BT-Drucksache 17/4169

Forschung an behinderungskompensierenden Technologien am Arbeitsplatz

Vom 10. Dezember 2010


Deutscher Bundestag Drucksache 17/4169
17. Wahlperiode 10. 12. 2010

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Krista Sager, Markus Kurth, Brigitte Pothmer, Katrin Göring-
Eckardt, Hans-Josef Fell, Beate Müller-Gemmeke, Priska Hinz (Herborn),
Dr. Konstantin von Notz, Monika Lazar, Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn, Daniela
Wagner, Kerstin Andreae, Alexander Bonde, Katja Dörner, Kai Gehring, Britta
Haßelmann, Ingrid Hönlinger, Memet Kilic, Maria Klein-Schmeink, Elisabeth
Scharfenberg, Christine Scheel, Dr. Harald Terpe, Dr. Valerie Wilms, Josef Philip
Winkler und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Forschung an behinderungskompensierenden Technologien am Arbeitsplatz

Der Umgang mit Menschen mit körperlichen, intellektuellen und psychischen
Beeinträchtigungen von der früher fast ausschließlichen Betrachtung der Funk-
tionsstörung hin zu der gleichzeitigen Betrachtung der Umweltbedingungen und
deren Wechselwirkungen stellt einen Paradigmenwechsel dar. Ein solcher
Wechsel kommt auch in Hinblick auf behinderungskompensierende Technolo-
gien (bkT) zum Tragen.

Technik kann sowohl funktionale Einschränkungen ausgleichen als auch die
unmittelbar persönlichen (z. B. am Arbeitsplatz) und die gesellschaftlichen Um-
weltbedingungen (z. B. das öffentliche Kommunikations- und Verkehrswesen)
gestalten.

Der Großteil von Behinderungen nach dem Neunten Buch Sozialgesetzbuch
(SGB IX) entsteht auf Grund einer Erkrankung im Laufe eines Erwerbslebens.
Der Einsatz behinderungskompensierender Technologien könnte daher die Be-
schäftigung von behinderten bzw. von Behinderung bedrohten Menschen ver-
bessern.

Das UN-Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen
verpflichtet die Bundesrepublik Deutschland als Vertragspartnerin an vielen
Stellen, ein universelles Design sowie die Entwicklung und Verfügbarkeit neuer
Technologien zu fördern (Artikel 2, 4 Absatz 1 Buchstabe g, h, Artikel 9 Ab-
satz 1 Buchstabe a, Artikel 27 Absatz 1 Buchstabe e, k, i).

Bedarfsforschung und Anwendungsanalysen für behinderungskompensierende
Technologien fehlen allerdings weitestgehend in Deutschland. Die mangelnde
empirische Erfassung und Darstellung der Arbeitsmarktsituation von Menschen
mit Behinderungen erlaubt hierzulande keine gezielte Markt- und Potenzialana-
lyse. Zu diesem Ergebnis kommt der vom Deutschen Bundestag in Auftrag ge-

gebene Bericht des Büros für Technikfolgen-Abschätzung beim Deutschen Bun-
destag (TAB) „Chancen und Perspektiven behinderungskompensierender Tech-
nologien am Arbeitsplatz“ (Bundestagsdrucksache 16/13860).

Drucksache 17/4169 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus dem TAB-Bericht
„Chancen und Perspektiven behinderungskompensierender Technologien
am Arbeitsplatz“, und welche weiteren Aktivitäten plant sie?

2. Wie bewertet die Bundesregierung die öffentlichen und privaten For-
schungskapazitäten im Bereich der behinderungskompensierenden Techno-
logien am Arbeitsplatz in Deutschland?

3. Welche Schwerpunkte im Bereich der behinderungskompensierenden Tech-
nologien am Arbeitsplatz setzt die Bundesregierung in der Hightech-Strate-
gie 2020, und mit welchem Mittelvolumen sollen die Schwerpunkte jeweils
unterlegt werden?

