BT-Drucksache 17/8354

Transparenz im Rohstoffsektor - EU-Vorschläge umfassend umsetzen

Vom 18. Januar 2012


Deutscher Bundestag Drucksache 17/8354
17. Wahlperiode 18. 01. 2012

Antrag
der Abgeordneten Ute Koczy, Volker Beck (Köln), Uwe Kekeritz, Thilo Hoppe,
Dr. Gerhard Schick, Kerstin Andreae, Marieluise Beck (Bremen), Agnes Brugger,
Viola von Cramon-Taubadel, Ingrid Hönlinger, Katja Keul, Memet Kilic, Tom
Koenigs, Markus Kurth, Dr. Tobias Lindner, Kerstin Müller (Köln), Omid Nouripour,
Lisa Paus, Claudia Roth (Augsburg), Manuel Sarrazin, Dr. Frithjof Schmidt,
Hans-Christian Ströbele und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Transparenz im Rohstoffsektor – EU-Vorschläge umfassend umsetzen

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Viele Länder des Südens verfügen über enorme Rohstoffvorkommen und damit
über ein großes Entwicklungspotenzial. Die Öl-, Gas- und Mineralexporte des
afrikanischen Kontinents beliefen sich im Jahr 2008 mit 393 Mrd. US-Dollar auf
ein neunfaches der internationalen Entwicklungszusammenarbeit. Dennoch
leben drei Viertel der armen Bevölkerung weltweit in rohstoffreichen Entwick-
lungsländern. Es gelingt Entwicklungsländern mit großen Rohstoffvorkommen
selten, ihren Rohstoffreichtum zu nutzen und ihn in nachhaltige und breite Ent-
wicklungsprozesse umzuwandeln. Intransparenz und Korruption im Rohstoff-
sektor tragen zu dieser Situation entscheidend bei.

Vor diesem Hintergrund begrüßt der Deutsche Bundestag die am 25. Oktober
2011 von der EU-Kommission vorgelegten Vorschläge für mehr Transparenz im
Rohstoffsektor. Europäer und Europäerinnen haben das Recht zu erfahren, ob
europäische Unternehmen im Rohstoffsektor weltweit fair und transparent agie-
ren. Mit den überarbeiteten Transparenz- und Buchhaltungsrichtlinien werden
im Rohstoff- und Forstsektor tätige Unternehmen dazu verpflichtet, ihre Zahlun-
gen an die Regierungen der Länder, in denen sie Rohstoffe fördern, nach
Ländern und Projekten aufgeschlüsselt offenzulegen. Die von der Kommission
vorgelegten Richtlinienentwürfe orientieren sich an Artikel 1504 des US-ameri-
kanischen Dodd-Frank-Acts. Der Deutsche Bundestag begrüßt, dass die Vor-
schläge der Kommission in zwei Punkten über das amerikanische Gesetz hin-
ausgehen: Erstens schlägt die Kommission neben der verpflichtenden
Offenlegung für börsennotierte Unternehmen auch die Einbeziehung großer
nichtbörsennotierter Unternehmen vor. Zweitens erstreckt sich der Geltungs-
bereich über die vom Dodd-Frank-Act adressierten Öl-, Gas- und Mineralien-

sektoren auch auf den Forstsektor. Mit den Forderungen nach verpflichtender
Offenlegung geht die Kommission einen richtigen und wichtigen Schritt. Trans-
parenz ist eine entscheidende Voraussetzung für den Zugang zu Informationen
und für Korruptionsbekämpfung im Rohstoffsektor. Nur wenn Zahlungsströme
offengelegt werden, können die Einnahmen aus dem Rohstoffsektor für nach-
haltige Entwicklungsprozesse genutzt werden.

Drucksache 17/8354 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Vor diesem Hintergrund sieht der Deutsche Bundestag die im Kommissionsent-
wurf vorgesehenen Ausnahmeregelungen kritisch. So müssen nach dem Vor-
schlag der Kommission Rohstoffunternehmen ihre Zahlungen nicht offenlegen,
wenn eine solche Offenlegung im Land, in dem sie ihre Zahlungen leisten, ver-
boten ist. Obwohl an diese Ausnahmen Voraussetzungen geknüpft werden, ver-
wässert eine solche Ausnahmeregelung die Schlagkraft des Vorschlags. Denn
das Potenzial der von der EU-Kommission vorgelegten Vorgaben ist enorm und
sollte nicht verringert werden: Allein der Marktwert der Rohstoffunternehmen,
die an den EU-Börsen notiert sind, beläuft sich auf knapp 1 Bio. Euro. Nach
Schätzungen werden mindestens 200 börsennotierte und 400 große nicht-bör-
sennotierte Unternehmen in Europa von den neuen Regelungen betroffen sein.

