Bundessozialgericht, Beschluss vom 18.06.2018, Az. B 9 V 1/18 B

9. Senat | REWIS RS 2018, 7695

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Gegenstand

Nichtzulassungsbeschwerde - grundsätzliche Bedeutung einer Rechtssache - soziales Entschädigungsrecht - neurologischer Impfschaden - Nachweis einer impfbedingten Primärschädigung - Rückschluss aus späterer Diagnose - Auseinandersetzung mit bisheriger Rechtsprechung - sozialgerichtliches Verfahren - Fragerecht an den Sachverständigen - bislang nicht erörterte Krankheit - konkrete Anhaltspunkte in den Befundunterlagen - Sachaufklärungspflicht - rechtliches Gehör - Darlegungsanforderungen - Beschwerdevortrag außerhalb der Begründungsfrist


Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des [X.] vom 2. November 2017 wird als unzulässig verworfen.

Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Gründe

1

I. Der Kläger beansprucht in der Hauptsache im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens nach § 44 SGB X die Anerkennung einer Polyneuropathie beider Beine als Folge der am [X.], [X.] und 21.8.1990 durchgeführten Tetanusimpfungen und ab 1.1.2008 die Gewährung von Beschädigtenversorgung nach einem Grad der Schädigungsfolgen von 50. Diesen Anspruch hat das [X.] mit Urteil vom 2.11.2017 verneint. Nach den vorliegenden Befundberichten und Sachverständigengutachten sei weiterhin nicht nachgewiesen, dass beim Kläger ein Impfschaden aufgrund der streitigen Impfungen vorliege.

2

Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil hat der Kläger Beschwerde beim [X.] eingelegt. Er macht als Zulassungsgründe die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache, Divergenz und Verfahrensmängel geltend.

3

II. [X.] ist unzulässig. Seine Begründung vom 23.3.2018 genügt nicht der gesetzlich vorgeschriebenen Form, weil die geltend gemachten Zulassungsgründe nicht in der hierfür erforderlichen Weise dargetan worden sind (vgl § 160a Abs 2 S 3 SGG). Der Beschwerdevortrag des [X.] im Schriftsatz vom [X.] war nicht mehr zu berücksichtigen, weil er außerhalb der bis zum [X.] verlängerten Beschwerdebegründungsfrist lag (§ 160a Abs 2 S 1 und 2 SGG).

4

1. Eine Rechtssache hat nur dann grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 160 Abs 2 [X.] SGG, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Der Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts und unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung angeben, welche Fragen sich stellen, dass diese noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung dieser Rechtsfragen aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung erwarten lässt. Ein Beschwerdeführer muss daher, um seiner Darlegungspflicht zu genügen, eine Rechtsfrage, ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung (sog Breitenwirkung) darlegen (zum Ganzen vgl [X.] Beschluss vom [X.] - B 5 R 401/16 B - Juris Rd[X.] 6 mwN). Diesen Anforderungen wird die vorliegende Beschwerdebegründung nicht gerecht.

5

Der Kläger hält die Frage für grundsätzlich bedeutsam, "ob auch im Bereich neurologischer Schäden in Analogie zu psychischen Schäden eine Beweiserleichterung dahingehend zu gewähren ist, dass bei zunächst 'unauffälligen' Befunden und vermeintlichem Fehlen einer Primärschädigung durch die spätere, gesicherte Diagnose Rückschlüsse auf eine schon früh bestehende Primärschädigung gezogen werden können".

