BT-Drucksache 17/11900

Der 4. Armuts- und Reichtumsbericht

Vom 12. Dezember 2012


Deutscher Bundestag Drucksache 17/11900
17. Wahlperiode 12. 12. 2012

Große Anfrage
der Abgeordneten Markus Kurth, Katrin Göring-Eckardt, Volker Beck (Köln),
Kerstin Andreae, Beate Müller-Gemmeke, Brigitte Pothmer,
Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn, Britta Haßelmann, Lisa Paus,
Dr. Gerhard Schick, Birgitt Bender, Dr. Thomas Gambke, Priska Hinz (Herborn),
Sven-Christian Kindler, Maria Klein-Schmeink, Dr. Tobias Lindner,
Dr. Harald Terpe, Beate Walter-Rosenheimer und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Der 4. Armuts- und Reichtumsbericht

Die Bundesregierung muss dem Deutschen Bundestag regelmäßig einmal in
der Wahlperiode einen Armuts- und Reichtumsbericht vorlegen. Die Analyse
von Armut und Reichtum muss hierbei nach Ansicht des Gesetzgebers „in die
Analyse der gesamten Verteilung von Einkommen und Lebenslagen eingebettet
sein“ (Bundestagsdrucksache 14/999). Darüber hinaus muss die Bericht-
erstattung „über individuelle und kollektive Lebenslagen Aufschluß geben“. In
dem Bericht sollte zudem der Frage nachgegangen werden, in welcher Form
und in welchem Umfang von Armut betroffene Personen selbstbestimmt und
eigenverantwortlich handeln können. Der Bericht sollte besondere Problem-
gruppen gesondert berücksichtigen.

Der Bericht der von den Fraktionen der CDU/CSU und FDP getragenen Bun-
desregierung ist schon weit im Vorfeld der Veröffentlichung auf massive Kritik
gestoßen, da er der ursprünglichen Intention des Gesetzgebers nicht genüge. So
wurde etwa in einer öffentlichen Anhörung im Ausschuss für Arbeit und Sozia-
les des Deutschen Bundestages am 12. Dezember 2011 die neue Schwerpunkt-
setzung auf einzelne Lebensphasen (Kindheit, Jugend, frühes Erwachsenenalter
usw.) und Möglichkeiten zur Überwindung defizitärer Situationen beanstandet.
Personengruppen werden nicht mehr gesondert betrachtet, sondern nur noch
dort, wo nach Ansicht der Bundesregierung spezifische Benachteiligungen auf-
treten (siehe Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auf Bundestagsdrucksache 17/9087). Ein solcher
Perspektivwechsel verstellt den Blick auf die Ursachen von Armut.

Die neue Schwerpunktsetzung durch die von den Fraktionen der CDU/CSU und
FDP getragenen Bundesregierung führt darüber hinaus zu einer defizitären Dar-
stellung von Armut und Reichtum sowie der Einkommens- und Vermögens-
verteilung. Erst im Anhang des Berichts wird deutlich, dass das Einkommens-

armutsrisiko bei allen vier verwandten Statistiken (die Einkommens- und Ver-
brauchsstichprobe – EVS –, die amtliche europäische Statistik zu Einkommens-
und Lebensverhältnissen – EU-SILC –, Mikrozensus und SOEP) über die Jahre
gestiegen ist (Entwurfsfassung vom 21. November 2012). Von diesem Anstieg
sind durchweg Alleinerziehende, Erwerbstätige, Arbeitslose und Kinder betroffen.
Von allen Altersgruppen sind die jungen Erwachsenen unter 25 Jahren überpro-
portional stark von Armut betroffen. Die Daten belegen zudem in großer Über-

Drucksache 17/11900 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

einstimmung (EVS, Mikrozensus und das Sozio-oekonomische Panel – SOEP)
einen Anstieg des Einkommensreichtums über die Jahre.

