BT-Drucksache 16/7034

Einheitliche Regelung der Altersversorgung für Angehörige der technischen Intelligenz der DDR

Vom 7. November 2007


Deutscher Bundestag Drucksache 16/7034
16. Wahlperiode 07. 11. 2007

Antrag
der Abgeordneten Dr. Martina Bunge, Dr. Gregor Gysi, Klaus Ernst, Dr. Dietmar
Bartsch, Dr. Lothar Bisky, Roland Claus, Dr. Dagmar Enkelmann, Lutz Heilmann,
Cornelia Hirsch, Dr. Barbara Höll, Dr. Lukrezia Jochimsen, Katja Kipping,
Jan Korte, Katrin Kunert, Dr. Gesine Lötzsch, Kersten Naumann, Petra Pau,
Bodo Ramelow, Elke Reinke, Volker Schneider (Saarbrücken), Dr. Ilja Seifert,
Dr. Petra Sitte, Frank Spieth, Dr. Kirsten Tackmann, Jörn Wunderlich, Sabine
Zimmermann und der Fraktion DIE LINKE.

Einheitliche Regelung der Altersversorgung für Angehörige der technischen
Intelligenz der DDR

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseige-
nen und ihnen gleichgestellten Betrieben aus dem Jahre 1950 war die erste Mög-
lichkeit in der DDR, über die Pflichtversicherung hinaus Ansprüche für die
Altersvorsorge zu erwerben. Im Laufe der Jahre kam es durch unpräzise Fest-
legungen über den einzubeziehenden Personenkreis und durch Nichtberücksich-
tigung neu entstehender Berufsbilder und -bezeichnungen zu Differenzen bei
der Auslegung der Verordnung. Damit unterblieb die ursprünglich beabsichtigte
breite Einbeziehung der technischen Intelligenz. Das Bundessozialgericht präzi-
sierte deshalb die DDR-Bestimmungen. Allerdings führten diese Entscheidun-
gen nicht zu einer Lösung des Problems.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

spätestens bis 30. Juni 2008 eine rechtliche Regelung vorzulegen, die

– bei der Ermittlung einer Rente nach dem Rentenüberleitungsgesetz in das Zu-
satzversorgungssystem der technischen Intelligenz, gemäß AAÜG Anlage 1,
Nr. 1, alle Absolventen einer Hoch- oder Fachschule oder einer Universität
der DDR ausnahmslos einbezieht, die in Unternehmen entgeltlich beschäftigt
waren, die nach objektiven Kriterien zu diesem Versorgungssystem gehören,

– das dabei erzielte Arbeitseinkommen bis zum 30. Juni 1990 als renten- und
versorgungsbegründend wertet,
– derzeit praktizierte Stichtage hinsichtlich von Unternehmensumwandlungen
unterlässt.

Berlin, den 7. November 2007

Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine und Fraktion

Drucksache 16/7034 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Begründung

Die „zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseige-
nen und ihnen gleichgestellten Betrieben“ der DDR beruhte auf einer Verord-
nung vom 17. August 1950 (GBl. Nr. 93 S. 844) und der 2. Durchführungs-
bestimmung vom 24. Mai 1951. Versorgungsberechtigt waren laut Verordnung
„Ingenieure, Konstrukteure, Architekten und Techniker aller Spezialgebiete“.
Diese Bezeichnungen erwiesen sich als unpräzise. Hinzu kam, dass die sich aus
der technischen und wissenschaftlichen Entwicklung ergebenden neuen Be-
zeichnungen nicht berücksichtigt wurden. Beides führte bereits zu DDR-Zeiten
zu beträchtlichen Schwierigkeiten bei der Auslegung und Anwendung der Ver-
ordnung.

Nach den Präzisierungen, die das Bundessozialgericht vornahm, galt deshalb:

„Der Rechtsgehalt des § 5 AAÜG ist ausschließlich nach objektiven Ausle-
gungskriterien des Bundesrechts zu ermitteln; auf die Auslegung der Versor-
gungsordnung durch die Staatsorgane der früheren DDR oder auf deren Verwal-
tungspraxis kommt es nicht an. Nach § 5 AAÜG hängt die Zugehörigkeit zu
einem Versorgungssystem nicht notwendig davon ab, ob und wann in der DDR
eine Versorgungszusage erteilt worden ist.

Zugehörigkeitszeiten i. S. des § 5 AAÜG liegen auch dann vor, wenn konkret
eine entgeltliche Beschäftigung (i. S. von § 1 Satz 1 Regelung 1 des SGB VI)
ausgeübt worden ist, derentwegen ihrer Art nach eine zusätzliche Altersversor-
gung vorgesehen war.“ (vgl. Urteile des BSG, Az: B4 RA 27/97R vom 24. März
1998, B4 RA 63/97R vom 4. August 1998 und B4 RA 11/98R vom 30. Juni
1998).

Später erfolgten weitere Klarstellungen. Danach gelten folgende Kriterien:

– Es muss eine nach der Versorgungsordnung zutreffende Qualifikation als
Ingenieur im Sinne der Verordnung vorliegen, die das Führen des Titels
„Ingenieur oder Techniker“ begründet und eine dieser Ausbildung entspre-
chende entgeltliche Beschäftigung vorgelegen haben.

– Die Tätigkeit muss in einem volkseigenen Produktionsbetrieb oder einem
ihm gleichgestellten Betrieb bestanden haben.

