BT-Drucksache 18/12576

Erkenntnisse und Konsequenzen aus den Enthüllungen hinsichtlich des rechtsextremistischen Netzwerkes um Franco A.: Aufklärung in den Geschäftsbereichen Justiz und Inneres

Vom 30. Mai 2017


Deutscher Bundestag Drucksache 18/12576
18. Wahlperiode 30.05.2017

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Dr. Konstantin von Notz, Irene Mihalic, Luise Amtsberg,
Annalena Baerbock, Marieluise Beck (Bremen), Volker Beck (Köln),
Dr. Franziska Brantner, Agnieszka Brugger, Uwe Kekeritz, Katja Keul,
Tom Koenigs, Renate Künast, Monika Lazar, Dr. Tobias Lindner,
Omid Nouripour, Özcan Mutlu, Cem Özdemir, Claudia Roth (Augsburg),
Manuel Sarrazin, Dr. Frithjof Schmidt, Hans-Christian Ströbele, Jürgen Trittin,
Doris Wagner und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Erkenntnisse und Konsequenzen aus den Enthüllungen hinsichtlich des
rechtsextremistischen Netzwerkes um Franco A.: Aufklärung in den
Geschäftsbereichen Justiz und Inneres

Der Skandal um den Oberleutnant Franco A. – mutmaßlich an Politikern geplante
rechtsextrem motivierte Morde mit der Zielsetzung, den Verdacht auf Flüchtlinge
zu lenken, sowie etwaige rechtsextreme Netzwerke in der Bundeswehr – zieht
immer größere Kreise. Mittlerweile sitzen drei Männer in Haft: Oberleutnant
Franco A., Oberleutnant Maximilian T. und der Student Mathias F. Ein weiterer
Soldat, Oberleutnant Ralph G., sowie zwei Vorgesetzte von Franco A. wurden
durch die Bundeswehr vom Dienst suspendiert.
Bei Mathias F. wurden über 1 000 Schuss Munition aus Bundeswehrbeständen
gefunden (u. a. Pistolen- und G36-Munition), deren überwiegender Teil laut Pres-
seberichten aus Standorten stammt, an denen Franco A. und Maximilian T. stati-
oniert waren. Auch der mögliche Diebstahl von zwei G36-Gewehren und einer
P8-Pistole im Februar 2017 aus einem Panzer des Typs „Fuchs“ am Bundeswehr-
standort Munster wird mit der Gruppe um Franco A. in Zusammenhang gebracht.
Der Fall machte erstmals Ende April 2017 Schlagzeilen, als Franco A. durch das
Bundeskriminalamt festgenommen wurde und konzertierte Durchsuchungen und
Beschlagnahmen an 16 Orten in Deutschland, Frankreich und Österreich stattfan-
den. Aufgeflogen war Franco A. wohl nur durch die Ermittlungen der österreichi-
schen Sicherheitsbehörden, die ihn nach dem Verstecken einer Schusswaffe in
einer Toilette im Wiener Flughafen beobachten konnten. Zuvor hatte Franco A.,
der als Offizier in der deutsch-französischen Kaserne in Illkirch stationiert war,
sich als syrischer Flüchtling in Deutschland ausgegeben und erfolgreich einen
Antrag auf Asyl beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge stellen können.
Dieses bescheinigte ihm im Dezember 2016 subsidiären Schutzstatus wegen des
Bürgerkriegs in Syrien.
Es wird vom Generalbundesanwalt (GBA) wegen der Vorbereitung einer schwe-
ren staatsgefährdenden Straftat ermittelt. Es wird angenommen, dass die Offi-
ziers-Gruppe Anschläge auf Spitzenpolitiker wie Joachim Gauck, Heiko Maas,
Claudia Roth aber auch gegen politische Institutionen wie die Amadeu-Antonio-
Stiftung plante. Das rechtsextremistische Netzwerk innerhalb der Bundeswehr

