Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 15.03.2017, Az. 10 C 1/16

10. Senat | REWIS RS 2017, 14024

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Gegenstand

Zur Verjährung bei Schlussbescheiden über eine Subvention


Leitsatz

1. Die Befugnis einer Zuwendungsbehörde, aufgrund eines vorläufigen Bewilligungsbescheids die endgültige Höhe der Förderung in einem Schlussbescheid festzusetzen, unterliegt als Gestaltungsrecht der Verwaltung nicht der Verjährung.

2. Ihr kann bei Vorliegen besonderer Umstände der Einwand der Verwirkung entgegenstehen. Die Ausübung dieser Befugnis ist ansonsten aus Gründen der Rechtssicherheit nach § 242 BGB erst ausgeschlossen, wenn dreißig Jahre seit Erlass des vorläufigen Bewilligungsbescheids vergangen sind.

Tatbestand

1

Der klagende Zweckverband wendet sich gegen die teilweise Rückforderung einer ihm in den 1990er Jahren bewilligten Zuwendung.

2

Der Kläger erhielt für den Ausbau einer Trinkwasserleitung mit Zuwendungsbescheid vom 11. November 1994 eine Projektförderung in Höhe von 50 Prozent der zuwendungsfähigen Kosten, maximal 770 000 DM. Nach Nr. 2.1. der hierfür geltenden Allgemeinen Nebenbestimmungen für Zuwendungen zur Projektförderung an kommunale Körperschaften ([X.]) ermäßigte sich die Zuwendung, wenn sich nach der Bewilligung die im Finanzierungsplan für den Zuwendungszweck veranschlagten Gesamtausgaben ermäßigten. Nach dem Bau der Trinkwasserleitung reichte der Zweckverband im Juni 1995 einen Verwendungsnachweis über die entstandenen Baukosten ein.

3

Das [X.] kam im [X.] an eine Vorprüfung des örtlichen Landratsamtes am 23. Mai 1997 zu dem Ergebnis, dass bestimmte Ausgaben nicht förderfähig seien. Die Kosten der Bauschilder, die Planungskosten sowie bestimmte landschaftsgärtnerische Leistungen und Entschädigungen für Grundstücksbeanspruchungen seien im Umfang von insgesamt 41 829,40 DM anteilig oder vollständig dem gleichzeitigen Bau einer Abwasserleitung zuzuordnen. Da die Fördermittel nicht vollständig abgerufen worden waren, wurde eine Rückzahlungsforderung von 8 752,69 DM errechnet. Die Feststellungen wurden in einem Prüfvermerk der [X.] mbH vom 26. Juni 2000 bestätigt. Mit Änderungsbescheid vom 26. November 2010 verringerte das beklagte [X.] die Zuweisung anteilig und forderte den Zweckverband auf, den zu Unrecht erhaltenen Betrag von umgerechnet 4 475,18 € zurückzuzahlen.

4

Die gegen diesen Rückforderungsbescheid erhobene Klage hat der Kläger darauf gestützt, dass die Forderung verjährt sei. Das Verwaltungsgericht ist dieser Argumentation gefolgt und hat die im Änderungsbescheid enthaltene Festsetzung eines Erstattungsbetrags aufgehoben. Die Berufung des Beklagten hat das Oberverwaltungsgericht mit Urteil vom 10. März 2015 zurückgewiesen. Der öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch des Beklagten nach § 49a Abs. 1 Satz 1 VwVfG [X.] sei jedenfalls verjährt. Der Zuwendungsbescheid sei nach Nr. 2.1. [X.] unter der auflösenden Bedingung der Ermäßigung der zuwendungsfähigen Gesamtkosten ergangen; diese Bedingung sei mit der Vorlage des [X.] im Jahr 1995 eingetreten. Auf den damit entstandenen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch seien die allgemeinen Verjährungsbestimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuches analog anzuwenden. Da der Anspruch nach § 49a Abs. 1 Satz 1 VwVfG [X.] den bereicherungsrechtlichen Ansprüchen am ehesten vergleichbar sei, gelte die Regelverjährungsfrist des § 195 BGB, die früher dreißig Jahre betragen habe und seit Inkrafttreten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes im Jahr 2002 drei Jahre betrage. Nach der Überleitungsvorschrift des Art. 229 § 6 Abs. 1 Satz 1 EGBGB fänden die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches über die Verjährung in der seit dem 1. Januar 2002 geltenden Fassung auf die an diesem Tag bestehenden und noch nicht verjährten Ansprüche Anwendung, so dass der vorliegende Rückforderungsanspruch Ende 2005 verjährt sei.