– Der Betrieb darf nicht bereits vor dem 30. Juni 1990 in eine GmbH oder ein
anderes privatwirtschaftliches Unternehmen umgewandelt worden sein.

Eine den Arbeitsleistungen der technischen Intelligenz entsprechende renten-
rechtliche Gleichstellung wurde auch durch diese Entscheidungen des Bundes-
sozialgerichts nicht generell erreicht.

Die rentenrechtliche Ungerechtigkeit besteht darin, dass Betroffene durch die
Nichteinbeziehung in die Altersversorgung der technischen Intelligenz mit der
Anwendung des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI) Unterschiede bis
zu 200 Euro monatlich gegenüber den ehemaligen Berufskollegen hinnehmen
müssen, die einbezogen werden. Die Ursache dafür liegt darin, dass der Renten-
anspruch nach SGB VI auf dem verbeitragten Einkommen beruht, in der DDR
aber vorrangig die Beitragsjahre eine Rolle spielten. Ohne nachgewiesene Teil-
nahme an der AVI wurde nach RÜG nur die Pflichtversicherung (600 Mark) und
nicht das tatsächliche Arbeitseinkommen ab dem 1. März 1971 berücksichtigt.

Versicherte dieser Problematik sind von der Spezifik des Studienabschlusses
und dem Typ des Unternehmens her betroffen.

Der Erwerb von Abschlüssen (Universität, Hochschule und Fachschule) mit Be-
zeichnungen wie Chemiker, Ökonom für den Binnen- oder Außenhandel, Wirt-
schaftler, Agrarökonom, Physiker, Mathematiker, Ingenieur für die Technik der

Datenverarbeitung wird für die Einbeziehung in das Altersversorgungssystem

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/7034

der technischen Intelligenz nicht anerkannt, auch wenn die gleiche Tätigkeit wie
die des Technikerkollegen nebenan verrichtet wurde.

Beschäftigungsverhältnisse in Unternehmen, die nicht die Bezeichnung „volks-
eigen“ trugen, werden ebenfalls nicht anerkannt. Und dies, obwohl diese Unter-
nehmen den Planfestlegungen unterlagen, ihre Nettogewinne an den Staat abzu-
geben hatten und die für Investitionen notwendigen Mittel aus dem Staatshaus-
halt erhielten. Sie waren an die Plankennziffern der Staatlichen Plankommission
ebenso gebunden wie die volkseigenen Betriebe auch.

Besonders deutlich wurde dies beim staatlichen Luftverkehrsunternehmen der
DDR „Lufthansa“, später „Interflug“. Entsprechend Artikel 12 der Verfassung
der DDR waren „Transportmittel der Eisenbahn, Seeschifffahrt sowie der Luft-
fahrt … Volkseigentum. Privateigentum daran (war) unzulässig“. Demzufolge
wurde auch das Statut des staatlichen Flugbetriebes durch eine Anordnung des
Verkehrsministers erlassen. Darin wird im § 1 festgeschrieben, sie „ist ein volks-
eigener Betrieb im Sinne des § 1 der VO vom 20. März 1952 über die Maßnah-
men zur Einführung des Prinzips der wirtschaftlichen Rechnungsführung in den
Betrieben der volkseigenen Wirtschaft“ (GBl. I vom 27. Februar 1956 Nr. 23).
Im Register der Volkswirtschaft war die Interflug unter Nr. HRC 626 als volks-
eigener Betrieb registriert. Für das staatliche Luftfahrtunternehmen der DDR
war die Bezeichnung als GmbH allein dadurch bestimmt, den rechtlichen und
praktischen Schutz des Volkseigentums im Ausland zu gewährleisten. GmbHs
hätten auch in der DDR Vermögens- und Körperschaftssteuer entrichten müs-
sen, bei allen „den volkseigenen Betrieben gleichgestellten Unternehmen“ un-
terblieb dies, da sie ihren gesamten Nettogewinn an den Staatshaushalt abzufüh-
ren hatten. Durch die Definition des Bundessozialgerichts werden die Beschäf-
tigten der Lufthansa bzw. Interflug jedoch nicht in die zusätzliche Altersvor-
sorge der technischen Intelligenz einbezogen.

Als weiteres Kriterium gilt der Begriff „Produktionsbetrieb“. Es schließt die
nach der Rechtsprechung die Datenverarbeitung und die zwischenbetriebliche
Bauorganisation ebenso ungerechtfertigt aus wie beispielsweise die Gebäude-
wirtschaft und die Kraftverkehrsbetriebe.

Die rückwirkende Stichtagsregelung (der Betrieb darf nicht bereits vor dem
30. Juni 1990 in eine GmbH oder ein anderes privatwirtschaftliches Unterneh-
men umgewandelt worden sein) schließt darüber hinaus Betriebe aus, die sich
entsprechend dem Treuhandgesetz vom 1. März 1990 bereits vor diesem Termin
aus dem Volkseigentum verabschiedet und in eine GmbH umgewandelt hatten
oder wurden. Für das Beschäftigungsverhältnis hatte dies aber keine Auswir-
kung.

Aus dem Vorgenannten ist zu entnehmen, dass die persönlichen, sachlichen und
betrieblichen Voraussetzungen vorliegen, um eine Zuerkennung der Altersver-
sorgung der technischen Intelligenz für alle Hoch- und Fachschul-Absolventen
i. w. S. technischer Ausrichtung und weiterer Betriebe nachträglich zu gewäh-
ren.

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