BT-Drucksache 17/10099

Steuerfreie Risikoausgleichsrücklage für Landwirtschaftsbetriebe ermöglichen

Vom 26. Juni 2012


Deutscher Bundestag Drucksache 17/10099
17. Wahlperiode 26. 06. 2012

Antrag
der Abgeordneten Dr. Kirsten Tackmann, Dr. Dietmar Bartsch, Herbert Behrens,
Karin Binder, Heidrun Bluhm, Steffen Bockhahn, Roland Claus, Dr. Barbara Höll,
Harald Koch, Katrin Kunert, Caren Lay, Sabine Leidig, Michael Leutert,
Dr. Gesine Lötzsch, Thomas Lutze, Kornelia Möller, Jens Petermann,
Richard Pitterle, Ingrid Remmers, Dr. Ilja Seifert, Kersten Steinke, Sabine Stüber,
Alexander Süßmair, Dr. Axel Troost und der Fraktion DIE LINKE.

Steuerfreie Risikoausgleichsrücklage für Landwirtschaftsbetriebe ermöglichen

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Mit weltweiten Handels- und Personenströmen sowie Klimawandeleffekten
sind bisher völlig oder regional unbekannte oder zurückkehrende tier- und pflan-
zengesundheitliche Gefahren verbunden. Sie führen in vielen Regionen
Deutschlands zu immer höheren betrieblichen Risiken für die landwirtschaft-
liche Erzeugung, die sich nicht oder nur sehr begrenzt durch vorsorgliches be-
triebliches Handeln vermeiden lassen. Hinzu kommen extreme Wetterereignisse
mit langanhaltenden Binnenhochwasser- oder Hochwasserlagen einerseits bzw.
Dürreperioden andererseits, die zu betriebswirtschaftlich kaum mehr kalkulier-
baren Produktionsrisiken in der pflanzlichen Erzeugung führen. Präventive
Maßnahmen im Rahmen von Landeswasserhaushaltssystemen scheitern häufig
an klammen öffentlichen Haushalten oder Regelungen der Welthandelsorgani-
sation. Da diese Gefahren kaum vorhersehbar und durch betriebliches Handeln
nicht abzuwehren sind, werden herkömmliche Versicherungssysteme zu teuer
und für Landwirtschaftsbetriebe allein nicht finanzierbar. Eine öffentliche
Kofinanzierung einer Risikoversicherung könnte die Betriebe nur teilweise ent-
lasten. Erfahrungen zeigen, dass vor allem die Anbieter solcher Versicherungen
davon profitieren.

Parallel zu den gestiegenen Produktionsrisiken nimmt seit Jahren die Agrarför-
derung als nicht produktionsabhängiger Anteil des landwirtschaftlichen Ein-
kommens ab. Zusätzlich steht die landwirtschaftliche Erzeugung durch eine
politisch gewollte verstärkte Marktorientierung zunehmend unter dem Druck
volatiler, zunehmend auch spekulativer Agrarmärkte.

Neben wachsenden kaum abwendbaren Schadensrisiken in den Betrieben und

Regionen auf der einen Seite gibt es andererseits wirtschaftlich ertragreiche
Jahre, die den Betrieben die Möglichkeit zur Bildung von finanziellen Rück-
lagen geben, auch wenn mittelfristig der Trend zu steigenden Risiken und Erzeu-
gungskosten geht.

Eine steuerfreie Risikoausgleichsrücklage für Landwirtschaftsbetriebe wäre
eine relativ einfache und für die öffentlichen Haushalte kalkulierbare Unterstüt-
zungsmaßnahme mit geringem bürokratischem Aufwand. Die Agrarbetriebe

Drucksache 17/10099 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
würden damit nicht aus der Eigenverantwortung zur Vermeidung der vielfälti-
gen Risiken entlassen, aber ihnen wäre der notwendige Spielraum zum Handeln
gegeben. Alljährliche Debatten über Hilfspakete würden mit Ausnahme von
Großschadenslagen entfallen.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. erstmalig im Jahressteuergesetz 2013 für Landwirtschaftsbetriebe die Bil-
dung einer steuerfreien betrieblichen Risikoausgleichsrücklage zu ermög-
lichen. Die Höhe der Rücklage sollte sich aus den betrieblichen Umsätzen der
vorangegangenen drei Wirtschaftsjahre errechnen und bis zu 20 Prozent des
durchschnittlichen Jahresumsatzes betragen;

2. für betriebliche Neugründungen die beantragte Agrarförderung aus den Di-
rektzahlungen der Gemeinsamen Agrarpolitik als Grundlage zur Berechnung
der Rücklagenhöhe heranzuziehen.

Berlin, den 26. Juni 2012

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

Begründung

Neben den direkten Folgen des Klimawandels durch die Wetterereignisse neh-
men auch die indirekten Folgen zu. Somit erhöhen sich die Produktionsrisiken
durch das verstärkte Auftreten von Schädlingen, Krankheiten und Tierseuchen,
die, verbunden mit steigenden durchschnittlichen Temperaturen, bessere Aus-
breitungsbedingungen vorfinden. Zahlreiche Problemsituationen sind in den
letzten Jahren aufgetreten. So haben zuletzt im Jahr 2011 eine ausgeprägte bun-
desweite Trockenheit im Frühjahr und eine darauf folgende langanhaltende
sommerliche Regenperiode vor allem im Norden und Osten Deutschlands zu
gravierenden Ertragsausfällen geführt. Tierhaltende Betriebe sehen sich in im-
mer kürzeren Abständen mit neuen oder bisher unbekannten Tier- und Pflanzen-
krankheiten konfrontiert. Blauzungen- und Schmallenberg-Virus oder Bestands-
erkrankungen, die von einigen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern als
„chronischer Botulismus“ bezeichnet werden, sind aktuelle Beispiele.

Einkommensverluste durch wetterbedingte Ernteausfälle oder Marktextreme
lassen sich immer seltener durch politisch bestimmte Gegenmaßnahmen aus-
gleichen.

Bei regionalen Extremwetterereignissen sind die Schäden oftmals in ihrem Aus-
maß zu klein, um von der Europäischen Kommission genehmigungsfähige fi-
nanzielle Unterstützungen aus den öffentlichen Haushalten auszulösen.

Die steuerliche Risikoausgleichsrücklage verbessert das betriebseigene Risiko-
management ohne an anderer Stelle die öffentlichen Haushalte zu belasten oder
teure und vielfach unwirksame Versicherungssysteme etablieren zu müssen.

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.