6

Der Kläger hat jedoch die Klärungsbedürftigkeit der aufgeworfenen Fragestellung nicht hinreichend dargelegt. Insbesondere setzt er sich nicht damit auseinander, inwiefern diese Frage durch die Rechtsprechung des [X.] zum Impfschadensrecht bereits geklärt ist. Der Kläger berücksichtigt nicht, dass selbst wenn das [X.] eine Frage noch nicht ausdrücklich entschieden hat, eine Rechtsfrage bereits dann als höchstrichterlich geklärt anzusehen ist, wenn schon eine oder mehrere höchstrichterliche Entscheidungen ergangen sind, die ausreichende Anhaltspunkte zur Beurteilung der von der Beschwerde als grundsätzlich herausgestellten Rechtsfrage geben (stRspr, [X.] Beschluss vom [X.] - Juris Rd[X.] 8 mwN). Der Kläger unterzieht sich nicht der notwendigen Mühe, sich bezogen auf den mit der Frage aufgeworfenen Problemkreis mit der Rechtsprechung des [X.] zur Feststellung einer impfbedingten Primärschädigung auseinander zu setzen (vgl hierzu zB Senatsurteil vom 7.4.2011 - B 9 VJ 1/10 R - [X.] 4-3851 § 60 [X.] Rd[X.]6 ff; zur Beweislast und Beweiserleichterung im [X.] auch Senatsurteil vom 27.8.1998 - B 9 VJ 2/97 R - Juris Rd[X.]7 ff) und prüft demzufolge nicht, ob sich hieraus schon Anhaltspunkte zur Beantwortung der gestellten Frage entnehmen lassen.

7

Überdies fehlen Ausführungen zur Klärungsfähigkeit. Aus der Beschwerdebegründung ergibt sich nicht, ob sich auf der Grundlage des vom [X.] festgestellten und für das [X.] im angestrebten Revisionsverfahren grundsätzlich verbindlichen (§ 163 SGG) Sachverhalts notwendig über die mit der gestellten Frage angesprochene Problematik zu entscheiden ist.

8

2. Divergenz im Sinne des § 160 Abs 2 [X.] SGG liegt vor, wenn die tragenden abstrakten Rechtssätze, die in zwei Entscheidungen zugrunde gelegt worden sind, nicht übereinstimmen. Sie kommt nur dann in Betracht, wenn das [X.] einen tragenden abstrakten Rechtssatz in Abweichung von einem vorhandenen abstrakten Rechtssatz des [X.], des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des [X.] oder des [X.] aufgestellt hat. Darüber hinaus verlangt der Zulassungsgrund der Divergenz, dass das angefochtene Urteil auf der Abweichung beruht.

9

Bezogen auf die Darlegungspflicht bedeutet dies: Die Beschwerdebegründung muss erkennen lassen, welcher abstrakte Rechtssatz in der in Bezug genommenen höchstrichterlichen Entscheidung enthalten ist und welcher im Urteil des [X.] enthaltene Rechtssatz dazu im Widerspruch steht. Ferner muss aufgezeigt werden, dass auch das [X.] die höchstrichterliche Rechtsprechung im Revisionsverfahren seiner Entscheidung zugrunde zu legen haben wird (stRspr, [X.] Beschluss vom 31.7.2017 - [X.] R 140/17 B - Juris Rd[X.]2 f). Auch diese Anforderungen erfüllt die Beschwerdebegründung nicht.

Soweit der Kläger unter Punkt 3 und 4 seiner Beschwerdebegründung eine Divergenz darin sieht, dass das [X.] sowohl den vom [X.] entwickelten Krankheits- als auch den Kausalitätsbegriff verkannt bzw nicht richtig angewendet habe, fehlt es bereits an der notwendigen Darstellung eines abstrakten Rechtssatzes aus dem angefochtenen Urteil des [X.], der eine Abweichung zu einem abstrakten Rechtssatz des [X.] in den von ihm zitierten Entscheidungen aufzeigt. Sein diesbezügliches Vorbringen geht über eine im [X.] unbeachtliche Subsumtionsrüge nicht hinaus. Allein die - im [X.] vom Kläger behauptete - Unrichtigkeit der Entscheidung - zB aufgrund der Nichtbeachtung oder fehlerhaften Anwendung höchstrichterlicher Rechtsprechung - rechtfertigt die Zulassung wegen Divergenz nicht (vgl stRspr, [X.] Beschluss vom 16.3.2017 - [X.] R 390/16 B - Juris Rd[X.]6).

3. Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde darauf gestützt, dass ein Verfahrensmangel im Sinne von § 160 Abs 2 [X.] SGG vorliege, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könne, müssen für die Bezeichnung des [X.] (§ 160a Abs 2 S 3 SGG) die den Verfahrensmangel (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden. Darüber hinaus ist die Darlegung erforderlich, dass und warum die Entscheidung des [X.] - ausgehend von dessen materieller Rechtsansicht - auf dem Mangel beruhen kann, dass also die Möglichkeit einer Beeinflussung der Entscheidung besteht. Gemäß § 160 Abs 2 [X.] Halbs 2 SGG kann der geltend gemachte Verfahrensmangel allerdings nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 S 1 SGG und auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das [X.] ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

a) Der Kläger rügt eine Verletzung seines rechtlichen Gehörs (Art 103 Abs 1 GG, § 62 SGG), weil das [X.] seinen in der mündlichen Verhandlung gestellten Antrag auf mündliche Befragung des Gutachters Prof. Dr. Dr. D. nicht nachgekommen sei. Für das Gericht sei erkennbar gewesen, dass er den Sachverständigen zum Vorliegen einer [X.] habe befragen wollen. Diese Sonderform der Polyneuropathie habe der Gutachter nicht berücksichtigt. Aus diesem Grunde entspreche das bereits sieben Jahre alte Gutachten nicht dem aktuellen wissenschaftlichen medizinischen Stand.

Sein diesbezüglicher Vortrag reicht jedoch zur Bezeichnung eines entsprechenden [X.] nicht aus. Nach ständiger Rechtsprechung des [X.] hat der Verfahrensbeteiligte grundsätzlich - zur Gewährleistung des rechtlichen Gehörs - ein Recht auf Befragung eines Sachverständigen, der ein (schriftliches) Gutachten erstattet hat (§§ 116 [X.], 118 Abs 1 S 1 SGG iVm §§ 397, 402, 411 Abs 4 ZPO). Das Fragerecht besteht unabhängig von dem [X.]n Ermessen des Gerichts, bei einem erläuterungsbedürftigen schriftlichen Gutachten nach § 411 Abs 3 ZPO das Erscheinen des Sachverständigen zur Erläuterung seines Gutachtens anzuordnen. Es ist Ausfluss des Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art 103 Abs 1 GG, § 62 SGG). Es besteht allerdings grundsätzlich nur hinsichtlich solcher Gutachten, die im selben Rechtszug erstattet worden sind.

Macht der Beteiligte von seinem Fragerecht nicht innerhalb desselben Rechtszugs Gebrauch, in dem das Gutachten eingeholt worden ist, kann er die Anhörung des Sachverständigen im nächsten Rechtszug aber auch noch dann verlangen, wenn die Voraussetzungen für eine notwendige Anhörung des gerichtlichen Sachverständigen zur Erläuterung seines Gutachtens gemäß § 411 Abs 3 ZPO vorliegen und die Ablehnung des entsprechenden Antrags durch die nunmehr tätige Instanz ermessenswidrig wäre (stRspr, zB Senatsbeschluss vom [X.] - B 9 VJ 1/98 B - Juris Rd[X.] 6; [X.] Beschluss vom 12.12.2006 - [X.] R 427/06 B - Juris Rd[X.] 7).

Allerdings ist der Sachverständige Prof. Dr. Dr. D., auf den sich das [X.] im angefochtenen Urteil zur Entscheidungsfindung maßgeblich gestützt hat und dessen ergänzende mündliche Befragung der Kläger begehrt, nicht in der Vorinstanz gehört worden, sondern in dem vorangegangenen [X.]-Verfahren (L 4 VE 16/09). Selbst wenn man dem Kläger dennoch insbesondere unter Berücksichtigung dessen, dass in jenem [X.]-Verfahren der von dem hier vorliegenden Überprüfungsverfahren erfasste Bescheid vom [X.] in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom [X.] streitgegenständlich war, ein Fragerecht zubilligen wollte, hat der Kläger dessen oben genannte Voraussetzungen nicht hinreichend dargelegt.

