BT-Drucksache 18/4141

zu der Beratung des Antrags des Bundesministeriums der Finanzen - Drucksache 18/4079 - Finanzhilfen zugunsten Griechenlands; Verlängerung der Stabilitätshilfe Einholung eines zustimmenden Beschlusses des Deutschen Bundestages nach § 3 Absatz 1 i. V. m. § 3 Absatz 2 Nummer 2 des Stabilisierungsmechanismusgesetzes auf Verlängerung der bestehenden Finanzhilfefazilität zugunsten der Hellenischen Republik

Vom 27. Februar 2015


Deutscher Bundestag Drucksache 18/4141
18. Wahlperiode 27.02.2015

Entschließungsantrag
der Abgeordneten Sven-Christian Kindler, Manuel Sarrazin, Dr. Gerhard
Schick, Kerstin Andreae, Dr. Frithjof Schmidt, Annalena Baerbock,
Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn, Katharina Dröge, Ekin Deligöz, Anja
Hajduk, Britta Haßelmann, Dr. Tobias Lindner, Dr. Franziska Brantner,
Agnieszka Brugger, Katja Dörner, Harald Ebner, Dr. Thomas Gambke,
Matthias Gastel, Kai Gehring, Dieter Janecek, Katja Keul, Maria
Klein-Schmeink, Tom Koenigs, Sylvia Kotting-Uhl, Oliver Krischer, Stephan
Kühn (Dresden), Christian Kühn (Tübingen), Nicole Maisch, Peter Meiwald,
Beate Müller-Gemmeke, Dr. Konstantin von Notz, Lisa Paus, Tabea Rößner,
Claudia Roth (Augsburg), Corinna Rüffer, Kordula Schulz-Asche, Jürgen
Trittin, Dr. Julia Verlinden und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

zu der Beratung des Antrags des Bundesministeriums der Finanzen
– Drucksache 18/4079 –

Finanzhilfen zugunsten Griechenlands;
Verlängerung der Stabilitätshilfe

Einholung eines zustimmenden Beschlusses des Deutschen
Bundestages nach § 3 Absatz 1 i. V. m. § 3 Absatz 2 Nummer 2 des
Stabilisierungsmechanismusgesetzes auf Verlängerung der bestehenden
Finanzhilfefazilität zugunsten der Hellenischen Republik

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Die Verlängerung des laufenden Programms für Griechenland ist richtig. Die grie-
chische Regierung hat die Verlängerung des Ende Februar auslaufenden Programms
beantragt und eine erste Liste mit Reformmaßnahmen fristgerecht vorlegt. Die Eu-
ropäische Kommission, die EZB und der IWF haben diese als belastbaren Beginn
für einen erfolgreichen Abschluss der ausstehenden Programmüberprüfung bewer-
tet. Damit sind alle von der Eurogruppe gestellten Bedingungen für eine Verlänge-
rung des laufenden Kreditprogramms für vier Monate erfüllt.
Im Gegenzug für finanzielle Hilfen müssen die erforderlichen Reformen umgesetzt
werden, die Griechenland in eine nachhaltige wirtschaftliche Zukunft führen. Das

