BT-Drucksache 17/13804

Unklarheiten bei der Privatisierung der TLG Immobilien GmbH und der TLG Wohnen GmbH (Nachfragen zu den Antworten der Bundesregierung auf die Kleinen Anfragen auf Bundestagsdrucksachen 17/13043 und 17/13359)

Vom 4. Juni 2013


Deutscher Bundestag Drucksache 17/13804
17. Wahlperiode 04. 06. 2013

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Heidrun Bluhm, Dr. Kirsten Tackmann, Agnes Alpers,
Matthias W. Birkwald, Steffen Bockhahn, Eva Bulling-Schröter, Dr. Martina Bunge,
Roland Claus, Dr. Dagmar Enkelmann, Diana Golze, Dr. Rosemarie Hein,
Dr. Barbara Höll, Katja Kipping, Harald Koch, Jan Korte, Katrin Kunert, Caren Lay,
Sabine Leidig, Ralph Lenkert, Michael Leutert, Stefan Liebich, Ulrich Maurer,
Petra Pau, Jens Petermann, Ingrid Remmers, Paul Schäfer (Köln), Raju Sharma,
Dr. Petra Sitte, Kersten Steinke, Sabine Stüber, Frank Tempel, Dr. Axel Troost,
Kathrin Vogler, Johanna Voß, Halina Wawzyniak, Harald Weinberg, Katrin Werner
und der Fraktion DIE LINKE.

Unklarheiten bei der Privatisierung der TLG Immobilien GmbH und
der TLG Wohnen GmbH (Nachfragen zu den Antworten der Bundesregierung auf
die Kleinen Anfragen auf Bundestagsdrucksachen 17/13043 und 17/13359)

Der Verkauf der TLG Immobilien GmbH und der TLG Wohnen GmbH durch
das Bundesministerium der Finanzen wirft trotz zweier Kleiner Anfragen der
Fraktion DIE LINKE. und deren Beantwortung durch die Bundesregierung wei-
terhin vielfältige Fragen auf.

Die bisherigen Antworten der Bundesregierung konnten weder die Gewissheit
vermitteln, dass die Verkaufsentscheidungen der Bundesregierung auf der
Grundlage objektiver, interessensfreien Beratung erfolgte, noch besteht Klarheit
darüber, ob die erzielten Verkaufserlöse einen Verkauf überhaupt rechtfertigten.
Das liegt zum einen daran, dass die Bundesregierung dem Deutschen Bundestag
gegenüber nach Auffassung der Fragesteller wenig Bereitschaft zur Transparenz
erkennen ließ und zum anderen den Deutschen Bundestag im Verfahrensverlauf
widersprüchlich und unvollständig informiert hat.

Darüber hinaus haben die bisherigen Antworten der Bundesregierung auf die
Kleinen Anfragen der Fraktion DIE LINKE. ein breites gesellschaftliches und
mediales Interesse ausgelöst, das weitere Nachfragen gebietet.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Um wie viel liegen die Verkaufserlöse für die TLG Wohnen GmbH und die
TLG Immobilien GmbH unter den von der Bundesregierung angegebenen

Verkehrswerten?

Hält die Bundesregierung angesichts dieses Verkaufserlöses und der Ent-
wicklung auf dem deutschen Immobilienmarkt an der Einschätzung fest, sie
habe sich wie ein privater Unternehmensveräußerer verhalten (sog. Private
Vendor Test)?

Drucksache 17/13804 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

2. Inwieweit stellt die Veräußerung der Geschäftsanteile der TLG Unterneh-
men unterhalb des Verkehrswertes einen Verstoß gegen das Europäische
Beihilferecht dar?

Mit welchen Sanktionen oder anderen Rechtsfolgen hätte die Bundesregie-
rung in diesem Fall zu rechnen?

3. Wenn die Bundesregierung der Auffassung sein sollte, dass der Verkauf der
Geschäftsanteile der TLG Unternehmen kein Verstoß gegen das Europä-
ische Beihilferecht gemäß Artikel 87 EG-Vertrag, 1.1.1 darstellt, wie be-
gründet sie das?

