren Rechts- und Verfahrensfragen. Der Sachverhalt war komplex und wies im Hinblick auf die Einschaltung von Vermittlern und Untervermittlern sowie die Verknüpfung von Erwerbs- mit Finanzierungsgeschäften tatsächliche und rechtliche Besonderheiten auf. Bereits die tatrichterliche Hauptverhandlung hatte sich deshalb über 13 Monate erstreckt, in der 37 Sitzungstage stattfanden (zur Terminierung in komplexen und schwierigen Wirtschaftsstrafsachen vgl. [X.], Beschluss vom 20. März 2008 - 1 [X.], [X.]R StPO § 213 Terminierung 1).

Dies machte es für den [X.] erforderlich, nach gründlicher Vorbereitung der ersten [X.]sberatung einschließlich der Aufarbeitung vorhandener Rechtsprechung zu den einzelnen Fragenkomplexen ergänzende umfangreiche Beratungen durchzuführen, bei denen weitere Rechtsfragen zu klären waren. Diese ergaben sich aus der Verschränkung der einzelnen materiellen Rechtsfragen untereinander sowie mit den aufgeworfenen verfahrensrechtlichen Fragen erst aus dem Zwischenergebnis der ersten [X.]sberatung. Auch diese Beratungen mussten wieder gründlich vorbereitet werden.

Schließlich ergab sich die Notwendigkeit, über die Revision des Verurteilten auch noch eine Revisionshauptverhandlung durchzuführen. In dieser Verhandlung vom 16. September 2014 hatte die Verteidigung die Gelegenheit, ihre rechtlichen Bedenken gegen das Urteil des [X.] noch einmal darzulegen und mit dem [X.] und dem Vertreter des [X.] zu erörtern.

Erst nach weiteren ausführlichen Beratungen, in denen auch das neue Vorbringen der Verteidigung eingehend gewürdigt worden ist, konnte der [X.] am 8. Oktober 2014 das Urteil in dieser Sache fällen und verkünden.

Die Gesamtdauer des Revisionsverfahrens ist somit im Hinblick auf dessen Umfang und Schwierigkeit angemessen.

6. [X.] folgt aus einer entsprechenden Anwendung des § 465 Abs. 1 StPO (vgl. u.a. [X.], Beschluss vom 5. Mai 2014 - 1 StR 82/14).

Raum                            Cirener                           [X.]

                 Fischer                             Jäger

Meta

1 StR 359/13

29.01.2015

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend BGH, 8. Oktober 2014, Az: 1 StR 359/13, Urteil

§ 356a StPO, Art 103 Abs 1 GG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 29.01.2015, Az. 1 StR 359/13 (REWIS RS 2015, 16345)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 16345


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. 1 StR 359/13

Bundesgerichtshof, 1 StR 359/13, 29.01.2015.

Bundesgerichtshof, 1 StR 359/13, 08.10.2014.


Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.