BT-Drucksache 16/497

Gleichstellung der eingetragenen Lebenspartnerschaft vollenden

Vom 1. Februar 2006


Deutscher Bundestag Drucksache 16/497
16. Wahlperiode 01. 02. 2006

Antrag
der Abgeordneten Volker Beck (Köln), Irmingard Schewe-Gerigk, Grietje Bettin,
Ekin Deligöz, Dr. Thea Dückert, Kai Boris Gehring, Britta Haßelmann, Markus Kurth,
Monika Lazar, Brigitte Pothmer, Krista Sager, Elisabeth Scharfenberg, Christine
Scheel, Dr. Gerhard Schick, Silke Stokar von Neuforn, Hans-Christian Ströbele,
Wolfgang Wieland, Josef Philip Winkler, Margareta Wolf (Frankfurt) und der
Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Gleichstellung der eingetragenen Lebenspartnerschaft vollenden

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Seit dem 1. August 2001 können gleichgeschlechtliche Paare in Deutschland
eine rechtlich abgesicherte Lebenspartnerschaft eingehen. Das Gesetz hat die
gesellschaftliche Akzeptanz der lesbischen Bürgerinnen und schwulen Bürger
spürbar erhöht. Rechtliche Diskriminierungen gleichgeschlechtlicher Paare wur-
den abgebaut.

Eingetragene Lebenspartnerinnen und Lebenspartner übernehmen zwar die glei-
chen Verpflichtungen wie Eheleute, haben aber noch nicht in allen Bereichen
gleiche Rechte. Zur Vermeidung von Ungerechtigkeiten ist die volle rechtliche
Gleichstellung der Lebenspartnerschaft mit der Ehe geboten. Sie ist auch verfas-
sungsrechtlich zulässig. Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil zum
Lebenspartnerschaftsgesetz vom 17. Juli 2002 ausdrücklich festgestellt: „Der be-
sondere Schutz der Ehe in Artikel 6 Abs. 1 GG hindert den Gesetzgeber nicht, für
die gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaft Rechte und Pflichten vorzusehen,
die denen der Ehe gleich oder nahe kommen“ (BVerfGE 105, 313).

Die Akzeptanz gleichgeschlechtlicher Familien ist durch die Ermöglichung der
Stiefkindadoption gewachsen. Von einigen Stimmen befürchtete negative gesell-
schaftliche Reaktionen sind ausgeblieben. Damit kann nun auch das gemein-
schaftliche Adoptionsrecht in Angriff genommen werden.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. kurzfristig einen Gesetzentwurf zur Ergänzung des Lebenspartnerschafts-
rechts vorzulegen, der die rechtliche Gleichstellung eingetragener Lebens-
partnerschaften mit der Ehe vollendet. Der Gesetzentwurf soll insbesondere

im Erbschaftssteuerrecht, im Einkommensteuerrecht und im Beamtenrecht
die eingetragene Lebenspartnerschaft in den Rechtsfolgen der Ehe gleichstel-
len sowie eine bundeseinheitliche Behördenzuständigkeit für die Begründung
der Lebenspartnerschaft beim Standesamt festlegen. Zudem soll er noch be-
stehende rechtliche und finanzielle Benachteilungen gleichgeschlechtlicher
Familien mit Kindern beseitigen;

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2. in geeigneter Weise dafür Sorge zu tragen, dass eingetragenen Lebenspartner-
schaften das gemeinschaftliche Adoptionsrecht ermöglicht wird.

Berlin, den 1. Februar 2006

Renate Künast, Fritz Kuhn und Fraktion

Begründung

Das Lebenspartnerschaftsgesetz hat viele Rechtsprobleme gleichgeschlecht-
licher Paare gelöst. Mit dem zum 1. Januar 2005 in Kraft getretenen Gesetz zur
Überarbeitung des Lebenspartnerschaftsrechts wurden weitere Verbesserungen
erreicht. Hervorzuheben sind z. B. Gleichstellung in die Hinterbliebenenversor-
gung bei der gesetzlichen Rentenversicherung sowie die Ermöglichung der Stief-
kindadoption leiblicher Kinder in der Lebenspartnerschaft.

Ein Ergänzungsgesetz zur Lebenspartnerschaft, das insbesondere die Anerken-
nung im Steuer- und Beamtenrecht sowie bundeseinheitlich die Standesämter als
zuständige Behörden für die Eintragung vorsah, scheiterte dagegen 2002 im
Bundesrat.

Das führt zu Ungerechtigkeiten: Eingetragene Lebenspartnerinnen und Lebens-
partner müssen zivilrechtlich im selben Umfang wie Eheleute füreinander einste-
hen müssen. Durch die volle Übernahme von Unterhaltspflichten entlasten sie
die staatlichen Sozialsysteme genauso wie Ehegatten. Im Steuerrecht werden
Lebenspartnerinnen und Lebenspartner dagegen immer noch wie Fremde
behandelt.