Da eine umfassende Analyse im Hauptteil sowie in der Kurzfassung des Be-
richts fehlt, erschöpfen sich auch die Botschaften des Berichts zu großen Teilen
in einer Aufzählung bereits durch die Bundesregierung ergriffener Maßnah-
men, deren unmittelbarer Zusammenhang zur gerechteren Einkommens- und
Vermögensverteilung nicht ersichtlich wird. Selbst die wenigen Handlungs-
empfehlungen in einer Vorversion des Berichts vom 17. September 2012, die
eine gerechtere Verteilung zum Ziel hatten, wurden auf Drängen des FDP-
geführten Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie herausge-
strichen (so der Bundesminister für Wirtschaft und Technologie, Dr. Philipp
Rösler, im ZDF-Morgenmagazin am 29. November 2012). So sollten etwa
branchenspezifische Mindestlöhne durch eine allgemeine Lohnuntergrenze
flankiert, der rechtliche Schutz von atypischen Beschäftigungsverhältnissen
besser durchgesetzt, die Wirkung des Betreuungsgeldes auf die Erwerbstätig-
keit von Frauen evaluiert und die Heranziehung privaten Reichtums für die
nachhaltige Finanzierung öffentlicher Aufgaben geprüft werden.

Wir fragen die Bundesregierung:

Methode, Konzept und Erstellung

1. Warum wurde der Beraterkreis zum 4. Armuts- und Reichtumsbericht nur
einmalig im Herbst 2011 zur Vorstellung des Konzeptes im Rahmen „einer
zeitlich eng begrenzten Vortragsveranstaltung eingeladen“ und danach nicht
mehr an der weiteren Entwicklung des Berichts beteiligt?

2. Inwiefern ist nach Ansicht der Bundesregierung eine knapp einwöchige Frist
zur Stellungnahme der Mitglieder des Beraterkreises ausreichend, um die
Kompetenz der zivilgesellschaftlichen Akteure hinsichtlich armutspoliti-
scher Fragen hinreichend einzubeziehen?

3. Ist es richtig, wie die Bundesarbeitsgemeinschaft (BAG) Wohnungslosen-
hilfe e. V. in ihrer Pressemitteilung vom 26. November 2012 mitteilte, dass
die bisherigen Beteiligungsformen der zivilgesellschaftlichen Organisatio-
nen im 4. Armuts- und Reichtumsbericht ungenügend seien, weil

a) fachbezogene Materialien der BAG Wohnungslosenhilfe e. V. so gut wie
nicht genutzt würden,

b) die Termine viel zu kurzfristig angesetzt würden, so dass der Eindruck
entstehe, eine Beteiligung sei von der Bundesregierung gar nicht ge-
wünscht und

c) das Streichen der letzten Sitzung des offiziellen Beraterkreises und die
Reduktion der „Beteiligung“ auf eine schriftliche Stellungnahme diesen
Eindruck verstärken würden?

Wenn nein, worauf begründet die Bundesregierung ihre Auffassung, die Be-
teiligung zivilgesellschaftlichter Organisationen hätte in ausreichendem
Maße stattgefunden?

4. Inwiefern ist die Bundesregierung auf die Kritik u. a. der Diakonie einge-
gangen, wonach im 4. Armuts- und Reichtumsbericht (Entwurfsfassung
vom 21. November 2012) ein „grundlegender sozialpolitischer Perspektiv-
wechsel“ gegenüber anderen Berichten hin zu „Chancen“ und „sozialer Mo-
bilität“ festgestellt wird, der die strukturellen Benachteiligungen in den Hin-
tergrund dränge?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/11900

5. Inwiefern ist die Bundesregierung auf die Kritik eingegangen, wonach dem
4. Armuts- und Reichtumsbericht (Entwurfsfassung vom 21. November
2012) eine umfassende Analyse des Zusammenhangs von Armuts- und
Reichtumsentwicklung ebenso fehlt, wie eine problemlösungsorientierte
Darstellung wichtiger Arbeitsfelder der Armutsbekämpfung, wie Woh-
nungslosenhilfe, Schuldnerberatung oder Straffälligenhilfe im Hauptteil
des Berichts?

