Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 25.01.2024, Az. 8 AS 16/23

8. Senat | REWIS RS 2024, 222

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Gegenstand

Befangenheitsantrag - Beschlussunfähigkeit des Landesarbeitsgerichts - Zuständigkeit des zunächst höheren Gerichts


Tenor

Die Ablehnungsgesuche des Klägers vom 7. Oktober 2023 werden als unzulässig verworfen, soweit sie sich gegen die Vorsitzenden der Kammern 16, 8, 10, 14 und 26 des [X.] richten.

Gründe

1

I. Die Parteien streiten darüber, ob der Beklagte dem Kläger eine Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG zu zahlen hat wegen eines Verstoßes gegen das Verbot der Benachteiligung aufgrund des Geschlechts.

2

Das Arbeitsgericht hat die auf Zahlung einer Entschädigung iHv. (mindestens) 7.800,00 Euro gerichtete Klage abgewiesen. Das Entschädigungsverlangen des [X.] verstoße gegen [X.] und Glauben (§ 242 BGB). Der Kläger habe sich den formalen Bewerberstatus treuwidrig verschafft, um eine Entschädigungsklage führen zu können. So habe der in [X.] ([X.]) wohnhafte Kläger innerhalb von 15 Monaten elf Klagen wegen Geschlechtsdiskriminierung in [X.] eingereicht, bei denen er sich zuvor auf Stellenausschreibungen für eine „Sekretärin“ auf dem Portal „[X.]“ beworben und dabei einen vorformulierten Bewerbungstext versendet habe. Darüber hinaus habe er im Bewerbungsverfahren ausdrücklich darauf hingewiesen, dass er keine Frau sei. Hinzu komme, dass er selbst nicht behauptet habe, sich jemals auf Stellenanzeigen beworben zu haben, die nicht auf den ersten Blick diskriminierend im Sinne des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes seien, und seine Behauptung, nach [X.] ziehen zu wollen, den Umständen nach nicht überzeugend sei. Weiter habe er im Kammertermin keine Erklärungen abgegeben, die die Zweifel an der fehlenden Ernsthaftigkeit auszuräumen vermochten.

3

Gegen dieses Urteil hat der Kläger beim [X.] [X.]-Brandenburg Berufung eingelegt (- 16 [X.] 1349/22 -).

4

Mit Schriftsatz vom 7. Oktober 2023 hat der Kläger [X.] gegen die Vorsitzende der [X.] des [X.]s [X.]-Brandenburg sowie „sämtliche Befangenen Vertreter des [X.]s [X.]-Brandenburg ausweislich Ziffer 1.2.1 des [X.]“ gestellt.

5

Zur Begründung hat der Kläger geltend gemacht, die [X.] würden im Wesentlichen auf das Verfahren vor dem [X.] zum [X.]. - 4 [X.] 900/22 - gestützt, in dem er entsprechende Gesuche angebracht habe. Im dortigen Verfahren habe die [X.] des [X.]s trotz Säumnis der ([X.] die Berufung des [X.] zurückgewiesen und angenommen, die Klage sei wegen des Einwands des Rechtsmissbrauchs unschlüssig, obwohl die Beklagte den Rechtsmissbrauchseinwand gar nicht erhoben habe. Die [X.] des [X.]s habe den [X.] verletzt und rechtswidrig Akten anderer Kammern beigezogen. Im Übrigen habe das [X.] mehrere [X.] des [X.] gegen den Vorsitzenden der [X.] sowie verschiedene ehrenamtliche [X.] dieser Kammer zu Unrecht zurückgewiesen.

6

Es bestehe gegen sämtliche [X.]innen und [X.] am [X.] die Besorgnis der Befangenheit. Die Kammern verstießen vorsätzlich gegen geltendes Recht. Es sei unter den [X.]innen und [X.]n abgesprochen, seine Klagen abzuweisen. Es würden Daten ohne seine Einwilligung verarbeitet und verwendet in der Absicht, ihm zu schaden.

7

In ihrer dienstlichen Stellungnahme vom 9. Oktober 2023 hat die Vorsitzende der [X.] erklärt, da sich der Befangenheitsantrag nicht auf eine konkrete Äußerung oder Handlung beziehe, sei ihr eine weitergehende dienstliche Stellungnahme nicht möglich. Nachdem der Vorsitzende der [X.], dem die [X.]che daraufhin vorgelegt wurde, unter Hinweis auf eine genehmigte Dienstreise seine Verhinderung bis zum 11. Oktober 2023 angezeigt hatte, hat die Vorsitzende der [X.] als Vertreterin des (verhinderten) Vorsitzenden der [X.] verfügt, dass die Akten mit Verweis auf den vom Kläger gestellten Ablehnungsantrag an das [X.] versendet werden, ohne dass zuvor dienstliche Stellungnahmen weiterer abgelehnter [X.]innen und [X.] eingeholt worden sind.

8

II. Das Ablehnungsgesuch gegen die Vorsitzende der [X.] ist offensichtlich unzulässig, ebenso die [X.] gegen die Vorsitzenden der Kammern 8, 10, 14 und 26. Hinsichtlich der [X.] gegen die Vorsitzende der [X.] und den Vorsitzenden der Kammer 4 sowie der weiteren Vorsitzenden [X.]innen und [X.] des [X.]s sieht der Senat von einer Entscheidung ab. Es liegt im Ermessen des übergeordneten Gerichts, über welche der [X.] es - unter dem Gesichtspunkt der [X.]changemessenheit - entscheidet ([X.] 8. Dezember 2021 - XII ARZ 39/21 - Rn. 11; 25. August 2020 - VIII ARZ 2/20 - Rn. 22, [X.]Z 226, 350). Eine Entscheidung über sämtliche [X.] ist nicht erforderlich, um die Entscheidungsfähigkeit des [X.]s wiederherzustellen.

