Bundessozialgericht, Urteil vom 30.10.2019, Az. B 4 KG 1/19 R

4. Senat | REWIS RS 2019, 2033

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Gegenstand

(Kinderzuschlag nach § 6a BKGG 1996 - Vermeidung von Hilfebedürftigkeit - Hilfebedürftigkeitsprüfung - Wohngeldnachzahlung - keine Abweichung vom Zuflussprinzip)


Leitsatz

Nachgezahltes Wohngeld ist in dem Monat zu berücksichtigen, in dem es tatsächlich zufließt.

Tenor

Auf die Revision des [X.] wird das Urteil des [X.] vom 17. Dezember 2018 aufgehoben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des [X.] vom 13. November 2017 zurückgewiesen.

Die Beklagte hat dem Kläger die Kosten des Berufungs- und Revisionsverfahrens zu erstatten.

Tatbestand

1

Streitig ist ein Anspruch auf Kinderzuschlag für den Monat April 2016 im Hinblick auf eine Wohngeldnachzahlung.

2

Der Kläger lebte zusammen mit seiner Ehefrau und fünf Kindern, für die er Kindergeld erhielt. Beide Eheleute waren - wenn auch eingeschränkt - erwerbstätig. Der Kläger bezog Wohngeld für die Familie, das im April 2016 für März um 180 Euro im Monat erhöht wurde (von 254 Euro auf 434 Euro: Bescheid der [X.]telle vom [X.]). Ab April betrug der Wohngeldanspruch 453 Euro im Monat. Die [X.]telle zahlte im April 2016 an den Kläger Wohngeld iHv 633 Euro (453 Euro für April zuzüglich 180 Euro Nachzahlung für März).

3

Den Antrag des [X.] auf Bewilligung von Kinderzuschlag ua für April 2016 lehnte die beklagte [X.] als Familienkasse für diesen Monat mit der Begründung ab, durch den Kinderzuschlag könne unter Berücksichtigung des [X.] iHv 453 Euro keine Hilfebedürftigkeit nach dem [X.] vermieden werden (Bescheid vom [X.]; Widerspruchsbescheid vom [X.]). Bei einem Gesamtbedarf der Familie von 2702 Euro und dem insoweit zu berücksichtigenden Einkommen aus Erwerbstätigkeit (525,08 Euro), Kindergeld (1018 Euro) und Wohngeldanspruch (453 Euro) von insgesamt 1996,08 Euro bleibe die Familie selbst bei Bewilligung des Kinderzuschlags in maximaler Höhe von 700 Euro (140 x 5) hilfebedürftig. Es fehlten (rund) 6 Euro (2702 - 1996,08 - 700 = 5,92).

4

Das [X.] hat die Beklagte verurteilt, dem Kläger für April 2016 Kinderzuschlag iHv 650 Euro zu zahlen. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen (Urteil vom 13.11.2017). Die Nachzahlung des [X.] sei nach § 11 Abs 1 [X.] im April zu berücksichtigen, weil es in diesem Monat tatsächlich zugeflossen sei. Das [X.] sei auch vorliegend zu berücksichtigen, weil es ansonsten mit dem [X.] zu Brüchen komme. Der Kinderzuschlag sei allerdings aufgrund von Einkommen der ältesten Tochter um 50 Euro zu mindern. Das L[X.] hat auf die Berufung nur der Beklagten die Klage abgewiesen (Urteil vom 17.12.2018). Nach der Rechtsprechung des B[X.] sei eine Nachzahlung von Kinderzuschlag abweichend vom tatsächlichen Zeitpunkt des Zuflusses dem jeweiligen Monat als Einkommen zuzurechnen, für den sie zur Vermeidung von Hilfebedürftigkeit nach dem [X.] erbracht worden sei (Bezugnahme auf B[X.] vom 25.10.2017 - [X.] [X.]/16 R - B[X.]E 124, 243 = [X.]-4200 § 11 [X.]). Dies müsse auch für eine Wohngeldnachzahlung gelten, denn Wohngeld diene zusammen mit dem Kinderzuschlag dem Ziel, Hilfebedürftigkeit zu vermeiden.