6. Inwiefern hat die Bundesregierung die Kritik aufgegriffen, wonach das
Lebenslagenkonzept aufgrund der starren Zuschreibung zu einer Alters-
gruppe Problemlagen und Aufgaben wie z. B. Familiengründung, Gewalt
gegen Frauen, Behinderung oder berufliche Neuorientierung nicht hin-
reichend aufarbeitet?

7. Inwiefern hat die Bundesregierung die Kritik aufgegriffen, wonach die
Gliederung entlang der Lebensphasen eine Längsschnittbetrachtung sugge-
riere, die so nicht vorliege, weil der Darstellung im Bericht überwiegend
reine Querschnittsanalysen zugrunde lägen?

Einkommens- und Vermögensverteilung

8. Wie haben sich die Einkommen der jeweiligen Dezile 1 bis 10 seit dem
Jahr 2000 entwickelt, und weist der 4. Armuts- und Reichtumsbericht im
Gegensatz zur Entwurfsfassung vom 21. November 2012 eben diese diffe-
renzierte Darstellung auf?

Wenn nein, warum nicht?

9. Wie haben sich die Nettovermögen der jeweiligen Dezile 1 bis 10 seit dem
Jahr 2000 entwickelt (bitte zwischen Geldvermögen und illiquidem Vermö-
gen aufteilen), und weist der 4. Armuts- und Reichtumsbericht im Gegen-
satz zur Entwurfsfassung vom 21. November 2012 eben diese differen-
zierte Darstellung auf?

Wenn nein, warum nicht?

10. Wie hat sich die Armutsrisikoquote seit dem Jahr 2000 von

a) Kindern,

b) jungen Erwachsenen unter 25 Jahren,

c) älteren Menschen,

d) Frauen,

e) Migrantinnen und Migranten und

f) Menschen mit Behinderung

entwickelt, und weist der 4. Armuts- und Reichtumsbericht im Gegensatz
zur Entwurfsfassung vom 21. November 2012 eben diese systematische
Darstellung auf?

Wenn nein, warum nicht?

11. Wie erklärt die Bundesregierung die deutlichen Unterschiede des vorlie-
genden Datenmaterials nach EU-SILC, Mikrozensus und eigenen Berech-
nungen des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales nach dem SOEP?

12. Warum werden in der Zusammenfassung des 4. Armuts- und Reichtumsbe-
richts (Entwurfsfassung vom 21. November 2012) zwar die Geldspenden
dezilgenau nach Einkommensgruppen dargestellt und grafisch aufbereitet,
nicht jedoch gleichermaßen die Einkommens- und Vermögensentwick-

lung?

Drucksache 17/11900 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

13. Inwiefern ist die Bundesregierung auf die Kritik u. a. der Diakonie einge-
gangen, wonach der 4. Armuts- und Reichtumsbericht (Entwurfsfassung
vom 21. November 2012) weder den kontinuierlichen Anstieg der Armuts-
gefährdungszahlen nach EU-SILC noch die Ergebnisse des Mikrozensus
hinreichend analysiere?

14. Ist es richtig, dass entgegen der neuerlichen Berechnungen auf Basis des
SOEP die im Rahmen der europäischen Vergleichsstatistik erhobenen Daten
zur Einkommensungleichheit darlegen, dass die Einkommensungleichheit
zunimmt, und wenn ja, hat die Bundesregierung diese widersprüchliche
Datenlage im Vergleich zur Berichtsfassung vom 21. November 2012 ge-
nauer analysiert?

15. Wie hat sich der Zusammenhang der Verteilung von Einkommen und Ver-
mögen innerhalb der einzelnen Bevölkerungsgruppen seit dem Jahr 2000
entwickelt, und welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung hieraus?

16. Ist es richtig, dass – wie in der Entwurfsfassung vom 17. September 2012
noch angegeben – die Einkommensspreizung zugenommen hat, diese „das
Gerechtigkeitsempfinden der Bevölkerung“ verletze und „den gesellschaft-
lichen Zusammenhalt gefährden“ könne, und wenn ja, warum wurde dieser
Passus in der überarbeiteten Entwurfsfassung vom 21. November 2012 ge-
strichen?

Wenn nein, ab wann wird nach Ansicht der Bundesregierung die Einkom-
mensspreizung gefährlich für den gesellschaftlichen Zusammenhang?

