BT-Drucksache 18/3735

Sonderermittler zur Aufarbeitung der Cum-Ex-Geschäfte einsetzen

Vom 14. Januar 2015


Deutscher Bundestag Drucksache 18/3735
18. Wahlperiode 14.01.2015
Antrag
der Abgeordneten Dr. Gerhard Schick, Kerstin Andreae, Dr. Thomas Gambke,
Britta Haßelmann, Markus Kurth, Dr. Tobias Lindner, Beate Müller-Gemmeke,
Lisa Paus, Corinna Rüffer, Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn, Dr. Julia Verlinden
und der Fraktion der BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
sowie der Abgeordneten Richard Pitterle, Susanna Karawanskij, Dr. Axel Troost,
Klaus Ernst, Jutta Krellmann, Thomas Lutze, Thomas Nord, Michael Schlecht,
Dr. Sahra Wagenknecht und der Fraktion DIE LINKE.

Sonderermittler zur Aufarbeitung der Cum-Ex-Geschäfte einsetzen

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Im Zeitraum von 2002 bis 2012 wurden die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler
durch so genannte Cum-Ex-Geschäfte Schätzungen zufolge um zwölf Milliarden
Euro gebracht. Nutznießer waren fast ausschließlich sehr reiche Einzelpersonen und
große Banken.

Um den Dividendentermin wurde gezielt eine Situation herbeigeführt, in der eine
Aktie rechtlich gesehen kurzfristig mehrere Eigentümerinnen oder Eigentümer hatte.
Diese Situation nutzten die Finanzmarktakteurinnen und -akteure dazu, sich mehr-
fach Kapitalertragssteuer erstatten zu lassen, obwohl sie nur einmal gezahlt worden
war. Im Ergebnis konnten Banken sowie Anlegerinnen und Anleger dadurch Milli-
arden Euro einnehmen – ohne jedes Marktrisiko. Ein enormer Transfer von unten
nach oben, von den normalen Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern zu einigen der
Wohlhabendsten unserer Gesellschaft.

Ob diese Geschäfte legal waren oder nicht ist nach wie vor Gegenstand diverser Ge-
richtsverfahren. Dem Ausgang der Gerichtsverfahren soll weder vorgegriffen noch
sollen diese in irgendeiner Weise beeinflusst werden. Ohnehin steht unabhängig von
der Frage nach der Rechtswidrigkeit der Cum-Ex-Geschäfte und der strafrechtlichen
Verantwortlichkeit beteiligter Personen bereits fest, dass das Verhalten der an den
Geschäften beteiligten Parteien zumindest als illegitim zu werten ist. Sich auf Kosten
der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler zu bereichern, ist in jedem Falle absolut in-
akzeptabel. Für alle Beteiligten war ersichtlich, dass bei der Konstruktion der Cum-
Ex-Geschäfte ein Steuerbetrag mehrfach rückerstattet oder verrechnet wurde, ob-
wohl er nur einmal tatsächlich gezahlt worden war.

Neben der juristischen Klärung muss zwingend auch eine politische Aufarbeitung
erfolgen. Es muss geklärt werden, welche Verantwortlichkeiten insbesondere auf
Seiten der Bundesregierung bestanden und an welcher Stelle sie diesen nicht gerecht
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geworden ist. Hierbei ist sowohl hinsichtlich der formalen Zuständigkeiten, als auch
der tatsächlichen Geschehnisse Aufklärungsarbeit zu leisten.

Einen ersten Hinweis auf das Problem gab der Bankenverband in einem Schreiben
an das Bundesministerium der Finanzen bereits 2002. Es muss geklärt werden, wel-
chen Weg dieser Hinweis nahm und warum seitens des Bundesfinanzministeriums
keine Reaktion erfolgte. 2007 stand das Thema erneut zur Debatte. Regelungen wur-
den erlassen, welche diese Art von Geschäften jedoch nicht wirklich unterbanden.
Hier ist zu hinterfragen, welche Stellen mit der Ausarbeitung dieser Regelungen be-
fasst waren, warum das eigentliche Problem nicht behoben wurde und warum dieser
wichtige Aspekt in den parlamentarischen Beratungen kein Thema war. Dass Teile
des damaligen Gesetzentwurfs (Jahressteuergesetz 2007) aus dem Schreiben des
Bankenverbandes von 2002 kopiert waren, verdient dabei besondere Aufmerksam-
keit. Erst 2012, also über zehn Jahre nach den ersten Hinweisen, wurde das gravie-
rende Problem der Cum-Ex-Geschäfte ernsthaft angegangen.

Ein weiteres brisantes Detail ist, dass nicht nur private Banken, sondern auch ein-
zelne Landesbanken in diesem Geschäftsbereich aktiv waren. Hier muss geklärt wer-
den, wie es dazu kommen konnte, dass öffentliche Institutionen Geschäfte gegen
ihre eigenen Eigentümerinnen und Eigentümer, nämlich die Steuerzahlerinnen und
Steuerzahler, machten.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf, eine unabhängige
Sonderermittlerin oder einen unabhängigen Sonderermittler einzusetzen, die
oder der aufklärt,

wie es dazu kommen konnte, dass die Cum-Ex-Geschäfte zehn Jahre lang
nicht unterbunden wurden,

welche Stellen und welche Personen auf der staatlichen Seite für den ent-
standenen Schaden zum einen formal und zum anderen tatsächlich (mit)ver-
antwortlich sind,

ob die getroffenen und/oder geplanten Maßnahmen zur Reduzierung des bei
den Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern angefallenen Schadens adäquat
sind, auch in Anbetracht der unterschiedlichen möglichen Ausgänge der an-
hängigen Gerichtsverfahren,

ob ausreichend Vorkehrungen getroffen und/oder geplant worden sind, um
ähnliche Probleme künftig wesentlich frühzeitiger zu erkennen und zu un-
terbinden.

Berlin, den 13. Januar 2015

Katrin Göring-Eckardt, Dr. Anton Hofreiter und Fraktion
Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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