5

Mit seiner Revision macht der Beklagte im Wesentlichen geltend, das Berufungsurteil verletze § 49a Abs. 1 Satz 1 VwVfG [X.] und stelle sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar. Der öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch unterliege nicht der neuen dreijährigen, sondern weiterhin der dreißigjährigen Verjährungsfrist. Im Übrigen sehe das Oberverwaltungsgericht in Nr. 2.1. [X.] zu Unrecht eine auflösende Bedingung. Die Ermäßigung der Zuwendung könne nicht als ein die Bedingung auslösendes Ereignis angesehen werden. Der Zuwendungsbescheid vom 11. November 1994 enthalte lediglich eine vorläufige Regelung im Hinblick auf die Höhe der Zuwendung; er sei auf eine Ergänzung durch einen weiteren Verwaltungsakt angelegt gewesen, der als "Änderungsbescheid" am 26. November 2010 ergangen sei. Erst mit diesem habe der vorläufige Zuwendungsbescheid seine Wirkung verloren, so dass die zeitgleich erhobene Rückforderung nicht verjährt oder aus anderen Gründen ausgeschlossen sei.

6

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des [X.] vom 21. Juni 2011 und das Urteil des [X.] vom 10. März 2015 zu ändern und die Klage abzuweisen.

7

Der Kläger beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

8

Es sei unerheblich, ob es sich bei der Regelung in Nr. 2.1. [X.] um eine auflösende Bedingung handele. Denn die Regelung greife nur ein, wenn sich die im Finanzierungsplan veranschlagten zuwendungsfähigen Gesamtausgaben ermäßigten. Vorliegend habe der Grund für die Kürzung aber darin gelegen, dass der Bewilligungszeitraum im März 1995 geendet habe und vier Rechnungen danach beglichen worden seien. Im Übrigen habe das Oberverwaltungsgericht zu Recht die dreijährige Verjährung des öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs in Analogie zur Regelverjährungsfrist des Bürgerlichen Rechts angenommen. Bereits aus dem Umkehrschluss zu § 53 Abs. 2 VwVfG [X.] folge, dass für nicht durch Verwaltungsakt festgesetzte Ansprüche nicht undifferenziert eine dreißigjährige Verjährungsfrist gelten solle; anderenfalls hätte es dieser Regelung nicht bedurft.

9

Der Vertreter des [X.] schließt sich der Auffassung des Beklagten an, dass der Bewilligungsbescheid vom 11. November 1994 als vorläufiger Verwaltungsakt und der Änderungsbescheid vom 26. November 2010 als Schlussbescheid zu qualifizieren sei. Die lange Verfahrensdauer von fünfzehn Jahren missachte jedoch die Verpflichtung aus § 10 VwVfG [X.] zur zügigen Erledigung. Auch wenn das Verwaltungsverfahrensgesetz dafür keine Sanktion vorsehe, komme eine analoge Anwendung der steuerrechtlichen Vorschriften über die Festsetzungsverjährung oder einer entsprechenden Ausschlussregelung in Betracht.

Entscheidungsgründe

Die Revision hat Erfolg. Das Urteil des [X.] verletzt § 36 Abs. 2 Nr. 2 VwVfG [X.] und damit revisibles Recht (§ 137 Abs. 1 Nr. 2 VwGO), indem es den Inhalt der Ermäßigungsklausel im Zuwendungsbescheid vom 11. November 1994 als auflösende [X.]edingung ansieht (1.). Darauf beruht die angegriffene Entscheidung, weil das Oberverwaltungsgericht die mit dem angefochtenen [X.]escheid geltend gemachte Erstattungsforderung bei dessen Erlass am 26. November 2010 deshalb zu Unrecht als verjährt angesehen hat (2.). Das [X.]erufungsurteil erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig (§ 144 Abs. 4 VwGO); der [X.] war am Erlass des angefochtenen [X.]escheids trotz der langen Verfahrensdauer rechtlich nicht gehindert (3.).