17. Ist es richtig, dass – wie in der Entwurfsfassung vom 17. September 2012
noch angegeben – im Jahr 2010 in Deutschland knapp über vier Millionen
Menschen für einen Bruttostundenlohn von unter 7 Euro arbeiteten, und
wenn ja, warum wurde dieser Passus in der überarbeiteten Entwurfsfassung
vom 21. November 2012 gestrichen?

Wenn nein, wie stellt sich die Situation dar?

18. Wie viel Prozent der Leiharbeitskräfte beziehen nach Kenntnis der Bundes-
regierung einen Stundenlohn unter der Niedriglohnschwelle, und warum
verzichtet die Bundesregierung darauf, im Entwurf des 4. Armuts- und
Reichtumsberichts auf das Thema Leiharbeit einzugehen?

19. Hat die Bundesregierung die Anregung der Diakonie aufgegriffen, im
4. Armuts- und Reichtumsbericht entgegen der Entwurfsfassung vom
21. November 2012 die nahezu gegenläufige Armuts- und Einkommens-
entwicklung in Ost- und Westdeutschland bzw. einzelnen Regionen in
Deutschland anhand der SOEP-Daten darzustellen, und wenn nein, warum
nicht?

20. Wie bewertet die Bundesregierung die Konzentration der Armut in Groß-
städten (vgl. Der Paritätische Gesamtverband, Bericht zur regionalen
Armutsentwicklung in Deutschland), und warum verzichtet sie darauf, im
Entwurf des 4. Armuts- und Reichtumsberichts auf diese Entwicklung ein-
zugehen?

21. Wie beurteilt die Bundesregierung die unterschiedlichen Armutsrisiken
von Städten abhängig von der räumlichen Lage im Bundesgebiet, und wes-
halb wird dieses Phänomen nicht im 4. Armuts- und Reichtumsbericht
(Entwurfsfassung vom 21. November 2012) analysiert?

22. Welche Auffassung vertritt die Bundesregierung zu der Vermögensvertei-
lung abhängig vom Wohnort, und warum hält der 4. Armuts- und Reich-
tumsbericht (Entwurfsfassung vom 21. November 2012) keine Analyse der

Vermögensverteilung zwischen Stadt und Land sowie zwischen den ver-
schiedenen Bundesländern vor?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 5 – Drucksache 17/11900

23. Warum fehlt bei der Betrachtung der Armutsrisikoquote im Armuts- und
Reichtumsbericht (Entwurfsfassung vom 21. November 2012) der regio-
nale Bezug?

24. Ist es nach Kenntnis der Bundesregierung richtig, dass – wie in der Ent-
wurfsfassung vom 17. September 2012 noch angegeben – die Privatvermö-
gen in Deutschland sehr ungleich verteilt sind, und wenn ja, warum wurde
dieser Passus in der überarbeiteten Entwurfsfassung vom 21. November
2012 gestrichen?

Wenn nein, wie stellt sich dann die Situation dar?

25. Inwiefern ist die Bundesregierung auf die Kritik u. a. der Diakonie einge-
gangen, wonach der 4. Armuts- und Reichtumsbericht (Entwurfsfassung
vom 21. November 2012) den Anstieg des individuellen Reichtums „nicht
ausreichend im sozialpolitischen Zusammenhang“ darstelle?

26. Inwiefern ist die Bundesregierung auf die Kritik u. a. der Diakonie einge-
gangen, wonach der 4. Armuts- und Reichtumsbericht (Entwurfsfassung
vom 21. November 2012) die „systematischen Verteilungsprobleme, die
auch zu einer chronischen Unterfinanzierung teilhabeorientierter Angebote
führen“, nicht berücksichtigen würde?

27. Inwiefern sieht die Bundesregierung eine hohe Spreizung von Einkommen
und Vermögen als ursächlich für die krisenhafte Entwicklung an den
Finanzmärkten an, und wie will die Bundesregierung in Zukunft verhin-
dern, dass eine hohe Vermögenskonzentration zu einem höheren Anteil
risikoreicher Investitionen führt (vgl. beispielsweise Kumhof/Rancière,
2010: Inequality, Leverage and Crises, IMF Working Paper 10/268)?