Dass hier nach § 118 Abs 1 S 1 SGG iVm § 411 Abs 3 ZPO die Voraussetzungen für eine notwendige Ladung des gerichtlichen Sachverständigen Prof. Dr. Dr. D. durch das [X.] vorgelegen hätten, ergibt sich aus der Beschwerdebegründung des [X.] nicht. Es hätte dazu der Darlegung bedurft, dass das [X.] dem Antrag des [X.] auf Ladung des Sachverständigen hätte folgen müssen. Nur unter diesen Voraussetzungen wandelt sich das [X.] Ermessen in § 411 Abs 3 ZPO zu einer Verpflichtung des Gerichts und wäre ohne Weiteres davon auszugehen, dass dem Sachverständigen in der Folge (die dem [X.] zuvor angekündigten) sachdienlichen Fragen im Sinne des § 116 [X.] SGG gestellt worden wären (Senatsbeschluss vom [X.] - B 9 VJ 1/98 B - Juris Rd[X.] 7).

Der Kläger weist zwar zutreffend darauf hin, dass alle medizinischen Fragen auf der Grundlage des im Entscheidungszeitpunkt neuesten medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnisstandes zu beantworten sind (vgl Senatsurteil vom 7.4.2011 - B 9 VJ 1/10 R - [X.] 4-3851 § 60 [X.] Rd[X.]2). Dennoch reicht sein Vortrag, das Gutachten des Prof. Dr. Dr. D. habe das Vorliegen einer [X.] nicht erörtert, obwohl diese Form der Polyneuropathie auch schon zur [X.] in der medizinischen Fachliteratur diskutiert worden sei, zu der hier notwendigen Darlegung verbliebenen objektiven Ermittlungsbedarfs nicht aus. Denn der Kläger berücksichtigt und würdigt in seiner Beschwerdebegründung nicht hinreichend, dass sich der Sachverständige - wie sich sowohl aus dem [X.]-Urteil vom [X.] (L 4 VE 16/09) als auch aus dem hier angefochtenen Berufungsurteil vom 2.11.2017 ergibt - mit den zahlreichen aktenkundigen neurologischen Befunden auseinandergesetzt und ausgeführt hat, dass aufgrund dieser Befundlage eine neurologische Erkrankung erst ab 2005 festgestellt werden könne (Bezugnahme auf den Befundbericht von [X.] vom 28.3.2007). Dass der neurologische Sachverständige Prof. Dr. Dr. D. insoweit die aktenkundigen neurologischen und sonstigen medizinischen Befunde nicht oder nur lückenhaft oder oberflächlich ausgewertet hat, zeigt der Kläger nicht auf. Soweit er vor diesem Hintergrund dennoch behauptet, dass die von ihm über Jahre geklagte Schmerzsymptomatik auf eine durch die erfolgten Impfungen eingetretene [X.] zurückzuführen sei, hätte es - insbesondere aber auch im Hinblick auf die hiernach vorzunehmende Kausalbeurteilung - einer substanzvollen Darlegung bedurft, aus welchen aktenkundigen neurologischen Befundunterlagen vor oder möglicherweise nach der Begutachtung des Sachverständigen Prof. Dr. Dr. D. sich denn überhaupt zumindest ein Anhalt für das Vorliegen einer [X.] ergeben könnte. Daran fehlt es. Der Kläger weist zwar darauf hin, dass es sich bei [X.] um eine "Sonderform der Polyneuropathie" handelt. Allerdings hat der Sachverständige Prof. Dr. Dr. D. worauf auch das [X.] hingewiesen hat - in seinem Gutachten vom 29.7.2010 und seiner ergänzenden Stellungnahme vom 22.12.2010 bereits klar ausgeführt, dass die vom Kläger in den Jahren 1992 bis 2001 geschilderte Schmerzsymptomatik ohne (objektives) neurologisches Korrelat nicht als Ausdruck einer Polyneuropathie gewertet werden könne. Dass das [X.] hiervon ausgehend nur noch ermessenswidrig von einer Ladung des Prof. Dr. Dr. D. zur mündlichen Erläuterung seines Gutachtens hätte Abstand nehmen können, hat der Kläger nach alledem nicht schlüssig dargetan. Sofern er mit der Auswertung und Würdigung der gutachterlichen Äußerungen des Prof. Dr. Dr. D. durch das Berufungsgericht nicht einverstanden ist, greift er im [X.] dessen Beweiswürdigung an. Auf eine Verletzung des § 128 Abs 1 S 1 SGG (Grundsatz der freien Beweiswürdigung) kann jedoch eine Nichtzulassungsbeschwerde gemäß § 160 Abs 1 [X.] SGG von vornherein nicht gestützt werden.