1. Das [X.]erufungsgericht hat die Klausel, dass der Rückgang der im Finanzierungsplan veranschlagten Gesamtausgaben zu einer Ermäßigung der Zuwendung führt, zu Unrecht als auflösende [X.]edingung im Sinne des § 36 Abs. 2 Nr. 2 VwVfG [X.] angesehen. Nr. 2.1. der damals in [X.] verwendeten Allgemeinen Nebenbestimmungen für Zuwendungen zur Projektförderung kommunaler Körperschaften ([X.]) des [X.] vom Oktober 1989 (vgl. Verwaltungsvorschriften zur Haushaltssystematik vom 5. April 1991, [X.]. [X.] 1991, 232) enthielt zwar diese Ermäßigungsregelung. Es handelt sich dabei jedoch nicht um eine [X.]edingung (a), sondern um einen Vorbehalt (b).

a) Eine [X.]edingung wird nach § 36 Abs. 2 Nr. 2 VwVfG [X.] dadurch charakterisiert, dass sie den Eintritt oder den Wegfall einer Vergünstigung oder [X.]elastung von dem ungewissen Eintritt eines zukünftigen Ereignisses abhängig macht. Unter den [X.]egriff des Ereignisses fallen nur von der Außenwelt wahrnehmbare Handlungen, Erklärungen oder Geschehnisse. Für ein Ereignis ist im allgemeinen Sprachgebrauch kennzeichnend, dass es erlebt, gehört, gesehen, mit anderen Worten durch Wahrnehmung erfasst werden kann. Dass es sich bei dem in § 36 Abs. 2 Nr. 2 VwVfG [X.] genannten "Ereignis" um einen empirisch nachprüfbaren Vorgang handeln muss, legt auch der semantische Zusammenhang zum "Eintritt" des Ereignisses nahe, der den [X.]punkt bestimmt, ab dem der Verwaltungsakt einen anderen Regelungsgehalt erhält. Da das künftige ungewisse Ereignis kraft Gesetzes ohne weiteren Zwischenschritt einen [X.] oder einen Rechtsgewinn herbeiführt, muss sein Eintritt auch aus Gründen der Rechtssicherheit für alle [X.]eteiligten - für den Adressaten des [X.]escheids, für die [X.]ehörde und ggf. für Dritte - gleichermaßen ohne Weiteres erfassbar sein. Dies ist bei äußeren, zur allgemeinen Erfahrungswelt gehörenden Tatsachen der Fall, nicht hingegen bei nur zur Gedankenwelt eines [X.]eteiligten gehörenden Vorstellungen ([X.], Urteil vom 16. Juni 2015 - 10 [X.] 15.14 - [X.]E 152, 211 Rn. 12).

Nach diesen Maßstäben widerspricht die Annahme des [X.]erufungsgerichts revisiblem Recht, dass es sich bei der in Nr. 2.1. [X.] enthaltenen Nebenbestimmung um eine auflösende [X.]edingung im Sinne des § 36 Abs. 2 Nr. 2 VwVfG [X.] handelt. Zwar vermittelt die Formulierung von der Ermäßigung der im Finanzierungsplan veranschlagten Gesamtausgaben das [X.]ild eines wahrnehmbaren Vorgangs. Tatsächlich beruht aber die Feststellung, dass und um wieviel die zuwendungsfähigen Ausgaben zurückgegangen sind, nicht allein auf der grundsätzlich allen [X.]eteiligten gleichermaßen möglichen Wahrnehmung von Tatsachen. Insbesondere kann der Rückgang der zuwendungsfähigen Ausgaben nicht auf einfache Weise durch Sichtung und Addition der im Zusammenhang mit der geförderten Maßnahme eingegangenen Abrechnungsbelege gewonnen werden. Denn bei jedem [X.] muss eine förderrechtliche [X.]ewertung hinzukommen, ob und inwieweit eine tatsächlich getätigte Ausgabe zuwendungsfähig ist ([X.], Urteil vom 16. Juni 2015 - 10 [X.] 15.14 - [X.]E 152, 211 Rn. 14). Dies zeigt sich besonders, wenn - wie hier beim [X.]au der Trink- und Abwasserleitung - eine geförderte und eine nicht geförderte [X.]aumaßnahme zusammen verwirklicht werden. Dann muss bei den [X.]aurechnungen der zu den zuwendungsfähigen Kosten der geförderten [X.]aumaßnahme (Trinkwasserleitung) betreffende Anteil abgegrenzt und herausgerechnet werden, was eine im Einzelnen komplizierte und von fachlichen und rechtlichen Vorkenntnissen abhängige Kostenbewertung und -zuordnung erforderlich macht. Somit fehlt es entgegen der Auffassung des [X.]erufungsgerichts an dem für eine [X.]edingung unabdingbaren Ereignis.