5

Mit seiner vom L[X.] zugelassenen Revision rügt der Kläger eine Verletzung des § 6a Abs 1 Satz 1 Nr 4 [X.] und des § 11 Abs 1 Satz 1 [X.]. Das Urteil des L[X.] sei mit den Grundsätzen zur Einkommensberücksichtigung im [X.] nicht vereinbar. Aus der Rechtsprechung des B[X.] zur Berücksichtigung von Kinderzuschlagsnachzahlungen folge nichts anderes. Diese diene nur der Verhinderung von [X.] im Verhältnis von Kinderzuschlag einer- und Grundsicherung für Arbeitsuchende andererseits. Auf das Wohngeld sei diese Rechtsprechung nicht übertragbar.

6

Der Kläger, der in der mündlichen Verhandlung erklärt hat, er begehre für April 2016 nur Kinderzuschlag, nicht aber hilfsweise [X.], beantragt,
 das Urteil des [X.] vom 17. Dezember 2018 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des [X.] vom 13. November 2017 zurückzuweisen.

7

Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

8

Die Revision des [X.] ist zulässig und begründet (§ 170 Abs 2 Satz 1 [X.]G), weshalb das Urteil des [X.] aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des [X.] zurückzuweisen ist. Der [X.]läger hat unter Berücksichtigung der im April 2016 zugeflossenen Wohngeldnachzahlung Anspruch auf einen [X.]inderzuschlag nach § 6a [X.] jedenfalls in der Höhe, die ihm das [X.] zugesprochen hat.

9

1. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist der Bescheid vom [X.] in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom [X.], mit dem die Beklagte den Antrag des [X.] auf Zahlung eines [X.]inderzuschlags für April 2016 abgelehnt hat sowie deren Verurteilung zur Zahlung von maximal 650 Euro [X.]inderzuschlag für diesen Monat; gegen die Abweisung der [X.]lage im Übrigen hat sich der [X.]läger nicht gewandt. Der [X.]läger hat seine [X.]lage bereits erstinstanzlich auf den Monat April beschränkt (zur Zulässigkeit der zeitlichen Beschränkung des Streitgegenstandes vgl nur B[X.] vom [X.] - [X.] [X.]G 1/15 R - [X.] 4-5870 § 6a [X.] RdNr 10). Wie er in der mündlichen Verhandlung vor dem B[X.] noch einmal klargestellt hat, begehrt er nicht hilfsweise Leistungen nach dem [X.]B II, sollte der Anspruch nach § 6a [X.] nicht bestehen.

2. Verfahrensrechtliche Hindernisse stehen einer Sachentscheidung des Senats nicht entgegen. Das [X.] hat die Berufung zugelassen (vgl § 144 [X.]G). Der [X.]läger verfolgt den von ihm geltend gemachten Anspruch auf [X.]inderzuschlag zu Recht mit einer kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 1 Satz 1, Abs 4 [X.]G).

3. Rechtsgrundlage für den Anspruch auf [X.]inderzuschlag ist § 6a [X.] (hier idF des Gesetzes zur Anpassung steuerlicher Regelungen an die Rechtsprechung des [X.] vom 18.7.2014, [X.] 1042; vgl zu den Leistungsvoraussetzungen zB B[X.] vom 14.3.2012 - [X.] [X.]G 1/11 R - [X.] 4-5870 § 6a [X.] RdNr 14 ff). Danach erhalten Personen für in ihrem Haushalt lebende unverheiratete [X.]inder, die noch nicht das 25. Lebensjahr vollendet haben, einen [X.]inderzuschlag, wenn sie für diese [X.]inder [X.]indergeld nach dem Einkommensteuergesetz erhalten (a), über ein bestimmtes Mindesteinkommen verfügen (b), ein bestimmtes Höchsteinkommen und -vermögen nicht überschreiten (c), durch den [X.]inderzuschlag Hilfebedürftigkeit nach § 9 [X.]B II vermieden wird (d) und der Zuschlag nicht aufgrund Einkommen oder Vermögen des [X.]indes oder der Eltern wegfällt (e). Diese Voraussetzungen liegen sämtlich vor.