4. Auf welche Weise wurden

a) Menschen mit Behinderungen und deren Verbände sowie

b) Leistungsträger (z. B. Bundesagentur für Arbeit, Integrationsämter, Ren-
tenversicherung, Unfallversicherung)

in die Schwerpunksetzung der Hightech-Strategie 2020 eingebunden, damit
sich die Forschung an deren Bedarfen orientieren kann?

5. Auf welche Weise sollen

a) Menschen mit Behinderungen und deren Verbände sowie

b) Leistungsträger (z. B. Bundesagentur für Arbeit, Integrationsämter, Ren-
tenversicherung, Unfallversicherung)

in die weitere Ausgestaltung der geförderten Forschungsschwerpunkte ein-
gebunden werden?

6. Welche Maßnahmen will die Bundesregierung ergreifen, um die Akzeptanz
behinderungskompensierender Technologien am Arbeitsplatz durch Arbeit-
geber und Arbeitnehmer zu fördern?

7. Hält die Bundesregierung die Etablierung einer koordinierenden nationalen
Einrichtung im Bereich der behinderungskompensierenden Technologien
am Arbeitsplatz für sinnvoll?

Wenn nein, warum nicht?

Wenn ja, welche Schritte will sie in diese Richtung unternehmen?

8. Mit welchen Maßnahmen will die Bundesregierung die internationale Ver-
netzung im Bereich der behinderungskompensierenden Technologien am
Arbeitsplatz stärken?

9. Mit welchen Maßnahmen will die Bundesregierung den Transfer von Tech-
nologiepotenzialen aus anderen Technologiefeldern in den Bereich der be-
hinderungskompensierenden Technologien am Arbeitsplatz fördern?

10. Welche Schwerpunkte im Bereich der behinderungskompensierenden Tech-
nologien am Arbeitsplatz setzt die Bundesregierung in der IKT-Strategie der
Bundesregierung „Deutschland Digital 2015“, und mit welchem Mittelvo-
lumen sollen die Schwerpunkte jeweils unterlegt werden?

11. Wie möchte die Bundesregierung künftig sicherstellen, dass eine zielgenaue
Bedarfserhebung von barrierefreier Technologie am Arbeitsplatz möglich
wird, und wie bewertet die Bundesregierung den Vorschlag des TAB-
Berichts, demzufolge eine Differenzierung nach der Art der Behinderung
eine wichtige Grundlage für eine zielgenauere Bedarfserhebung, für den
praktischen Anwendungsbedarf bis hin zur Entwicklung von Konzepten der

Aus- und Weiterbildung wäre?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/4169

12. Inwiefern teilt die Bundesregierung die Aussage des Berichts, wonach das
Behindertengleichstellungsgesetz und die entsprechenden DIN-Normen für
Neubauten zwar einen zum Teil relativ hohen Standard zur Barrierefreiheit
vorschreiben, in der Praxis aber häufig Probleme auf Grund mangelhafter
Planung und Umsetzung dieser Normen auftreten, und welche Schlussfol-
gerungen zieht die Bundesregierung hieraus?

13. Teilt die Bundesregierung die Einschätzung des Berichts, wonach es sinn-
voll wäre, „weitere Maßnahmen zur Qualifikation von Planern und Fach-
kräften im Hinblick auf die Anforderungen des barrierefreien Bauens“ ein-
zuleiten, und wenn ja, welche Maßnahmen wären dies?

Wenn nein, warum nicht?

14. Welche Maßnahmen möchte die Bundesregierung ergreifen, um den ge-
nauen Stand der barrierefreien Neubauten zu ermitteln, und wie bewertet die
Bundesregierung in diesem Zusammenhang die Vorschläge des TAB-
Berichts, als Basis für die Sicherstellung und Verbesserung der Barrierefrei-
heit im Neubaubereich insbesondere

a) eine vergleichende Analyse der im Bund und in den Ländern geltenden
Verordnungen zum barrierefreien Bauen,

b) eine Bestandsaufnahme zur praktischen Geltung und Wirksamkeit dieser
Verordnungen sowie

c) die Sicherstellung der einfachen Handhabbarkeit entsprechender Verord-
nungen durch Ausbildungs- und Testinstrumente

vorzunehmen?

