BT-Drucksache 18/6069

Dauerhafte und strukturelle Entlastungen für Kommunen in Not

Vom 23. September 2015


Deutscher Bundestag Drucksache 18/6069
18. Wahlperiode 23.09.2015

Antrag
der Abgeordneten Britta Haßelmann, Christian Kühn (Tübingen), Luise
Amtsberg, Corinna Rüffer, Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn, Volker Beck (Köln),
Dr. Gerhard Schick, Katja Dörner, Dr. Thomas Gambke, Matthias Gastel, Kai
Gehring, Bärbel Höhn, Katja Keul, Maria Klein-Schmeink, Oliver Krischer,
Stephan Kühn (Dresden), Markus Kurth, Dr. Tobias Lindner, Irene Mihalic,
Dr. Konstantin von Notz, Cem Özdemir, Tabea Rößner, Elisabeth Scharfenberg,
Ulle Schauws, Kordula Schulz-Asche, Markus Tressel, Dr. Julia Verlinden,
Doris Wagner, Dr. Valerie Wilms und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Dauerhafte und strukturelle Entlastungen für Kommunen in Not

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Die Schere zwischen armen und reichen Städten, Gemeinden und Kreisen in
Deutschland geht trotz sprudelnder Steuereinnahmen und partiellen Entlastungen
des Bundes immer weiter auseinander. Steuereinnahmen, Museen und Theater, sa-
nierte Schulen und niedrige soziale Pflichtaufgaben sorgen in vielen Orten für eine
hohe Lebensqualität. Marode Turnhallen, geschlossene Büchereien geschlossene
Schwimmbäder und Mangelverwaltung konzentrieren sich in anderen Städten und
Gemeinden. Vom Grundsatz der Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse in der
Bundesrepublik zu sprechen, fällt sehr schwer.

Seit 2012 erzielen Städte, Gemeinden und Kreise trotz der stabilen Konjunktur ins-
gesamt nur spärliche Überschüsse. Von den Rekordeinnahmen profitieren reichere
Kommunen. Dieses Ungleichgewicht ist kein neuer Trend. Schon die außeror-
dentlich hohen Überschüsse in den Jahren 2007 und 2008 entfielen zu zwei Dritteln
auf Kommunen in den Ländern Bayern, Baden-Württemberg und Hessen.

Gleichzeitig steigt die Verschuldung der Kommunen bei den kurzfristigen Verbind-
lichkeiten. Betroffen sind insbesondere Städte und Gemeinden, deren Schuldenlast
ohnehin bereits hoch ist. Zusätzliche und außerordentliche Finanzierungsverpflich-
tungen gelingen dort nur zu Lasten der eigenen Infrastruktur oder durch den Verkauf
von Vermögen.

Verantwortlich für diese frappierende Fehlentwicklung ist und bleibt die nach wie
vor starke Zunahme der sozialen Pflichtausgaben. Unabhängig von der aktuellen
Lage auf dem Arbeitsmarkt steigen die sozialen Aufwendungen u. a. für Menschen
mit Behinderungen, Kinder- und Jugendhilfe und Flüchtlingsunterbringung und -be-
treuung konsequent an.

Die Städte, Gemeinden und Landkreise werden bei diesen gesamtgesellschaftlichen
Aufgaben alleingelassen. Strukturschwache Kommunen befinden sich in einer fi-
nanziellen Abwärtsspirale zwischen ständig steigenden Aufwendungen und ausblei-
benden Steuereinnahmen und werden abgehängt. Ein Abbau der umfangreichen

Drucksache 18/6069 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

Schuldenlast kann nicht beginnen. Diese Kommunen sind hoch verschuldet und In-
vestitionen in die Infrastruktur bleiben aus. Ganze Wirtschaftsräume werden abge-
hängt.

Insgesamt ist das Bild erschreckend: Die kommunale Verschuldung erreicht ca. 135
Milliarden Euro. Kurzfristige Verbindlichkeiten steigen weiter auf ca. 50 Milliarden
Euro. Der kommunale Investitionsstau ist mit 132 Milliarden Euro ein riesiger Berg
versteckter Verschuldung.

Es ist höchste Zeit sich einzugestehen, dass die Disparitäten innerhalb der kommu-
nalen Familie groß sind und die finanzielle Schieflage vieler Kommunen nicht aus
eigener Kraft zu bewältigen ist. Strukturschwäche und neue Aufgabenübertragungen
von Bund und Ländern in den letzten Jahrzehnten sind Ursache für das finanzielle
Fiasko vor Ort. Die aktuelle Finanzverfassung besitzt nicht die Werkzeuge, dauer-
haft und strukturell Abhilfe zu schaffen. Die Unterstützung von Bund und Ländern
war bisher nur ein Tropfen auf einen sehr heißen Stein, insbesondere im Hinblick
auf die sozialen Pflichtaufgaben.

Alleingelassen werden die Kommunen auch aktuell. Die Städte und Gemeinden ste-
hen vor der großen Herausforderung, eine steigende Anzahl von Menschen die vor
Krieg und Gewalt fliehen unterzubringen, zu betreuen und zu begleiten. Diese Ent-
wicklung war längst absehbar. Dennoch ist eine strukturelle und dauerhafte Unter-
stützung des Bundes an die Kommunen bisher nicht erfolgt.

Es braucht eine dauerhafte und strukturelle Entlastung für finanzschwache Kommu-
nen.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung deshalb auf,

1. einen Vorschlag für einen nachhaltigen Abbau der bestehenden kommunalen
Altschulden vorzulegen,

2. die hohe Belastung finanzschwacher Kommunen durch soziale Pflichtaufgaben
über eine wie im Rahmen des Fiskalpaktes zwischen Bund und Ländern für
diese Legislaturperiode fest vereinbarte Bundesbeteiligung an der Eingliede-
rungshilfe in Höhe von 5 Milliarden Euro zu senken,

3. den Investitionsstau in den Kommunen durch ein fünfjähriges Sonderpro-
gramm des Bundes in Höhe von 10 Milliarden Euro für die Sanierung in Schu-
len abzubauen,

4. den akuten finanziellen Bedarf der Kommunen durch die Flüchtlingsaufnahme
dauerhaft und strukturell mitzufinanzieren, indem der Bund

a) sich mit einer pauschalen Beteiligung pro Flüchtling an der Finanzierung
der Begleitung, Betreuung und Unterbringung beteiligt oder das Asylbewer-
berleistungsgesetz abschafft und die Hilfebedürftigen in die Leistungen des
SGB II integriert, hilfsweise die Kosten für Leistungen nach dem Asylbe-
werberleistungsgesetz ganz oder teilweise übernimmt,

b) die Gesundheitskosten übernimmt,

c) die Bundesmittel für soziale Wohnraumförderung von 518 Millionen Euro
auf mindestens 2 Milliarden Euro erhöht,

d) sich dafür einsetzt, dass Asylbewerbern und Geduldeten ein Anspruch auf
Teilnahme an den Integrationskursen eingeräumt wird, deren Kosten der
Bund trägt.

Berlin, den 22. September 2015

Katrin Göring-Eckardt, Dr. Anton Hofreiter und Fraktion

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