BT-Drucksache 17/11853

zu der dritten Beratung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung - Drucksachen 17/10572, 17/11811 - Entwurf eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Tierschutzgesetzes

Vom 11. Dezember 2012


Deutscher Bundestag Drucksache 17/11853
17. Wahlperiode 11. 12. 2012

Entschließungsantrag
der Abgeordneten Alexander Süßmair, Dr. Kirsten Tackmann, Dr. Dietmar Bartsch,
Herbert Behrens, Karin Binder, Heidrun Bluhm, Steffen Bockhahn, Roland Claus,
Dr. Dagmar Enkelmann, Katrin Kunert, Caren Lay, Sabine Leidig, Michael Leutert,
Dr. Gesine Lötzsch, Thomas Lutze, Kornelia Möller, Wolfgang Neskovic,
Jens Petermann, Ingrid Remmers, Dr. Ilja Seifert, Raju Sharma, Kersten Steinke,
Sabine Stüber, Frank Tempel und der Fraktion DIE LINKE.

zu der zweiten Beratung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung
– Drucksachen 17/10572, 17/11811 –

Entwurf eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Tierschutzgesetzes

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest,

dass die Bundesregierung mit dem vorliegenden Gesetzentwurf Schritte unter-
nimmt, um das Staatsziel Tierschutz auf Gesetzesebene zu konkretisieren. Der
Gesetzgeber ist jedoch weiterhin gefordert, das Staatsziel durch Gebote und Ver-
bote sowie Regelungen zum Vollzug mit Leben zu erfüllen.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

einen Gesetzentwurf unter Berücksichtigung der nachfolgend genannten Punkte
vorzulegen:

1. die Berücksichtigung des Begriffes „Angst“ in § 1 Satz 2 des Tierschutz-
gesetzes;

2. eine Konkretisierung der Wörter „vernünftigen Grund“ in § 1 des Tierschutz-
gesetzes;

3. ein generelles Verbot von Tierversuchen mit schweren und voraussichtlich
lang anhaltenden Schmerzen und Leiden;

4. Einschränkung von Tierversuchen durch Stärkung der Forschung und Förde-

rung von Alternativmaßnahmen zum Tierversuch und Verbot aller bereits er-
setzbaren und nicht medizinisch notwendigen Tierversuche;

5. ein generelles Verbot von Tierversuchen an Menschenaffen;

Drucksache 17/11853 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

6. eine Klarstellung der Definition des Begriffes „Qualzucht“. Das so genannte
Qualzuchtgutachten von 1999 zur Auslegung von § 11b des Tierschutzge-
setzes soll aktualisiert und in eine Verordnung überführt werden. Zu verbie-
ten sind insbesondere Züchtungen, die zu folgenden chronischen Sympto-
men führen: Atemnot, Bewegungsanomalien, Lahmheiten, Dysfunktionen
des Herz-Kreislauf-Systems oder anderer innerer Organe, Entzündungen der
Haut, Haarlosigkeit, Entzündungen der Lidbindehaut bzw. der Hornhaut,
Blindheit, Hervortreten des Augapfels, Taubheit, Fehlbildungen des Gebis-
ses, Missbildungen der Schädeldecke sowie Körperformen, die natürliche
Geburten ausschließen. Einem Verbot unterliegen danach auch Züchtungen,
die durch zu hohe Inzuchtfaktoren das Risiko von Fehlbildungen erhöhen.
Für die Feststellung einer Qualzucht ist es erforderlich, dass es nach dem
Stand der Wissenschaft überwiegend wahrscheinlich ist, dass oben ge-
nannte Schäden signifikant häufiger auftreten als es natürlich geschieht;

7. ein unverzügliches Verbot betäubungsloser Ferkelkastration und Verfah-
rensvorgaben zur Ersetzung der chirurgischen Ferkelkastration;

8. ein unverzügliches Verbot der Käfighaltung von Geflügel und der Anbinde-
haltung bei Rindern;

9. ein unverzügliches Verbot des Kürzens von Schnäbeln bei Geflügel sowie
von Schwanzspitzen und Zähnen bei Schweinen;

10. die Begrenzung von Tiertransporten auf vier Stunden;

11. die Ausdehnung der Schutzbestimmungen für Wirbeltiere auf Wirbeltier-
föten und hochentwickelte wirbellose Tiere;