b) Soweit der Kläger auch eine Verletzung der Sachaufklärungspflicht nach §§ 103, 118 Abs 1 S 1 SGG iVm § 411 Abs 3 ZPO darin sehen sollte, dass das [X.] seinem Antrag, den Sachverständigen Prof. Dr. Dr. D. zur mündlichen Befragung seines Gutachtens zum Termin zu laden, zu Unrecht nicht nachgegangen sei, kann zwar eine gerügte [X.] eines Sachverständigen zur Erläuterung seines Gutachtens in der mündlichen Verhandlung auch ein Aufklärungsmangel des [X.] sein (vgl hierzu [X.] Beschluss vom 19.4.2017 - [X.] R 339/16 B - Juris Rd[X.]0 ff). Sein Vortrag erfüllt aber nicht die Anforderungen an eine diesbezügliche Sachaufklärungsrüge. Denn auch hierfür ist [X.] die Darlegung notwendig, dass das Berufungsgericht nur noch ermessenswidrig von der Befragung des Sachverständigen Prof. Dr. Dr. D. hätte absehen können. Entsprechende Ausführungen enthält die Beschwerdebegründung - wie oben ausgeführt - aber nicht.

c) Der Kläger rügt zudem, das [X.] hätte in Bezug auf seine Feststellung, dass Prof. [X.]
nicht nachgewiesen habe, wann es zu dem chronisch persistierenden Entzündungsgeschehen beim Kläger gekommen sei, im Rahmen seiner Sachaufklärungspflicht eine (weitere) ergänzende Stellungnahme dieses Sachverständigen einholen müssen. Auch mit seinem diesbezüglichen Vorbringen hat er jedoch keinen eine Nichtzulassungsbeschwerde begründenden Verfahrensmangel bezeichnet.

aa) Soweit er darin eine Verletzung der Sachaufklärungspflicht (§ 103 SGG) durch das [X.] sieht, erfüllt sein Vorbringen nicht die spezifischen [X.] an eine Sachaufklärungsrüge. Insoweit muss die Beschwerdebegründung (1) einen für das Revisionsgericht ohne Weiteres auffindbaren, bis zuletzt aufrechterhaltenen oder im Urteil wiedergegebenen Beweisantrag bezeichnen, dem das [X.] nicht gefolgt ist, (2) die Rechtsauffassung des [X.] wiedergeben, auf deren Grundlage bestimmte Tatfragen klärungsbedürftig hätten erscheinen müssen, (3) die von dem Beweisantrag betroffenen tatsächlichen Umstände aufzeigen, die zu weiterer Sachaufklärung Anlass gegeben hätten, (4) das voraussichtliche Ergebnis der unterbliebenen Beweisaufnahme angeben und (5) erläutern, weshalb die Entscheidung des [X.] auf der unterlassenen Beweiserhebung beruhen kann (stRspr, zB Senatsbeschluss vom 26.2.2018 - B 9 SB 84/17 B - Juris Rd[X.] 5; [X.] Beschluss vom [X.] - [X.] R 585/09 B - Juris Rd[X.]0, jeweils mwN).

