Bundessozialgericht, Beschluss vom 26.02.2020, Az. B 14 AS 133/19 B

14. Senat | REWIS RS 2020, 2505

© Bundessozialgericht, Dirk Felmeden

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Sozialgerichtliches Verfahren - Nichtzulassungsbeschwerde - Verfahrensmangel - Rüge der Verletzung rechtlichen Gehörs durch vermeintliche Überraschungsentscheidung - Berufungsverwerfung aufgrund der Nichtfeststellbarkeit des Erreichens des Beschwerdewertes - Unzulässigkeit der isolierten Anfechtungsklage gegen eine abschließende Entscheidung in Verfahren nach dem SGB 2


Tenor

Die Beschwerde der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des [X.] vom 15. Januar 2019 - L 10 AS 64/17 - wird als unzulässig verworfen.

Der Antrag der Kläger, ihnen für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe zu bewilligen und Rechtsanwältin [X.], U., beizuordnen, wird abgelehnt.

Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe

1

Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in der angefochtenen Entscheidung ist als unzulässig zu verwerfen (§ 160a Abs 4 Satz 1 iVm § 169 [X.]), weil der zu ihrer Begründung allein angeführte Zulassungsgrund des [X.] (§ 160 Abs 2 [X.] [X.]) nicht gemäß § 160a Abs 2 Satz 3 [X.] schlüssig dargelegt ist.

2

Gemäß § 160 Abs 2 [X.] [X.] ist die Revision zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung von § 109 [X.] und § 128 Abs 1 Satz 1 [X.] (Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung) und auf eine Verletzung des § 103 [X.] (Amtsermittlungsgrundsatz) nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das [X.] ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Um einen Verfahrensmangel in diesem Sinne geltend zu machen, müssen die Umstände bezeichnet werden, die den entscheidungserheblichen Mangel ergeben sollen (vgl [X.] vom 29.9.1975 - 8 [X.] 64/75 - [X.] 1500 § 160a [X.]; B[X.] vom 24.3.1976 - 9 BV 214/75 - [X.] 1500 § 160a [X.]; B[X.] vom 18.2.1980 - 10 BV 109/79 - [X.] 1500 § 160a [X.]6 S 53). Dem genügt das Beschwerdevorbingen, mit dem die Kläger insbesondere eine Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art 103 Abs 1 [X.], § 62 [X.]) durch eine Überraschungsentscheidung rügen, nicht.

3

Gemäß § 62 Halbsatz 1 [X.], der dem schon in Art 103 Abs 1 [X.] verankerten prozessualen Grundrecht entspricht (vgl Neumann in [X.], [X.], § 62 RdNr 6 ff, Stand Juni 2015), ist den Beteiligten vor jeder Entscheidung des Gerichts rechtliches Gehör zu gewähren. Die richterliche Hinweispflicht (§ 106 Abs 1 [X.]) konkretisiert den Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs ([X.] in [X.], [X.], § 106 Rd[X.]0, Stand September 2010) und zielt mit dieser Funktion insbesondere auf die Vermeidung von Überraschungsentscheidungen (vgl B[X.] vom [X.] AS 47/15 R - [X.], 25 = [X.] 4-1500 § 114 [X.], Rd[X.]4). Eine den Anspruch auf rechtliches Gehör verletzende Überraschungsentscheidung liegt allerdings nur vor, wenn das Urteil auf Gesichtspunkte gestützt wird, die bisher nicht erörtert worden sind, und dadurch der Rechtsstreit eine unerwartete Wendung nimmt, mit der auch ein gewissenhafter Prozessbeteiligter nach dem bisherigen [X.] selbst unter Berücksichtigung der Vielzahl vertretbarer Rechtsauffassungen nicht zu rechnen braucht (vgl nur B[X.] vom 22.4.2015 - B 3 P 8/13 R - [X.], 239 = [X.] 4-3300 § 23 [X.], Rd[X.]7; [X.] in [X.]/[X.]/[X.]/[X.], [X.], 12. Aufl 2017, § 62 RdNr 8b). Der Verfahrensmangel einer Überraschungsentscheidung ist deshalb nur dann schlüssig bezeichnet, wenn im Einzelnen vorgetragen wird, aus welchen Gründen auch ein gewissenhafter Prozessbeteiligter aufgrund des bisherigen Prozessverlaufs nicht damit rechnen musste, dass das Gericht seine Entscheidung auf einen bestimmten Gesichtspunkt stützt ([X.] - [X.] R 40/16 B - RdNr 9).

4

Eine solche unerwartete Verfahrenswendung ist nicht nachvollziehbar dargelegt. Soweit die Kläger sie sinngemäß darin sehen, dass das [X.] ihre Berufung als unstatthaft verworfen hat, weil sich nicht habe feststellen lassen, ob im Streit um die abschließende Entscheidung über existenzsichernde Leistungen für März und April 2014 der [X.] von 750 Euro nach § 144 Abs 1 Satz 1 [X.] [X.] erreicht ist, hätten sie darlegen müssen, welche bezifferten oder zumindest bezifferbaren (vgl nur [X.] in [X.]/[X.]/[X.]/[X.], [X.], 12. Aufl 2017, § 144 Rd[X.]5b) Anträge sie erst- und zweitinstanzlich gestellt haben und weshalb auf dieser Grundlage mit einer Verwerfung ihrer Berufung als unstatthaft nicht zu rechnen war. Solche Angaben sind dem Vorbringen nicht zu entnehmen.