Politische Handlungsempfehlungen

28. Inwiefern ist die Bundesregierung auf die Kritik eingegangen, wonach der
4. Armuts- und Reichtumsbericht (Entwurfsfassung vom 21. November
2012) zwar die Probleme prekärer Beschäftigungen und die Notwendigkeit
von branchenbezogenen Mindestlöhnen diskutiere, aber keine flächende-
ckenden und bundesweit wirksamen Lösungen anbiete?

29. Inwiefern kann nach Ansicht der Bundesregierung die im Berichtsentwurf
vom 21. November 2012 erwähnte gesetzliche allgemeine verbindliche
und angemessene Lohnuntergrenze dazu beitragen, dem ebenfalls im Be-
richt genannten Leitbild der sozialen Marktwirtschaft „Leistung müsse sich
lohnen“, Geltung zu verschaffen?

30. Wie kommt die Bundesregierung im 4. Armuts- und Reichtumsbericht
(Entwurfsfassung vom 21. November 2012) zu der Auffassung, dass „die
im Beobachtungszeitraum sinkenden Reallöhne in den unteren Dezilgrup-
pen“ auch Ausdruck struktureller Verbesserungen seien?

31. Hat die Bundesregierung entgegen der Entwurfsfassung vom 21. Novem-
ber 2012 im 4. Armuts- und Reichtumsbericht eine Kritik der geltenden
Minijobregelungen und Vorschläge zu ihrer Weiterentwicklung aufgenom-
men, und wenn nein, warum nicht?

32. Inwiefern wird die Bundesregierung die gegenüber der Entwurfsfassung
vom 17. September 2012 gestrichene Handlungsempfehlung, den heute
bereits bestehenden rechtlichen Schutz hinsichtlich Entlohnung, Kar-
rierechancen, Weiterbildungsmöglichkeiten und sonstiger Arbeitsbedin-
gungen (Urlaub, Entgeltfortzahlung etc.) für atypische Beschäftigungsver-
hältnisse besser durchzusetzen, weiterverfolgen?
33. Wie beurteilt die Bundesregierung den Einsatz von Scheinwerkverträgen,
um bestehende Regeln in der Leiharbeit zu umgehen, und wird dieses neu-

Drucksache 17/11900 – 6 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

artige Phänomen von der Bundesregierung im Sinne einer Bedrohung für
das Normalarbeitsverhältnis sowie für Beschäftigungsverhältnisse in der
Leiharbeitsbranche im 4. Armuts- und Reichtumsbericht thematisiert?

Wenn nein, warum nicht?

34. Inwiefern wird die Bundesregierung die gegenüber der Entwurfsfassung
vom 17. September 2012 gestrichene Handlungsempfehlung, die Wirkun-
gen des geplanten Betreuungsgeldes auf die Erwerbstätigkeit von Frauen
zu evaluieren, weiterverfolgen?

35. Inwiefern wird die Bundesregierung die gegenüber der Entwurfsfassung
vom 17. September 2012 gestrichene Prüfung, „ob und wie über die Pro-
gression in der Einkommenssteuer hinaus privater Reichtum für die nach-
haltige Finanzierung öffentlicher Aufgaben herangezogen werden kann“,
weiterverfolgen?

36. Mit welchem zusätzlichen Aufkommen rechnet die Bundesregierung bei
ihrer im Berichtsentwurf vom 21. November 2012 genannten Prüfung,
„wie weiteres persönliches und finanzielles freiwilliges Engagement Ver-
mögender in Deutschland für das Gemeinwohl eingeworben werden
kann“?

37. Inwiefern ist die Bundesregierung auf die Kritik u. a. der Diakonie einge-
gangen, wonach der 4. Armuts- und Reichtumsbericht (Entwurfsfassung
vom 21. November 2012) zwar andeute, dass ein hoher Handlungsbedarf
bei der angemessenen Beteiligung höherer Einkommen und von Vermögen
zur Finanzierung sozialstaatlicher Aufgaben bestehe, aber „jenseits der
Förderung von freiwilligem Engagement Vermögender offen“ lasse, „wie
dies umgesetzt werden soll“?

