BT-Drucksache 17/4551

Demokratieinitiativen nicht verdächtigen, sondern fördern - Bestätigungserklärung im Bundesprogramm "TOLERANZ FÖRDERN - KOMPETENZ STÄRKEN" streichen

Vom 26. Januar 2011


Deutscher Bundestag Drucksache 17/4551
17. Wahlperiode 26. 01. 2011

Antrag
der Abgeordneten Daniela Kolbe (Leipzig), Sönke Rix, Petra Crone, Petra
Ernstberger, Iris Gleicke, Petra Hinz (Essen), Christel Humme, Ute Kumpf,
Caren Marks, Franz Müntefering, Aydan Özog˘uz, Thomas Oppermann, Marlene
Rupprecht (Tuchenbach), Rolf Schwanitz, Stefan Schwartze, Dr. h. c. Wolfgang
Thierse, Dagmar Ziegler, Dr. Frank-Walter Steinmeier und der Fraktion der SPD
sowie der Abgeordneten Monika Lazar, Volker Beck (Köln), Ekin Deligöz, Katja
Dörner, Kai Gehring, Britta Haßelmann, Ingrid Hönlinger, Katja Keul, Memet Kilic,
Sven-Christian Kindler, Agnes Krumwiede, Jerzy Montag, Dr. Konstantin von Notz,
Tabea Rößner, Krista Sager, Wolfgang Wieland, Josef Philip Winkler und der
Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Demokratieinitiativen nicht verdächtigen, sondern fördern – Bestätigungserklärung
im Bundesprogramm „TOLERANZ FÖRDERN – KOMPETENZ STÄRKEN“ streichen

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Viele Initiativen und Vereine, die sich gegen Rechtsextremismus und für
Demokratie engagieren, erhalten und erhielten finanzielle Förderung aus den
Programmen „CIVITAS“, „ENTIMON“ und „VIELFALT TUT GUT. Jugend
für Vielfalt, Toleranz und Demokratie“, die Vorgängerprogramme des neuen
Bundesprogramms „TOLERANZ FÖRDERN – KOMPETENZ STÄRKEN“.
Durch ihre Bildungs- und Präventionsarbeit leisten sie einen unverzichtbaren
Beitrag zur Stärkung der demokratischen Zivilgesellschaft und für die Achtung
der Menschenrechte. Ohne die Förderung des Bundes wären die meisten dieser
Projekte nicht durchführbar. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in diesen Pro-
jekten arbeiten in hoher Eigenmotivation unter oft schwierigen Bedingungen.
Oft ist diese Arbeit entbehrungsreich und von Rückschlägen geprägt. Gelegent-
lich werden diese Engagierten selbst Opfer von Gewalttaten wie jüngst bei einer
Serie von Brandanschlägen in Sachsen. Es ist eine Selbstverständlichkeit, dass
Empfänger von Zuwendungen des Bundes auf dem Boden des Grundgesetzes
stehen müssen. Mit ihrer Arbeit beweisen diese Initiativen mehr als viele andere,
dass sie für die Geltung des Grundgesetzes eintreten, die demokratische Kultur
stärken und die Demokratie vor ihren Feinden schützen wollen. Sie tun dies
nicht selten sogar unter hohem persönlichen Einsatz. Aus diesem Grunde ist es
paradox und widersinnig, gerade von diesen Initiativen eine über die allgemei-

nen Richtlinien bei der Zuwendung von Bundesmitteln hinausgehende explizite
Sondererklärung zur Verfassungstreue zu verlangen. Die Bestätigungserklärung
der Bundesregierung unterstellt, dass gerade Demokratieinitiativen in einem
besonderen Maße geneigt wären, mit antidemokratischen Partnerinnen und Part-
nern zu kooperieren. Damit erweckt die Bundesregierung den Eindruck, einen
Generalverdacht gegen all jene etablieren zu wollen, die sich gegen Rechts-
extremismus engagieren.

Drucksache 17/4551 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Die vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend vorge-
legte Bestätigungserklärung ist aus mehreren Gründen verfehlt:

Zum einen fehlt eine stichhaltige Begründung für eine gesonderte Bestäti-
gungserklärung. Träger, die nachweislich eine den Zielen des Grundgesetzes
nicht förderliche Arbeit verrichten, sind von der Förderung grundsätzlich aus-
geschlossen. Das hat die Bundesregierung auf Nachfrage bestätigt.

Zudem hat die Bundesregierung ebenfalls erklärt, dass sie keine Klausel ver-
wenden will, die es den durch Zuwendung begünstigten Trägern vorschreibt,
die Gesinnung ihrer Partnerinnen und Partner zu überprüfen. Dennoch ist die
bisher bekannte Klausel genau daraufhin angelegt. Die beabsichtigte Pflicht zur
Regelüberprüfung der Kooperationspartnerinnen und -partner fördert ein Klima
des Misstrauens und steht dem Ziel der Demokratieförderung entgegen.

Weiterhin ist die Erklärung verfassungsrechtlich bedenklich. Weder Tatbestand
noch Rechtsfolge sind hinreichend bestimmt. Die als Verstoß gegen die Richt-
linie bezeichnete Bedingung ist nicht hinlänglich präzise. Folglich ist nicht hin-
reichend klar, welches konkrete Verhalten seitens der Zuwendungsempfänger
zu tätigen bzw. zu unterlassen ist und welche Rechtsfolgen drohen.

Zudem werden Initiativen und Vereine, die sich gegen Rechtsextremismus und
für Demokratie engagieren, durch die beabsichtigte Bestätigungserklärung vor
große bürokratische Hürden gestellt. Nicht einmal die behördlichen Instanzen,
die mit einem hohen Personal- und Ressourcenaufwand sowie hoheitlichen Be-
fugnissen an der Überprüfung potentiell extremistischer Strukturen arbeiten,
kommen bezüglich der Verfassungstreue dieser Akteurinnen und Akteure regel-
mäßig zu einhelligen Ergebnissen. Derartige Aufgaben sind hochkomplex und
können nur mit hoheitlichen Befugnissen wahrgenommen werden. Zivilgesell-
schaftliche Initiativen haben weder die Fähigkeit noch die Legitimation, eine be-
lastbare Einschätzung über die Qualifizierung der politischen Ziele jeder ihrer
Kooperationspartnerinnen und -partner einzuholen. Eine derartige Übertragung
staatlicher Aufgaben auf zivilgesellschaftliche Strukturen ist unzulässig.

Weder gibt es hinreichende Gründe für die Einführung einer Bestätigungserklä-
rung, die sich aus den Richtlinien des Bundesprogramms „TOLERANZ
FÖRDERN – KOMPETENZ STÄRKEN“ ableitet, noch ist eine solche Erklä-
rung geeignet, die avisierten Ziele zu erreichen. Deshalb muss ihre Einführung
unterbleiben.

Engagierte Demokratinnen und Demokraten sollten nicht unter Generalver-
dacht gestellt, sondern unterstützt werden.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

die geplante Bestätigungserklärung als Zuwendungsvoraussetzung aus den
Richtlinien des Bundesprogramms „TOLERANZ FÖRDERN – KOMPETENZ
STÄRKEN“ zu streichen und die Vergabe der Zuwendungen im Rahmen dieses
Programms nicht an eine Unterzeichnung einer solchen Erklärung zu knüpfen.

Berlin, den 26. Januar 2011

Dr. Frank-Walter Steinmeier und Fraktion
Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion

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