BT-Drucksache 18/2855

Einführung einer Finanztransaktionsteuer in Stufen

Vom 8. Oktober 2014


Deutscher Bundestag Drucksache 18/2855
18. Wahlperiode 08.10.2014
Kleine Anfrage
der Abgeordneten Lisa Paus, Dr. Thomas Gambke, Britta Haßelmann, Dr. Gerhard
Schick, Ekin Deligöz, Anja Hajduk, Sven-Christian Kindler, Dr. Tobias Lindner,
Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
sowie der Abgeordneten Dr. Axel Troost, Klaus Ernst, Susanna Karawanskij,
Richard Pitterle und der Fraktion DIE LINKE.

Einführung einer Finanztransaktionssteuer in Stufen

Elf europäische Staaten haben im Januar 2013 beschlossen, eine Finanztransak-
tionssteuer im Rahmen einer Verstärkten Zusammenarbeit einzuführen. Seit Fe-
bruar 2013 liegt dafür ein Richtlinienentwurf vor (KOM/2013/71). Am 6. Mai
2014 haben die Finanzminister der Staaten Belgien, Deutschland, Estland, Grie-
chenland, Spanien, Frankreich, Italien, Österreich, Portugal und der Slowakei
erklärt, die Finanztransaktionssteuer in Stufen einführen zu wollen (siehe „Joint
Statement by ministers of Member States participating in enhanced cooperation
in the area of financial transaction tax“).
Laut dieser Erklärung sollen in einem ersten Schritt lediglich Aktien und „einige
Derivate“ besteuert werden. Bis Ende 2014 soll dafür eine tragfähige Lösung vor-
liegen. Das Besteuerungsregime der ersten Stufe soll spätestens ab 1. Januar 2016
in Kraft treten. Das Bundesministerium der Finanzen (BMF) geht nicht davon
aus, dass die tatsächliche Steuererhebung vor dem 1. Januar 2019 starten kann.
Die Erarbeitung und Einführung weiterer Stufen lässt die Erklärung offen (Proto-
koll der 18. Sitzung des Finanzausschusses des Deutschen Bundestages der
18. Wahlperiode, S. 28 f.).
Am 3. September 2014 wurde dem Finanzausschuss des Deutschen Bundestages
der Endbericht des vom BMF beauftragten Gutachtens „Eine Europäische Fi-
nanztransaktionssteuer, Einnahmen und Auswirkungen auf das deutsche BIP“
vorgelegt. Demnach würde die Finanztransaktionssteuer auf Grundlage des um-
fassenden Kommissionsentwurfs allein in Deutschland jährliche Einnahmen
von 18 bis 28 Mrd. Euro einbringen.
Was die genaue Ausgestaltung betrifft, sind laut Bericht des BMF im Finanzaus-
schuss des Deutschen Bundestages noch viele Fragen offen. Weder die Bemes-
sungsgrundlage, noch der Anwendungsbereich, noch das Besteuerungsprinzip
seien bislang geklärt. Sicher sei hingegen bereits jetzt, dass es zunächst nicht zu
einer vollumfänglichen Finanztransaktionssteuer kommt, wie sie die Europä-
ische Kommission vorgeschlagen hat.
Da auch die Bundesregierung offenbar das Inkrafttreten einer umfassenden Fi-
nanztransaktionssteuer in ihrer Amtszeit nicht mehr für wahrscheinlich hält,
stellt sich die Frage, welchen Einfluss eine „Finanztransaktionssteuer light“ auf
das Steueraufkommen sowie die gewünschte Lenkungswirkung hat. Hierbei

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stellen sich insbesondere Fragen nach Ausweichreaktionen, Auswirkungen auf
Instrumente der Altersvorsorge, auf die Kleinanleger sowie auf die Realwirt-
schaft. Fraglich ist auch, inwiefern es mit der ersten Stufe überhaupt gelingen
kann, unerwünschte Formen von Finanzgeschäften zurückzudrängen.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Hält die Bundesregierung an ihrer Auffassung fest, dass die Finanztransak-

tionssteuer möglichst alle Finanzinstrumente umfassen soll, insbesondere
Aktien, Anleihen, Investmentanteile, Derivatekontrakte und darüber hinaus
auch alle Devisentransaktionen?
Was hat die Bundesregierung bislang dafür getan, um eine solche Steuer zu
erreichen?
Was plant sie in Zukunft dafür zu tun?