15. Wie wird die Bundesregierung dafür Sorge tragen, dass für die Informa-
tions- und Kommunikationstechnik (IuK), insbesondere für die Angebote
im Internet und hier insbesondere im World Wide Web, Anforderungen an
eine barrierefreie Bereitstellung der Angebote erarbeitet werden, die dem
Stand der Technik entsprechen?

16. Wie stellt die Bundesregierung sicher, dass künftig nicht nur Bundesbehör-
den, sondern auch im Besitz des Bundes befindliche Unternehmen ihre
Internetangebote barrierefrei vorhalten müssen?

17. Welche Anstrengungen unternimmt der Bund, um die Anforderungen an die
Barrierefreiheit im Internet für Bundes- und Landesbehörden kongruent zu
halten?

Welche Rolle kann nach Ansicht der Bundesregierung hier der neu geschaf-
fene IT-Planungsrat einnehmen?

18. Welche Forschungsprojekte für Barrierefreiheit im Internet, zur Benutzung
des Computers und sogenannter Smartphones sowie ähnlicher Geräte för-
dert der Bund (bitte genau auflisten)?

19. Beabsichtigt der Bund, die Förderung der Barrierefreiheit im Internet in
einem Forschungsverbund zu bündeln, und wenn nein, warum nicht?

20. Plant die Bundesregierung vor dem Hintergrund der demografischen Ent-
wicklung stärkere Anstrengungen zur Herstellung von möglichst weitge-
hender Barrierefreiheit in der IuK, und wenn ja, wie sehen diese aus?

Wenn nein, warum nicht?

21. Welche Anstrengungen unternimmt die Bundesregierung zur Ausweitung
der Herstellung von möglichst weitgehender Barrierefreiheit in der IuK in
Zusammenarbeit mit der Wirtschaft?

Drucksache 17/4169 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
22. Inwiefern bindet die Bundesregierung die Verbände von Menschen mit Be-
hinderungen in solche Anstrengungen ein?

23. Wie möchte die Bundesregierung künftig die Eigenentwicklungen von
Menschen mit Behinderungen im Bereich bkT fördern, etwa durch eine Be-
ratung in den Bereichen Technologie, Schutzrechte, Produktion, Existenz-
gründung sowie Marketing?

24. Inwieweit kann nach Ansicht der Bundesregierung die Förderung von Open-
Source-Modellen die Entwicklung einer verbesserten Barrierefreiheit im
Internet World Wide Web befördern, und welche Anstrengungen unter-
nimmt die Bundesregierung, um die Entwicklung derartiger Programme zu
fördern?

25. Welche Anstrengungen unternimmt die Bundesregierung, um die For-
schung in dem Bereich „Unterstützte Kommunikation“ voranzubringen?

26. Inwiefern wird der Einsatz von bkT am Arbeitsplatz bei Evaluationsanaly-
sen berücksichtigt, z. B. bei der Evaluation sozial- und arbeitsmarktpoliti-
scher Instrumente wie etwa „betriebliches Eingliederungsmanagement“,
„betriebliches Arbeitstraining“ oder „unterstützte Beschäftigung“ sowie bei
Bedarfsfeststellungsverfahren wie die „Diagnose der Arbeitsmarktfähig-
keit“ (DIA-AM) der Bundesagentur für Arbeit?

27. Wie möchte die Bundesregierung sicherstellen, dass künftig bei der Förde-
rung von Forschung und Entwicklung (FuE), wie vom TAB-Bericht emp-
fohlen, vermehrt die Arbeitsplatzrelevanz in den Blick genommen wird?

Berlin, den 10. Dezember 2010

Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.