Drucksache 18/12576 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

konnte sich offenbar frei entfalten, obwohl schon im Jahr 2014 handfeste Beweise
für die rechtsextreme Gesinnung des mutmaßlichen Rädelsführers Franco A. vor-
lagen, als dieser eine Masterarbeit mit rassistisch/völkischen Inhalten vorlegte.
Daraus wurden keinerlei disziplinarische oder anderweitige Konsequenzen für
bzw. gegen Franco A. gezogen.
Das Ausmaß dieses umfassenden (im nachfolgenden genannt) „Vorgangs
um Franco A.“ und mutmaßliche Mittäter und Mitwisser ist bei weitem noch
nicht überschaubar. Es kommen immer weitere Pressemeldungen zu Waffendieb-
stählen bei der Bundeswehr mit möglichen Verbindungen zu Franco A. und
Maximilian T. sowie zur möglichen Vernetzung mit rechtsextremen Organisati-
onen wie der sogenannten Identitären Bewegung hinzu. Schwerwiegende Fragen
stellen sich in Öffentlichkeit und Parlament daher nicht nur zum disziplinarrecht-
lichen Vorgehen innerhalb der Bundeswehr, dem Vorgehen des Militärischen Ab-
schirmdienstes und zur Führung innerhalb der Bundeswehr, sondern auch zum
Asylverfahren des Franco A. beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, der
Zuerkennung einer subsidiären Flüchtlingseigenschaft sowie den Erkenntnissen
anderer Sicherheitsbehörden wie dem Bundesamt für Verfassungsschutz und dem
Bundesnachrichtendienst zu einer etwaigen Vernetzung mit rechten Gruppen und
Organisationen außerhalb der Bundeswehr in Deutschland und international.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Zu den Erkenntnissen der Bundesregierung, insbesondere des Generalbun-

desanwalts (GBA) sowie des Bundesministeriums der Justiz und für Ver-
braucherschutz (BMJV):
a) Seit wann ist der GBA mit dem Vorgang befasst?
b) Wer (welche Institution genau) hat welchen Sachverhalt dem GBA über-

mittelt?
c) Prüft der GBA aufgrund eigener Ermittlungen oder aufgrund des ihm vor-

getragenen Sachverhalts?
d) Beruht der dem GBA übermittelte Sachverhalt auf internen Ermittlungen

der Bundeswehr und konkret welcher dortigen Institution, z. B. des Wehr-
disziplinaranwalts oder des Militärischen Abschirmdienstes?
Sind Befragungen von Personen bundeswehrintern vorgenommen worden
und liegen deren Ergebnisse nun dem GBA vor?
Welche eigenen Ermittlungshandlungen nahm und nimmt der GBA vor
oder verlässt er sich auf interne Ermittlungen der Bundeswehr oder der
mit den Ermittlungen beauftragten Polizei, und wenn ja, aus welchem
Grund?

e) Hat der GBA seit Befassung mit dem Vorgang die Personen zur Sache
befragen können, die an dem Asylverfahren des Franco A. im Bundesamt
für Migration und Flüchtlinge beteiligt waren, insbesondere den Anhörer,
die Dolmetscherin sowie den Entscheider?

f) Welche Kriterien müssten nach Einschätzung des GBA die Strukturen um
Franco A., Maximilian T. und Mathias F. erfüllen, um eine Anklage nach
§129a des Strafgesetzbuchs (StGB) wegen Bildung einer terroristischen
Vereinigung rechtfertigen zu können?

g) Welche Erkenntnisse gibt es zur Herkunft von der durch Franco A. am
Flughafen Wien versteckten Waffe?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/12576
h) Wie ist der aktuelle Erkenntnisstand zu den über 1 000 Schuss Munition,
Zündern und Teilen von Handgranaten, die bei Franco A.s Freund, dem
Studenten Mathias F., gefunden wurden?
Stammten alle aus Bundeswehrbeständen?
Wenn nicht, woher stammten sie (vermutlich) dann?
Gibt es dazu ein eigenes Ermittlungsverfahren, und wenn ja, mit welchem
Tatvorwurf, oder wird der Munitionsfund in dem o. g. Verfahren mitbe-
handelt?

i) Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung hinsichtlich der Zugehö-
rigkeit von weiteren Personen zur Gruppe um Franco A. bzw. weiteren
möglichen Mittätern bzw. Mitwissern?

j) Welche Erkenntnisse liegen beim GBA zur Rolle des Oberleutnants Ralph
G. vor, der nun wegen möglicher Involvierung in den Vorgang vom
Dienst suspendiert wurde?

k) Welche Erkenntnisse liegen beim GBA zu Oberleutnant Josef R. vor
(DER SPIEGEL 20/2017), der ebenfalls möglicherweise an dem Vorgang
beteiligt war?