2. Welche Verhandlungen mit Beteiligung der Bundesregierung zur Ausge-
staltung der Finanztransaktionssteuer haben im Jahr 2014 stattgefunden
(bitte Verhandlungen der EU-28, der Staaten der Verstärkten Zusammen-
arbeit und bilaterale Gespräche jeweils mit Angabe der Termine)?

3. Welche Termine für die Verhandlungen zur Ausgestaltung der Finanztrans-
aktionssteuer sind in den nächsten Monaten angesetzt?

4. Setzt sich die Bundesregierung für zusätzliche Verhandlungstermine ein,
um das Verfahren zu beschleunigen (bitte mit Begründung), und wenn ja,
welche, und wie viele?

5. Rechnet die Bundesregierung damit, dass bis Ende 2014 eine tragfähige
Lösung für die Ausgestaltung der ersten Stufe vorliegt?

6. Was bedeutet die Beschränkung des Anwendungsbereichs auf Aktien und
einige Derivate hinsichtlich des erklärten Ziels, unerwünschte Formen von
Finanzgeschäften zu begrenzen?
Erwartet die Bundesregierung durch die erste Stufe noch stabilisierende
Wirkungen auf den Finanzmärkten?
Wenn ja, welche?

7. Inwieweit hätte die vollumfängliche Steuer auf alle Aktien, Anleihen, In-
vestmentanteile, Derivatekontrakte und Devisentransaktionen eine stabili-
sierende Wirkung auf die Finanzmärkte?

8. Welche Ausgestaltung einer Finanztransaktionssteuer wäre besonders ge-
eignet, um auch Risiken im Schattenbankensektor (zum Beispiel auf den
Verbriefungs- und Repo-Märkten) zu adressieren?
Wäre eine Besteuerung von bestimmten Derivaten vor diesem Hintergrund
besonders wichtig?

9. Welche regulatorischen Anreize gibt es bereits, um Transaktionen mit Fi-
nanzinstrumenten vom OTC-Handel (außerbörslicher Handel) auf Börsen
zu verlagern, und in welcher Höhe schlagen sich diese in Transaktionskosten
nieder?

10. Spricht sich die Bundesregierung für einen höheren Steuersatz für OTC-Ge-
schäfte aus?

11. Wie bewertet die Bundesregierung die Auswirkungen einer Beschränkung
des Anwendungsbereichs auf Aktien und auf einige Derivate bezüglich
potenzieller Ausweichmöglichkeiten der Finanzmarktakteure?

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12. Wären nach Auffassung der Bundesregierung diese Ausweichmöglichkei-
ten geringer, wenn das vollumfängliche Konzept der Europäischen Kom-
mission verwirklicht werden würde?

13. Auf welche Finanzinstrumente, insbesondere welche Derivate, lässt sich
das Emissionsprinzip anwenden?

14. Welche Daten zu Transaktionsvolumina liegen vor, an denen sich die Be-
messungsgrundlage der Finanztransaktionssteuer abschätzen lässt (bitte
sowohl für das Ansässigkeitsprinzip als auch für das Emissionsprinzip an-
geben)?

15. Welche Daten hat die Bundesregierung an die Europäische Kommission zur
verbesserten Schätzung der Steuereinnahmen übermittelt?

16. Wie verteilen sich die Transaktionsvolumina auf die folgenden Kategorien
von Finanzinstrumenten
a) Aktien,
b) Anleihen (differenziert nach privaten und öffentlichen Anleihen),
c) Derivate (zum Nominalwert, jeweils börsengehandelt und OTC), aufge-

schlüsselt in Aktienderivate, Zinsderivate, Währungsderivate, Rohstoff-
derivate, Kreditderivate, sonstige Derivate,

d) Repos,
e) sowie auf Devisen,
wenn dabei, wie im Kommissionsentwurf, eine Kombination des Ansässig-
keits- und des Emissionsprinzips unterstellt wird?

17. Wie verändern sich die Transaktionsvolumina aus Frage 16, wenn dabei nur
das Ansässigkeitsprinzip unterstellt wird?

18. Wie verändern sich die Transaktionsvolumina aus Frage 16, wenn dabei nur
das Emissionsprinzip unterstellt wird?

19. Welches Steueraufkommen haben nach Kenntnis der Bundesregierung die
in den letzten zwei Jahren eingeführten Steuern auf bestimmte Finanztrans-
aktionen erbracht in
a) Frankreich,
b) Italien,
c) Portugal?