Diese Anforderungen gelten uneingeschränkt allerdings nur, wenn der Beschwerdeführer bereits in der Berufungsinstanz durch einen rechtskundigen und berufsmäßigen Prozessbevollmächtigten vertreten war (Senatsbeschluss vom 18.9.2003 - B 9 SB 11/03 B - [X.] 4-1500 § 160 [X.] Rd[X.] 5 mwN). War dies - wie hier - nicht der Fall, kommen zum einen weniger strenge Anforderungen an Form und Inhalt eines prozessordnungsgemäßen Beweisantrags zur Anwendung. Zum anderen wird dann aus dem Fehlen eines in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich zu Protokoll - bzw in der Zustimmung zur Entscheidung ohne mündliche Verhandlung schriftsätzlich - aufrechterhaltenen Beweisantrag nicht stets der Schluss gezogen, dass dieser Beweisantrag bewusst nicht weiterverfolgt werden sollte ([X.] Beschluss vom [X.] - [X.] R 585/09 B - Juris Rd[X.]1 mwN). Der Umstand, dass ein Kläger im Berufungsverfahren nicht rechtskundig vertreten war, führt jedoch nicht dazu, dass die in § 160 Abs 2 [X.] Teils 3 SGG normierten Anforderungen an eine Sachaufklärungsrüge insgesamt unbeachtlich wären. Deshalb kann auch bei einem solchen Beteiligten nicht darauf verzichtet werden, dass er darlegt, einen konkreten Beweisantrag zumindest sinngemäß gestellt zu haben; dazu gehört die Angabe, welche konkreten Punkte am Ende des Verfahrens noch für aufklärungsbedürftig gehalten wurden und welcher Beweismittel sich das Gericht bedienen solle, um die begehrte weitere Aufklärung herbeizuführen ([X.] Beschluss vom [X.], aaO, mwN). Entsprechenden Vortrag enthält die Beschwerdebegründung jedoch im Hinblick auf das Begehren einer weiteren Sachaufklärung durch eine zweite ergänzende Stellungnahme von Prof. [X.] nicht. Insoweit fehlt es bereits an der Bezeichnung eines im Berufungsverfahren zumindest sinngemäß gestellten konkreten Beweisantrags.

bb) Soweit der Kläger in der oben genannten Feststellung des [X.] eine Verletzung seines rechtlichen Gehörs in Form einer Überraschungsentscheidung (Art 103 Abs 1 GG, § 62 SGG) sieht, genügt sein Vorbringen ebenfalls nicht den [X.]. Hierzu hätte der Kläger vorbringen müssen, dass er unter keinen Umständen mit der vom [X.] getroffenen Sachentscheidung habe rechnen können. Es gibt keinen allgemeinen Verfahrensgrundsatz, der das Gericht verpflichten würde, die Beteiligten vor einer Entscheidung auf eine in Aussicht genommene Beweiswürdigung hinzuweisen oder die für die richterliche Überzeugungsbildung möglicherweise leitenden Gründe zuvor mit den Beteiligten zu erörtern (vgl Senatsbeschluss vom [X.] SB 44/17 B - Juris Rd[X.] 8 mwN). Zudem gehört es zu den Aufgaben des Tatsachengerichts, sich im Rahmen der Beweiswürdigung mit einander entgegenstehenden Gutachtenergebnissen auseinanderzusetzen. Hält das Gericht eines von mehreren Gutachten für überzeugend, darf es sich diesem grundsätzlich anschließen, ohne ein weiteres Gutachten oder eine ergänzende gutachterliche Stellungnahme einholen zu müssen (vgl [X.] Beschluss vom 3.12.2013 - [X.] R 447/12 B - Juris Rd[X.]7; [X.] Beschluss vom 19.11.2007 - [X.]/5 R 382/06 B - Juris Rd[X.] 8, jeweils mwN).

Der Kläger legt überdies nicht substantiiert dar, dass er unter keinen Umständen mit der vom [X.] getroffenen Entscheidung habe rechnen können. Dies wäre hier umso mehr erforderlich gewesen, als in einem tatsachengerichtlichen Verfahren, in dem [X.] aus den Beurteilungen von mehreren Sachverständigen unterschiedliche Bewertungen abgeleitet werden können und - wie hier - zwischen den Beteiligten streitig erörtert werden, jeder Beteiligte - und damit auch der Kläger - damit rechnen muss, dass das Gericht zu seinen Ungunsten entscheiden kann, in dem es sich der von ihm bevorzugten Sachverständigenbeurteilung ganz oder teilweise nicht anschließt. Nicht zuletzt deshalb war der Kläger bislang mit seinem Begehren in mehreren Gerichtsverfahren erfolglos geblieben.

cc) Soweit der Kläger in diesem Zusammenhang mit der Aus- und Bewertung des Gutachtens des Prof. [X.] vom 10.3.2017 einschließlich seiner ergänzenden Stellungnahme vom 1.8.2017 durch das [X.] nicht einverstanden ist, wendet er sich gegen die Beweiswürdigung des Berufungsgerichts. Zur Beweiswürdigung gehört auch die Würdigung unterschiedlicher Gutachtenergebnisse ([X.] Beschluss vom 19.11.2007 - [X.]/5 R 382/06 B - Juris Rd[X.] 8). Hierauf kann jedoch - wie oben bereits ausgeführt - eine Nichtzulassungsbeschwerde nicht gestützt werden.

