BT-Drucksache 17/12693

Korruption im Gesundheitswesen strafbar machen

Vom 13. März 2013


Deutscher Bundestag Drucksache 17/12693
17. Wahlperiode 13. 03. 2013

Antrag
der Abgeordneten Maria Klein-Schmeink, Birgitt Bender, Kerstin Andreae,
Elisabeth Scharfenberg, Katrin Göring-Eckardt, Britta Haßelmann, Ingrid Hönlinger,
Sven-Christian Kindler, Markus Kurth, Dr. Tobias Lindner, Beate Müller-Gemmeke,
Dr. Konstantin von Notz, Brigitte Pothmer, Dr. Gerhard Schick, Josef Philip Winkler
und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Korruption im Gesundheitswesen strafbar machen

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Die Wiederherstellung der Gesundheit der Patientinnen und Patienten muss bei
der Behandlung oberste Priorität haben. Da die Beziehungen zwischen Leistungs-
erbringern (z. B. Ärztinnen und Ärzten, Kieferchirurginnen und Kieferchirurgen,
Zahnärztinnen und Zahnärzten, Physiotherapeutinnen und Physiotherapeuten
oder Hebammen) und Versicherten durch starke Informations- und Kompetenz-
unterschiede geprägt sind, müssen Patientinnen und Patienten darauf vertrauen
können, dass Behandlerinnen und Behandler medizinisch sinnvolle Behand-
lungsangebote vorschlagen. Für eine informierte Entscheidung und eine Behand-
lung, die sich an den Bedürfnissen der Betroffenen orientiert, ist es unverzichtbar,
dass dieses Vertrauensverhältnis frei von äußeren, ökonomischen Einflüssen
bleibt und sich Patientinnen und Patienten darauf verlassen können, dass ihnen
die für sie am besten geeignete medizinische Versorgung vorgeschlagen wird.

Korruption im Gesundheitswesen höhlt dieses Vertrauensverhältnis aus und
schädigt nachhaltig die besondere Schutzwürdigkeit von Kranken. Durch die
Bereicherung Einzelner entstehen zudem im Gesundheitswesen erhebliche öko-
nomische Schäden.

Mehr Transparenz im Gesundheitswesen ist die Voraussetzung für wirksame
Kontrolle durch Betroffen, Öffentlichkeit und Politik. Sie ermöglicht es Betrof-
fenen, Nutzen und Risiken der Behandlung abzuschätzen und selbstbestimmt zu
entscheiden. Zudem beugt Transparenz Korruption und Misswirtschaft mit öf-
fentlichen Mitteln vor.

In seinem Grundsatzurteil vom 29. März 2012 stellte der Bundesgerichtshof
(BGH) fest, dass niedergelassene, für die vertragsärztliche Versorgung zugelas-
sene Ärztinnen und Ärzte bei der Wahrnehmung der ihnen in diesem Rahmen
übertragenen Aufgaben weder als Amtsträger im Sinne des § 11 Absatz 1 Num-

mer 2 Buchstabe c des Strafgesetzbuchs (StGB) noch als Beauftragte der gesetz-
lichen Krankenkassen im Sinne des § 299 StGB handeln.

Somit fehlt eine gesetzliche Grundlage, auf der niedergelassene Ärztinnen und
Ärzte wegen Korruption und Bestechlichkeit strafrechtlich verfolgt werden kön-
nen. In der Konsequenz unterliegen niedergelassene und angestellte Ärztinnen
und Ärzte unterschiedlichen Regelungen. Auch für andere Berufsgruppen des
Gesundheitswesens fehlen spezielle Regelungen weitgehend.

