Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 25.01.2024, Az. 8 AS 17/23

8. Senat | REWIS RS 2024, 220

ARBEITSRECHT ALLGEMEINES GLEICHBEHANDLUNGSGESETZ DISKRIMINIERUNG BUNDESARBEITSGERICHT (BAG) INDIVIDUAL-ARBEITSRECHT LANDESARBEITSGERICHT BERLIN-BRANDENBURG

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Gegenstand

Befangenheitsantrag - Beschlussunfähigkeit des Landesarbeitsgerichts - Zuständigkeit des zunächst höheren Gerichts


Tenor

Die Ablehnungsgesuche des Klägers vom 20. September 2023 werden zurückgewiesen, soweit sie sich gegen die Vorsitzenden der Kammern 6, 8, 10, 12 und 14 des [X.] richten.

Gründe

1

I. Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte dem Kläger eine Entschädigung nach § 15 [X.]bs. 2 [X.]GG zu zahlen hat wegen eines Verstoßes gegen das Verbot der Benachteiligung aufgrund des Geschlechts.

2

Das [X.]rbeitsgericht hat die auf Zahlung einer Entschädigung iHv. 5.400,00 Euro gerichtete Klage abgewiesen. Das Entschädigungsverlangen des [X.] verstoße gegen [X.] und Glauben (§ 242 BGB). Der Kläger habe sich den formalen Bewerberstatus treuwidrig verschafft, um eine Entschädigungsklage führen zu können. So habe der tatsächlich nicht in [X.] oder Umgebung lebende Kläger innerhalb von 15 Monaten elf Klagen wegen Geschlechtsdiskriminierung in [X.] eingereicht, bei denen er sich zuvor auf Stellenausschreibungen für eine „Sekretärin“ auf dem Portal „[X.]“ beworben habe. Darüber hinaus habe er im Bewerbungsverfahren auch ausdrücklich darauf hingewiesen, dass er keine Frau sei. Weiter habe er im Kammertermin keine Erklärungen abgegeben, die die Zweifel an der fehlenden Ernsthaftigkeit auszuräumen vermochten. Er habe insbesondere nicht einmal behauptet, die Stelle in [X.] überhaupt antreten zu wollen. Die [X.] des [X.]s [X.]-Brandenburg hat die Berufung des [X.] durch ein unechtes Versäumnisurteil vom 6. September 2023 (- 4 [X.]/22 -) zurückgewiesen. Zur Begründung hat das [X.] ausgeführt, bereits aus dem eigenen Vorbringen des [X.] ergebe sich, dass sein Entschädigungsbegehren rechtsmissbräuchlich sei. Die erfolglose Bewerbung des [X.] sei mit dem ausschließlichen Ziel erfolgt, [X.]nsprüche auf eine Entschädigung geltend zu machen.

3

Der Kläger hat mit zwei Schriftsätzen vom 20. September 2023 [X.] gegen den Vorsitzenden der [X.] des [X.]s [X.]-Brandenburg, Dr. Schleusener, die ehrenamtliche [X.]in [X.], den ehrenamtlichen [X.] [X.] sowie „sämtliche Befangenen Vertreter des [X.]s [X.]-Brandenburg ausweislich Ziffer 1.2.1 des [X.]“ gestellt.

4

Zur Begründung seiner [X.] gegen den Vorsitzenden der [X.] hat der Kläger insbesondere geltend gemacht, das [X.] sei in rechtlich nicht vertretbarer Weise davon ausgegangen, die Klage sei wegen des Einwands des Rechtsmissbrauchs unschlüssig, obwohl die Beklagte den Rechtsmissbrauchseinwand gar nicht erhoben habe. Die [X.] des [X.]s habe den [X.] verletzt und rechtswidrig [X.]kten anderer Kammern beigezogen.

5

Im Übrigen habe das [X.] mehrere [X.] des [X.] gegen den Vorsitzenden der [X.] sowie verschiedene ehrenamtliche [X.] dieser Kammer zu Unrecht zurückgewiesen. Es bestehe gegen sämtliche [X.]innen und [X.] am [X.] die Besorgnis der Befangenheit. Die Kammern verstießen vorsätzlich gegen geltendes Recht. Es sei unter den [X.]innen und [X.]n abgesprochen, dass Klagen des [X.] abgewiesen würden.

6

[X.]m 25. Oktober 2023 hat die Vorsitzende der [X.] als Vertreterin des Vorsitzenden in [X.] verfügt, dass die [X.]kten mit Verweis auf die vom Kläger gestellten [X.]blehnungsanträge an das [X.] versendet werden, ohne dass zuvor dienstliche Stellungnahmen der abgelehnten [X.]innen und [X.] eingeholt worden sind.