b) Da es eine ereignislose [X.]edingung nicht gibt, kann der Zuwendungsbescheid vom 11. November 1994 nicht als auflösend bedingter Verwaltungsakt verstanden werden. Das Revisionsgericht hat darum den [X.]escheid vom 11. November 1994 selbst auszulegen (vgl. [X.], Urteil vom 30. Oktober 2013 - 2 [X.] 23.12 - [X.]E 148, 217 Rn. 14) und nach den Auslegungsgrundsätzen der §§ 133, 157 [X.] zu erforschen, wie der Adressat den Verwaltungsakt unter [X.]erücksichtigung der ihm bekannten oder erkennbaren Umstände bei objektiver Auslegung verstehen musste (stRspr, vgl. [X.], Urteil vom 11. Februar 1983 - 7 [X.] 70.80 - [X.] 451.55 Subventionsrecht Nr. 72).

Aus der Sicht eines objektiven Empfängers stellt sich der Zuwendungsbescheid vom 11. November 1994 als vorläufiger Zuwendungsbescheid dar. Dies gilt unabhängig davon, ob die damals verwendeten Allgemeinen Nebenbestimmungen für Zuwendungen zur Projektförderung kommunaler Körperschaften vom Oktober 1989 dem [X.]escheid tatsächlich beigefügt und damit wirksam einbezogen worden sind. Der nur vorläufige [X.]harakter der Mittelzuweisung folgt bereits aus der im Tenor des Zuwendungsbescheids geregelten Festlegung auf eine hälftige Anteilsfinanzierung der anfallenden zuwendungsfähigen Kosten, aus der unbestimmten und zukunftsoffenen Festlegung der [X.] "von max. 770 000 DM" und aus dem Erfordernis einer Verwendungsnachweisführung in Ziffer 5 des [X.]escheids. Damit enthält der [X.]escheid vom 11. November 1994 keine exakt bezifferte [X.], sondern lediglich die verbindliche Zusage der Anteilsfinanzierung und die Festlegung der Verfahrensmodalitäten für die nachfolgende [X.]estimmung des endgültigen Förderbetrags.

Die endgültige Entscheidung über die Förderhöhe enthält erst der "Änderungsbescheid" vom 26. November 2010. Das wird zwar nicht schon durch die Überschrift des [X.]escheids deutlich. Auch wird in dessen [X.]egründung Nr. 2.1. [X.] fälschlich als auflösende [X.]edingung bezeichnet. Der [X.]escheid setzt jedoch nach abschließender Prüfung des [X.] die Höhe der Zuweisung auf 389 219,57 [X.] (761 247,31 DM) fest. Der endgültige [X.]harakter der Zuwendungsfestsetzung ergibt sich aus dem Hinweis, dass die Projektförderung - vorbehaltlich einer Prüfung durch die [X.], den [X.] und deren Einrichtungen oder den Landesrechnungshof - für diese Maßnahme abgeschlossen sei. Damit wird von dem in dem früheren [X.]escheid enthaltenen Vorbehalt Gebrauch gemacht und hinsichtlich des Zuwendungsbetrags ein Schlussbescheid erlassen.

2. Da der [X.]ewilligungsbescheid vom 11. November 1994 nicht auflösend bedingt war, konnte die Verjährung des Erstattungsanspruchs auch nicht - wie vom Oberverwaltungsgericht angenommen - mit der Vorlage der Verwendungsnachweise im Juni 1995 beginnen und drei Jahre nach Inkrafttreten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes ablaufen. Das Oberverwaltungsgericht ist zwar zutreffend davon ausgegangen, dass ein öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch nach § 49a Abs. 1 Satz 1 VwVfG [X.] seit dem Inkrafttreten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes am 1. Januar 2002 der dreijährigen kenntnisabhängigen Verjährungsfrist analog §§ 195, 199 [X.] n.F. unterliegt ([X.], Urteil vom 15. März 2017 - 10 [X.] 3.16 - Leitsatz 1). Die dreijährige Verjährungsfrist begann aber nicht vor der Festsetzung des endgültigen Zuwendungsbetrags durch den Schlussbescheid vom 26. November 2010 zu laufen und war deshalb bei dem gleichzeitigen Erlass des Rückforderungsbescheids nicht verstrichen.