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Der BGH sieht in seiner Urteilsbegründung „die grundsätzliche Berechtigung
des Anliegens, Missständen, die – allem Anschein nach – gravierende finan-
zielle Belastungen des Gesundheitssystems zur Folge haben, mit Mitteln des
Strafrechts effektiv entgegenzutreten“. Diese deutliche Aufforderung sollte der
Gesetzgeber schnellstmöglich aufgreifen und sicherstellen, dass auch die Be-
stechung und Bestechlichkeit von niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten straf-
rechtlich verfolgt werden. Es geht dabei nicht um einen Generalverdacht gegen
Leistungserbringerinnen und Leistungserbringer im Gesundheitswesen, sondern
allein darum, im Interesse der Patientinnen und Patienten sicherzustellen, dass
ausschließlich medizinische Beweggründe für die Art der Behandlung maßgeb-
lich sind. Für den Schutz der Patientengesundheit reichen die bestehenden
berufsrechtlichen Vorgaben alleine nicht aus.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. einen Gesetzentwurf vorzulegen, der

a) die Bestechlichkeit und Bestechung von Ärztinnen und Ärzten sowie
anderen Leistungserbringerinnen und -erbringern im Gesundheitswesen
unter Strafe stellt;

b) Regelungen zur Schaffung von Transparenz über ökonomische Verflech-
tungen aller beteiligten Akteure des Gesundheitswesens enthält. Nach
dem Vorbild des amerikanischen „Physician Payment Sunshine Act“ sol-
len alle Leistungserbringerinnen und -erbringer im Gesundheitswesen und
Hersteller von z. B. Arzneimitteln, Diagnostika, medizinischen Geräten,
Medizinprodukten, Apothekensoftware sowie Hilfsmittelerbringer zur re-
gelmäßigen Veröffentlichung von Daten über die Zahlung von Zuwendun-
gen aller Art sowohl auf Geber- als auch auf Nehmerseite verpflichtet wer-
den. Die an eine zentrale Stelle zu meldenden Daten sollen öffentlich
zugänglich gemacht werden und regelmäßige Monitoring-Prozesse durch-
laufen. Bei der Nichtbeachtung der Offenlegungspflicht müssen wirksame
Sanktionsmöglichkeiten greifen;

c) die Rahmenbedingungen der nach den §§ 197a, 81a des Fünften Buches
Sozialgesetzbuch (SGB V) eingerichteten Stellen zur Bekämpfung des
Fehlverhaltens im Gesundheitswesen weiterentwickelt und die regelmä-
ßige Veröffentlichung einer nach Berufsgruppen differenzierte Auswer-
tung regelt. Zu prüfen ist, ob für privatrechtlich organisierte Abrechnungs-
stellen sonstiger Leistungserbringerinnen und - erbringer Mechanismen
zur Aufdeckung von Abrechnungsbetrug implementiert werden können;

d) Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die Hinweise zum Fehlverhal-
ten im Gesundheitswesen an zuständige Stellen weitergeben, vor nega-
tiven arbeitsrechtlichen Konsequenzen ihres Verhaltens schützt (siehe Ent-
wurf eines Gesetzes zur Förderung von Transparenz und zum Diskriminie-
rungsschutz von Hinweisgeberinnen und Hinweisgebern – Whistleblower-
Schutzgesetz auf Bundestagsdrucksache 17/9782);

e) festlegt, dass die laut § 67 des Arzneimittelgesetzes bei der Beteiligung an
Anwendungsbeobachtungen mit zugelassenen Arzneimitteln bestehenden
Meldepflichten elektronisch erfolgen und in einer Form, die eine einfache
Verarbeitung ermöglichen. Die zuständigen Bundesoberbehörden das
Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) und das
Paul-Ehrlich-Institut (PEI) veröffentlichen die ihnen vorliegenden Infor-
mationen zeitnah in einer gemeinsamen Datenbank, die Patientinnen und
Patienten Suchoptionen nach einzelnen Leistungserbringern ermöglichen.
Der GKV-Spitzenverband hat die ihm gemeldeten Informationen auszu-

werten und jährlich zu veröffentlichen;

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/12693

2. bei den Ländern darauf hinzuwirken, dass das bestehende Berufsrecht für
Ärztinnen und Ärzte sowie andere Heilberufe ergänzt wird, um wirksame
Maßnahmen zur Verfolgung und Sanktionierung berufsrechtlicher Verstöße
zu ermöglichen und insbesondere die Zusammenarbeit und Kommunikation
zwischen den zuständigen Berufskammern und Aufsichtsbehörden zu ver-
bessern;

