BT-Drucksache 17/1090

zu der dritten Beratung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung -17/200, 17/201, 17/623, 17/624, 17/625- Entwurf eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 2010 (Haushaltsgesetz 2010)

Vom 15. März 2010


Deutscher Bundestag Drucksache 17/1090
17. Wahlperiode 15. 03. 2010

Entschließungsantrag
der Abgeordneten Ulla Jelpke, Jan Korte, Steffen Bockhahn, Dr. Gesine Lötzsch,
Diana Golze, Klaus Ernst, Dr. Dietmar Bartsch, Herbert Behrens, Karin Binder,
Matthias W. Birkwald, Heidrun Bluhm, Roland Claus, Heidrun Dittrich, Dr. Gregor
Gysi, Katja Kipping, Jutta Krellmann, Katrin Kunert, Caren Lay, Sabine Leidig,
Michael Leutert, Thomas Lutze, Cornelia Möhring, Kornelia Möller, Petra Pau,
Jens Petermann, Ingrid Remmers, Dr. Ilja Seifert, Raju Sharma, Kersten Steinke,
Sabine Stüber, Alexander Süßmair, Dr. Kirsten Tackmann, Frank Tempel, Halina
Wawzyniak, Jörn Wunderlich, Sabine Zimmermann und der Fraktion DIE LINKE.

zu der dritten Beratung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung
– Drucksachen 17/200, 17/201, 17/623, 17/624, 17/625 –

Entwurf eines Gesetzes
über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 2010
(Haushaltsgesetz 2010)

Der Bundestag wolle beschließen:

Ein Sofortprogramm zur Auseinandersetzung mit dem Rechtsextremismus ein-
zurichten und

1. die Mittel im Einzelplan 17 Kapitel 17 02 Titel 684 14 von 19 Mio. Euro auf
38 Mio. Euro zu verdoppeln;

2. die Mittel im Einzelplan 17 Kapitel 17 02 Titel 684 15 von 5 Mio. Euro auf
10 Mio. Euro zu verdoppeln;

3. die Mittel im Einzelplan 06 Kapitel 06 35 Titel 532 02 (Bundeszentrale für
politische Bildung) um 2 Mio. Euro auf 21,723 Mio. Euro zu erhöhen;

4. im Geschäftsbereich des Bundesministeriums des Innern eine „Unabhängige
Beobachtungsstelle Rechtsextremismus, Rassismus, Antisemitismus“ einzu-
richten. Als Betrag und Anschubfinanzierung werden hierfür 5 Mio. Euro vor-
gesehen;
5. die finanziellen Mittel für dieses Sonderprogramm zur Auseinandersetzung
mit dem Rechtsextremismus aus Einsparungen im Kapitel 06 09 Titel 541 01
(Zuschuss an das Bundesamt für Verfassungsschutz) zu nehmen.

Berlin, den 15. März 2010

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

Drucksache 17/1090 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Begründung

Allgemein

Die rechtsextrem und rassistisch motivierten Straf- und Gewalttaten bewegen
sich seit Jahren auf einem besorgniserregend hohen Niveau. Auch die regionale
Verankerung extrem rechter Wahlparteien hält weiterhin an. Die von verschie-
denen Bundesregierungen seit 2001 geförderten Programme gegen Rechts-
extremismus sind eine prinzipiell richtige Antwort auf die Bedrohung durch die
extreme Rechte. Inhaltlich bedarf es hier wieder einer stärkeren Einbindung
zivilgesellschaftlicher Träger an verantwortlicher Stelle. Die von zahlreichen
Fachleuten kritisierte Umstrukturierung des Bundesprogramms, mit der die
Entscheidungen über die Vergabe von Mitteln allein die Kommunen fällen, hat
zu einer deutlichen Schwächung der zivilgesellschaftlichen Arbeit in diesem
Bereich geführt. Hier bedarf es einer Umsteuerung und einer deutlichen finan-
ziellen Ausweitung des staatlichen Engagements. Die weitere Intensivierung
der politischen Bildungsarbeit zum Thema und die Einrichtung einer „Unab-
hängigen Beobachtungsstelle Rechtsextremismus, Rassismus, Antisemitismus“
sind weitere Schritte zu einem umfassenden Konzept.

Um hier ein deutliches Zeichen für die Dringlichkeit der Auseinandersetzung
mit der extremen Rechten zu setzen, fordern wir ein Sofortprogramm der Bun-
desregierung, mit dem die Anstrengungen in diesem Bereich deutlich erhöht
werden. Ein solches Sofortprogramm kann nur ein erster Schritt der Bundes-
regierung sein, dem eine konzeptionelle Offensive folgen muss. Ob ein runder
Tisch für Demokratie und gegen Rechtsextremismus und/oder ein Bundes-
beauftragter für Demokratie und Toleranz sinnvolle Instrumente sein können,
muss geprüft werden. Die von uns vorgeschlagenen Sofortmaßnahmen sind
Schritte auf dem Weg zu einem umfassenden Konzept der Politik zur Bekämp-
fung der extremen Rechten.