7

II. Die [X.] gegen die Vorsitzende der [X.] sind jedenfalls unbegründet, die [X.] gegen die Vorsitzenden der Kammern 8, 10, 12 und 14 sind unzulässig. Hinsichtlich der [X.] gegen die ehrenamtlichen [X.]innen und [X.] sowie hinsichtlich des Vorsitzenden der [X.] und der weiteren Vorsitzenden [X.]innen und [X.] des [X.]s sieht der Senat von einer Entscheidung ab. Es liegt im Ermessen des übergeordneten Gerichts, über welche der [X.] es - unter dem Gesichtspunkt der Sachangemessenheit - entscheidet ([X.] 8. Dezember 2021 - XII [X.]RZ 39/21 - Rn. 11; 25. [X.]ugust 2020 - VIII [X.]RZ 2/20 - Rn. 22, [X.]Z 226, 350). Eine Entscheidung über sämtliche [X.] ist nicht erforderlich, um die Entscheidungsfähigkeit des [X.]s wiederherzustellen. Die Vorsitzende der [X.] ist aufgrund der vorliegenden Entscheidung als nach Nr. 1.2.2 iVm. Nr. 1.2.1 des [X.] des [X.]s [X.]-Brandenburg zuständige Vorsitzende in der Lage, über die [X.] gegen den in der Sache zuständigen Vorsitzenden der [X.] zu entscheiden. Im Falle ihrer Verhinderung treten an ihre Stelle die weiteren nach Nr. 1.2.2 iVm. Nr. 1.2.1 des [X.] zur Entscheidung berufenen Vorsitzenden der Kammern 8, 10, 12 und 14.

8

1. Das [X.] ist als das gegenüber dem [X.] [X.]-Brandenburg im Rechtszug zunächst höhere Gericht nach § 46 [X.]bs. 2 [X.]rbGG iVm. § 45 [X.]bs. 3 ZPO für die Entscheidung über die [X.] zuständig ([X.] 7. Februar 1968 - 5 [X.]/68 -). Das [X.] hat die [X.] vorgelegt, weil dort davon ausgegangen worden ist, dass es beschlussunfähig iSv. § 45 [X.]bs. 3 ZPO geworden ist. Um Verzögerungen der sachlichen Erledigung des Rechtsstreits zu vermeiden, ist die Zuständigkeit des nach § 45 [X.]bs. 3 ZPO im Rechtszug zunächst höheren Gerichts auch dann eröffnet, wenn die abgelehnten [X.] zulässigerweise selbst über das [X.]blehnungsgesuch hätten entscheiden können ([X.] 8. Dezember 2021 - XII [X.]RZ 39/21 - Rn. 9; 25. [X.]ugust 2020 - VIII [X.]RZ 2/20 - Rn. 16, [X.]Z 226, 350).

9

2. Die [X.] gegen die Vorsitzende der [X.] des [X.]s [X.]-Brandenburg sind jedenfalls unbegründet.

a) Die [X.] gegen die Vorsitzende der [X.] sind nicht mit Blick auf die unter ihrem Vorsitz ergangenen Entscheidungen über [X.] des [X.] vom 11. Januar 2023, 21. Juni 2023 mit der Klarstellung vom 8. Juli 2023 und 31. [X.]ugust 2023 oder die Entscheidung über die [X.]nhörungsrüge vom 8. Mai 2023 begründet. Der Kläger beanstandet insoweit, die damaligen [X.] hätten nicht als unzulässig verworfen werden dürfen.

b) Nach § 42 [X.]bs. 2 ZPO setzt die [X.]blehnung wegen Besorgnis der Befangenheit einen Grund voraus, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit eines [X.]s zu rechtfertigen. Gründe für ein solches Misstrauen sind gegeben, wenn ein Beteiligter von seinem Standpunkt aus bei vernünftiger, objektiver Betrachtung davon ausgehen kann, dass der [X.] nicht unvoreingenommen entscheiden werde ([X.] 20. [X.]ugust 2019 - 3 [X.] 530/19 ([X.]) - Rn. 8; 7. November 2012 - 7 [X.]ZR 646/10 ([X.]) - Rn. 18, [X.]E 143, 256). Die vermeintliche Fehlerhaftigkeit der einer Entscheidung zugrunde liegenden Rechtsanwendung ist - von Fallgestaltungen einer offensichtlichen Unhaltbarkeit abgesehen - nicht geeignet, eine [X.]blehnung wegen Besorgnis der Befangenheit zu begründen ([X.] 20. [X.]ugust 2019 - 3 [X.] 530/19 ([X.]) - Rn. 15; [X.] 10. [X.]pril 2018 - VIII ZR 127/17 - Rn. 6 mwN). Vorliegend ergeben sich keine [X.]nhaltspunkte dafür, dass den Entscheidungen über frühere [X.] sowie die [X.]nhörungsrüge des [X.] unter Beteiligung der Vorsitzenden der [X.] eine offensichtlich unhaltbare Rechtsanwendung zugrunde lag. Eine offensichtlich unhaltbare Rechtsanwendung liegt nicht deshalb vor, weil die von der Vorsitzenden der [X.] mitverantworteten Entscheidungen über diese [X.]nträge der Rechtsauffassung des [X.] nicht gefolgt sind.