l) Welche Erkenntnisse liegen beim GBA zur Rolle der zwei Vorgesetzten
von Franco A. vor, die jetzt wegen der mangelnden Konsequenzen aus
Franco A.s völkischer Masterarbeit vom Dienst suspendiert wurden?

m) Sind andere, und wenn ja, welche Staatsanwaltschaften je seit wann mit
dem Vorgang oder ggf. mit ihm zusammenhängenden Vorgängen (z. B.
Waffendiebstählen bzw. Waffenverlusten bei der Bundeswehr) befasst?

n) Welchen Verdacht welcher Straftaten außerhalb der Zuständigkeit des
GBA haben je welche Staatsanwaltschaften je seit wann geprüft oder/und
deswegen förmliche Ermittlungsverfahren eingeleitet, inklusive ggf.
Straftaten nach dem Wehrstrafgesetzbuch (WStG), auch von Vorgesetz-
ten?

o) Wie stellt die Bundesregierung sicher, dass möglicherweise strafbares
Verhalten von Streitkräfteangehörigen zur Anzeige kommt und die Sach-
verhalte an die zuständigen Strafverfolgungsbehörden unverzüglich abge-
geben werden, insbesondere angesichts des Umstandes, dass § 33 Ab-
satz 3 Satz 1 der Wehrdisziplinarordnung (WDO), ein Ermessen einräumt?

p) Gibt es Vorschriften, wie dieses Ermessen auszuüben, wie § 33 Absatz 3
WDO anzuwenden ist?
Ist dies Gegenstand einer Zentralen Dienstvorschrift der Bundeswehr,
etwa der ZdV 14/3 zum Disziplinarverfahren?
Wie lauten die entsprechenden Weisungen des Bundesministeriums der
Verteidigung (BMVg) (Wortlaut)?

q) Wie ist sichergestellt, dass die Doppelfunktion der Wehrdisziplinaran-
wälte als Rechtsberater einerseits und Ermittler in Disziplinarsachen an-
dererseits nicht dazu führt, dass womöglich Sachverhalte manipuliert oder
strafrechtlich relevantes Verhalten unter den Tisch gekehrt werden kön-
nen?
Warum sind diese Aufgaben nicht getrennt?

2. Zu den Erkenntnissen des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV) und
des Bundeskriminalamts (BKA):
a) Welche Erkenntnisse hat das BfV seit wann über Franco A., Maximilian

T., Mathias F. sowie andere mögliche Kontaktpersonen der Gruppe?

Drucksache 18/12576 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
b) Welche Erkenntnisse hat das BfV über die anderen Mitglieder der
WhatsApp-Gruppe, in der sich Franco A., Maximilian T. und Mathias F.
offenbar mit einer Gruppe von mindestens vier weiteren Mitstreitern über
ihre Anschlagspläne austauschten (DER SPIEGEL 20/2017)?
Welche Erkenntnisse gibt es darüber, ob es sich dabei um Bundeswehr-
angehörige oder Zivilisten handelt?

c) Gab es einen Austausch zwischen dem BfV und dem MAD zum Vorgang
Franco A.?
Wenn ja, welchen Inhalt hatte dieser (bitte je nach Datum, Adressat bzw.
Absender und Inhalt der Information aufgliedern)?

d) Inwieweit und inwiefern tauschen sich das BfV und der MAD grundsätz-
lich über Extremismus-Verdachtsfälle in der Bundeswehr aus?
Welche Weisungen, Dienstvorschriften, Abreden o. Ä. welchen Inhalts
bestehen darüber (bitte im Wortlaut angeben)?

e) Hat die Bundesregierung Erkenntnisse zu Verbindungen A.s oder seiner
mutmaßlichen Komplizen zu rechtsextremistischen Gruppen und Organi-
sationen außerhalb der Bundeswehr?
Gegebenenfalls welche Erkenntnisse?

f) Wurde der Fall Franco A. je im Gemeinsamen Extremismus- und Terro-
rismusabwehrzentrum (GETZ) (rechts) erörtert, z. B. indem das MAD
diesen als Gefährder-Sachverhalt oder anderweitig aufrief, und wenn ja,
wann, auf wessen Initiative, in welchem Zusammenhang, und mit wel-
chem Ergebnis?
Aus welchem Grund entschied das BKA laut Chronologie des BMVg zum
Vorgang Franco A. am 14. Februar 2017, einen Identitätsabgleich im Fall
Franco A./David Benjamin mit Flüchtlingsdaten zu machen?