12. die Schaffung einer gesetzlichen Grundlage für ein Verbot der Haltung von
Tieren wildlebender Arten (z. B. Delphine, Elefanten, Giraffen, Löwen,
Nashörner, Robben, Tiger) in Wanderzirkussen und Privathaushalten und
eine Positivliste für die Arten, die in Wanderzirkussen und Privathaushalten
tiergerecht gehalten werden können;

13. ein Verbot des Schenkelbrands bei Pferden;

14. ein Verbot von Veranstaltungen, bei denen Tiere verletzt oder getötet wer-
den;

15. ein Verbot der Verwendung von Tieren zum Spendensammeln für Vereine,
Verbände, Unternehmen und Institutionen;

16. ein Verbot von Stückprämien und Akkordlöhnen für die Arbeitsvorgänge
des Treibens, Ruhigstellens, Betäubens und Entblutens beim Schlachten;

17. die rechtliche und materielle Absicherung der Tierheime und Tierschutzver-
eine durch Bundes- und Landesmittel;

18. bessere Zugriffsrechte der Behörden beim Vorgehen gegen Verstöße gegen
das Tierschutzrecht, insbesondere bei Verstößen gegen eine artgerechte Hal-
tung;

19. die Erlaubnis der Tötung beschlagnahmter Tiere nur bei tiermedizinischer
Indikation;

20. die Verpflichtung von Tierärztinnen und Tierärzten, Fälle von Tierquälerei
anzuzeigen, wenn sie davon Kenntnis erlangen;

21. ein Verbandsklagerecht für anerkannte Tierschutzvereine, -verbände und
- stiftungen;

22. die Durchführung einer Kampagne, in deren Rahmen Halterinnen und Hal-
ter von Hunden und Katzen über Möglichkeiten und Vorteile einer Kastra-

tion und Kennzeichnung ihrer Tiere informiert werden. Pflicht zur Kastra-
tion streunender Hunde und Katzen durch die Kommunen;

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/11853

23. die Beibehaltung der Frist von drei Monaten, in denen die Behörden Tier-
versuche genehmigen können;

24. die Beibehaltung der Genehmigungsdauer von anzeigepflichtigen Tierver-
suchen von drei Jahren;

25. die Erstellung von Verordnungsregelungen zur Haltung von Enten, Gänsen,
Kaninchen, Puten, Rindern, Schafen und Ziegen;

26. die Durchsetzung des Verbots des Tötens von Küken wegen des Ge-
schlechts;

27. die Zusammensetzung von Tierschutzkommissionen paritätisch aus berufs-
tätigen Wissenschaftlern und Wissenschaftlerinnen sowie im Tierschutz En-
gagierter; darüber hinaus die Präsenz von Geisteswissenschaftlern und
Geisteswissenschaftlerinnen bzw. Ethikern und Ethikerinnen in Tierschutz-
kommissionen;

28. § 90a des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) neu zu fassen: Tiere sollen auf
der Grundlage von Artikel 20a des Grundgesetzes (GG) nicht weiter als
Sachen, sondern als Tiere behandelt werden. Weitere Anpassungen im Ver-
waltungs-, Zivil- und Strafrecht sind in der Folge vorzunehmen. Hierbei ist
sicherzustellen, dass rechtliche Wertungen, die an die bisherige Gleichstel-
lung von Tieren und Sachen in § 90a BGB anknüpfen, weiter bestehen blei-
ben. Dies gilt insbesondere für die Strafbarkeit der Verletzung oder Tötung
von Tieren, die nach bisherigem Recht als Sachbeschädigung gelten (wenn
das Tier in fremdem Eigentum steht) und etwaige Schadensersatzansprüche
von Tiereigentümerinnen und -eigentümern bei Verletzung oder Tötung von
Tieren.

Berlin, den 11. Dezember 2012

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

Begründung

Zahlreiche Forderungen, die Tierschutzverbände und -stiftungen seit vielen Jah-
ren erheben, sollten bei einer Neufassung des Tierschutzgesetzes berücksichtigt
werden. Aber auch weitergehende Regelungen, die prinzipiell den Umgang mit
Tieren zum Gegenstand haben (Doppelcharakter des Tieres in § 90a BGB) müs-
sen überdacht werden, um dem Staatsziel Tierschutz nach Artikel 20a GG ge-
recht zu werden. Da die Tiere nicht selbst ihre Stimme erheben können, um ge-
gen tierrechtliche Verstöße zu protestieren, ist es an der Zeit, ein Verbandsklage-
recht für Tierschutzvereine und -stiftungen zu schaffen. Dieses Recht muss
durch klare und deutlich modifizierte Regelungen zur Zusammensetzung von
Tierschutzkommissionen flankiert werden.

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