BT-Drucksache 17/4697

Investitionen in Antipersonenminen und Streumunition gesetzlich verbieten und die steuerliche Förderung beenden

Vom 9. Februar 2011


Deutscher Bundestag Drucksache 17/4697
17. Wahlperiode 09. 02. 2011

Antrag
der Abgeordneten Agnes Malczak, Dr. Gerhard Schick, Dr. Thomas Gambke,
Britta Haßelmann, Lisa Paus, Marieluise Beck (Bremen), Volker Beck (Köln),
Viola von Cramon-Taubadel, Kai Gehring, Katrin Göring-Eckardt, Ulrike Höfken,
Thilo Hoppe, Uwe Kekeritz, Katja Keul, Maria Klein-Schmeink, Ute Koczy,
Tom Koenigs, Markus Kurth, Kerstin Müller (Köln), Beate Müller-Gemmeke,
Ingrid Nestle, Omid Nouripour, Claudia Roth (Augsburg), Manuel Sarrazin,
Christine Scheel, Dr. Frithjof Schmidt, Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn,
Hans-Christian Ströbele, Dr. Harald Terpe und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Investitionen in Antipersonenminen und Streumunition gesetzlich verbieten
und die steuerliche Förderung beenden

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Antipersonenminen und Streumunition sind grausame Waffen. Die weit über-
wiegende Zahl der Opfer sind Zivilistinnen und Zivilisten, darunter vor allem
Kinder. Weil sie oftmals nicht sofort explodieren, werden auch noch lange nach
dem Abwurf Menschen durch sie getötet oder verstümmelt. Noch heute gefähr-
den Millionen nicht explodierter Minen und Streumunitionen die Bevölkerung
vieler Staaten.

Das Übereinkommen zum Verbot von Antipersonenminen (Ottawa-Überein-
kommen) und das Übereinkommen über Streumunition (Oslo-Übereinkommen)
sind Meilensteine für den Schutz der Zivilbevölkerung vor diesen barbarischen
Waffen. Aus der Ratifikation beider Konventionen ergeben sich für die Bundes-
republik Deutschland eine Reihe von umfassenden Verpflichtungen zur Umset-
zung des Verbotes des Einsatzes, der Lagerung, der Herstellung, der Entwick-
lung und des Handels von Antipersonenminen und Streumunition. Hierzu ge-
hört, in allen relevanten Bereichen dafür Sorge zu tragen, dass die Ziele der Kon-
ventionen nicht unterlaufen werden. Dies schließt insbesondere den
Finanzsektor mit ein und erfordert ein ausdrückliches Verbot von Investitionen
in Unternehmen, die Antipersonenminen oder Streumunition herstellen oder
entwickeln.

§ 18a Absatz 1 des Gesetzes über die Kontrolle von Kriegswaffen setzt die im

Ottawa-Übereinkommen und Oslo-Übereinkommen übernommenen völker-
rechtlichen Verpflichtungen in nationales Recht um. Das darin verankerte För-
derungsverbot schließt jedoch nicht ausdrücklich ein Verbot von Investitionen in
diese Waffen ein. Hierdurch entsteht ein Auslegungsspielraum, der die effektive
Umsetzung des Verbotes von Antipersonenminen und Streumunition gefährdet.

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Besonders problematisch ist, wenn staatliche Investitionen und Förderungen
dazu führen, dass die Herstellung und Entwicklung von Antipersonenminen
und Streumunition unterstützt wird. Eine steuerliche Förderung von Investi-
tionen in Firmen, die diese Waffen herstellen oder entwickeln ist derzeit nicht
ausgeschlossen, da staatlich zertifizierte und steuerlich geförderte Produkte der
privaten Altersvorsorge („Riester-Rente“) nicht daraufhin überprüft werden, ob
mit dem investierten Kapital auch Geld in solche Unternehmen fließt.

Es ist nicht ausreichend, sich auf den mündigen Anleger und die Selbstver-
pflichtung der Branche zu verlassen. Aufgrund mangelnder Transparenz bei
Kreditinstituten ist es zumeist unmöglich herauszufinden, ob das Institut in
irgendeiner Form Geschäfte mit Herstellern von Antipersonenminen oder
Streumunition tätigt. Und die Selbstverpflichtung der Branche greift offenbar
nicht, wenn nur ein niedriger einstelliger Prozentsatz der Unternehmen, die
Riester-Altersvorsorgeverträge anbieten, Investitionen in diese Waffen aus-
schließen. Aufgrund der Komplexität dieser Anlageprodukte braucht es eine
staatliche Regulierung, die Investitionen in Antipersonenminen und Streumuni-
tion ausschließt.