Hieran ändert nichts, dass die Erstattungsforderung rückwirkend entstanden ist. Wie die Rücknahme oder der rückwirkende Widerruf eines [X.] auf dessen Erlasszeitpunkt zurückwirkt, so wirkt auch die Festsetzung des endgültigen Zuwendungsbetrags durch einen Schlussbescheid auf den [X.]punkt des vorläufigen [X.] zurück ([X.], Urteil vom 19. November 2009 - 3 [X.] 7.09 - [X.]E 135, 238 Rn. 25). Vor Erlass des Schlussbescheids ist die Erstattungsforderung jedoch nicht durchsetzbar, weshalb sie zuvor noch nicht verjähren kann. Dem kann nicht entgegengehalten werden, dass die Erstattungsforderung seit dem Empfang der Überzahlung und damit auch für zurückliegende [X.]räume zu verzinsen ist und diese [X.] rückwirkend verjähren können. Dies ist der besonderen gesetzlichen Regelung der Verzinsung geschuldet; damit soll zugleich verhindert werden, dass ein verzögerter Erlass des Rücknahme-, Widerrufs- oder Schlussbescheids zur Akkumulation unverjährter Zinsen für große [X.]räume führen kann (vgl. [X.], Teilurteil vom 21. Oktober 2010 - 3 [X.] 4.10 - [X.] 451.511 § 14 [X.] Nr. 3 Rn. 47 sowie Urteil vom 21. März 2013 - 3 [X.] 14.12 - juris Rn. 19; [X.], Urteil vom 11. Dezember 2012 - [X.]/10 - [X.]E 239, 310 Rn. 14 ff.).

Entgegen der Ansicht des [X.] muss sich der [X.] auch nicht nach dem [X.]n des § 162 Abs. 1 [X.] so behandeln lassen, als hätte er den Schlussbescheid schon früher - in angemessener [X.] nach Vorlage der Verwendungsnachweise - erlassen und damit das Anlaufen der Verjährungsfrist für die Erstattungsforderung begründet. Unabhängig davon, ob dieser in der zivilrechtlichen Rechtsprechung verschiedentlich erörterte [X.] (vgl. [X.], Urteil vom 12. März 2008 - 1 U 1049/07 - juris Rn. 52, KG, Urteil vom 21. August 2008 - 2 U 75/07 - juris Rn. 15 f.) im öffentlichen Verjährungsrecht heranzuziehen ist, setzt seine Anwendung jedenfalls voraus, dass dem [X.]n, weil er den Schlussbescheid erst fünfzehn Jahre nach Vorlage der Verwendungsnachweise erlassen hat, der Vorwurf eines treuwidrigen Verhaltens gemacht werden kann. Hierfür ist aber nichts ersichtlich. Der [X.] hat unwidersprochen vorgetragen, dass er in den 1990er und 2000er Jahren mit einer großen Anzahl wasserrechtlicher Förderverfahren befasst war, von denen etliche auch den Kläger selbst betrafen, und dass er aus Gründen mangelnder Arbeitskapazität nur zu einer sukzessiven [X.]earbeitung in der Lage war, so dass einige Verfahren erst spät zu einem Abschluss gebracht werden konnten. Es mag sein, dass der [X.] diesen Rückstau durch anderen Personaleinsatz oder durch verwaltungsorganisatorische Maßnahmen früher hätte abarbeiten können; Anhaltspunkte für eine treuwidrige Verfahrensverschleppung sind aber nicht erkennbar.