4. Womit begründet die Bundesregierung, dass eine weitergehende, über
ohnehin gesetzlich fixierte Regelungen hinausgehende Sozialcharta das
Beihilferecht der Europäischen Union (EU) verletzt hätte?

5. Hätte für die Bundesregierung die Möglichkeit bestanden, eine Freistellung
von den Regelungen des Beihilferechts unter Berufung auf Ausnahmetatbe-
stände gemäß Artikel 87 Absatz 2 und 3 EG-Vertrag zu erwirken, hat sie
dies geprüft oder beantragt?

Wenn nein, warum nicht?

6. Mit welchen konkreten Rechtsfolgen hätte die Bundesrepublik Deutschland
von Seiten der EU rechnen müssen, wenn sie Bietergemeinschaften zum
Zwecke eines Share Deals ausgeschlossen hätte (bitte die genaue Rechts-
verletzung und deren zwingende Sanktionierung sowie Präzedenzfälle be-
nennen)?

7. Hat die Bundesregierung mit voller Absicht die Share Deal Konstrukte
beim Verkauf der TLG Immobilien GmbH und der TLG Wohnen GmbH ge-
wählt, um zu Lasten der ostdeutschen Bundesländer die Grunderwerbs-
steuer zu vermeiden und so einen möglichst hohen Verkaufserlös für den
Bund zu erzielen?

8. Warum wurde der Deutsche Bundestag, konkret der Ausschuss für Verkehr,
Bau und Stadtentwicklung, in der 88. Sitzung am 12. Dezember 2012 durch
die Bundesregierung dahingehend informiert, dass ein Geschäftsanteil von
100 Prozent an der TLG Wohnen GmbH verkauft worden sei, weil anderen-
falls Grunderwerbsteuer angefallen wäre (Protokoll der 88. Sitzung des
Ausschusses für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, S. 20)?

9. Welche Berater in welcher Eigenschaft waren auf Seiten des Verkäufers an
der Transaktion TLG beteiligt (bitte Aufstellung der Unternehmen, Einrich-
tungen, Institutionen, Kanzleien und anderer handelnder Personen)?

10. Wie war die Rolle der Barclays Capital Bank als Transaktionsberater in die-
ser Beratergruppe definiert?

11. War die Barclays Capital Bank bereits an der Abfassung des Bekanntma-
chungstextes zur Privatisierung der TLG Immobilien GmbH und der TLG
Wohnen GmbH beteiligt?

12. Wer war federführend für die Erstellung der Aufforderung zur Interessen-
bekundung und für das Auswahlverfahren der Bewerber verantwortlich?

13. Auf welcher Grundlage wurde eine Matrix zur Bewertung der Angebote er-
stellt?

14. Wurden bei der Bewertung der Angebote strukturell unterschiedlicher Bie-
ter die aus den Angeboten resultierenden steuerlichen (insbesondere grund-
erwerbssteuerlichen) Auswirkungen auf den Kaufpreis berücksichtigt, und
wie erfolgte das?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/13804

15. Hat bei der Bewertung des Bieters TAG Immobilien AG deren generelle
Geschäftsstrategie der Vermeidung von Grunderwerbsteuer durch RETT-
Blocker (www.tag-ag.com/portfolio/ankaufskriterien/wohnen) eine Rolle
gespielt?

War der Bundesregierung diese Geschäftsstrategie bekannt?

16. Sofern steuerliche Aspekte keine Rolle spielten, warum nicht?

17. Bestanden nach Kenntnis der Bundesregierung zum Zeitpunkt der Ver-
pflichtung der Barclays Capital Bank als Transaktionsberaterin geschäft-
liche oder personelle Verbindungen zur TAG Immobilien AG oder anderen
am Bieterverfahren beteiligten Akteuren?

Hat sie dies geprüft?

Waren andere Beteiligte auf der Verkäuferseite für die TAG Immobilien AG
tätig?

18. Seit wann und in welcher Weise war nach Kenntnis der Bundesregierung
die Barclays Capital Bank für die TAG Immobilien AG tätig?