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stand als Grundsatz nie zur Debatte. Die schwere Wirtschafts- und Staatsschulden-
krise, in die Griechenland vor über fünf Jahren stürzte, wurde überwiegend durch
eine verfehlte Politik in Griechenland ausgelöst. Bei der Wahl im Januar 2015 wurde
das alte Klientelsystem abgewählt. Die neue griechische Regierung ist deswegen
eine Chance für einen Neuanfang in Griechenland und den Bruch mit der Günst-
lingswirtschaft. Unterstützt wurde der Wahlsieg von SYRIZA durch Fehler in der
nationalen Krisenpolitik und der Politik der Troika und der Eurogruppe, die die haus-
gemachten Probleme weiter verschärft hat und die Probleme des Landes nicht gelöst
hat. Der Austeritätskurs ist gescheitert. Es ist Zeit für eine Kurskorrektur. Griechen-
land braucht mehr Luft zum Atmen und ganz Europa mehr Investitionen in die Zu-
kunft.
Die Erfahrungen Griechenlands haben mit erschreckender Deutlichkeit gezeigt, dass
eine einseitige Sparpolitik sowie versäumte Strukturreformen und mangelnder poli-
tischer Wille nicht nur zu drastischen sozialen Verwerfungen mit Rekordarbeitslo-
sigkeit und um sich greifender Armut führt, sondern durch Schrumpfung der Wirt-
schaft und Deflation die Schuldenlast sogar noch erhöht wird. Jetzt muss schnell
Vertrauen geschaffen werden, damit wieder mehr in Griechenland investiert wird.
Staatliche Hilfsprogramme allein können die Krise nicht lösen, es braucht wirt-
schaftliche Dynamik. Diese kann nur entstehen, wenn die Unternehmen darauf ver-
trauen können, dass Griechenland in der Eurozone bleibt.
Ginge es nach konservativen Hardlinern in Europa und Deutschland, dann würde
Griechenland diese Woche aus der Eurozone ausscheiden. Ein Grexit wäre aber nicht
nur für Griechenland und die Eurozone wirtschaftlich verheerend, sondern auch das
Ende des europäischen Projekts. Nationale Nabelschau, chauvinistische Parolen und
parteipolitisches Kalkül zersetzen die europäische Idee. Dafür war und ist kein Platz
in Europa. Es darf keinen Zweifel geben, dass die Mitgliedstaaten auch künftig zu-
sammenhalten und gemeinsam eine für alle Seiten tragbare Lösung finden. Die De-
batten der vergangenen Woche wurden viel zu stark nach der Logik des Nullsum-
menspiels geführt: Einer verliert, was der andere gewinnt. Dieses Spiel ist nicht nur
zutiefst uneuropäisch, sondern auch extrem gefährlich, da es nationale Fronten ver-
härtet, statt belastbare Kompromisse zu finden. Das nationale Gepolter muss daher
ein Ende haben. Alle Beteiligten müssen zu einem Kurs zurückkehren, der von ge-
genseitigem Verständnis, Verhandlungsbereitschaft und Solidarität geprägt ist.
Eine Kurskorrektur ist dringend erforderlich. Griechenland braucht Spielraum für
Investitionen in die Zukunft und muss sich dabei auf die Unterstützung der EU ver-
lassen können. Zudem sollte die griechische Regierung nicht nur den eingeschlage-
nen Weg der Haushaltskonsolidierung beibehalten, sondern auch dringend notwen-
dige Strukturmaßnahmen – auch gegen einflussreiche Klientel – durchsetzen und
soziale Maßnahmen gegen Armut und Arbeitslosigkeit ergreifen. Die soziale Situa-
tion in Griechenland ist dramatisch. Die vorhandene Flexibilität muss genutzt wer-
den, um die soziale Krise zu lindern. Die angekündigten Schritte in der Reformliste
der griechischen Regierung für eine landesweite soziale Grundsicherung, die Über-
prüfung einer Rückkehr zu kollektiven Tarifverhandlungen mit betrieblicher Flexi-
bilität oder die Ausgabe von Essensmarken als kurzfristig umsetzbare Maßnahme
für in Armut lebende Menschen in Griechenland sind dabei wichtige Bausteine.
Die Liste mit Reformvorhaben Griechenlands ist realistischer als bisherige Reform-
pläne und enthält Ansatzpunkte für eine Neuausrichtung auf eine die Wirtschaft sta-
bilisierende und sozial ausgewogenere Politik. Die Maßnahmen verbessern sowohl
die Einnahmeseite als auch die Ausgabenseite des griechischen Staates. Wichtige
Strukturreformen zielen auf mehr Transparenz, mehr soziale Gerechtigkeit und we-
niger Bürokratie. Steuerprivilegien sollen abgeschafft und Steuerflucht sowie Kor-
ruption bekämpft werden. Die griechische Regierung zeigt damit, dass sie gerechte
und wirtschaftlich sinnvolle Strukturreformen angehen will. Sie wird sich in den
kommenden Monaten daran messen lassen müssen, inwieweit die Reformankündi-
gungen auf den Weg gebracht oder umgesetzt werden.