a) Der [X.]läger erfüllte im April 2016 die Anspruchsvoraussetzungen nach § 6a Abs 1 Satz 1 Nr 1 [X.]: [X.] [X.] lebten im streitgegenständlichen Monat in dessen Haushalt, waren unverheiratet, hatten das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet und der [X.]läger erhielt für sie [X.]indergeld.

b) Erfüllt war auch die (pauschale) Mindesteinkommensgrenze nach § 6a Abs 1 Satz 1 [X.] [X.], weil das nicht bereinigte Einkommen des [X.] und seiner Ehefrau ("Einkommen im Sinne des § 11 Absatz 1 Satz 1 des [X.]") mit Ausnahme des Wohngelds und des [X.]indergelds nach den Feststellungen des [X.] bei 1257,50 Euro und damit über der (pauschalen) Mindesteinkommensgrenze [X.] 900 Euro lag.

c) Das Einkommen des [X.] erfüllte des Weiteren die (individuelle) Höchsteinkommensgrenze nach § 6a Abs 1 Satz 1 [X.] [X.], weil er und seine Ehefrau mit Ausnahme des Wohngelds über Einkommen und Vermögen iS der §§ 11 bis 12 [X.]B II verfügten, das höchstens dem nach § 6a Abs 4 Satz 1 [X.] für sie maßgebenden Betrag (sog Bemessungsgrenze in Höhe der bei der Berechnung des [X.] oder des [X.] zu berücksichtigenden elterlichen Bedarfe) zuzüglich dem [X.] nach § 6a Abs 2 [X.] entspricht. Da der [X.]läger und seine Ehefrau nach dem Gesamtzusammenhang der Feststellungen des [X.] über kein zu berücksichtigendes Vermögen und unter Berücksichtigung der Absetzbeträge nach § 11b [X.]B II ohne [X.]indergeld nur über Einkommen [X.] 525,08 Euro verfügten, ist die (individuelle) Höchsteinkommensgrenze, unabhängig von ihrer Berechnung im Einzelnen, auf keinen Fall erreicht.

d) Entgegen der Ansicht des [X.] kann für die gesamte Familie durch die Zahlung des [X.]inderzuschlags im April 2016 Hilfebedürftigkeit nach § 9 [X.]B II vermieden werden (§ 6a Abs 1 Satz 1 Nr 4 [X.]), weil die Wohngeldnachzahlung in diesem Monat zu berücksichtigen ist. Nachgezahltes Wohngeld ist in dem Monat zu berücksichtigen, in dem es tatsächlich zufließt.

Die Feststellung, der [X.]inderzuschlag vermeide Hilfebedürftigkeit nach dem [X.]B II, verlangt von den Familienkassen eine allein an den Vorschriften des [X.]B II ausgerichtete Bedürftigkeitsüberprüfung. § 6a [X.] stellt insoweit bei der Ermittlung des einzusetzenden Einkommens uneingeschränkt auf den Einkommensbegriff des § 11 [X.]B II ab (B[X.] vom 10.5.2011 - [X.] [X.]G 1/10 R - B[X.]E 108, 144 = [X.] 4-5870 § 6a [X.], RdNr 14). Die gesetzliche Zielsetzung, das Aufeinander-bezogen-Sein und das sich wechselseitige Ausschließen der [X.] nach dem [X.]B II und nach § 6a [X.] in der seinerzeit geltenden Fassung erfordern eine Parallelität der Rechtsanwendung (B[X.] vom 17.2.2015 - [X.] [X.]G 1/14 R - [X.] 4-4200 § 11 [X.]9 RdNr 14; B[X.] vom 25.10.2017 - [X.] [X.]/16 R - B[X.]E 124, 243 = [X.] 4-4200 § 11 [X.], Rd[X.]5: Verhältnis vorrangiger [X.]).