Begründung zu Nummer 1

Im Rahmen des Programms „Jugend für Vielfalt, Toleranz und Demokratie –
gegen Rechtsextremismus, Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus“ wurden
90 lokale Aktionspläne bewilligt, wohingegen 149 Anträge hauptsächlich auf-
grund fehlender Mittel abgelehnt werden mussten. Von 360 beantragten über-
regionalen Modellprojekten wurden 85 bewilligt, 34 stehen auf einer Warteliste
und 241 wurden abgelehnt. Auch hier ist die hohe Ablehnungsquote zum
großen Teil auf die eingeschränkten finanziellen Mittel zurückzuführen. Mit
der Verdoppelung dieser Mittel können die vorhandenen Bedarfe wenigstens zu
einem größeren Teil abgedeckt werden. Darüber hinaus sollen die zusätzlichen
Mittel dazu genutzt werden, Voraussetzungen für eine Überführung der
Modellprogramme in eine Regelaufgabe von Ländern und Kommunen zu
schaffen.

Begründung zu Nummer 2

Während im Jahr 2006 die mobilen Beratungen und Opferberatungen in den
ostdeutschen Bundesländern und Berlin mit Mitteln aus dem CIVITAS-Pro-
gramm von ca. 2,378 Mio. Euro unterstützt wurden, sollen die im Bundespro-
gramm „Förderung von Beratungsnetzwerken – Mobile Intervention gegen
Rechtsextremismus“ bereitgestellten 5 Mio. Euro für den Erhalt und die Aus-
weitung der Strukturen in Ostdeutschland und den flächendeckenden Aufbau
solcher Strukturen in Westdeutschland dienen. Da die Kofinanzierungsleistun-
gen der Bundesländer sehr unterschiedlich ausfallen, bedeutet dies faktisch ein
Abschmelzen der Mittel für solche Projekte, weshalb eine Verdoppelung auf

10 Mio. Euro erforderlich ist.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/1090

Begründung zu Nummer 3

Die zusätzlichen Mittel sollen für den Aufgabenbereich „geistig-politische Aus-
einandersetzung mit Extremismus, Fremdenfeindlichkeit, Rassismus, Antisemi-
tismus und damit im Zusammenhang stehende Gewaltphänomene sowie zur
Bekämpfung von Vorurteilen“ eingesetzt werden.

Angesichts wachsender Demokratieverdrossenheit in Teilen der Bevölkerung,
zunehmender Erfolge rechtsextremer Wahlparteien und einer bedrohlichen Ent-
wicklung von Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus hat die poli-
tische Bildung einen enormen Stellenwert. Der politischen und politisch-histo-
rischen Bildung kommt bei der Auseinandersetzung mit einer anwachsenden
extremen Rechten besondere Bedeutung zu, die eine Ausweitung des Angebots
erforderlich macht. Insbesondere die immer stärkere Verankerung der rechts-
extremen Szene im jugendkulturellen Bereich erfordert zielgerichtete Gegen-
strategien. Für Beschäftigte in der Jugendarbeit, im pädagogischen und erziehe-
rischen Bereich müssen verstärkt Angebote zur Fortbildung gemacht werden.
Auch bedarf es verstärkter medienpädagogischer Angebote, um der vermehrten
Nutzung neuer Medien durch die extreme Rechte etwas entgegensetzen zu
können.

Begründung zu Nummer 4

Es gibt in der Bundesrepublik Deutschland keine zentrale Stelle, die die ver-
streuten Erkenntnisse zur Entwicklung der extremen Rechten unter gesell-
schaftspolitischen Gesichtspunkten zusammenfasst und einschätzt. Dies meint
eine Gesamtbetrachtung jenseits der eingeschränkten Aufgaben des Verfas-
sungsschutzes. Im gemeinsamen Antrag „Gegen Rechtsextremismus, Fremden-
feindlichkeit, Antisemitismus und Gewalt“ der Fraktionen SPD, BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN, F.D.P. und PDS aus der 14. Wahlperiode (Bundestagsdruck-
sache 14/5456) wird die Einrichtung einer solchen Beobachtungsstelle analog
zur europäischen Beobachtungsstelle angeregt.

Aufgrund der besorgniserregenden Entwicklung der extremen Rechten aber
auch eines weit verbreiteten Rassismus ist eine solche unabhängige Beobach-
tungsstelle, die dem Deutschen Bundestag regelmäßig Bericht erstattet, notwen-
dig und überfällig. Während der Sicherheitsdiskurs zum Thema islamistischer
Terrorismus allgegenwärtig ist, werden die ganz realen und alltäglichen Bedro-
hungen für zahlreiche Menschen in diesem Land nur aus Anlass spektakulärer
Übergriffe erwähnt. Von 1990 bis heute sind nach Recherchen unabhängiger
Projekte und Journalisten über 140 Menschen von rechtsextremen Gewalttätern
getötet worden. Diese alltägliche Gewalt unabhängig zu dokumentieren, ein
realistisches Bild der Lage im Bereich Rechtsextremismus zu zeichnen und Vor-
schläge zur Prävention zu machen, sollen Aufgaben der Beobachtungsstelle
sein.

Begründung zu Nummer 5

Die für Parlament und Öffentlichkeit wahrnehmbare Arbeit des Bundesamtes
für Verfassungsschutz rechtfertigt in keiner Weise die Erhöhungen des Etats der
Behörde, wie sie in den letzten Jahren vorgenommen wurden. Aus diesem
Grund sollen diese Erhöhungen rückgängig gemacht und die Gelder in Höhe
der Kürzungen den oben angeführten Bereichen des Sonderprogramms zur
Auseinandersetzung mit dem Rechtsextremismus zugeführt werden.

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