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/4141
Mittelfristig muss statt der Troika aus EU Kommission, EZB und IWF ein Europäi-
scher Währungsfonds unter Kontrolle des EU-Parlaments für die Reformprogramme
zuständig sein. Allerdings muss auch bis zur Schaffung eines solchen Fonds die de-
mokratische Kontrolle der Tätigkeit der Institutionen (früher: Troika) deutlich ge-
stärkt werden. Es gilt daneben weiterhin: Finanzielle Unterstützung kann es nicht
ohne Kontrollen geben.
Griechenland hat sich dazu verpflichtet, alle Zahlungsverpflichtungen gegenüber
seinen Gläubigern einzuhalten. Es wird in Absprache mit den europäischen Institu-
tionen vorgehen und einen Primärüberschuss erzielen, der im jetzigen wirtschaftli-
chen Umfeld realistisch und angemessen ist. Mit der Verpflichtung Athens auf Nach-
haltigkeit der Staatsfinanzen, Stabilität des Finanzsektors, die Beförderung der wirt-
schaftlichen Erholung und Maßnahmen gegen die soziale Krise sind die erforderli-
chen Grundlagen gelegt, um das Hilfspaket zu verlängern.
Die Bundesregierung muss die Chance nutzen, in den nächsten vier Monaten mit der
neuen griechischen Regierung die begonnene Kurskorrektur in der Rettungspolitik
konsequent weiterzuführen. Dabei muss es um den Abbau der Arbeitslosigkeit und
eine bessere soziale Balance gehen. Das ist im deutschen Interesse, denn Massenar-
beitslosigkeit und Perspektivlosigkeit für Millionen von Menschen im Süden Euro-
pas sind gefährlich für Europa insgesamt. Auch Schuldenerleichterungen müssen
angestrebt werden. Denn nur so wird eine Rückzahlung des Großteils der Kredite
realistisch.
Dabei sollten nicht nur die erforderlichen Reformanstrengungen in Griechenland zur
Debatte stehen, sondern auch die Frage, was Europa insgesamt zusätzlich tun muss,
um den Krisenmodus endlich zu verlassen und zu einem nachhaltigen Wachstum zu
finden. Dabei müssen neue Impulse für private und staatliche Investitionen gegeben,
gleichzeitig die Glaubwürdigkeit der Haushaltskonsolidierung in der Euro-Zone ge-
stärkt und Strukturreformen mit sozialer und ökologischer Ausrichtung angegangen
werden.
Schon jetzt ist abzusehen, dass Griechenland nach den vier Monaten wahrscheinlich
weiterhin eine finanzielle Unterstützung benötigen wird. Für ein drittes Griechen-
landprogramm müssen dann gerechte und wirtschaftlich sinnvolle Strukturreformen
im Fokus stehen, wie die Modernisierung der Steuerverwaltung, die effektive Be-
steuerung von Vermögen und ein bürgerfreundlicher, effizienter öffentlicher Sektor.
Auch der Kampf gegen Korruption und die Verbesserung der Rechtsstaatlichkeit
werden weiterhin zentral sein. Im Gegenzug müssen Schuldenerleichterungen ge-
prüft werden. Essentiell ist es, dass angesichts der hohen Armut und Arbeitslosigkeit
sinnvolle Maßnahmen gegen die soziale Krise und für sozialen Ausgleich im Land
ergriffen werden. Griechenland braucht dringend mehr Gerechtigkeit.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

im EFSF-Direktorium der Verlängerung der Bereitstellungsfrist im Rahmen der be-
stehenden Hauptfinanzhilfevereinbarung zwischen der Europäischen Finanzstabili-
sierungsfazilität (EFSF) und der Hellenischen Republik um bis zu vier Monate bis
zum 30. Juni 2015 zuzustimmen.

Berlin, den 27. Februar 2015

Katrin Göring-Eckardt, Dr. Anton Hofreiter und Fraktion
anzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de

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