Trotz Gleichstellung im gesetzlichen Erbrecht fallen sie bei der Erbschaftssteuer
in die Steuerklasse III und unterliegen somit dem höchsten Steuersatz. Ihr allge-
meiner Freibetrag beläuft sich nicht auf 307 000 Euro wie der für Ehegatten,
sondern nur auf 5 200 Euro. Sie erhalten keinen zusätzlichen Versorgungsfrei-
betrag, während Ehegatten ein solcher in Höhe von 256 000 Euro zusteht. Auch
beim Freibetrag für Hausrat und für andere bewegliche Gegenstände sind sie
erheblich finanziell benachteiligt. Bei der Einkommensteuer können sie trotz
gesetzlicher Unterhaltspflichten Unterhaltsleistungen an die Lebenspartnerin
oder den Lebenspartner nur bis zu einem Höchstbetrag von 7 680 Euro als
außergewöhnliche Belastung steuerlich absetzen.

Auch das Beamtenrecht ist noch nicht vollständig an das Lebenspartnerschafts-
recht angepasst. Das betrifft insbesondere den Familienzuschlag, die Hinterblie-
benenpension und die Beihilfe. Beamtinnen und Beamte, die in einer eingetra-
genen Lebenspartnerschaft leben, sind hier trotz gleicher gesetzlicher Unter-
haltspflichten gegenüber Ehepaaren benachteiligt. Dies widerspricht auch dem
Alimentationsprinzip des Beamtenrechts. Damit wird eine bestimmte Gruppe
der Beamtinnen und Beamten bei der Beihilfe und der Hinterbliebenenversor-
gung systematisch schlechter gestellt als Angestellte in den Sozialversicherungs-
systemen.

Die Benennung unterschiedlicher Behördenzuständigkeiten durch die Bundes-
länder hat sich nicht bewährt. Dass lesbischen und schwulen Paaren mancherorts
die Eintragung am Standesamt verwehrt bleibt, wird zu Recht als Diskriminie-
rung und Missachtung der Partnerschaft empfunden. Die Ausführungsgesetze
der Länder sind zudem mangelhaft aufeinander abgestimmt, was zu zahlreichen
Beeinträchtigungen und Problemen führt. Daher sollte bundesweit einheitlich

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das Standesamt als zuständige Behörde festgelegt werden. Dies dient auch der
Verwaltungsvereinfachung.

Bundespräsident Horst Köhler hat in seiner familienpolitischen Grundsatzrede
vom 18. Januar 2006 ausgeführt: „Kinder auf das Leben vorzubereiten, partner-
schaftliche Lebensentwürfe zu verwirklichen, das kann in ganz unterschied-
lichen Strukturen gelingen: in der Ehe, in nicht-ehelichen und auch gleichge-
schlechtlichen Familien, in Patchwork- oder Einelternfamilien.“

Laut Statischem Bundesamt wachsen in jeder achten gleichgeschlechtlichen Le-
bensgemeinschaft Kinder auf. Nicht nur die fehlenden Splittingmöglichkeiten im
Einkommensteuerrecht benachteiligen gleichgeschlechtliche Familien. Auch
beim Kinder- und Betreuungsfreibetrag, beim Behindertenpauschbetrag, bei der
Absetzbarkeit von Aufwendungen für den Unterhalt und die Ausbildung von
Kindern der anderen Partnerin oder des anderen Partners sind gleichgeschlecht-
liche Familien steuerrechtlich bislang nicht anerkannt. Diese Benachteiligungen
führen bei gleichgeschlechtlichen Familien mit Kindern zu einer spürbaren Ver-
schlechterung ihrer wirtschaftlichen Situation, unter der dann auch die Kinder
mitleiden müssen. Gerade im Interesse der Kinder ist eine vollständige Gleich-
stellung geboten.

Bei der Diskussion des Adoptionsrechts für eingetragene Lebenspartnerschaften
muss das Kindeswohl im Mittelpunkt stehen. Gerade aus Gründen des Kindes-
wohls ist es notwendig, die rechtliche Stellung gleichgeschlechtlicher Familien
mit Kindern weiter zu stärken. Seit dem 1. Januar 2005 ist die Stiefkindadoption
leiblicher Kinder innerhalb der Lebenspartnerschaft möglich. Nach diesem ers-
ten großen Schritt muss nun die Möglichkeit der Stiefkindadoption adoptierter
Kinder folgen, denn diese befinden sich genau in der gleichen Situation wie leib-
liche Kinder und bedürfen ebenfalls besserer rechtlicher Absicherung.

Es gibt zudem keinen sachlichen Grund, gleichgeschlechtlichen Paaren die Mög-
lichkeit der gemeinschaftlichen Adoption pauschal zu verweigern. Die Bundes-
regierung ist daher aufgefordert, Wege zu finden, auch angesichts des Europäi-
schen Übereinkommens vom 24. April 1967 über die Adoption von Kindern, bei
dessen Ratifizierung das Rechtsinstitut der eingetragenen Partnerschaft noch un-
bekannt war, die Stiefkindadoption adoptierter Kinder sowie das gemeinschaft-
liche Adoptionsrecht für eingetragene Lebenspartnerinnen und Lebenspartner zu
ermöglichen.

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