Ohne diese Parallelität der Rechtsanwendung im Hinblick auf die hier maßgebliche Rechtslage wäre die Folge, dass derselbe Einkommenszufluss im [X.]B II zulasten des Betroffenen zu berücksichtigen wäre und in § 6a [X.] ebenfalls zulasten des Betroffenen nicht berücksichtigt werden dürfte. Das Ergebnis einer solchen Auslegung des § 6a Abs 1 Satz 1 Nr 4 [X.] wäre, dass weder ein Anspruch nach dem [X.]B II noch nach § 6a [X.] bestünde, was dem Verhältnis der [X.] widersprechen würde und auch verfassungsrechtlich (Art 1 Abs 1 iVm Art 20 Abs 1 GG) problematisch wäre. Daraus folgt zugleich, dass die Berücksichtigung der Wohngeldnachzahlung entgegen ihres [X.] entsprechend der Rechtsansicht der Beklagten und des [X.] dazu führen müsste, dass auch im [X.]B II eine Berücksichtigung im Monat des tatsächlichen Zuflusses nicht erfolgen dürfte.

Für die Prüfung, ob [X.]B II-Hilfebedürftigkeit vermieden wird, gilt danach im Einzelnen:

aa) Die Bedarfsgemeinschaft des [X.] hatte nach den Feststellungen des [X.] im April 2016 einen Gesamtbedarf [X.] 2702 Euro (364 Euro x 2 zuzüglich der Regelbedarfe für die [X.]inder [X.] insgesamt 1284 Euro zuzüglich Bedarfe für Unterkunft und Heizung [X.] 690 Euro).

bb) Von dem Gesamtbedarf in Abzug zu bringen ist das bereinigte elterliche Einkommen [X.] 525,08 Euro zuzüglich [X.]indergeld [X.] 1018 Euro, insgesamt 1543,08 Euro. Abzüglich des - hier nach dem [X.]-Urteil geminderten - [X.]s [X.] 650 Euro verbleibt eine [X.] [X.] 508,92 Euro. Diese [X.] kann durch den im April erfolgten Wohngeldzufluss [X.] 633 Euro gedeckt werden, während dies (allein) der monatliche Wohngeldanspruch [X.] 453 Euro nicht vermag.

cc) Die Berücksichtigung von Wohngeld ist im Rahmen der Prüfung nach § 6a Abs 1 Satz 1 Nr 4 [X.] nicht aus Rechtsgründen ausgeschlossen. Soweit der Senat in einem obiter dictum die Auffassung vertreten hat, bei der Prüfung nach § 6a Abs 1 Satz 1 Nr 4 [X.], ob durch den [X.]inderzuschlag Hilfebedürftigkeit nach § 9 [X.]B II vermieden werde, bleibe das Wohngeld unberücksichtigt, weil es nicht gleichzeitig mit dem [X.] bezogen werden könne (B[X.] vom 26.7.2016 - [X.] [X.]G 2/14 R - B[X.]E 122, 11 = [X.] 4-5870 § 6a [X.], RdNr 47-48 unter Verweis auf § 7 Abs 1 Nr 1 [X.] und in dem Fall, dass bereits durch Wohngeld und weiteres Einkommen [X.]B II-Hilfebedürftigkeit vermieden wird), hält er hieran nicht fest. Wohngeld und [X.]inderzuschlag ergänzen sich im Hinblick auf die Vermeidung von Hilfebedürftigkeit, weshalb sich im Rahmen der Prüfung des § 6a Abs 1 Satz 1 Nr 4 [X.] das Problem eines grundsätzlichen Wohngeldausschlusses für [X.]B II-Leistungsempfänger nicht stellt.