20. Welche Mindereinnahmen erwartet die Bundesregierung durch die erste
Stufe im Vergleich zu dem von der Bundesregierung am 3. September 2014
an den Finanzausschuss übersandten Endberichts zur Folgenabschätzung
der Finanztransaktionssteuer?

21. Welche Einnahmen für den deutschen Fiskus erwartet die Bundesregierung
jeweils bei Einführung der ersten Stufe, wenn als Verhandlungsergebnis an-
genommen wird, dass neben Aktien
a) nur Aktienderivate oder
b) alle Derivate
besteuert würden?

22. Inwiefern soll laut bisherigem Stand der Verhandlungen in der ersten Stufe
das Ansässigkeits-, und inwiefern das Emissionsprinzip angewandt werden
(bitte mit Angabe der Mehrheits- und etwaiger Minderheitspositionen)?

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23. Wie hoch sind die erwarteten Einnahmen, die jeweils durch die Besteuerung
von den in Frage 16 genannten einzelnen Kategorien von Finanzinstrumen-
ten generiert würden, wenn dabei
a) die Kombination von Ansässigkeits- und Emissionsprinzip,
b) nur das Ansässigkeitsprinzip,
c) nur das Emissionsprinzip
unterstellt wird?

24. Nach welchen Kriterien und mit welcher Priorisierung soll über die Einbe-
ziehung von Derivaten in der ersten Stufe entschieden werden, welche Fak-
ten liegen dafür vor, und was sind aus Sicht der Bundesregierung die daraus
folgenden Konsequenzen?

25. Welche Gründe sprechen aus Sicht der Bundesregierung für den Nominal-
wert als Bemessungsgrundlage für Derivate, und welche dagegen?

26. Welche Alternativen zum Nominalwert zieht die Bundesregierung als Be-
messungsgrundlage bei Derivaten in Erwägung (bitte mit Begründung)?

27. Welche quantitativen Auswirkungen hätten die gemäß Antwort zu Frage 26
erwägten Alternativen auf die Bemessungsgrundlage und auf das Steuerauf-
kommen (bitte differenziert nach Derivatekategorien)?

28. In welcher Form sollen aus Sicht der Bundesregierung weitere Stufen der
Finanztransaktionssteuer ausgelöst werden, und wie will sie dabei eine
möglichst große Verbindlichkeit herstellen?

29. Für welche noch nicht genannten Änderungen am derzeitigen Entwurf der
Europäischen Kommission für die Finanztransaktionssteuer setzt sich die
Bundesregierung ein (bitte mit Begründung)?

30. Wie wirkt sich eine auf Aktien und Aktienderivate beschränkte erste Stufe
nach Ansicht der Bundesregierung auf die Kapitalkosten von Unternehmen
aus, und wie schätzt sie im Vergleich die Wirkungen einer vollumfänglichen
Finanztransaktionssteuer ein?

31. Erwartet die Bundesregierung durch die Einführung der ersten Stufe eine
ineffiziente Verringerung der Marktliquidität, und ändert sich diese Ein-
schätzung hinsichtlich der Einführung einer vollumfänglichen Finanztrans-
aktionssteuer?

32. Welche Finanzinstrumente spielen nach Kenntnis der Bundesregierung für
Kleinanleger aus bisheriger Erfahrung eine besondere Rolle?

33. Sieht die Bundesregierung in einer nur auf Aktien und Aktienderivate be-
schränkten ersten Stufe eine geeignete Ausgestaltung der Finanztransak-
tionssteuer, um unerwünschte Auswirkungen auf Kleinanleger zu vermei-
den (bitte mit Begründung)?

34. Erwartet die Bundesregierung von einer entsprechenden Ausgestaltung der
ersten Stufe eine Veränderung des Anlageverhaltens von Privatkunden und
von Profiinvestoren?
Wie schätzt die Bundesregierung die Wirkung auf die Kosten für die private
Altersvorsorge ein, und ändert sich diese Einschätzung, wenn man von
einer vollumfänglichen Einführung der Finanztransaktionssteuer ausgehen
würde?

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35. Welche Folgen hätte nach Einschätzung der Bundesregierung eine Finanz-
transaktionssteuer auf Staatsanleihen
a) für die Finanzierungskosten der Staaten,
b) auf die Kosten für Kleinanleger (z. B. durch Renditeverluste bei Renten-

fonds),
c) auf die Marktliquidität von Staatsanleihen?

Berlin, den 8. Oktober 2014

Katrin Göring-Eckardt, Dr. Anton Hofreiter und Fraktion
Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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