BT-Drucksache 17/658

ELENA aussetzen und Datenübermittlung strikt begrenzen

Vom 9. Februar 2010


Deutscher Bundestag Drucksache 17/658
17. Wahlperiode 09. 02. 2010

Antrag
der Abgeordneten Dr. Konstantin von Notz, Beate Müller-Gemmeke, Kerstin
Andreae, Volker Beck (Köln), Birgitt Bender, Katrin Göring-Eckardt, Ingrid
Hönlinger, Memet Kilic, Sven Kindler, Maria Klein-Schmeink, Markus Kurth,
Lisa Paus, Christine Scheel, Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn, Dr. Harald Terpe,
WolfgangWieland, Josef PhilipWinkler und der FraktionBÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN

ELENA aussetzen und Datenübermittlung strikt begrenzen

Der Bundestag wolle beschließen:

Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. die zum 1. Januar 2010 begonnene Datenübermittlung im Rahmen des elek-
tronischen Entgeltnachweises (ELENA) sofort auszusetzen;

2. vor Ablauf des ersten Quartals dieses Jahres einen Gesetzentwurf vorzulegen,
der ELENA auf das zur Entbürokratisierung notwendige Maß begrenzt und
insbesondere

a) die bisher im Übermaß, ohne Wissen der Beschäftigten und lediglich auf
Grundlage von untergesetzlichen Ausführungsgrundsätzen im ELENA-
Verfahren übermittelten Daten deutlich begrenzt und hinreichend genau
bestimmt sowie die Übermittlung darüber hinausgehender Daten unter-
sagt,

b) ausschließt, dass wertende Angaben, wie beispielsweise frühere Abmah-
nungen oder fiktive Kündigungs- bzw. Weiterbeschäftigungsszenarien an
die Zentrale Speicherstelle übermittelt werden,

c) festlegt, dass den Beschäftigten auf ihren Wunsch mitzuteilen ist, welche
Informationen der Betrieb an die Zentrale Speicherstelle übermittelt, und

d) bestimmt, dass untergesetzliche Grundsätze für die Datenübermittlung
und für Meldungen im Rahmen von ELENA zusätzlich zu den in § 28b
des Vierten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IV) genannten Organisa-
tionen sowohl die Beteiligung des Bundesbeauftragten für den Daten-
schutz und die Informationsfreiheit als auch die Anhörung der Spitzenor-
ganisation der Gewerkschaften erfordern;

3. die im Gesetzentwurf vom 7. Oktober 2008 (Bundestagsdrucksache 16/10492)
prognostizierten Kosten des ELENA-Verfahrens für Betriebe und öffentliche
Stellen zu aktualisieren und zusätzlich nach Ablauf eines Jahres die tatsäch-
lich angefallenen Kosten von ELENA zu evaluieren sowie das Verfahren auf
Grundlage der gewonnenen Erkenntnisse gegebenenfalls zu überarbeiten, um
so insbesondere kleine und mittelständische Betriebe vor einer unverhältnis-
mäßigen Belastung zu bewahren;

4. darüber hinaus gesetzliche Bestimmungen und untergesetzliche Verfahren zur
Erstellung von Arbeitsbescheinigungen (§ 312 SGB III) so zu überarbeiten,

Drucksache 17/658 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

dass datenschutzrechtlich bedenkliche Angaben zu Fehlzeiten, Abmahnun-
gen, Kündigungsgründen und fiktiven Weiterbeschäftigungsszenarien auch
außerhalb des ELENA-Verfahrens ausgeschlossen sind.

Berlin, den 9. Februar 2010

Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion

Begründung

Die Vorgänge der jüngsten Zeit belegen eindrücklich, dass die gesetzlichen
Regelungen zum ELENA-Verfahren einer gründlichen Überprüfung bedürfen.
Ein gut gemachter elektronischer Entgeltnachweis kann einen Beitrag zur Ent-
bürokratisierung leisten, Verwaltungsverfahren vereinfachen und so allen Be-
teiligten nutzen. Dies ist aber nach dem aktuellen Stand der Ausgestaltung des
Verfahrens nicht der Fall. Bei der Umsetzung des Gesetzes sind gravierende
Probleme aufgetreten. Diese gebieten aus datenschutzrechtlicher Sicht bis zu
ihrer vollständigen Klärung die umgehende Aussetzung der Datenübermittlung
im ELENA-Verfahren.

Ohne Kenntnis des Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informa-
tionsfreiheit und ohne dass dies im Gesetzgebungsverfahren offengelegt wor-
den wäre, wurden nach den mit Zustimmung des Bundesministeriums für
Arbeit und Soziales und des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technolo-
gie festgelegten Grundsätzen sogar Angaben zu Streiks und Aussperrungen in
die von den Arbeitgebern zu übermittelnden Datensätze mit aufgenommen.
Erst nach erheblichen öffentlichen Protesten war die Bundesregierung bereit,
auf die Aufnahme dieser Daten zu verzichten.

Mit kleineren kosmetischen Zugeständnissen der Bundesregierung bei der Wei-
tergabe einiger weniger hoch sensibler Daten ist es nicht getan. Es muss in
jedem Fall im Gesetz selbst sichergestellt werden, dass eine überbordende
Datensammlung endlich normenklar ausgeschlossen wird. Eine gesetzliche Re-
gelung, die nicht eindeutig festlegt, was nach den Grundsätzen von Zweckbin-
dung, Erforderlichkeit und Datensparsamkeit gespeichert werden darf, kann
schon wegen ihrer Unbestimmtheit nicht akzeptiert werden.

Durch die vielen Skandale beim Umgang mit Beschäftigtendaten ist in den
vergangenen Monaten deutlich zu Tage getreten, dass zentrale Datensammlun-
gen immer erhebliche Missbrauchspotentiale bieten. Im Hinblick darauf muss
auch ELENA neu bewertet und überarbeitet werden. Dabei ist gesetzlich und
technisch zweifelsfrei sicherzustellen, dass der strenge Zweckbindungsgrund-
satz bei der Verwendung der Beschäftigtendaten unter allen Umständen ge-
wahrt bleibt und jedes Unterlaufen dieser Zweckbindung ohne jeden Zweifel
ausgeschlossen wird. Die Betroffenen müssen genau wissen, welche Informa-
tionen der Betrieb über sie an die Zentrale Speicherstelle weitergibt. Zur
Stärkung des informationellen Selbstbestimmungsrechts ist es daher erforder-
lich, dass sich die Betroffenen über Zeitpunkt und Inhalt der Datenübermitt-
lung informieren können. Sollten falsche oder negativ wertende Informationen
dabei sein, müssen sie sich gegen diesen Datentransfer zur Wehr setzen kön-
nen.

Angesichts des völlig aus dem Ruder gelaufenen Datentransfers von den Be-
trieben zu der Zentralen Speicherstelle stellt sich auch die Frage nach den Kos-
ten für das Verfahren. Bei der Berechnung der Bürokratiekosten der Wirtschaft
ging die damalige Bundesregierung von einer Entlastung der Unternehmen in

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/658

Höhe von rund 85,6 Mio. Euro aus (Bundestagsdrucksache 16/10492). Es ist
fraglich, ob es nicht statt einer Entlastung sogar zu einer Mehrbelastung gerade
auch der kleinen Betriebe kommt. Gerade für Kleinbetriebe ist der Aufwand er-
heblich.

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