Der Berücksichtigung von Wohngeld steht des Weiteren § 40 [X.] nicht entgegen, wonach das einer vom Wohngeld ausgeschlossenen wohngeldberechtigten Person bewilligte Wohngeld bei Sozialleistungen nicht als deren Einkommen zu berücksichtigen ist. Diese Vorschrift enthält nur eine (persönliche) Zurechnungsregelung im Hinblick auf die einzelnen Mitglieder eines Haushalts aufgrund differenziert geregelter Leistungsausschlüsse, entzieht das Wohngeld aber nicht von vornherein einer Einkommensberücksichtigung in anderen Sozialleistungsbereichen (vgl B[X.] vom [X.] - [X.] [X.]/17 R - B[X.]E 126, 70 = [X.] 4-4200 § 11 [X.], Rd[X.]2 ff).

dd) Im Hinblick auf den hier streitigen Zeitpunkt der Einkommensberücksichtigung gilt Folgendes:

Als Einkommen zu berücksichtigende Einnahmen in Geld sind im [X.]B II grundsätzlich für den Monat zu berücksichtigen, in dem sie (tatsächlich) zufließen 11 Abs 2, 3 [X.]B II idF des [X.]/[X.]B II/[X.]B XII-ÄndG vom 24.3.2011, [X.] 453, vgl hierzu zuvor bereits B[X.] vom 30.7.2008 - [X.] AS 26/07 R - [X.] 4-4200 § 11 [X.] Rd[X.]3). Dies gilt grundsätzlich auch für als Nachzahlung zufließende Einnahmen, wie der Gesetzgeber des 9. [X.]B II-ÄndG mit der Einfügung des - hier nicht anwendbaren - § 11 Abs 3 Satz 2 [X.]B II mWv 1.8.2016 durch Gesetz vom 26.7.2016 ([X.] 1824) noch einmal bestätigt hat (vgl die vorherige Rspr zu Nachzahlungen zusammenfassend B[X.] vom 25.10.2017 - [X.] [X.]/16 R - B[X.]E 124, 243 = [X.] 4-4200 § 11 [X.], Rd[X.]7 mwN). Solange eine von § 11 Abs 2, 3 [X.]B II abweichende gesetzliche Vorgabe nicht besteht, ist danach - der Zwecksetzung existenzsichernder Leistungen gemäß - allein entscheidend, ob mit den eingehenden geldwerten Mitteln in dem betreffenden Monat ein notwendiger Bedarf gedeckt werden kann (stRspr; vgl nur B[X.] vom 25.10.2017 - [X.] [X.]/16 R - B[X.]E 124, 243 = [X.] 4-4200 § 11 [X.], Rd[X.]7 mwN).

Eine solche abweichende gesetzliche Vorgabe im Hinblick auf die zeitliche Berücksichtigung von Wohngeld besteht nicht. Sie lässt sich - in Ermangelung einer Regelung im [X.]B II selbst - entgegen der Ansicht des [X.] nicht dem [X.]inderzuschlagsrecht (1) und auch nicht dem [X.] entnehmen (2). Zutreffend berücksichtigt die Rechtsprechung zum [X.]B II Wohngeldnachzahlungen deshalb entsprechend ihres tatsächlichen Zuflusses (vgl etwa [X.] Sachsen-Anhalt vom 19.10.2016 - L 4 AS 736/15 - juris Rd[X.]4; [X.] Landshut vom [X.] AS 170/16 - juris RdNr 55). Dies entspricht im Übrigen auch der Weisungslage der Beklagten zu § 11 [X.]B II (vgl Ziffer 11.52 der Fachlichen Weisungen der [X.] zu §§ 11-11b [X.]B II, Stand 18.8.2016, wonach bei einem [X.] Wohngeld/[X.] Wohngeld im Monat des Zuflusses als Einkommen anzurechnen sei, da es in diesem Monat zum Lebensunterhalt zur Verfügung stehe).