Wann, und durch wen, wurde die Bundesregierung über das Interesse einer
Zusammenarbeit zwischen der Barclays Capital Bank und der TAG Immo-
bilien AG informiert?

19. Wann und auf welche Weise hat die Bundesregierung davon Kenntnis erhal-
ten, dass die Barclays Capital Bank mit dem Verkauf der TAG Aktien zur
Erhöhung des Eigenkapitals für den Erwerb der Geschäftsanteile der TLG
Wohnen GmbH beauftragt werden sollte?

20. Welche Gründe veranlassten die Bundesregierung, diese Zusammenarbeit
zu befürworten und möglicherweise zu befördern?

21. Welchen wirtschaftlichen Nutzen hatte die Barclays Capital Bank nach
Kenntnis der Bundesregierung vom Verkauf der Aktien für die TAG Immo-
bilien AG?

22. Wie, mit welchen Mitteln, und durch welche Personen hat die Bundesregie-
rung sichergestellt, dass die ihr gegenüber abgegebenen Erklärungen zu den
sog. Chinese Walls eingehalten wurden (bitte detailliert begründen)?

23. Wie hat die Bundesregierung ausschließen können, dass es keine Ab-
sprachen zwischen der Transaktionsbeauftragten und der TAG Immobilien
AG gab?

Wie ist das nachprüfbar dokumentiert?

24. Hat die Bundesregierung den wirtschaftlichen Vorteil für die Barclays
Capital Bank erfragt, bevor sie die Zustimmung zu deren Engagement bei
den Aktienverkäufen und zur Zusage einer Brückenfinanzierung erteilte?

25. Haben die Einnahmen der Barclays Capital Bank aus dem Verkauf der
Aktien für die TAG Immobilien AG zu einer Verminderung der Vergütung
als Transaktionsberater geführt?

26. Wie hat die Barclays Capital Bank der Bundesregierung gegenüber begrün-
det, dass sie der TAG Immobilien AG bei der Beschaffung und Sicherstel-
lung der Finanzierung für den Erwerb der Geschäftsanteile der TLG Woh-
nen GmbH dienlich sein wollte, oder hat sie ähnliche Engagements auch für
andere Beteiligte vorgeschlagen oder angebahnt?

27. Gab es seitens der Bundesregierung Zweifel an dem TAG-Erwerbskonzept,
die eine Mitwirkung von der Barclays Capital Bank zur Sicherung des
Kaufpreises im Interesse der Bundesrepublik Deutschland begründeten,

und wenn ja, welche?

Drucksache 17/13804 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
28. Hat die Barclays Capital Bank der Bundesregierung gegenüber nachgewie-
sen, dass sie gegebenenfalls auch anderen am Bieterverfahren beteiligten
Kaufinteressenten finanzielle Unterstützung angeboten hat?

29. Wie hoch war die Gesamtvergütung für die Barclays Capital Bank durch die
Bundesregierung?

War dies eine Festvergütung oder erfolgte die Vergütung erlös- oder termin-
abhängig?

30. Kann die Bundesregierung ausschließen, dass eigene geschäftliche Interes-
sen der Barclays Capital Bank deren Vergabeempfehlung zugunsten der
TAG Immobilien AG beeinflusst haben?

Wenn ja, wie begründet sie dies?

31. Haben nach Kenntnis der Bundesregierung andere am Bieterverfahren be-
teiligte Akteure Verfahrensfehler moniert oder Zweifel an der Korrektheit
des Verfahrens geäußert?

Welche Zweifel waren das?

32. Unterliegt die Bewertung der Einhaltung von Grundsätzen der Offenheit,
Gleichbehandlung und Transparenz im strukturierten Bieterverfahren allein
der Bundesregierung oder wird dies im Rahmen des europäischen Rechts
durch Europäische Gremien überprüft?

Welche verbindlichen Vorgaben gibt es seitens der EU zu den Begriffen
„Offenheit“, „Gleichbehandlung“, „Transparenz“?

Berlin, den 4. Juni 2013

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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