BT-Drucksache 18/773

Mehr Frauen auf allen Führungsebenen

Vom 12. März 2014


Deutscher Bundestag Drucksache 18/773
18. Wahlperiode 12.03.2014

Antrag
der Abgeordneten Ulle Schauws, Katja Dörner, Kerstin Andreae, Katharina
Dröge, Renate Künast, Dr. Franziska Brantner, Doris Wagner, Beate
Walter-Rosenheimer, Luise Amtsberg, Volker Beck (Köln), Ekin Deligöz,
Dr. Thomas Gambke, Kai Gehring, Anja Hajduk, Britta Haßelmann, Maria
Klein-Schmeink, Markus Kurth, Monika Lazar, Dr. Tobias Lindner, Nicole
Maisch, Irene Mihalic, Beate Müller-Gemmeke, Özcan Mutlu, Brigitte
Pothmer, Tabea Rößner, Claudia Roth (Augsburg), Corinna Rüffer,
Elisabeth Scharfenberg, Kordula Schulz-Asche, Dr. Wolfgang
Strengmann-Kuhn, Dr. Harald Terpe, Dr. Konstantin von Notz und der
Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Mehr Frauen auf allen Führungsebenen

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Frauen stecken weiter in den unteren Führungsebenen der Unternehmen fest. Sie
stoßen auf vielfältige Hindernisse auf dem Weg in die mittlere und obere Füh-
rungsebene, z. B. eine an der männlichen Normalbiographie orientierte Arbeits-
kultur. Die gläserne Decke bleibt bestehen. Das führt zu einer Verschleuderung
von Qualifikationen, Potenzialen und Fähigkeiten. Auf den Pool an qualifizierten
weiblichen Arbeitskräften wird weiterhin verzichtet. Es fehlt an zielführenden
und nachhaltigen Strategien und Maßnahmen, um diese Situation grundlegend zu
ändern. Der Deutsche Bundestag sieht dies als ein fatales Signal für die Gleichbe-
rechtigung von Frauen und erwartet ein zügiges Gegensteuern der Bundesregie-
rung. Gesetzliche Regelungen sind erforderlich.
Der Anteil von Frauen in Führungspositionen der Wirtschaft ist in Deutschland
nach wie vor gering. Nach einer aktuellen Untersuchung des Deutschen Instituts
für Wirtschaftsforschung (DIW-Wochenbericht 3/2014) ist der Anteil von Frauen
in den Vorständen der DAX-30-Unternehmen sogar um 1,5 Prozentpunkte ge-
genüber dem Vorjahr auf 6,3 Prozent gesunken. Die Vorstände der 200 größten
Unternehmen wiesen einen Frauenanteil von nur 4 Prozent auf. Die Vorstands-
vorsitze blieben weiterhin rein männlich besetzt. Der Anteil von Frauen in den
Aufsichtsräten ist in den DAX-30-Unternehmen um gut 2 Prozentpunkte auf
knapp 22 Prozent gestiegen, ebenso in den 200 umsatzstärksten Unternehmen auf
gut 15 Prozent.
Das DIW kam für die Vorstände und Aufsichtsräte von 60 im Beteiligungsbericht
des Bundes gelistete Unternehmen zu ähnlichen Ergebnissen. Seit Ende 2012
stieg der Frauenanteil in den Vorständen leicht auf knapp 13 Prozent, in den Auf-
sichtsräten sank er auf 18 Prozent und lag damit unter dem der DAX-30-