Wer es mit der Bekämpfung völkerrechtswidriger Waffen ernst meint, muss ein
generelles Investitionsverbot in Unternehmen, die Antipersonenminen und
Streumunition herstellen oder entwickeln, verhängen.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. § 18a Absatz 1 des Gesetzes über die Kontrolle von Kriegswaffen dahinge-
hend zu ändern, dass das darin enthaltene Förderungsverbot des Einsatzes,
der Lagerung, der Herstellung, der Entwicklung und des Handels von Anti-
personenminen und Streumunition auch ausdrücklich ein Investitionsverbot
mit einschließt. Dieses soll direkte wie indirekte Investitionen sowie jede
Form der Finanzierung umfassen, um Umgehungsmöglichkeiten auszu-
schließen, und sich auf alle Investitionen in Unternehmen weltweit beziehen,
die in die Herstellung und Entwicklung von Antipersonenminen und Streu-
munition involviert sind;

2. im Sinne einer umfassenden Umsetzung von Artikel 1 Absatz 1 Buchstabe c
des Übereinkommens über Streumunition unverzüglich jegliche steuerliche
Subventionierung der Investitionen in Streumunition zu unterbinden, indem
das Altersvorsorgeverträge-Zertifizierungsgesetz (AltZertG) dahingehend
geändert wird, dass Finanzprodukten, die im Zusammenhang mit der Finan-
zierung von Antipersonenminen oder Streumunition stehen, die Zertifizie-
rung nicht erteilt bzw. entzogen wird;

3. in ihrer Funktion als (Mit-)Eigentümer öffentlich-rechtlicher oder privater
Banken unverzüglich Einfluss auf die Geschäftspolitik dahingehend zu neh-
men, dass Investitionen in die Herstellung und Entwicklung von Antiperso-
nenminen und Streumunition verhindert werden;

4. Finanzvermögen des Staates wie etwa Sondervermögen, das Vermögen der
Sozialversicherungsträger und das der Postbeamtenversorgungskasse unver-
züglich so anzulegen, dass eine Investition in die Herstellung und Entwick-
lung von Antipersonenminen und Streumunition ausgeschlossen wird;

5. Unternehmen, die Antipersonenminen und Streumunition herstellen oder
entwickeln, schnellstmöglich von der öffentlichen Auftragsvergabe auszu-
schließen;

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/4697

6. unverzüglich sicherzustellen, dass mit dem Vermögen gemeinnütziger Stif-
tungen keine Investitionen in Unternehmen, die Antipersonenminen oder
Streumunition herstellen, vorgenommen werden.

Berlin, den 8. Februar 2011

Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion

Begründung

Den Zielen und Absichten des Ottawa-Übereinkommens und des Oslo-Über-
einkommens kann nur entsprochen werden, wenn deren Reichweite umfassend
verstanden wird.

Das in § 18a Absatz 1 des Gesetzes über die Kontrolle von Kriegswaffen ver-
ankerte Verbot der Förderung des Einsatzes, der Lagerung, der Herstellung, der
Entwicklung und des Handels dieser Waffen muss daher auch ein striktes Inves-
titionsverbot umfassen. Insbesondere staatliche Investitionen und Förderungen
dürfen nicht dazu führen, dass die Herstellung und Entwicklung von Antiper-
sonenminen und Streumunition unterstützt wird. Eine steuerliche Förderung von
Investitionen in Firmen, die diese Waffen herstellen oder entwickeln, muss da-
her ausgeschlossen sein.