3. gemeinsam mit den Ländern eine Änderung der Anordnung über die Mittei-
lung in Strafsachen (MiStra) vorzunehmen, nach der die Mitteilungspflichten
bei Strafsachen gegen Angehörige von Heilberufen (Nummer 26) dahinge-
hend ergänzt werden, dass sämtliche das Ermittlungs- und das gerichtliche
Verfahren abschließenden Entscheidungen mit Begründung den dort genann-
ten Stellen unverzüglich mitzuteilen sind;

4. gemeinsam mit den Ländern wirksame Mechanismen zu entwickeln, die die
verbotene Zuweisung von Patientinnen und Patienten an Krankenhäuser
gegen Entgelt wirksam unterbinden und zudem Transparenz über Zuwen-
dungen von Pharmaunternehmen und Unternehmen für Medizingeräte und
Medizinprodukte an die Krankenhäuser oder ihre einzelnen Abteilungen
bzw. Institute herstellen. Es soll darauf hingewirkt werden, dass in allen
Bundesländern Regelungen bestehen, die ein aufsichtsrechtliches Vorgehen
gegen die betreffende Einrichtung bei Missachtung des Verbots von Zuwen-
dungen ermöglichen.

Berlin, den 13. März 2013

Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion

Begründung

Korruption im deutschen Gesundheitswesen ist kein Bagatelldelikt, sondern ein
ernstzunehmendes Problem. Oberstes Gebot bei der medizinischen Behandlung
und Versorgung muss immer der medizinische Nutzen und die Patientengesund-
heit sein. Die Bestechung von Leistungserbringern im Gesundheitswesens ist
mit dieser Verpflichtung nicht vereinbar und beschädigt nachhaltig das Ver-
trauen der Patientinnen und Patienten zu ihren behandelnden Ärztinnen und
Ärzten sowie anderen Leistungserbringern im Gesundheitswesen. Vertrauen ist
jedoch eine wesentliche Grundvoraussetzung für eine erfolgreiche medizinische
Behandlung. Es ist deshalb eine wichtige gesellschaftliche Aufgabe, die primär
am Nutzen der Behandlung ausgerichtete Versorgung und das integere Verhalten
von Ärztinnen und Ärzten sowie anderen Leistungserbringern sicherzustellen
und dadurch das Vertrauen in die medizinische Behandlung zu schützen.

Die bestehenden berufsrechtlichen Regelungen erweisen sich – wie aber aus
dem Bericht der Bundesärztekammer an das Bundesministerium für Gesundheit
vom 4. Oktober 2012 hervorgeht – in der Realität häufig als unzureichend. Da-
her ist eine Regelung erforderlich, die eine strafrechtliche Sanktionierung der
Bestechlichkeit und Bestechung angestellter und niedergelassener Ärztinnen
und Ärzte sowie anderer Leistungserbringer im Gesundheitswesen wirksam er-
möglicht.

Die gesetzlichen Regelungen, die die Bundesregierung zur Übermittlung von Da-
ten der Kassenärztlichen Vereinigungen an die zuständigen Heilberufekammern
vorgeschlagen hat (Änderungsantrag 4 auf Ausschussdrucksache 17(14)0367),

schaffen hierbei nur teilweise Abhilfe.

Drucksache 17/12693 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Ein positiver erster Schritt ist die unlängst von der Kassenärztlichen Bundesver-
einigung herausgegebene Broschüre „Richtig Kooperieren“. Der Aufklärungs-
und Informationsbedarf zur Sensibilisierung der Betroffenen dürfte aber weit
über das Maß einer 20-seitigen Broschüre hinausgehen. Die fehlende gesetz-
liche Grundlage zur strafrechtlichen Ahndung von Korruption ist deshalb drin-
gend zu schaffen. Eine Minderheit von korruptionsbereiten Leistungserbringe-
rinnen und Leistungserbringern darf nicht das Vertrauen in die Mehrheit der
korrekt Handelnden erschüttern. Patientinnen und Patienten müssen sich stets
darauf verlassen können, dass sich Diagnostik und Therapie der Leistungs-
erbringerinnen und Leistungserbringer ausschließlich am Patientenwohl und an
medizinischen Abwägungen orientieren.