3. Die angegriffene Entscheidung des [X.] erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig (§ 144 Abs. 4 VwGO). Der [X.] durfte die Höhe der Zuwendung im [X.]ewilligungsbescheid vom 11. November 1994 vorläufig festsetzen, weil die für die hälftige Anteilsfinanzierung maßgeblichen zuwendungsfähigen Kosten vor Durchführung der [X.]aumaßnahme nicht feststanden und nach dem Gesetz auch nicht im Wege einer Prognose zu schätzen waren (vgl. [X.], Urteil vom 19. November 2009 - 3 [X.] 7.09 - [X.]E 135, 238 Rn. 21). Dass der [X.] nach Durchführung der [X.]aumaßnahme und Vorlage des [X.] mehr als fünfzehn Jahre für den Erlass des Schlussbescheids am 26. November 2010 benötigt hat, führt auch nicht dazu, dass die Rückforderung rechtlich unzulässig geworden wäre.

a) Der Kläger als Zuwendungsempfänger hatte zwar nach Herstellung der bezuschussten Trinkwasserleitung und Vorlage des [X.] einen Anspruch darauf, dass der [X.] die vorbehaltene Nachprüfung vornahm, sobald der Grund für den Vorbehalt entfiel. [X.]ei [X.] wird dies aus dem Verfahrensanspruch des Zuwendungsempfängers abgeleitet, dass sein Antrag zügig (vgl. § 10 Satz 2 VwVfG [X.]), ggf. binnen Frist (vgl. § 42a VwVfG [X.]) beschieden - und das heißt grundsätzlich abschließend beschieden - wird ([X.], Urteil vom 19. November 2009 - 3 [X.] 7.09 - [X.]E 135, 238 Rn. 22). Die Verpflichtung zur zügigen Entscheidung im Sinne des § 10 Satz 2 VwVfG [X.] ist jedoch grundsätzlich nur als Auftrag zur Entscheidung in angemessener [X.] zu verstehen, dessen Verletzung die Zulässigkeit der Untätigkeitsklage und unter Umständen Entschädigungs- und Amtshaftungsansprüche sowie [X.] nach sich ziehen kann ([X.]/[X.], VwVfG, 17. Aufl. 2016, § 10 Rn. 18 ff., 22 ff.). Dementsprechend führt die Missachtung des verfahrensrechtlichen [X.] regelmäßig dazu, dass die [X.] keine Erstattungszinsen für [X.]räume beanspruchen kann, in denen der Zuwendungsempfänger die Verzögerung nach § 49a Abs. 3 Satz 2 VwVfG nicht zu vertreten hat (vgl. [X.], Urteile vom 19. November 2009 - 3 [X.] 7.09 - [X.]E 135, 238 Rn. 31 f. und vom 11. Mai 2016 - 10 [X.] 8.15 - NVwZ 2016, 1577 Rn. 21). Hingegen hat die Verletzung des [X.] - von den gesetzlich geregelten Fällen der Genehmigungsfiktion (vgl. § 42a VwVfG [X.]) abgesehen - grundsätzlich keine Auswirkung auf die Sachentscheidung.

b) Die Ausübung der [X.]efugnis zum Erlass des Schlussbescheids unterliegt keinen speziellen Entscheidungs- und Festsetzungsfristen. Der [X.] war insbesondere nicht durch § 48 Abs. 4, § 49 Abs. 3 Satz 2 VwVfG [X.] gehalten, die abschließende Entscheidung über die [X.] innerhalb eines Jahres nach Kenntnis der hierfür maßgebenden Umstände zu treffen. Auf eine ausdrücklich vorbehaltene Regelung finden § 48 Abs. 4, § 49 Abs. 3 Satz 2 VwVfG [X.] weder unmittelbar noch analog Anwendung (vgl. [X.], Urteil vom 14. April 1983 - 3 [X.] 8.82 - [X.]E 67, 99 <104>). Denn die Wirkung des Vorbehalts einer endgültigen Regelung liegt gerade darin, dass die [X.]ehörde die vorläufige Regelung im Ausgangsbescheid durch die endgültige Regelung im Schlussbescheid ersetzen kann, ohne insoweit an die Einschränkungen der §§ 48, 49 VwVfG gebunden zu sein ([X.], Urteil vom 19. November 2009 - 3 [X.] 7.09 - [X.]E 135, 238 Rn. 16).