(1) Nach der Rechtsprechung des B[X.], auf die das [X.] Bezug genommen hat, bestimmt für [X.] § 6a Abs 1 Satz 1 Nr 4 [X.] einen solchen vom tatsächlichen Mittelzugang normativ abweichenden Zufluss (B[X.] vom 25.10.2017 - [X.] [X.]/16 R - B[X.]E 124, 243 = [X.] 4-4200 § 11 [X.], Rd[X.]7). Für das Wohngeld, das dort nicht genannt ist, folgt aus dieser Vorschrift keine ausdrückliche Sonderregelung.

Sie lässt sich entgegen der Ansicht des [X.] nicht aus der "Gesamtkonstruktion" des [X.]inderzuschlagsrechts ableiten. Der Annahme, durch die Gewährung von [X.]inderzuschlag und Wohngeld solle - zusammen mit dem Einkommen und Vermögen der Eltern - die Hilfebedürftigkeit der Familie vermieden werden, steht bereits entgegen, dass der durchschnittliche [X.]B II-Bedarf eines [X.]indes nach der ursprünglichen gesetzgeberischen [X.]onzeption nicht nur durch den [X.]inderzuschlag und den auf das [X.]ind entfallenden Wohngeldanteil, sondern insbesondere auch durch das [X.]indergeld gedeckt sein soll (vgl hierzu BT-Drucks 15/1516 [X.]). Folgte man der Ansicht des [X.], müsste demnach auch das [X.]indergeld im [X.]B II abweichend vom tatsächlichen Zufluss normativ dem Monat zugerechnet werden, für den es gewährt worden war.

Die gesetzgeberische Annahme, der [X.]B II-Bedarf des [X.]indes werde durch [X.]inderzuschlag, [X.]indergeld und Wohngeldanteil gedeckt, ist Teil eines Regelungskonzepts, den Lebensunterhalt von [X.]indern von [X.]B II-Leistungsbeziehern möglichst außerhalb des [X.]B II-Leistungssystems zu sichern (vgl hierzu im Einzelnen im Hinblick auf das [X.] B[X.] vom [X.] - [X.] [X.]/17 R - B[X.]E 126, 70 = [X.] 4-4200 § 11 [X.], Rd[X.]). Diesem Ziel dienen ggf weitere Sozialleistungen wie Leistungen nach dem [X.]. Das Zusammentreffen dieser Sozialleistungen ist differenziert - teilweise im [X.], teilweise im [X.] und teilweise als Ergänzung - geregelt. Ihre Leistungsvoraussetzungen weichen auch im Hinblick auf ihren jeweiligen persönlichen Anwendungsbereich erheblich voneinander ab. Die genannte Zwecksetzung im Hinblick auf die Existenzsicherung von [X.]indern und Jugendlichen kommt ihnen nur teilweise zu, was insbesondere beim Wohngeld deutlich wird, weshalb, wollte man für einen bestimmten Personenkreis vom Grundsatz der Maßgeblichkeit des tatsächlichen Zuflusses abweichen, weitere Differenzierungen nötig würden. Diesem Regelungsgefüge lässt sich eine vom tatsächlichen Zufluss abweichende normative Bestimmung des [X.] nicht entnehmen.

Entgegen der Ansicht der Beklagten folgt aus ihrer Verwaltungspraxis, bei der Frage der Vermeidung von Hilfebedürftigkeit nach § 6a Abs 1 Satz 1 Nr 4 [X.] den Wohngeldanspruch nur fiktiv zu berücksichtigen und [X.]inderzuschlag unabhängig davon zu bewilligen, ob Wohngeld beantragt oder tatsächlich bezogen wird (Durchführungsanweisung [X.]inderzuschlag, Ziffer 106a.140 Abs 4, Stand September 2016), zuletzt nichts anderes. Eine Rechtsgrundlage für eine vom tatsächlichen Zufluss abweichende Einkommensberücksichtigung benennt sie hiermit nicht. Im Übrigen widerspricht eine solche Vorgehensweise der Parallelität der Rechtsanwendung im Hinblick auf § 6a [X.] und [X.]B II. Denn im Rahmen des [X.]B II scheidet eine Berücksichtigung fiktiver Mittel grundsätzlich aus (grundlegend B[X.] vom 29.11.2012 - [X.] [X.]/12 R - B[X.]E 112, 229 = [X.] 4-4200 § 11 [X.], RdNr 14) und ist die Verpflichtung des Leistungsberechtigten zur Beantragung vorrangigen Wohngelds differenziert geregelt, was durch eine fiktive [X.] nicht überspielt werden darf (vgl § 12a Satz 2 [X.] [X.]B II).