Zu Nummer 1

Zu Buchstabe a

Korruption ist ein Geheimhaltungsdelikt: Der Bestechende hat ebenso ein
Interesse an der Geheimhaltung von Bestechlichkeit wie der zu Bestechende.
Dies macht die Korruptionsbekämpfung umso schwieriger, da von beiden Seiten
ein Interesse an der Aufrechterhaltung von Informationsbarrieren besteht. Der
Gesetzgeber hat daher die gesetzlichen Rahmenbedingungen zu schaffen, damit
Korruption im Gesundheitswesen effektiv bekämpft werden kann, und zwar
auch mit den Mitteln des Strafrechts.

Da korruptives Verhalten im Gesundheitswesen nicht auf Ärztinnen und Ärzte
beschränkt ist, sollen umfassend auch alle sonstigen Heilberufe und Leistungs-
erbringer im Gesundheitswesen erfasst werden.

Dies muss auch im Eigeninteresse aller Leistungserbringerinnen und -erbringer
liegen. Denn zum einen sind auch sie in der Ausübung ihres Berufes auf ein
durch Vertrauen geprägtes Verhältnis zu Patientinnen und Patienten angewiesen,
zum anderen ist es die Reputation ihres Berufsstandes, der durch die wieder-
kehrende Berichterstattung über die Bereicherung Einzelner auf Kosten der All-
gemeinheit geschädigt wird.

Zu Buchstabe b

Um Korruption wirksam zu verhindern, sind Regelungen zur Erhöhung der
Transparenz erforderlich. Der 2012 in den USA in Kraft getretene „Physician
Payment Sunshine Act“ schafft Transparenz im Verhältnis zwischen Industrie
und den Leistungserbringern im Gesundheitswesen. In Analogie zu dem US-Ge-
setz müssen auch in Deutschland Normen geschaffen werden, um die Finanz-
ströme unter den Akteuren im Gesundheitswesen nachvollziehbar zu machen
und transparent zu gestalten. Jegliche Zuwendungen von Herstellern von Arz-
neimitteln, Diagnostika, medizinischen Geräten, Medizinprodukten, Apothe-
kensoftware sowie Hilfsmittelerbingern an Arztinnen und Ärzte sowie andere
Leistungserbringerinnen und -erbringer müssen veröffentlicht werden. Die stan-
dardisierten Berichte über die geleisteten oder erhaltenen Zuwendungen müssen
in jährlichen Abständen an eine zentrale öffentliche Einrichtung gesendet wer-
den. Die Berichtspflicht umfasst alle Zahlungen, die einen jährlichen Gesamt-
betrag von 100 Euro übersteigen. Die Berichte von Seiten der Industrie sind von
der jeweiligen Geschäftsführung zu bestätigen, um die Haftbarkeit über die
Korrektheit und Vollständigkeit der Daten zu gewährleisten. Als zentrale Stelle
zur Verwaltung und Veröffentlichung der Informationen könnten beispielsweise
das Deutsche Institut für Medizinische Dokumentation und Information
(DIMDI) oder das BfArM dienen. Die Nichtbeachtung bzw. Verletzungen der
Offenlegungspflicht müssen mit empfindlichen Geldstrafen sanktioniert werden.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 5 – Drucksache 17/12693