9

1. Das [X.] ist als das gegenüber dem [X.] [X.]-Brandenburg im Rechtszug zunächst höhere Gericht nach § 46 Abs. 2 ArbGG iVm. § 45 Abs. 3 ZPO für die Entscheidung über die [X.] zuständig ([X.] 7. Februar 1968 - 5 [X.]/68 -). Das [X.] hat die [X.] vorgelegt, weil dort davon ausgegangen worden ist, dass es beschlussunfähig iSv. § 45 Abs. 3 ZPO geworden ist. Um Verzögerungen der sachlichen Erledigung des Rechtsstreits zu vermeiden, ist die Zuständigkeit des nach § 45 Abs. 3 ZPO im Rechtszug zunächst höheren Gerichts auch dann eröffnet, wenn die abgelehnten [X.] zulässigerweise selbst über das Ablehnungsgesuch hätten entscheiden können ([X.] 8. Dezember 2021 - XII ARZ 39/21 - Rn. 9; 25. August 2020 - VIII ARZ 2/20 - Rn. 16, [X.]Z 226, 350).

2. Die [X.] gegen die Vorsitzenden der Kammern 16, 8, 10, 14 und 26 des [X.]s [X.]-Brandenburg sind offensichtlich unzulässig.

a) Nach § 42 Abs. 2 ZPO setzt die Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit einen Grund voraus, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit eines [X.]s zu rechtfertigen. Gründe für ein solches Misstrauen sind gegeben, wenn ein Beteiligter von seinem Standpunkt aus bei vernünftiger, objektiver Betrachtung davon ausgehen kann, dass der [X.] nicht unvoreingenommen entscheiden werde ([X.] 20. August 2019 - 3 [X.] 530/19 (A) - Rn. 8; 7. November 2012 - 7 [X.] (A) - Rn. 18, [X.]E 143, 256). Enthält ein Ablehnungsgesuch lediglich Ausführungen, die zur Begründung der Besorgnis der Befangenheit gänzlich ungeeignet sind, ist es offensichtlich unzulässig. In derartigen Fällen bedarf es keiner dienstlichen Stellungnahme der abgelehnten [X.]innen und [X.]; diese sind auch von einer Entscheidung über das offensichtlich unzulässige Ablehnungsgesuch nicht ausgeschlossen ([X.] 2. November 2023 - 2 BvR 1565/22 - Rn. 4). Ein Ablehnungsgesuch, das sich pauschal gegen einen gesamten Spruchkörper oder sogar gegen sämtliche [X.] eines Gerichts richtet, ist in der Regel eindeutig unzulässig ([X.] 25. August 2020 - VIII ARZ 2/20 - Rn. 19, [X.]Z 226, 350; 8. Juli 2019 - [X.] - Rn. 5).

b) Die [X.] gegen die Vorsitzenden der Kammern 16, 8, 10, 14 und 26 begründet der Kläger pauschal damit, sämtliche [X.] des [X.]s seien befangen. Diese Begründung ist gänzlich ungeeignet, die Besorgnis der Befangenheit zu rechtfertigen. Eine Ausnahme von der Regel, dass die pauschale Ablehnung sämtlicher [X.]innen und [X.] eines Gerichts regelmäßig offensichtlich unzulässig ist, ergibt sich nicht aus dem Umstand, dass der Kläger die pauschale Ablehnung aller Vorsitzenden des Gerichts damit begründet, diese hätten sich abgesprochen. Der Kläger begründet seine Behauptung, sämtliche [X.]innen und [X.] hätten sich zu seinen Lasten abgesprochen, in keiner Weise nachvollziehbar. Entsprechendes gilt, soweit er seine Behauptung, es würden Daten ohne Einwilligung des [X.] verarbeitet und in Schädigungsabsicht verwendet, auf die Vorsitzenden der Kammern 16, 8, 10, 14 und 26 bezieht.

III. Sollten im [X.] an den vorliegenden Beschluss des Senats gemäß § 45 Abs. 3 ZPO noch weitere inhaltsgleiche [X.] des [X.] in [X.] nach § 15 Abs. 2 AGG - erstmals oder zum wiederholten Male - angebracht werden, wird das [X.] eine eigene Verwerfung dieser [X.] als unzulässig in Betracht zu ziehen haben (vgl. [X.] 25. August 2020 - VIII ARZ 2/20 - Rn. 30 mwN, [X.]Z 226, 350).

        

    Spinner    

        

    Pulz    

        

    Berger    

        

        

        

        

        

        

                 

Meta

8 AS 16/23

25.01.2024

Bundesarbeitsgericht 8. Senat

Beschluss

Sachgebiet: AS

vorgehend ArbG Berlin, 31. März 2022, Az: 18 Ca 2010/22, Versäumnisurteil

§ 46 Abs 2 ArbGG, § 42 Abs 2 ZPO, § 45 Abs 3 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 25.01.2024, Az. 8 AS 16/23 (REWIS RS 2024, 222)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2024, 222

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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XI ZB 13/19

VIII ARZ 2/20

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