g) Wann und woher erfuhr das BKA vom Waffenfund am Wiener Flughafen
und der vorläufigen Festsetzung Franco A.s durch die österreichischen
Behörden?

h) Welche Erkenntnisse haben das BKA und das BfV zu Baujahr, Herkunft,
Vorbesitzer, Kaliber, Munition, genauem Auffindungsort und zum even-
tuellen Verbringungsweg der Waffe nach Österreich, mit der Franco A.
auf dem Flughafen Wien angetroffen wurde?

i) Welche Erkenntnisse haben das BKA und das BfV zu Kontakten, Kon-
taktpersonen und Aufenthaltszeiten des Franco A. in den letzten Jahren
nach Österreich, insbesondere zu dortigen Personen oder Organisationen,
die als rechtsextrem eingeschätzt werden?

j) Welchen Zwecken dienten die Besuche von Franco A. in Österreich ne-
ben dem Besuch des Offiziersballs im Januar und am 2. Februar 2017?

k) Welche Erkenntnisse haben das BKA und das BfV zu Zusammenhängen
zwischen der Reise des Franco A. am 2. Februar 2017 und dem am selben
Tag stattfindenden Burschenschaftsball in Wien?

l) Welche Erkenntnisse haben das BKA und das BfV zum Diebstahl der
Waffen (2xG36, 1xG3, P8 und Signalpistole) aus einem Fuchs-Transport-
panzer auf dem Truppenübungsplatz Munster Nord am 13. Februar 2017?

m) Welche Erkenntnisse haben das BKA und das BfV hinsichtlich der P8-
Pistole, die im Rahmen eines Schießtrainings im Sommer 2014 auf dem
Truppenübungsplatz im bayerischen Grafenwöhr, an der auch Maximilian
T. beteiligt gewesen sein soll, als verschwunden gemeldet wurde?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/12576
n) Wie ordnen das BKA und das BfV die Gruppe um Franco A. ein im Ver-
gleich zu anderen rechtsextremistischen und -terroristischen Gruppierun-
gen, wie z. B. der sogenannten Old School Society, die sich über ihre
Pläne ebenfalls vor allem über soziale Medien, insbesondere Chatgrup-
pen, absprachen?

o) Gibt es laut Erkenntnissen des BfV und des BKA Verbindungen der
Gruppe um Franco A. zur sogenannten Identitären Bewegung, und wenn
ja, welche?

p) Welche Kenntnisse hat das BfV generell zu rechtsextremen Netzwerken,
bei denen mindestens einzelne Beteiligte in der Bundeswehr dienen und
mutmaßlich die Zugänge zu Waffen, Munition u. Ä. nutzen?

q) Waren nach aktuellem Kenntnisstand des BKA und des BfV auf den bei
Franco A. und seinen mutmaßlichen Komplizen gefundenen Opfer-Listen
Personen aufgeführt, die nicht die deutsche Staatsangehörigkeit hatten,
insbesondere z. B. österreichische oder französische Staatsangehörige?

r) Gab es zu der Gruppe um Franco A. einen Informationsaustausch des BfV
und des BKA mit französischen oder anderen europäischen Behörden,
und wenn ja, welchen Inhalts war dieser Austausch?

s) Welche Erkenntnisse haben das BfV und das BKA zu möglichen Verbin-
dungen der Gruppe um Franco A. in die internationale rechte Szene?

3. Zu den Erkenntnissen des Bundesnachrichtendienstes (BND):
a) Welche Erkenntnisse hatte der BND wann zum Vorgang Franco A.?
b) Hat der BND sich mit Diensten anderer Staaten zum Vorgang Franco A.

ausgetauscht, z. B. mit solchen aus Österreich und Frankreich?
Wenn ja, welche Erkenntnisse hat der BND dazu?

c) Erhielt der BND Hinweise von ausländischen Nachrichtendiensten, z. B.
aus Österreich und Frankreich, zum Vorgang Franco A.?
Wenn ja, welche Hinweise gingen wann beim BND ein?

d) Wie wurden diese Hinweise bewertet und wann an andere Sicherheitsbe-
hörden, insbesondere die Ermittlungsbehörden, das BfV und den MAD,
weitergegeben?

Berlin, den 30. Mai 2017

Katrin Göring-Eckardt, Dr. Anton Hofreiter und Fraktion

Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com
Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de

anzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.