Zu Buchstabe c

Mit den §§ 197a, 81a SGB V wurden bereits 2004 Rechtsgrundlagen geschaffen,
die es erlauben, Fehlverhalten im Gesundheitswesen effektiver zu verfolgen und
zu ahnden. Hierzu wurden auf Seiten der Krankenkassen so genannte Clearing-
stellen eingerichtet. Diese sollen Schäden durch Abrechnungsbetrug und Kor-
ruption dokumentieren und verhindern. Zudem sollen sie dazu beitragen, dass
Verstöße schneller entdeckt und verfolgt werden können. Aus dem aktuellen
Bericht des GKV-Spitzenverband für den Zeitraum vom 1. Januar 2010 bis
31. Dezember 2011 gehen Fallzahlen zu Verstößen hervor. Es ist begrüßenswert,
dass erstmals eine bundesweite Datengrundlage über das Ausmaß von Fehl-
verhalten im Gesundheitswesen von Seiten der Krankenkassen zur Verfügung
steht. Bei der Erhebung der Daten besteht allerdings noch Handlungsbedarf, um
zum Beispiel Mehrfachzählungen auszuschließen. Auch eine Aufgliederung der
Daten nach Berufsgruppen wäre wünschenswert. Daher muss die Datenerhe-
bung der Krankenkassen dahingehend ausgebaut werden, dass einheitliche und
belastbare Kennzahlen zur Verfügung stehen. Die von den Krankenkassen ein-
gerichteten Stellen können einen wichtigen Beitrag zur Bekämpfung von Fehl-
verhalten im Gesundheitswesen leisten. Um dieser Aufgabe wirksam nachzu-
kommen, müssen die bestehenden Instrumente weiterentwickelt werden, damit
keine weiteren Chancen auf eine effiziente Bekämpfung von Fehlverhalten im
Gesundheitswesen vertan werden.

Zu Buchstabe d

Auch im Gesundheitsbereich werden Missstände oft erst durch Hinweise muti-
ger Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bekannt. Das Ziel verantwortungsvoller
Whistleblower ist es, Transparenz und Publizität über bestehende interne, ris-
kante, gefährliche oder korrupte Entwicklungen herzustellen, um diese damit
beheben zu lassen. Trotz des großen öffentlichen Interesses an diesen Informa-
tionen drohen den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in der Folge oft arbeits-
rechtliche Konsequenzen. Die Rechtsprechung ist hier zu vage, so dass für die
Handelnden oft Rechtsunsicherheit besteht. Hier müssen klare gesetzliche Re-
gelungen zum Schutz der Informantinnen und Informanten getroffen werden
(vgl. Gesetzentwurf der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Entwurf eines
Gesetzes zur Förderung von Transparenz und zum Diskriminierungsschutz von
Hinweisgeberinnen und Hinweisgebern – Whistleblower-Schutzgesetz, Bun-
destagsdrucksache 17/9782). Ein dringender Handlungsbedarf zum Schutz von
Whistleblowing wird durch ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Men-
schenrechte (EGMR) vom 21. Juli 2011 (28274/08) verdeutlicht, in dem
Deutschland wegen der Verletzung der Meinungsfreiheit nach Artikel 10 der
Europäischen Menschenrechtkonvention (EMRK) verurteilt wurde.

Zu Buchstabe e

Für Arzneimittelanwendungsbeobachtungen existieren bereits Meldepflichten
gegenüber den zuständigen Bundesoberbehörden, den Kassenärztlichen Verei-
nigungen, dem GKV-Spitzenverband und dem Verband der privaten Kranken-
versicherungen. Berichtet wird, dass es bei der Weiterverarbeitung der Daten zu
Problemen kommt, die durch eine entsprechende Lieferung der Daten behoben
werden können. Zur Erhöhung der Transparenz über diese direkten finanziellen
Verbindungen von Arzneimittelherstellern mit Ärztinnen und Ärzten bzw. Kran-
kenhäusern sollen BfArM und PEI die ihnen vorliegenden Informationen in
einer gemeinsamen Datenbank veröffentlichen. Ziel ist es, dass Versicherte die
Möglichkeit haben, zu erfahren, an welchen Anwendungsbeobachtungen sich
ihre Ärztinnen und Ärzte gegebenenfalls beteiligen. Der GKV-Spitzenverband
soll die ihm vorliegenden Informationen auswerten und diese Zusammenstel-

lung jährlich veröffentlichen. Hierdurch soll der Öffentlichkeit ein Gesamtüber-
blick über Arzneimittelstudien mit bereits zugelassenen Arzneimitteln, ihre Ver-

Drucksache 17/12693 – 6 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

breitung, die Beteiligung der Ärzteschaft sowie die damit verbundenen
Konditionen erhalten.