c) Die [X.]efugnis einer [X.], auf Grund eines vorläufigen [X.] die endgültige Höhe der Förderung in einem Schlussbescheid festzusetzen, unterliegt auch nicht der Verjährung. Eine analoge Anwendung der einschlägigen Verjährungsfristen der §§ 195 ff. [X.] scheidet schon deswegen aus, weil auch im [X.]ürgerlichen Recht nach § 194 Abs. 1 [X.] nur Ansprüche der Verjährung unterliegen, nicht aber die Ausübung von [X.]. Für die Ausübung von [X.] gelten grundsätzlich gesonderte Vorschriften (Ellenberger, in: [X.], [X.], 76. Aufl. 2017, § 194 Rn. 2; [X.], in: [X.], [X.], 14. Aufl. 2014, § 194 Rn. 11). Daher unterliegt auch die [X.]efugnis einer [X.]ehörde, einen Zuwendungsbescheid zurückzunehmen, als Gestaltungsrecht der Verwaltung grundsätzlich nicht dem allgemeinen Verjährungsrecht (vgl. [X.], Teilurteil vom 21. Oktober 2010 - 3 [X.] 4.10 - [X.] 451.511 § 14 [X.] Nr. 3 Rn. 16). Nichts anderes kann für die hier vorliegende Gestaltungsbefugnis der Verwaltung gelten, einen vorläufigen Verwaltungsakt durch einen endgültigen Schlussbescheid zu ersetzen.

Ferner sind beim Erlass des Schlussbescheids - entgegen den dahin zielenden Überlegungen des Vertreters des [X.] - die für Abgaben geltenden Regelungen der Festsetzungsverjährung (§§ 169, 170 AO) nicht entsprechend anwendbar. Die Rückforderung eines überhöhten Zuwendungsanteils dient dem Ausgleich einer zu Unrecht erhaltenen Leistung, nicht aber der Deckung des allgemeinen oder besonderen Ausgabenbedarfs des Staates. Der das [X.] rechtfertigende Gedanke, dass bei verspäteter Erhebung einer Abgabe ihr zeitlicher [X.]ezug zur Deckung der aktuellen staatlichen Ausgaben verloren geht, greift daher nicht. Die Regeln über die Festsetzungsverjährung enthalten auch keinen allgemeinen, für alle [X.]ereiche des Öffentlichen Rechts geltenden Grundsatz ([X.], Urteil vom 7. Juli 2009 - [X.]/06 - [X.]E 225, 524 Rn. 42).

d) Der [X.] hat die [X.]efugnis zum Erlass des Schlussbescheids und zur Geltendmachung der sich ergebenden Überzahlung auch nicht verwirkt.

Allerdings kann der Einwand der Verwirkung bei Vorliegen besonderer Umstände im Einzelfall der Ausübung dieser [X.]efugnis entgegenstehen. Dies folgt daraus, dass die Verwirkung als Ausprägung des Grundsatzes von Treu und Glauben (§ 242 [X.]) und als Hauptanwendungsfall des Verbots widersprüchlichen Verhaltens auch im Öffentlichen Recht gilt und insbesondere auch die Rücknahmebefugnis der [X.]ehörden einschränkt ([X.], Urteil vom 20. Dezember 1999 - 7 [X.] 42.98 - [X.]E 110, 226 <236> und [X.]eschluss vom 3. April 2012 - 5 [X.] 59.11 - juris Rn. 4 m.w.N.; [X.]SG, Urteil vom 11. August 2015 - [X.] 9 S[X.] 2/15R - [X.] 4-1300 § 48 Nr. 31 Rn. 22). Die Verwirkung setzt jedoch nach ständiger Rechtsprechung des [X.]undesverwaltungsgerichts voraus, dass seit der Möglichkeit der Geltendmachung des Rechts längere [X.] verstrichen ist und besondere Umstände hinzugetreten sind, welche die verspätete Geltendmachung als treuwidrig erscheinen lassen ([X.], Urteile vom 7. Februar 1974 - 3 [X.] 115.71 - [X.]E 44, 339 <343> und vom 20. März 2014 - 4 [X.] 11.13 - [X.]E 149, 211 Rn. 30 m.w.N.).

Mit [X.]lick auf die [X.]efugnis zur Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsakts ist dies anzunehmen, wenn Umstände eingetreten sind, aus denen der die Rechtswidrigkeit kennende [X.]egünstigte berechtigterweise den Schluss ziehen durfte, der Verwaltungsakt werde nicht mehr zurückgenommen, obwohl die [X.]ehörde dessen Rücknehmbarkeit erkannt hat, der [X.]egünstigte ferner darauf vertraut hat, dass die Rücknahmebefugnis nicht ausgeübt wird, und dieses Vertrauen in einer Weise betätigt hat, dass ihm mit der sodann gleichwohl erfolgten Rücknahme ein unzumutbarer Nachteil entstünde ([X.], Urteil vom 20. Dezember 1999 - 7 [X.] 42.98 - [X.]E 110, 226 <236> und [X.]eschluss vom 3. April 2012 - 5 [X.] 59.11 - juris Rn. 4). Dementsprechend kommt bei vorläufigen Verwaltungsakten die Verwirkung in [X.]etracht, wenn der Zuwendungsempfänger aufgrund eines zusätzlichen Verhaltens des Zuwendungsgebers oder der zwischengeschalteten [X.]ehörden Vertrauen darauf aufbauen kann, dass der ursprüngliche [X.]ewilligungsbescheid nicht mehr geändert werden wird, wenn er tatsächlich auf den uneingeschränkten Fortbestand des [X.] vertraut hat und wenn er sein Vertrauen infolgedessen betätigt hat.