Während sich EU-Mitgliedstaaten wie Frankreich und Großbritannien auf euro-
päischer Ebene für eine verpflichtende Offenlegung stark gemacht haben, ist die
Bundesregierung in Brüssel bremsend aufgetreten. Doch gerade die Bundesre-
gierung, die ihre Rohstoffversorgung über Lieferverträge und Rohstoffpartner-
schaften mit rohstoffreichen Entwicklungs- und Schwellenländern sichern will,
muss sich für Transparenz im Rohstoffsektor einsetzen. Freiwillige Maßnah-
men, wie sie die Bundesregierung in ihrer im Oktober 2010 verabschiedeten
Rohstoffstrategie nennt, reichen nicht aus. Sie werden den berechtigten Interes-
sen rohstoffreicher Entwicklungsländer nicht gerecht. Die Zeit ist reif für umfas-
sende verbindliche Maßnahmen.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

• die Kommissionsvorschläge zur verbindlichen Offenlegung auf EU-Ebene
aktiv und vollumfänglich zu unterstützen und ihre Umsetzung auf EU-Ebene
und auf nationaler Ebene zügig in die Wege zu leiten,

• sich im Verlauf des weiteren Verfahrens im Rat und im Austausch mit den
europäischen Partnerstaaten dafür einzusetzen, dass die im Kommissions-
vorschlag vorgesehenen Ausnahmeregelungen entfernt werden,

• sich für einen umfassenden Ansatz bei der Offenlegung einzusetzen und auf
EU-Ebene und national die Offenlegung weiterer länderbezogener Refe-
renzdaten zu verankern und zu prüfen, inwiefern der Geltungsbereich der
Regelungen auch auf Unternehmen, die außerhalb des Rohstoffsektors agie-
ren, angewendet werden kann,

• sich in internationalen Foren und im Austausch mit internationalen Partne-
rinnen und Partnern dafür einzusetzen, dass Regelungen wie Artikel 1504 des
Dodd-Frank-Acts in den USA sowie die von der Kommission vorgelegten
Vorschläge zur verbindlichen Offenlegung von weiteren Staaten verabschie-
det werden und dadurch zur Schaffung eines globalen Standards für Trans-
parenz im Rohstoffsektor beizutragen.

Berlin, den 17. Januar 2012

Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion

Begründung

Eine verpflichtende projektbasierte Offenlegung ist ein wichtiger Schritt hin zu
mehr Transparenz im Rohstoffsektor. Denn nur eine umfassende Veröffent-

lichung der Zahlungen auf Länder- und Projektebene ermöglicht es Parlamen-
tarier und Parlamentarierinnen, der Zivilgesellschaft sowie den Bürgerinnen und

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/8354

Bürgern rohstoffreicher Länder, ihre Regierungen zu kontrollieren und eine
angemessene Beteiligung an den Einnahmen einzufordern. So gibt es zwar in
vielen rohstoffreichen Entwicklungsländern Gesetze, die eine Beteiligung der
Bevölkerung an den Einnahmen aus der Rohstoffförderung vorschreiben. Diese
werden aber in der Regel nicht eingehalten. Durch eine Offenlegung der Zahlun-
gen werden die Menschen vor Ort in die Lage versetzt, auf Basis der Informa-
tionen Rechenschaft über die Mittel einzufordern, die laut Gesetz in ihre Regio-
nen zurückfließen müssten. Die projektbasierte Offenlegung stärkt darüber
hinaus nationale Parlamente und die Zivilgesellschaft, da Unregelmäßigkeiten
leichter aufgedeckt werden können. Auch die Erfüllung rechtlicher und steuer-
licher Verpflichtungen der Unternehmen kann durch eine Offenlegung der ge-
leisteten Zahlungen besser überwacht werden.

Der Weg für verpflichtende Offenlegung wurde durch wegweisende Initiativen
wie der Extractive Industries Transparency Initiative (EITI) und ihrem zivil-
gesellschaftlichen Konterpart Publish What You Pay (PWYP) geebnet. Die
Weiterentwicklung dieser freiwilligen Maßnahmen hin zu verpflichtenden
Regelungen ist ein entscheidender Schritt hin zu einem globalen Transparenz-
standard im Rohstoffsektor. Eine umfassende EU-Regulierung würde nach der
im Rahmen der US-Finanzreform eingeführten verpflichtenden Offenlegung in
den USA ein wichtiges Signal an die G20-Mitglieder senden, mit entsprechen-
den Gesetzgebungen nachzuziehen. Darüber hinaus wäre eine umfassende
Pflicht zur Offenlegung auf EU-Ebene ein Zeichen an rohstoffreiche Entwick-
lungsländer, dass die EU auf transparente Rohstoffbeziehungen setzt.

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