Zu Nummer 2

Die Ärzteschaft und andere Leistungserbringerinnen und Leistungserbringer
müssen ein vitales Interesse daran haben, diejenigen unter ihnen zu sanktionie-
ren, die entgegen der beruflichen Ethik handeln. Auf Länderebene sind aller-
dings sowohl die berufsrechtlichen Normen zu korruptivem Verhalten von Heil-
beruflern wie auch die berufsrechtlichen Möglichkeiten zur Ermittlung und
Sanktionierung eines solchen Verhaltens sehr unterschiedlich. Beispielsweise
existieren unterschiedlich detaillierte Vorgaben in den Berufsordnungen der
Landesärztekammern, welche Gewährung bzw. Annahme eines finanziellen
oder geldwerten Vorteils bereits einen Verstoß gegen die beruflichen Pflichten
darstellt. Auch die Ermittlungsbefugnisse der zuständigen Ärztekammern sind
unterschiedlich stark ausgeprägt: während einige Kammern eigenständige Vor-
ermittlungen durchführen können, wird in anderen Bundesländern erst nach Er-
öffnung eines berufsrechtlichen Verfahrens eine Beauftragte bzw. ein Beauftrag-
ter eingesetzt, die bzw. der dafür mit umfassenden – auch gerichtlichen –
Befugnissen zur Sachverhaltsermittlung ausgestattet ist. Vor diesem Hinter-
grund soll die Bundesregierung bei den Ländern darauf hinwirken, die berufs-
rechtlichen Vorgaben für alle Heilberufe anhand der in den letzten Jahren
gewonnenen Erfahrungen auf ihre Vollständigkeit und Wirksamkeit hin zu über-
prüfen und gegebenenfalls zu ergänzen.

Zu Nummer 3

Häufig sind Ärztekammern bei der Ermittlung und Sanktionierung von berufs-
rechtlichen Verstößen darauf angewiesen, dass ihnen die Ergebnisse strafrecht-
licher Ermittlungs- und Gerichtsverfahren zur Verfügung gestellt werden. Der
Informationsaustausch zwischen den beteiligten Behörden erwies sich in den
letzten Jahren aufgrund der Lückenhaftigkeit der Anordnung über die Mittei-
lung in Strafsachen (MiStra) allerdings als unzureichend. Da berufsrechtliche
gegenüber strafrechtlichen Verfahren regelmäßig subsidiär sind, sind Berufs-
kammern und Behörden bei ihrer Tätigkeit auf die Information angewiesen, dass
das letztgenannte Verfahren im konkreten Einzelfall beendet wurde. Nach der
bisherigen Rechtslage müssen Staatsanwaltschaften und Gerichte allerdings
nicht alle Verfahrensbeendigungen mitteilen; so erfahren Kammern und Be-
hörden beispielsweise regelmäßig nicht, wenn ein Ermittlungsverfahren nach
§ 153a der Strafprozessordnung gegen Auflage eingestellt wurde. Um diesem
Umstand abzuhelfen, wird die Bundesregierung aufgefordert, gemeinsam mit
den Ländern, eine Änderung der Anordnung über die Mitteilung in Strafsachen
(MiStra) vorzunehmen, nach der die Mitteilungspflichten bei Strafsachen gegen
Angehörige von Heilberufen (Nummer 26) dahingehend ergänzt werden, dass
sämtliche das Ermittlungs- und das gerichtliche Verfahren abschließenden Ent-
scheidungen mit Begründung den dort genannten Stellen unverzüglich mitzutei-
len sind.

Zu Nummer 4

Einschlägige Regelungen zu den Aufgaben und Pflichten von Krankenhäusern
werden in den einzelnen Landeskrankenhausgesetzen geregelt. Deshalb ist ein
gemeinsames Vorgehen von Bund und Ländern erforderlich. Denkbar ist eine
Regelung in den Landeskrankenhausgesetzen, die den Aufsichtsbehörden bei
Missachtung des Verbots von Zuwendungen die Kompetenz gibt, aufsichts-
rechtlich gegen das betreffende Krankenhaus oder ihre einzelnen Abteilungen
bzw. Institute vorzugehen. Die Regelung in § 31a des Krankenhausgestaltungs-

gesetzes des Landes Nordrhein-Westfalen zum Verbot der unerlaubten Zuwei-
sung gegen Entgelt könnte als Vorbild dienen.

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