5

Zu den gestellten Anträgen teilt die Beschwerde nur mit, dass erstinstanzlich überhaupt Klage erhoben ("erhoben die Kläger Klage") und in der Berufungsinstanz die Aufhebung des mit der Klage angefochtenen Bescheids beantragt worden ist ("Bescheid … aufzuheben"); welches ihnen vom [X.] versagte wirtschaftliche Interesse die Kläger im Berufungsverfahren weiter verfolgt haben (vgl nur [X.] in [X.]/[X.]/[X.]/[X.], [X.], 12. Aufl 2017, § 144 Rd[X.]4 mwN), geht daraus nicht hervor. Soweit nach dem weiteren Vorbringen für März und April 2014 existenzsichernde Leistungen nach dem [X.]B II - sinngemäß - zunächst vorläufig bewilligt worden sind und sie auf die abschließende Entscheidung hin überzahlte Leistungen in Höhe von insgesamt 379,15 Euro zu erstatten haben, ist damit die Wertgrenze nach § 144 Abs 1 Satz 1 [X.] [X.] nicht erreicht.

6

Und soweit ihnen - wie sie geltend machen - vorläufig monatlich jeweils 650,99 Euro bewilligt worden waren und ihr Anspruch abschließend auf 405,66 Euro - so Blatt 4 der Beschwerdebegründung - bzw 202,83 Euro - so Blatt 1 - festgesetzt worden ist, lässt das einen Schluss auf den Wert des [X.] allein nicht zu. Insbesondere beläuft er sich nicht nur deshalb auf 1301,98 Euro (650,99 [X.]), weil die abschließende Entscheidung - wie sie geltend machen - mangels einer ausreichenden Anhörung der Aufhebung unterliegen könnte. Selbst wenn dem zu folgen wäre, ist in Verfahren nach dem [X.]B II die isolierte Anfechtung einer abschließenden Entscheidung ohne Geltendmachung dessen, was als Leistung tatsächlich beansprucht wird, prozessual ausgeschlossen (vgl nur B[X.] vom 12.9.2018 - B 4 AS 39/17 R - B[X.]E 126, 294 = [X.] 4-4200 § 41a [X.], Rd[X.]1 zu § 41a [X.]B II mwN, was sinngemäß für die Rechtslage im Streitzeitraum hier ebenfalls gilt). Dass das [X.] solchen Vortrag übergangen haben könnte, ist dem Beschwerdevorbringen nicht substantiiert zu entnehmen.

7

Schließlich ist aus den genannten Gründen auch eine Verletzung von § 123 [X.] nicht schlüssig gerügt, soweit die Kläger meinen, dass allein wegen des (vermeintlichen) Anhörungsmangels die abschließende Entscheidung aufzuheben gewesen wäre und die vorläufige Bewilligung hätte wiederaufleben müssen.

8

PKH gemäß § 73a [X.] iVm § 114 ZPO ist nicht zu bewilligen, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung nach den obigen Ausführungen keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Der Antrag auf Beiordnung eines Rechtsanwalts (§ 73a [X.] iVm § 121 ZPO) ist abzulehnen, weil kein Anspruch auf PKH besteht.

9

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung der §§ 183, 193 [X.].

Meta

B 14 AS 133/19 B

26.02.2020

Bundessozialgericht 14. Senat

Beschluss

Sachgebiet: AS

vorgehend SG Neubrandenburg, 3. Januar 2017, Az: S 13 AS 707/15, Gerichtsbescheid

§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG, § 160a Abs 2 S 3 SGG, § 144 Abs 1 S 1 Nr 1 SGG, § 62 Halbs 1 SGG, Art 103 Abs 1 GG, § 54 Abs 4 SGG, SGB 2

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Beschluss vom 26.02.2020, Az. B 14 AS 133/19 B (REWIS RS 2020, 2505)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2020, 2505

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

B 11 AL 23/17 B (Bundessozialgericht)

Sozialgerichtliches Verfahren - Nichtzulassungsbeschwerde - Darlegung des Verfahrensmangels - Verletzung des rechtlichen Gehörs - richterliche …


B 11 AL 22/18 B (Bundessozialgericht)

Nichtzulassungsbeschwerde - Verfahrensmangel - Überraschungsentscheidung


B 14 AS 148/13 B (Bundessozialgericht)

Sozialgerichtliches Verfahren - Unzulässigkeit der Berufung - Nichtzulassung - Unterschreitung des Beschwerdewerts - Grundsicherung für …


B 11 AL 151/10 B (Bundessozialgericht)

Nichtzulassungsbeschwerde - Darlegung eines Verfahrensmangels - Bindung an die rechtliche Beurteilung des Revisionsgerichts bei Zurückverweisung


B 4 AS 188/20 B (Bundessozialgericht)

Sozialgerichtliches Verfahren - Nichtzulassungsbeschwerde - Verfahrensmangel - gesetzlicher Richter - Berufungsverfahren - Übertragung des Verfahrens …


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.