38. Inwiefern ist die Bundesregierung auf die Kritik u. a. der Diakonie einge-
gangen, wonach die politischen Schlussfolgerungen im 4. Armuts- und
Reichtumsbericht (Entwurfsfassung vom 21. November 2012) zur Alters-
armut „mehr als unbefriedigend“ seien?

Personengruppen

39. a) Weist der 4. Armuts- und Reichtumsbericht im Gegensatz zur Entwurfs-
fasssung vom 21. November 2012 eine geschlechtsspezifische Dar-
stellung aller Daten, Analysen und Botschaften auf, und wenn nein,
warum nicht?

b) Ist es nach Ansicht der Bundesregierung, aufgrund des erhöhten Armuts-
risikos von Frauen (Stichworte: Entgeltlücke, Teilhabechancen am
Erwerbsleben, Gesundheitsförderung, Kindererziehung, Altersvorsorge,
usw.), angebracht, dieses Thema im Gegensatz zum Berichtsentwurf
vom 21. November 2012 im 4. Armuts- und Reichtumsbericht geson-
dert darzustellen, und wenn nein, warum nicht?

40. Inwiefern ist die Bundesregierung auf die Kritik u. a. der Diakonie einge-
gangen, wonach der 4. Armuts- und Reichtumsbericht (Entwurfsfassung
vom 21. November 2012) die strukturellen Gründe von Kinder- und Jugen-
darmut nur andeute, zentrale Handlungsfelder wie die Bevorzugung von
Familien mit hohen Einkommen durch den bestehenden Familienlastenaus-
gleich, falsche Anreize durch das Betreuungsgeld oder die finanziell nicht
ausreichende Finanzierung infrastruktureller Hilfen aber nicht systematisch
durchleuchten würde?

41. Inwiefern ist die Bundesregierung auf die Kritik u. a. der Diakonie ein-

gegangen, wonach der 4. Armuts- und Reichtumsbericht (Entwurfsfassung
vom 21. November 2012) die Zusammenhänge, die zu struktureller Be-

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 7 – Drucksache 17/11900

nachteiligung von Kindern und Jugendlichen führten, nur unzureichend
darstelle?

42. Geht die Bundesregierung anders als in der Entwurfsfassung vom 21. No-
vember 2012 nicht schon dann von einer vollen Inanspruchnahme des Bil-
dungs- und Teilhabepakets aus, wenn nur eine einzige von acht möglichen
Leistungen beantragt wurde, und wenn nein, warum nicht?

43. Diskutiert die Bundesregierung bei der Darstellung der Lebenssituation
junger Erwachsener anders als in der Entwurfsfassung vom 21. November
2012 auch „die restriktiven Regelungen der Grundsicherung für diesen Per-
sonenkreis“, und wenn nein, warum nicht?

44. Inwiefern wird im Gegensatz zur Entwurfsfassung vom 21. November
2012 die steigende Altersarmut bei der Darstellung der Situation älterer
Menschen hinreichend im 4. Armuts- und Reichtumsbericht berücksich-
tigt?

45. Wie bewertet die Bundesregierung die vom Bundesministerium für Arbeit
und Soziales auf Basis des SOEP errechneten Daten, nach denen die
Armutsrisikoquote von Personen im Rentenalter bereits im Jahr 2010 um
einen Prozentpunkt über dem Durchschnittswert lag?

46. Hat die Bundesregierung anders als in der Entwurfsfassung vom 21. No-
vember 2012 deutlich zwischen Langzeitarbeitslosen differenziert, die
noch recht arbeitsmarktnah sind und solchen, die bereits seit dem Jahr 2005
im Leistungsbezug sind, und wenn nein, warum nicht?

47. Hat die Bundesregierung die Anregung der Caritas aufgegriffen, anders als
in der Entwurfsfassung vom 21. November 2012, die Berichterstattung
auch im Bereich der Unterbeschäftigung transparenter zu machen, „damit
Förderfortschritte gerade für die Gruppen beurteilt werden können, die
durch lange Arbeitslosigkeit ein besonderes Armutsrisiko tragen“, und
wenn nein, warum nicht?