Eine Untersuchung von „Finanztest“ ergab jedoch, dass von 174 Banken, Ver-
sicherungen, Fondsgesellschaften und Bausparkassen, die Riester-Altersvorsor-
geverträge anbieten, lediglich zwölf Investitionen in Streubomben ausschließen.
Das sind nicht einmal 7 Prozent. Und die tatsächliche Quote dürfte noch nied-
riger liegen, da etwa 80 Prozent der Banken und knapp 50 Prozent der Versiche-
rungen, die angefragt wurden, nicht geantwortet haben. Die Initiative „Facing
Finance“ hat im Dezember 2010 veröffentlicht, dass staatlich geförderte Riester-
Fonds mit mindestens 500 Mio. Euro an Herstellern völkerrechtswidriger
Waffen beteiligt sind. Zurzeit sind nur etwa 1 Prozent der Riester-Produkte an
ethischen Kriterien orientiert. In einer nichtrepräsentativen Onlineumfrage von
„finanztest.de“ haben sich gleichzeitig etwa 75 Prozent der Antwortenden dafür
ausgesprochen, dass ihr jeweiliger Anbieter Papiere von Streumunitionsher-
stellern sofort verkaufen sollte, selbst wenn dies mit Verlusten einhergehen
sollte. 96 Prozent der Teilnehmenden sprachen sich für ein gesetzliches Verbot
für alle Anbieter von Riester-Produkten aus, die in Hersteller geächteter Waffen
investieren.

Für verantwortungsbewusste Verbraucher ist die Kontrolle schwierig. Insbeson-
dere bei Banken, Versicherungen und Bausparkassen liegen die Investitionen
zumeist im Verborgenen, lediglich Fondsgesellschaften veröffentlichen halb-
jährlich ihre getätigten Investitionen. Es kann jedoch nicht erwartet werden, dass
sich Anleger mühsam durch die Geschäfts- und Rechenschaftsberichte arbeiten,
um herauszufinden, ob ihre Fondsgesellschaft an Herstellern von Antipersonen-
minen oder Streumunition beteiligt ist. Daher ist ein gesetzliches Verbot von
Investitionen in diese völkerrechtswidrigen Waffen unabdingbar. Staatlich zer-
tifizierte Riester-Produkte dürfen keinen Beitrag zur finanziellen Unterstützung
von Herstellung und Entwicklung solcher Waffen beitragen.

Darüber hinaus ist über öffentlich-rechtliche Kreditinstitute, die staatliche An-
lagepolitik, Kriterien für die öffentliche Auftragsvergabe oder den Einfluss auf
die Geschäftspolitik von Banken, an denen der Staat Anteile hält, eine strenge

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Einhaltung des Förderungsverbotes der Herstellung und Entwicklung völker-
rechtswidriger Waffen im Sinne eines Investitionsverbotes möglich. Hier be-
steht dringender Handlungsbedarf, wie folgende Beispiele deutlich machen:

● zahlreiche öffentliche Banken investieren in Streumunitionshersteller,1

● im Rahmen der staatlichen Anlagepolitik erfolgt keine Orientierung an ethi-
schen Kriterien,2

● der Lieferant von Körperscannern an das Bundesministerium des Inneren,
L-3 Communications Corporation, ist auch Produzent von Streumunition,

● obwohl die Commerzbank im Dezember 2008 den staatlichen Sonderfonds
Finanzmarktstabilisierung (SoFFin) in Anspruch nahm, vergab die Bank
2009 einen Kredit an den Streubombenhersteller Raytheon Company.

Staaten wie beispielsweise Norwegen, Irland und Mexiko setzen das Unterstüt-
zungsverbot in Artikel 1 Absatz 1 Buchstabe c des Übereinkommens über Streu-
munition strenger um als die Bundesrepublik Deutschland: Staatlich gefördert
werden ausschließlich Investitionen, die Anlagen in Streumunitionshersteller
definitiv ausschließen. Auch französische und britische Regierungsvertreter er-
klärten öffentlich, dass die Konvention jegliche direkte Investitionen in Streu-
munitionshersteller ausschließe. Der Wissenschaftliche Dienst des Deutschen
Bundestages kommt ebenso zum Schluss, dass sich das Förderungsverbot der
Konvention „nicht auf bestimmte Formen der Unterstützungsleistungen be-
schränkt. Dies lässt sich für die Annahme anführen, dass auch die Finanzierung
von Streumunition im Prinzip verboten wird.“

Auch über die direkte staatliche Förderung hinaus liegt es im Interesse eines
Vertragsstaates, die finanzielle Unterstützung von Herstellern von Antiperso-
nenminen und Streumunition zu unterbinden, da Inhalt und Absicht der Über-
einkommen genau darauf abzielen.

