BT-Drucksache 16/7023

Regelung der Ansprüche der Bergleute der Braunkohleveredlung

Vom 7. November 2007


Deutscher Bundestag Drucksache 16/7023
16. Wahlperiode 07. 11. 2007

Antrag
der Abgeordneten Dr. Martina Bunge, Dr. Gregor Gysi, Klaus Ernst, Dr. Dietmar
Bartsch, Dr. Lothar Bisky, Roland Claus, Dr. Dagmar Enkelmann, Lutz Heilmann,
Cornelia Hirsch, Dr. Barbara Höll, Dr. Lukrezia Jochimsen, Katja Kipping,
Jan Korte, Katrin Kunert, Dr. Gesine Lötzsch, Kersten Naumann, Petra Pau,
Bodo Ramelow, Elke Reinke, Volker Schneider (Saarbrücken), Dr. Ilja Seifert,
Dr. Petra Sitte, Frank Spieth, Dr. Kirsten Tackmann, Jörn Wunderlich, Sabine
Zimmermann und der Fraktion DIE LINKE.

Regelung der Ansprüche der Bergleute der Braunkohleveredlung

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Die in der Braunkohleveredlung Borna/Espenhain tätigen Bergleute waren durch
den Umgang mit toxischen Gasen, Stäuben und anderen giftigen Stoffen extre-
men Arbeitsbedingungen ausgesetzt und erlitten dabei sehr häufig gesundheit-
liche Schäden und eine Beeinträchtigung ihrer Lebensqualität. Deshalb wurde
ihnen eine zusätzliche Altersversorgung unter dem Begriff „bergmännische
Tätigkeit unter Tage gleichgestellt“ zugesagt beziehungsweise gewährt.

Mit dem Rentenüberleitungsgesetz vom 21. Juni 1991 wurden diese Ansprüche
für alle Bestandsrentnerinnen und -rentner übergangsweise anerkannt, ebenso
für diejenigen, die bis zum 31. Dezember 1996 in Rente gegangen sind. Allen
ehemaligen Beschäftigten des Braunkohleveredlungswerkes Borna/Espenhain
(Rechtsnachfolger: Bundesbergbauunternehmen Lausitzer und Mitteldeutsche
Bergbauverwaltungsgesellschaft m.b.H. – LMBV) mit späterem Renteneintritt
werden diese Ansprüche auf eine Rente für „bergmännische Tätigkeit unter Tage
gleichgestellt“ vorenthalten. Das geschieht, obwohl sie in den Sozialversiche-
rungsausweisen und mit schriftlicher Bescheinigung der Geschäftsführung des
Bundesbergbauunternehmens bis 31. Dezember 1996 dokumentiert sind und
eine ordnungsgemäße Speicherung im persönlichen Rentenkonto bei der
Knappschaft, dem zuständigen Rentenversicherungsträger, erfolgte. Für die
etwa 500 Betroffenen entstehen dadurch erhebliche Renteneinbußen.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

spätestens bis 30. Juni 2008 eine rechtliche Regelung vorzulegen, die
1. den betroffenen Bergleuten des ehemaligen Bergbaubetriebes Braunkohle-
veredlung Borna/Espenhain (nach 1990 Rechtsnachfolger: Bundesbergbau-
unternehmen LMBV) rückwirkend für die Zeit ihrer Tätigkeit im Bergbaube-
trieb vom 1. Juli 1968 bis zur endgültigen Stilllegung am 31. Dezember 1996
die gesetzlich und vertraglich nach Montanuniongesetz der Europäischen
Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS) zugesicherten und nach dem

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Sechsten Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) vorgesehenen Rentenzusatzleis-
tungen als „bergmännische Tätigkeit unter Tage gleichgestellt“ gewährt,

2. die Knappschaft zu veranlassen, gemäß Tarifvertrag die Rente für Bergleute
der Braunkohleveredlung mit „bergmännischer Tätigkeit“ (abschlagsfreie
Bergmannsaltersrente mit Zusatzversorgung – „betriebliche Altersversor-
gung“) nach diesen Grundsätzen neu zu berechnen und neue Bescheide zu er-
teilen sowie die entsprechende Nachzahlung vorzunehmen.