Im vorliegenden Fall sind keine Tatsachen festgestellt, die eine entsprechende Vertrauensgrundlage für eine unveränderte [X.]eibehaltung der vorläufigen [X.] bilden könnten. Ebenso fehlt es beim Kläger an der erforderlichen Vertrauensbetätigung. Die Kürzung der Zuwendung beruht nach Aktenlage darauf, dass abgerechnete [X.]aumaßnahmen teilweise oder ganz dem nicht geförderten Projekt des [X.]aus einer Abwasserleitung zuzuordnen, also für das geförderte Projekt tatsächlich nicht angefallen sind. [X.] des [X.] sind weder vorgetragen noch ersichtlich.

e) Darüber hinaus muss es zwar im Hinblick auf das Gebot der Rechtssicherheit aus Art. 20 Abs. 3 GG auch unabhängig vom Nachweis eines [X.] eine zeitliche Grenze für den Erlass eines Schlussbescheids geben. Das rechtsstaatliche Gebot der [X.]elastungsklarheit und -vorhersehbarkeit schützt davor, dass lange zurückliegende, in tatsächlicher Hinsicht abgeschlossene Vorgänge unbegrenzt zur Anknüpfung neuer Lasten herangezogen werden können ([X.]VerfG, [X.]eschluss vom 5. März 2013 - 1 [X.]vR 2457/08 - [X.]VerfGE 133, 143 Rn. 41). Dabei ist es in erster Linie Aufgabe des Gesetzgebers, eine äußerste zeitliche Grenze für die Ausübung einer vorbehaltenen Änderungsbefugnis zu bestimmen. Solange eine solche Regelung fehlt, liegt es nahe, an die für die Ausübung der behördlichen Rücknahmebefugnis angestellten Erwägungen anzuschließen. Danach bildet die längste im Zivilrecht und Öffentlichen Recht vorkommende Frist von dreißig Jahren einen absoluten zeitlichen Schlusspunkt, nach dem die Ausübung einer [X.]efugnis treuwidrig und durch § 242 [X.] ausgeschlossen ist ([X.]SG, Urteil vom 24. März 1993 - 9/9a [X.] - [X.]SGE 72, 139 Rn. 21; [X.], Urteil vom 7. Juli 2009 - [X.]/06 - [X.]E 225, 524 Rn. 45; vgl. auch [X.], Urteile vom 21. Oktober 2010 - 3 [X.] 4.10 - [X.] 451.511 § 14 [X.] Nr. 3 Rn. 16 m.w.N. und vom 20. März 2014 - 4 [X.] 11.13 - [X.]E 149, 211 Rn. 16, 30 ff.). Diese Frist von dreißig Jahren ab Erlass des [X.] ist hier jedoch nicht erreicht.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Meta

10 C 1/16

15.03.2017

Bundesverwaltungsgericht 10. Senat

Urteil

Sachgebiet: C

vorgehend Oberverwaltungsgericht für das Land Mecklenburg-Vorpommern, 10. März 2015, Az: 2 L 268/11, Urteil

§ 242 BGB, § 194 Abs 1 BGB, § 195 BGB, § 49 Abs 3 S 2 VwVfG MV 2014, § 49a Abs 1 S 1 VwVfG MV 2014, § 48 Abs 4 VwVfG MV 2014, § 42a VwVfG MV 2014, § 36 Abs 2 Nr 2 VwVfG MV 2014, § 10 S 2 VwVfG MV 2014, § 49a Abs 3 S 2 VwVfG MV 2014

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 15.03.2017, Az. 10 C 1/16 (REWIS RS 2017, 14024)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 14024

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