Nach Recherchen der Kampagne „Facing Finance“ beläuft sich das Volumen
deutscher Banken in diesem Sektor auf etwa 1,3 Mrd. Euro. Spitzenreiter ist
dabei die Deutsche Bank Group mit einem Investitionsvolumen von knapp
1 Mrd. Euro. Gleichzeitig ist die Bank Unterzeichner der „Principles for
Responsible Investment“ der Vereinten Nationen und wirbt damit in ihrem Be-
richt über Corporate Social Responsibility 2009.3 Um eine solche Irreführung
zu verhindern, braucht es deutlich mehr Transparenzverpflichtungen. Gerade
auch im Bereich der zertifizierten Altersvorsorgeprodukte besteht hier deutli-
cher Nachholbedarf. Das wird jedoch nicht ausreichen, da Transparenz allein
nicht dafür sorgt, dass Anleger in großem Stil ihre Anlagen umschichten. Wer
Investitionen in Streumunition wirksam verhindern will, braucht ein umfassen-
des Investitionsverbot.

Konkret umgesetzt werden könnte dies zum Beispiel nach dem Vorbild des Ge-
setzes Belgiens, das von der Regierung die Erstellung einer Liste von Unter-
nehmen verlangt, die unter das Investitionsverbot fallen. Dies sind in Belgien
nicht nur die Produzenten selbst, sondern auch Unternehmen, die an ihnen zu
mindestens 50 Prozent beteiligt sind, sowie Fonds, die in die Unternehmen oder
ihre Eigner investieren. Nach Veröffentlichung der Liste ist nach einer ange-
messenen Übergangsfrist jede Investition in die dort aufgeführten Unternehmen
verboten. Diese Liste muss selbstverständlich laufend aktualisiert werden. Ab
Inkrafttreten des Gesetzes wird auch die Neuvergabe von Krediten oder Ter-
mingeschäfte mit Anleihen der entsprechenden Unternehmen untersagt.

1 Vergleiche den Bericht „Tödlicher Profit. Deutsche Banken und ihr Investment in Streumunition und
Antipersonenminen“ der Kampagne „Facing Finance“ vom Dezember 2010.

2 Vergleiche Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE

GRÜNEN, Bundestagsdrucksache 16/11820.

3 Vergleiche „Corporate Social Responsibility Report 2009“ der Deutschen Bank, S. 54.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 5 – Drucksache 17/4697

Gegenargumente, dass eine entsprechende Kontrolle des gesamten Anlageuni-
versums nicht möglich sei, sind haltlos. Andernfalls wäre es Finanzdienstleis-
tern nicht möglich, Investitionen in Streumunition vollständig auszuschließen,
wie dies etwa Allianz Global Investors Kapitalanlagegesellschaft mbH und
Union Investment, die beiden größten Fondsgesellschaften Deutschlands, getan
haben. Eine externe Kontrolle liegt zwar nicht vor, sodass diese Verpflichtung
unter Vorbehalt steht – doch würden sich die Firmen in hohem Maße unglaub-
würdig machen, wenn dennoch innerhalb ihres Anlageuniversums Investitio-
nen in Streumunition ans Licht der Öffentlichkeit kämen. In Japan haben sich
im Juli 2010 die drei größten Banken des Landes bindend verpflichtet, keine
Investitionen in Streumunition zu tätigen. Zweifellos ist eine Überprüfung etwa
aller Dach- und Indexfonds komplex, doch auch die gesetzliche Kontrolle ist
machbar, wie etwa das Beispiel des „Norwegian Government Pension Fund –
Global“ eindrucksvoll zeigt.

Deutschland sollte dem Beispiel Belgiens, Luxemburgs, Norwegens und Neu-
seelands folgen und Investitionen in die Herstellung und Entwicklung von An-
tipersonenminen und Streumunition generell gesetzlich untersagen. Ein Land,
das jährlich erhebliche finanzielle Mittel für die Räumung von Antipersonen-
minen und Streubomben weltweit zur Verfügung stellt, kann Investitionen in die
Produktion dieser Waffen nicht erlauben und darf diese schon gar nicht steuer-
lich fördern.

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