(2) Eine Sonderregelung im Hinblick auf den [X.] lässt sich auch dem [X.] nicht entnehmen. Eine ausdrückliche Regelung enthält das [X.] insoweit nicht. § 7 [X.], der den Ausschluss von Wohngeld regelt, lässt sich ebenfalls nicht in diesem Sinne auslegen. Nach § 7 Abs 1 Satz 1 Nr 1 [X.] sind Empfänger von [X.] und Sozialgeld vom Wohngeld grundsätzlich ausgeschlossen, wenn bei deren Berechnung [X.]osten der Unterkunft berücksichtigt worden sind. Dieser Leistungsausschluss regelt den vorliegenden Fall einer Wohngeldnachzahlung gerade nicht. Im Übrigen schließen sich [X.] und Leistungen nach dem [X.]B II - anders als seinerzeit [X.]inderzuschlag und Leistungen nach dem [X.]B II - nicht (mehr) zwingend wechselseitig aus, weil die anfängliche strikte Trennung der beiden [X.] (vgl hierzu B[X.] vom 2.12.2014 - [X.] [X.]/13 R - [X.] 4-4200 § 40 [X.] RdNr 11) in den vergangenen Jahren teilweise aufgegeben worden ist, indem nunmehr auch ein vom Wohngeld [X.] für ein mit ihm zusammenlebendes Haushaltsmitglied Wohngeld beantragen kann, wenn hierdurch dessen Hilfebedürftigkeit nach dem [X.]B II vermieden oder beseitigt wird (§ 7 Abs 2 Satz 2 [X.] iVm Abs 1 Satz 3 [X.] Buchst a) [X.] idF des [X.], [X.] 2963; vgl zum sog [X.] insoweit B[X.] vom [X.] - [X.] [X.]/17 R - B[X.]E 126, 70 = [X.] 4-4200 § 11 [X.]; vgl zu weiteren Fällen eines nach dem [X.] nicht ausgeschlossenen Parallelbezugs Hengelhaupt in [X.]/[X.], [X.]B II, [X.] § 11 RdNr 592, Stand Januar 2015).

e) In Bezug auf die Leistungshöhe ist zuletzt zu berücksichtigen, dass der [X.] aufgrund des insoweit rechtskräftigen erstinstanzlichen Urteils im Hinblick auf Einkommen der ältesten Tochter gemäß § 6a Abs 3 [X.] um 50 Euro gemindert und damit in der Höhe auf insgesamt 650 Euro begrenzt ist. Eine Minderung aufgrund von Einkommen der Eltern nach § 6a Abs 4 [X.] scheidet aus, weil deren zu berücksichtigendes Einkommen die Bemessungsgrenze nicht erreicht.

Die [X.]ostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 [X.]G.

Meta

B 4 KG 1/19 R

30.10.2019

Bundessozialgericht 4. Senat

Urteil

Sachgebiet: KG

vorgehend SG Osnabrück, 13. November 2017, Az: S 27 BK 11/16, Urteil

§ 6a Abs 1 Nr 4 S 1 BKGG 1996 vom 18.07.2014, § 11 Abs 1 S 1 SGB 2, § 11 Abs 2 S 1 SGB 2 vom 13.05.2011, § 11 Abs 3 SGB 2 vom 13.05.2011, § 7 Abs 1 S 1 Nr 1 WoGG

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 30.10.2019, Az. B 4 KG 1/19 R (REWIS RS 2019, 2033)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2019, 2033

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