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Unternehmen. Auch wenn diese Positionen oft an eine Führungsposition in der
Politik oder der Verwaltung gebunden sind, ist dieses Ergebnis enttäuschend. Die
öffentliche Hand übernimmt hier keine Vorbildrolle. Das Bundesgremienbe-
setzungsgesetz (BGremBG) hat seit seiner Einführung im Jahr 1994 wenig Wir-
kung gezeigt und das Ziel der gleichberechtigten Teilhabe von Frauen in Gremien
im Einflussbereich des Bundes nicht erreicht.
Da 2013 als Superwahljahr der Aufsichtsräte galt, ist der niedrige Anstieg ein
Zeichen verpasster Möglichkeiten und zeigt, dass mehr Frauen in den Aufsichts-
räten kein Selbstläufer sind.
Bisherige freiwillige Vereinbarungen und Selbstverpflichtungen haben nicht zu
einer signifikanten Erhöhung des Frauenanteils geführt. Das gilt auch für den
Deutschen Corporate Governance Kodex (DCGK), der zudem keine Konkretisie-
rung für Führungspositionen oder Vorstände enthält.
Auch in der Wissenschaft sind die erzielten Verbesserungen deutlich hinter den
Erwartungen zurückgeblieben. Für die wissenschaftliche Karriere gilt für Promo-
vendin bis Professorin trotz der guten und schnellen Hochschulabschlüsse von
Frauen: je höher die Qualifikationsstufe und Besoldungsgruppe, desto niedriger
der Frauenanteil.
Laut Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD sollen Frauen in allen
Betriebshierarchien mit Maßnahmen für die Privatwirtschaft gefördert werden,
dies gilt auch für Unternehmen mit Bundesbeteiligung. Ebenso soll der Anteil
weiblicher Führungskräfte in Deutschland erhöht werden. Daher sollen „zu Be-
ginn der 18. Wahlperiode des Deutschen Bundestages Geschlechterquoten in
Vorständen und Aufsichtsräten“ gesetzlich eingeführt werden. Allerdings ist eine
Quote von nur 30 Prozent für ab dem Jahr 2016 neu besetzte Aufsichtsräte vorge-
sehen. Damit bleibt die Bundesregierung deutlich unter der beispielsweise von
der EU-Kommission präferierten Quote von 40 Prozent.
Die Studie „Frauen in Führungspositionen“, 2010 im Auftrag des Bundesministe-
riums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend erstellt, kam zu dem Ergebnis,
dass nur 23 Prozent der Männer in Führungspositionen keine Kinder haben, wäh-
rend dies für fast die Hälfte aller Frauen in vergleichbaren Positionen der Fall ist.
Eines der Hauptargumente der Frauen mit Kindern gegen einen Sprung in eine
Führungsposition war, dass der ohnehin schon schwierige Spagat, Familie und
Beruf zu vereinbaren, noch schwerer zu bewältigen sein würde.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. gesetzliche Regelungen für die Privatwirtschaft zu erlassen, die konkrete
Maßnahmen zur Erhöhung des Frauenanteils in Führungspositionen auf allen
betrieblichen Ebenen beinhalten, in denen sie unterrepräsentiert sind;

2. zügig einen Gesetzentwurf zur Quote für Aufsichtsräte vorzulegen, der ab
2015 eine Mindestquote von 30 Prozent und ab 2017 von 40 Prozent für bör-
sennotierte Unternehmen und Unternehmen mit Arbeitnehmermitbestim-
mung vorschreibt;

3. eine Erhöhung des Frauenanteils in den Vorständen von Unternehmen mit
gesetzlichen Maßnahmen zu fördern;

4. als Vorbild voranzugehen und für Unternehmen mit Bundesbeteiligung um-
gehend wirksame Regelungen zur Erhöhung des Frauenanteils vorzulegen;

5. das Bundesgremienbesetzungsgesetz dahingehend grundlegend zu über-
arbeiten;

6. für den Wissenschaftsbereich eine verbindliche Strategie vorzulegen, um auf
allen Hierarchieebenen mehr Geschlechtergerechtigkeit zu erreichen. Dazu
ist u. a. die institutionelle und projektgebundene Forschungsförderung an

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/773

gleichstellungspolitische Verpflichtungen zu knüpfen (u. a. auf Grundlage
des Kaskadenmodells);