48. Hat die Bundesregierung die Anregung der Diakonie aufgegriffen, die Ent-
wurfsfassung vom 21. November 2012 des 4. Armuts- und Reichtumsbe-
richts um „ein Konzept zur Armutsbekämpfung für Menschen mit Behin-
derung, das von der Ausgestaltung eines inklusiven Schulsystems bis zur
Bereitstellung barrierefreier Wohnungen und Arbeitsplätze reicht“, zu er-
gänzen, und wenn nein, warum nicht?

49. Inwiefern ist die Bundesregierung auf die Kritik der Politischen Interessen-
vertretung behinderter Frauen im Weibernetz e. V. eingegangen, wonach
im Rahmen des 4. Armuts- und Reichtumsberichts (Entwurfsfassung vom
21. November 2012) „teilweise geschlechtsdifferenzierte Statistiken nicht
herangezogen“ würden?

50. Hat die Bundesregierung die Anregung der Politischen Interessenver-
tretung behinderter Frauen im Weibernetz e. V. aufgegriffen, die Entwurfs-
fassung vom 21. November 2012 des 4. Armuts- und Reichtumsberichts
um Aussagen zur frühkindlichen Förderung zum erschwerten Übergang
behinderter Schülerinnen und Schüler auf den allgemeinen Arbeitsmarkt
sowie um geschlechtsdifferenzierte Angaben bei den Beschäftigungszahlen
zu ergänzen?

Wenn nein, warum nicht?

51. Inwiefern ist die Bundesregierung auf die Kritik der Politischen Interessen-
vertretung behinderter Frauen im Weibernetz e. V. eingegangen, wonach
der 4. Armuts- und Reichtumsberichts (Entwurfsfassung vom 21. November

2012) nicht erwähnen würde, dass Menschen mit Behinderung aufgrund

Drucksache 17/11900 – 8 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

der vielen Anrechnungsmodalitäten nur schwerlich ihre Einkommens- und
Vermögenssituation verbessern könnten?

52. Analysiert die Bundesregierung im Gegensatz zur Entwurfsfassung vom
21. November 2012 eine mögliche Armutsgefährdung aufgrund der aktuel-
len Ausgestaltung der Erwerbsminderungsrente, und wenn nein, warum
nicht?

53. Hat die Bundesregierung die Entwurfsfassung vom 21. November 2012 um
eine deutliche Analyse der möglichen Probleme bei der Finanzierung von
Rehabilitationsleistungen ergänzt, und wenn nein, warum nicht?

54. Inwiefern ist die Bundesregierung auf die Kritik u. a. der Diakonie einge-
gangen, wonach „die Darstellung der besonderen Armutsgefährdung von
Menschen mit Migrationshintergrund“ im noch im Entwurf befindlichen
4. Armuts- und Reichtumsbericht „mehr als lückenhaft“ sei?

55. Inwiefern ist die Bundesregierung auf die Kritik der Caritas eingegangen,
wonach der 4. Armuts- und Reichtumsbericht (Entwurfsfassung vom
21. November 2012) die Lebenswirklichkeit von Asylbewerberinnen und
Asylbewerbern sowie Menschen in Duldung in Deutschland nicht ausführ-
lich darstellen und Lösungen aufzeigen würde?

56. Benennt die Bundesregierung im 4. Armuts- und Reichtumsbericht kon-
krete Maßnahmen zur Bekämpfung von Wohnungslosigkeit und ergänzt
somit den Berichtsentwurf vom 21. November 2012 um diesen Punkt?

Wenn nein, warum nicht?

57. Hat die Bundesregierung die Anregung u. a. der Diakonie aufgegriffen, die
Entwurfsfassung vom 21. November 2012 um eine deutliche Analyse der
„Folgen der scharfen Sanktionsregelungen im SGB II, die bis zur Woh-
nungslosigkeit führen können und in besonderer Weise Jugendliche und
junge Erwachsene betreffen“, zu ergänzen, und wenn nein, warum nicht?