c) Die Entscheidung über die [X.] gegen die Vorsitzende der [X.] des [X.]s [X.]-Brandenburg konnte ohne vorherige dienstliche Stellungnahme nach § 44 [X.]bs. 3 ZPO erfolgen, weil sich die geltend gemachten [X.]blehnungsgründe sämtlich auf aktenkundige Vorgänge beziehen. Unter solchen Umständen könnte eine dienstliche Erklärung zur Sachaufklärung nichts beitragen und ist daher entbehrlich ([X.] 2. November 2016 - [X.]nwZ ([X.]) 61/15 - Rn. 17; 27. Dezember 2011 - V [X.]/11 - Rn. 2).

3. Die [X.] gegen die Vorsitzenden der Kammern 8, 10, 12 und 14 des [X.]s [X.]-Brandenburg sind offensichtlich unzulässig.

a) Enthält ein [X.]blehnungsgesuch lediglich [X.]usführungen, die zur Begründung der Besorgnis der Befangenheit gänzlich ungeeignet sind, ist es offensichtlich unzulässig. In derartigen Fällen bedarf es keiner dienstlichen Stellungnahme der abgelehnten [X.]innen und [X.]; diese sind auch von einer Entscheidung über das offensichtlich unzulässige [X.]blehnungsgesuch nicht ausgeschlossen ([X.] 2. November 2023 - 2 BvR 1565/22 - Rn. 4). Ein [X.]blehnungsgesuch, das sich pauschal gegen einen gesamten Spruchkörper oder sogar gegen sämtliche [X.] eines Gerichts richtet, ist in der Regel eindeutig unzulässig ([X.] 25. [X.]ugust 2020 - VIII [X.]RZ 2/20 - Rn. 19, [X.]Z 226, 350; 8. Juli 2019 - [X.] - Rn. 5).

b) Die [X.] gegen die Vorsitzenden der Kammern 8, 10, 12 und 14 begründet der Kläger pauschal damit, sämtliche [X.] des [X.]s seien befangen. Diese Begründung ist gänzlich ungeeignet, die Besorgnis der Befangenheit zu rechtfertigen. Eine [X.]usnahme von der Regel, dass die pauschale [X.]blehnung sämtlicher [X.]innen und [X.] eines Gerichts regelmäßig offensichtlich unzulässig ist, ergibt sich nicht aus dem Umstand, dass der Kläger die pauschale [X.]blehnung aller Vorsitzenden des Gerichts damit begründet, diese hätten sich abgesprochen. Der Kläger begründet seine Behauptung, sämtliche [X.]innen und [X.] hätten sich zu seinen Lasten abgesprochen, in keiner Weise nachvollziehbar.

III. Das [X.] wird nunmehr durch die Vorsitzende der [X.] als [X.] des Vorsitzenden der [X.] mit den dafür vorgesehenen ehrenamtlichen [X.]innen und [X.]n über die Befangenheitsanträge vom 20. September 2023 zu entscheiden haben, soweit sie sich gegen den Vorsitzenden der [X.] und die ehrenamtliche [X.]in sowie den ehrenamtlichen [X.] richten, die am Urteil vom 6. September 2023 mitgewirkt haben.

IV. Sollten im [X.]nschluss an den vorliegenden Beschluss des Senats gemäß § 45 [X.]bs. 3 ZPO noch weitere inhaltsgleiche [X.] in Entschädigungsverfahren des [X.] nach § 15 [X.]bs. 2 [X.]GG - erstmals oder zum wiederholten Male - angebracht werden, wird das [X.] eine eigene Verwerfung dieser [X.] als unzulässig in Betracht zu ziehen haben (vgl. [X.] 25. [X.]ugust 2020 - VIII [X.]RZ 2/20 - Rn. 30 mwN, [X.]Z 226, 350).

        

    Spinner    

        

    Berger    

        

    Pulz    

        

        

        

        

        

        

                 

Meta

8 AS 17/23

25.01.2024

Bundesarbeitsgericht 8. Senat

Beschluss

Sachgebiet: AS

vorgehend ArbG Berlin, 22. Februar 2022, Az: 42 Ca 716/22, Versäumnisurteil

§ 42 Abs 2 ZPO, § 46 Abs 2 ArbGG, § 45 Abs 3 ZPO, § 44 Abs 3 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 25.01.2024, Az. 8 AS 17/23 (REWIS RS 2024, 220)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2024, 220

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8 AS 20/23 (Bundesarbeitsgericht)


3 Sa 777/16 (Landesarbeitsgericht Köln)


VIII ARZ 2/20 (Bundesgerichtshof)

Ablehnung sämtlicher Richter eines Oberlandesgerichts wegen Besorgnis der Befangenheit: Entscheidung des im Rechtszug höheren Gerichts …


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VIII ARZ 2/20

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