7. sich im Ministerrat und in den Verhandlungen mit dem Europäischen Parla-
ment dafür einzusetzen, dass der Entwurf einer Richtlinie zur Gewährleis-
tung einer ausgewogeneren Vertretung von Frauen und Männern in Auf-
sichtsräten börsennotierter Gesellschaften mit ehrgeizigen und verbindlichen
Zielen und Sanktionen angenommen wird;

8. die Vereinbarkeit von Familie und Beruf für Frauen und Männer zu erleich-
tern;

9. sich für eine andere Arbeitskultur in den Unternehmen einzusetzen, die eine
ausgewogene Balance zwischen Arbeit und Freizeit ermöglicht und bei-
spielsweise überlange Arbeitszeiten oder Anwesenheiten in Frage stellt.

Berlin, den 11. März 2014

Katrin Göring-Eckardt, Dr. Anton Hofreiter und Fraktion

Begründung

In Artikel 3 Absatz 2 des Grundgesetzes steht der klare Auftrag: „Männer und Frauen sind gleichberech-
tigt.“ Seit 1994, seit 20 Jahren, heißt es weiter: „Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleich-
berechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.“ Damit
wird der Staat zum aktiven Handeln aufgefordert. Diesem Auftrag kommt er in vielen Bereichen nicht nach.

Für den Bereich der Privatwirtschaft gibt es zur Erhöhung des Anteils von Frauen in Führungspositionen
bisher nur freiwillige Übereinkünfte. Diese haben allerdings nicht zu einer Erhöhung geführt. Daher sind
gesetzliche Regelungen unumgänglich. Studien zeigen mal einen leichten Anstieg, dann wieder ein Absin-
ken. Ein klarer, unumkehrbarer Trend zu einer Erhöhung ist nicht erkennbar.

Damit leistet sich Deutschland eine unglaubliche Verschwendung der Investitionen in die Ausbildung und
Qualifikation von Frauen. Darüber hinaus fehlen den Firmen durch den faktischen Ausschluss von Frauen
aus den Führungsgremien wichtige Impulse und Potenziale. Auch der demografische Wandel erfordert
weitere Anpassungen der Arbeitswelt an die Bedürfnisse der Menschen.

Die breite öffentliche Debatte, die von vielen Organisationen wie FidAR oder dem Deutschen Juris-
tinnenbund getragen wurde und mit der „Berliner Erklärung“ auch viele Bundestagsabgeordnete aller Frak-
tionen einschloss, zeigt, dass es ein erhebliches gesellschaftliches Unbehagen an der Schieflage der Ge-
schlechter in den Führungspositionen gibt. Initiativen wie „ProQuote Medizin“ für mehr Frauen in Füh-
rungspositionen im Gesundheitsbereich oder „ProQuote“ für die Medienbranche stehen ebenfalls dafür. Der
Anteil von Frauen in Führungspositionen bei den Tages- und Wochenzeitungen liegt bei gerade mal 2 Pro-
zent. Von neun Intendanzen beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk sind nur zwei mit Frauen besetzt und
auch die Struktur der Aufsichtsgremien weist eine deutliche Schieflage auf.