Berlin, den 7. November 2007

Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine und Fraktion

Begründung

Durch den Mangel an Devisen war die DDR gezwungen, ihre im großen Um-
fang vorhandenen Braunkohleressourcen als hauptsächlichen Energieträger ein-
zusetzen. Durch die Verschwelung der Braunkohle wurden zudem wichtige
Grundstoffe für die weiterverarbeitende chemische und pharmazeutische Indus-
trie gewonnen. Dies erfolgte allerdings in Verfahren, die beträchtliche gesund-
heitliche Belastungen und Schäden der Beschäftigten durch toxische Gase,
Stäube und andere gesundheitsschädigende Stoffe mit sich brachten. Gleichzei-
tig hatte diese Produktion Umweltverschmutzungen in großem Maße zur Folge.
Die Beschäftigten erhielten deshalb nicht nur den Anspruch auf „abschlagsfreie
Bergmannsaltersrente mit Zusatzversorgung“ (betriebliche Altersversorgung),
sondern zusätzlich den Anspruch auf eine Rente mit dem Fachbegriff „berg-
männische Tätigkeit unter Tage gleichgestellt“. Diese zusätzlichen Rentenan-
sprüche entsprachen der Verordnung über die Sozialversicherung der DDR vom
15. März 1968. Die zusätzlichen Altersversorgungsansprüche erhöhten sich da-
mit von 1,33 Prozent für versicherungspflichtige bergbauliche Tätigkeiten auf
2,0 Prozent für zusätzlich versicherungspflichtige bergmännische Tätigkeiten,
der Untertagetätigkeit gleichgestellt. Diese Ansprüche wurden im Sozialver-
sicherungsausweis und nach der Vereinigung Deutschlands und der Privatisie-
rung des Betriebes durch Bescheinigung der Geschäftsführung der Lausitzer
und Mitteldeutschen Bergbauverwaltungsgesellschaft m.b.H. (LMBV) geson-
dert ausgewiesen und im persönlichen Rentenkonto bei der Knappschaft einge-
speichert. Die Betriebe haben dafür die gesetzlich vorgeschriebenen höheren
Anteile an die für die Rentenversorgung zuständige Knappschaft geleistet.

Umweltbelastung, Unrentabilität und weitere wirtschaftliche Aspekte sowie die
damit verbundenen Absatzprobleme führten zur Einstellung der Produktion. Die
endgültige Stilllegung erfolgte durch Entscheid des Oberbergbauamtes Freiberg
auf der Grundlage des Bundesberggesetzes zum 31. Dezember 1996.

Artikel 56 § 2 Buchstabe b des Montanuniongesetzes der Europäischen Ge-
meinschaft für Kohle und Stahl (EGKS) sieht bei Stilllegung Vertrauensschutz
für die Bergleute vor. Nach diesem Gesetz ist eine mit der Gewerkschaft verein-
barte, die Interessen der Bergleute sichernde und insbesondere ihre Altersver-
sorgungsansprüche berücksichtigende Vereinbarung zu treffen. Ebenfalls ist die
Überleitung in sozialverträgliche neue Arbeitsverhältnisse zu sichern.

Dementsprechend haben Staats- (und späteres Bundes-)bergbauunternehmen
und die Gewerkschaft bereits im Februar und April 1990 eine Vereinbarung ge-
troffen (Registriernummer 65/90), die mit Artikel 19 des Einigungsvertrages in

das Recht der Bundesrepublik Deutschland überging. Die Vereinbarung sicherte

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insbesondere die Altersversorgungsansprüche der Bergleute und sollte die Über-
leitung in neue sozialverträgliche Arbeitsverhältnisse sichern.

Das Bundesbergbauunternehmen hat diese Vereinbarung jedoch am 25. Novem-
ber 1991 außer Kraft gesetzt, wodurch der Vertrauensschutz für die Bergleute
aberkannt wurde.

Entsprechende Ansprüche werden durch das Montanuniongesetz der EGKS,
§§ 16 und 17, sowie durch Artikel 56 § 2 Buchstabe b dieses Gesetzes geregelt.
In einer sogenannten Ursprungsliste (§ 17.111) sind die aus den jeweiligen Berg-
baubetrieben anspruchsberechtigten Beschäftigten namentlich zu erfassen. Die
Geschäftsführung des Unternehmens (LMBV) unterließ jedoch diese nament-
liche Erfassung bei der endgültigen Stilllegung des Bergbaubetriebes. Das führt
dazu, dass die Altersversorgungsansprüche der noch etwa 500 namentlich be-
kannten Bergleute trotz der schriftlichen Nachweise und der Einspeicherung im
persönlichen Rentenkonto bei der Knappschaft nicht als „Tätigkeit unter Tage
gleichgestellt“ anerkannt werden. Damit hat das Bundesbergbauunternehmen
LMBV nicht gemäß dem geltenden Recht gehandelt.

Die Nichteinhaltung setzt auch die Vertrauensschutzregelung des Einigungs-
vertrages, der einen Rentenanspruch für Bergmänner mit 60 und der Frauen mit
55 Jahren zusichert, außer Kraft und bringt gravierende Nachteile für Bergleute,
die lange Jahre unter schwierigsten Bedingungen in der Braunkohleveredlung
Borna/Espenhain tätig waren.

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