58. Inwiefern ist die Bundesregierung auf die Kritik der BAG Wohnungslosen-
hilfe e. V. eingegangen, wonach der neue lebensphasenorientierte Ansatz
„als methodisches Generalprinzip“ zu einer völlig unzureichenden Darstel-
lung von Wohnungsnot und Wohnungslosigkeit führte, da Bereiche wie
„Sozialhilfe und Sozialhilfegewährungspraxis“, „Wohnungsnot und Woh-
nungslosigkeit inklusive Notversorgung“, „Arbeitsmarkt und Arbeitsförde-
rung“ sowie „Gesundheit und Gesundheitsförderung“ überhaupt nicht dar-
gestellt würden?

59. Hat die Bundesregierung die Anregung u. a. der Diakonie aufgegriffen, die
Entwurfsfassung vom 21. November 2012 um die Aspekte „Angehörige
(Kinder) von Straffälligen“, „besondere Situation von Frauen im Strafvoll-
zug“ und „Probleme der Alterssicherung“ zu ergänzen, und wenn nein, wa-
rum nicht?

Weitere Armutsaspekte

60. Inwiefern ist die Bundesregierung auf die Kritik u. a. der Diakonie einge-
gangen, wonach der 4. Armuts- und Reichtumsbericht (Entwurfsfassung
vom 21. November 2012) „die Umsetzung des Grundrechts auf Sicherung
des sozialen und kulturellen Existenzminimums als zentrales sozialpoliti-
sches Handlungsfeld und die damit verbundenen sozialpolitischen Diskus-
sionen und Auseinandersetzungen“ außer Acht lasse und „die Leistungen
der Grundsicherung fast ausschließlich in ihren direkten arbeitsmarktpoliti-
schen Bezügen“ darstelle?
61. Hat die Bundesregierung die Anregung der Caritas aufgegriffen, die Ent-
wurfsfassung vom 21. November 2012 um eine umfassende und an promi-

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 9 – Drucksache 17/11900

nenter Stelle im Bericht dargestellte Situationsbeschreibung der „Grund-
sicherungsleistungen und insbesondere ihre Auswirkung auf die Men-
schen, die dauerhaft von ihnen leben“, zu ergänzen, und wenn nein, warum
nicht?

62. Hat die Bundesregierung die Entwurfsfassung vom 21. November 2012 um
eine Auseinandersetzung mit der Nichtinanspruchnahme von Hilfeleistun-
gen ergänzt, und wenn nein, warum nicht?

63. Hat die Bundesregierung die Entwurfsfassung vom 21. November 2012 um
Angaben zum Anstieg von Mieten in Städten, dem teilweisen Trend einer
Gentrifizierung und dem Rückgang der Wohnraumförderung ergänzt, und
wenn nein, warum nicht?

64. Inwiefern hat die Bundesregierung die Kritik der Caritas aufgegriffen,
wonach der 4. Armuts- und Reichtumsbericht (Entwurfsfassung vom
21. November 2012) nicht „intensiv auf die Ursachen der Überschuldung,
auf aktuelle Entwicklungen wie die Höhe der Dispozinsen und das P-Konto
sowie die anhängige Reform des Verbraucherinsolvenzverfahrens“ ein-
gehe?

65. Hat die Bundesregierung im Gegensatz zur Entwurfsfassung vom 21. No-
vember 2012 auch die möglichen Probleme dargestellt, die sich aus der
restriktiven Ausgestaltung von Leitungen der gesetzlichen Krankenkasse
im unteren Einkommensbereich ergeben können, und wenn nein, warum
nicht?

66. Inwiefern ist die Bundesregierung auf die Kritik u. a. der Diakonie ein-
gegangen, wonach der 4. Armuts- und Reichtumsbericht (Entwurfsfassung
vom 21. November 2012) den „Zusammenhang zwischen materiellen Res-
sourcen, Bildungsmöglichkeiten und gesellschaftlichem Engagement“
nicht analysiere?

Berlin, den 12. Dezember 2012

Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.