d) Der Kläger sieht sein rechtliches Gehör (Art 103 Abs 1 GG, § 62 SGG) auch dadurch verletzt, dass das [X.] in der mündlichen Verhandlung die Annahme der "[X.]" einer beglaubigten Übersetzung des Periodic-Safety-Update Report (PSUR) des [X.]
 aus dem [X.] "verweigert" habe.

Damit hat er jedoch keinen Gehörsverstoß dargelegt. Denn er trägt selbst vor, dass er dem Gericht bereits mit Schriftsatz vom 30.9.2017 eine vollständige Kopie des Originals vorgelegt habe. Dass das [X.] den Inhalt des PSUR des [X.] nicht im Sinne des [X.] gewürdigt bzw bewertet hat, begründet keinen Gehörsverstoß. Denn der Anspruch auf rechtliches Gehör gewährleistet nur, dass der Kläger "gehört", nicht jedoch "erhört" wird (vgl Senatsbeschluss vom 29.3.2017 - B 9 V 59/16 B - Juris Rd[X.] 9; [X.] Beschluss vom 9.5.2011 - [X.] R 112/11 B - Juris Rd[X.] 9; [X.] Beschluss vom 18.12.2012 - [X.] R 305/11 B - Juris Rd[X.] 8). Dass der Kläger vom [X.] daran gehindert worden sei, das erwähnte Schreiben des Direktors des P.-Instituts vom 28.10.2013 zu den Gerichtsakten zu reichen, behauptet er nicht.

e) Soweit der Kläger seine fehlende Anhörung vor dem Übertragungsbeschluss des [X.] auf die Berichterstatterin nach § 153 Abs 5 SGG vom [X.] rügt, hat er nicht aufgezeigt, das darin ein Verfahrensmangel liegt, auf dem die Entscheidung des [X.] beruhen kann. Denn eine solche Gehörsverletzung führt nicht zu einer fehlerhaften Besetzung der Richterbank und damit zu einem absoluten Revisionsgrund nach § 202 S 1 SGG iVm § 547 [X.] ZPO, weil die Rückübertragung durch Beschluss des Senats auf den Senat möglich ist (vgl [X.] Beschluss vom 24.1.2018 - B 14 [X.]/17 BH - Juris Rd[X.] 6; [X.] Urteil vom [X.] [X.] 3/16 R - Juris Rd[X.]6 f - zur Veröffentlichung in [X.] 4-1500 §153 [X.]6 vorgesehen). Dass vorliegend die Voraussetzungen für eine Rückübertragung vorgelegen haben, trägt der Kläger nicht vor.

4. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§ 160a Abs 4 [X.] Halbs 2 SGG).

5. Die Verwerfung der danach nicht formgerecht begründeten und somit unzulässigen Beschwerde erfolgt gemäß § 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 iVm § 169 [X.] und 3 SGG durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.

6. [X.] beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

Meta

B 9 V 1/18 B

18.06.2018

Bundessozialgericht 9. Senat

Beschluss

Sachgebiet: V

vorgehend SG Gießen, 4. Juli 2013, Az: S 16 VE 8/13, Gerichtsbescheid

§ 160a Abs 2 S 3 SGG, § 160a Abs 2 S 1 SGG, § 160a Abs 2 S 2 SGG, § 160 Abs 2 Nr 1 SGG, § 160 Abs 2 Nr 3 SGG, § 62 SGG, § 116 S 2 SGG, § 118 Abs 1 S 1 SGG, § 128 Abs 1 S 1 SGG, § 153 Abs 5 SGG, § 397 ZPO, § 402 ZPO, § 411 Abs 3 ZPO, § 411 Abs 4 ZPO, § 60 Abs 1 S 1 IfSG, Art 103 Abs 1 GG

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Beschluss vom 18.06.2018, Az. B 9 V 1/18 B (REWIS RS 2018, 7695)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 7695

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