Neben gesetzlichen Regelungen für die Aufsichtsräte und Vorstände sind weitere Maßnahmen erforderlich.
Mit gesetzlichen Regelungen für die Privatwirtschaft können Frauen auf Unternehmensebenen auch unter-
halb von Aufsichtsrat oder Vorstand gefördert werden. Dazu gehören die Erhebung geschlechtsspezifischer
Daten sowie konkrete und überprüfbare Maßnahmen zur Erreichung vorher festgelegter Gleichstellungszie-
le. Welche Maßnahmen die Unternehmen ergreifen, soll dabei ihnen überlassen bleiben.
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Mit der Förderung in den Unternehmen im Einflussbereich des Bundes muss endlich ernst gemacht werden.
Der Bund sollte bei den öffentlichen Unternehmen deutlich stärkere Anstrengungen unternehmen, um den
Frauenanteil zu erhöhen und ein Beispiel für die Privatwirtschaft zu geben. Denn Unternehmen in seinem
Einflussbereich erfüllen die Quotenziele sogar teils schlechter als die Privatwirtschaft. So lag etwa die
Frauenquote in den Vorständen öffentlicher Banken Ende des vergangenen Jahres bei 4,7 Prozent, während
es im privaten Bankgewerbe immerhin rund 8 Prozent waren. Klare Zielvorgaben, mehr Transparenz und
ein nachhaltiges Gesetzescontrolling sind dafür erforderlich. Eingeführt werden soll eine Mindestquote von
40 Prozent eines Geschlechts für Gremien, die vom Bund besetzt werden. Der Bund macht sich unglaub-
würdig, wenn er von den Unternehmen in der Privatwirtschaft deutliche Verbesserungen der tatsächlichen
Gleichstellung verlangt, selbst jedoch untätig bleibt. Das Bundesgremienbesetzungsgesetz muss novelliert
werden.

Das Potenzial von Frauen ist für die Steigerung und Sicherung der Leistungs- und Innovationskraft unserer
Gesellschaft und im Wettbewerb um die besten Köpfe für die Wissenschaft dringend notwendig. Mittelfris-
tiges Ziel muss ein Geschlechteranteil von jeweils mindestens 40 Prozent auf Entscheidungsebene und in
Evaluationsgremien von Forschungseinrichtungen und an Hochschulen sein. Die zu verhandelnden großen
Wissenschaftspakte sind hierfür an gleichstellungspolitische Verpflichtungen zu knüpfen. Die Gemeinsame
Wissenschaftskonferenz hat im Juni 2013 zu Recht festgestellt, dass die Veränderungsdynamik der For-
schungsorganisationen und der DFG noch nicht als hinreichend zu bezeichnen ist. Der Frauenanteil an C4-
W3-Professuren lag 2011 bei 15,5 Prozent. Der Frauenanteil betrug 2012 an Positionen der Hochschullei-
tung insgesamt 21,9 Prozent, auf der höchsten Ebene, d. h. bei Rektorinnen und Präsidentinnen, jedoch nur
13,2 Prozent (vgl. GWK, „Chancengleichheit in Wissenschaft und Forschung. 17. Fortschreibung des Da-
tenmaterials 2011/2012“).

Der Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Gewährleistung einer
ausgewogeneren Vertretung von Frauen und Männern unter den nicht geschäftsführenden Direkto-
ren/Aufsichtsratsmitgliedern börsennotierter Gesellschaften und über damit zusammenhängende Maßnah-
men (KOM(2012) 614 endg.) wird derzeit im Rat verhandelt. Das Europäische Parlament verabschiedete
seinen Standpunkt in erster Lesung bereits am 20. November 2013. Im Rat sind die Verhandlungen Ende
letzten Jahres zum Erliegen gekommen. In ihrem Koalitionsvertrag bekennen sich CDU, CSU und SPD zu
einer gesetzlichen Regelung mit verbindlichen Quoten innerhalb Deutschlands. Es ist daher konsequent, aus
Deutschland Zustimmung zur Richtlinie zu signalisieren und damit den Verhandlungen neue Impulse zu
geben.

Um mehr Frauen in die Lage zu versetzen, Spitzenpositionen in der Wirtschaft, Politik, Forschung und
Verwaltung anstreben und einnehmen zu können, muss zudem die Vereinbarkeit von Familie und Beruf in
Deutschland deutlich verbessert werden. „Work-life-balance“ oder „Vereinbarkeit von Familie und Füh-
rungspositionen“ sind in vielen Unternehmen jedoch eher Schlagworte, als dass es Konzepte gibt, mit denen
die Beschäftigten unterstützt werden. Für verschiedene Phasen des Berufslebens sind unterschiedliche,
passende Arbeitsmodelle und verlässliche Strukturen zur Betreuung von Kindern und Angehören erforder-
lich.

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