BT-Drucksache 16/360

Für eine unverzügliche Zeichnung und Ratifizierung des Zusatzprotokolls zur Anti-Folter-Konvention der Vereinten Nationen

Vom 12. Januar 2006


Deutscher Bundestag Drucksache 16/360
16. Wahlperiode 12. 01. 2006

Antrag
der Abgeordneten Volker Beck (Köln), Marieluise Beck (Bremen), Dr. Uschi Eid,
Alexander Bonde, Thilo Hoppe, Ute Koczy, Monika Lazar, Jerzy Montag,
Winfried Nachtwei, Claudia Roth (Augsburg), Irmingard Schewe-Gerigk,
Rainder Steenblock, Silke Stokar von Neuforn, Hans-Christian Ströbele,
Jürgen Trittin, Wolfgang Wieland, Josef Philip Winkler und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Für eine unverzügliche Zeichnung und Ratifizierung des Zusatzprotokolls
zur Anti-Folter-Konvention der Vereinten Nationen

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Das Folterverbot gilt sowohl nach dem Völkerrecht als auch nach dem deut-
schen Verfassungsrecht ohne Einschränkung und Ausnahme. Achtung und
Schutz der Menschenwürde sind nach Artikel 1 Abs. 1 des Grundgesetzes Ver-
pflichtung aller staatlichen Gewalt. Diesem Schutz dient das Folterverbot, das in
Artikel 104 Abs.1 Satz 2 des Grundgesetzes noch einmal ausdrücklich festge-
schrieben wird: „Festgehaltene Personen dürfen weder seelisch noch körperlich
misshandelt werden.“

Daneben ist die Folter völkerrechtlich – auch für die Bundesrepublik Deutsch-
land verpflichtend – geächtet, so durch die Allgemeine Erklärung der Men-
schenrechte der Vereinten Nationen von 1948, den Internationalen Pakt über
bürgerliche und politische Rechte von 1966 sowie die Anti-Folter-Konvention
der Vereinten Nationen.

Angesichts der aktuellen Vorwürfe über Vernehmungen möglicherweise gefol-
terter Personen im Ausland durch Mitarbeiter des Bundeskriminalamtes, des
Bundesamtes für Verfassungsschutz und des Bundesnachrichtendienstes zeigt
sich die Dringlichkeit, die absolute Geltung des Folterverbots zu bekräftigen.
Auch deshalb kommt der baldigen Unterzeichnung und Ratifizierung des Zu-
satzprotokolls zur Anti-Folter-Konvention der Vereinten Nationen durch die
Bundesrepublik Deutschland eine herausragende Bedeutung zu.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,
1. gemeinsam mit den Ländern einen effektiven Präventionsmechanismus zu
entwickeln, der eine rasche Zeichnung und Ratifizierung des Zusatzproto-
kolls zur Anti-Folter-Konvention der Vereinten Nationen ermöglicht;

2. die Unterzeichnung des Zusatzprotokolls zur Anti-Folter-Konvention der
Vereinten Nationen nach Einigung mit den Ländern unverzüglich vorzuneh-
men und dem Deutschen Bundestag ein Ratifizierungsgesetz vorzulegen;

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3. in der internationalen Gemeinschaft und gegenüber den EU-Partnern das ab-
solute Folterverbot als völkerrechtliche Verpflichtung mit Nachdruck zu ver-
treten;

4. sich für die Ratifizierung der Anti-Folter-Konvention der Vereinten Nationen
durch möglichst viele Staaten einzusetzen und bei den Vertragsstaaten auf die
strikte Einhaltung zu dringen;

5. im In- und Ausland deutlich zu machen, dass das absolute Folterverbot auch
im Kampf gegen den internationalen Terrorismus gilt;

6. international klar zu vertreten, dass im Kampf gegen den Terrorismus keine
Informationen durch Verhörmethoden beschafft werden dürfen, die gegen die
Anti-Folter-Konvention der Vereinten Nationen verstoßen.

Berlin, den 12. Januar 2006

Renate Künast, Fritz Kuhn und Fraktion

Begründung

Es ist ein fatales Signal, dass die Bundesrepublik Deutschland noch immer nicht
das Zusatzprotokoll zur Anti-Folter-Konvention der Vereinten Nationen unter-
zeichnet und ratifiziert hat. Dies liegt an dem anhaltenden Widerstand einiger
unionsgeführter Bundesländer, die der Zeichnung zustimmen müssen. Das Zu-
satzprotokoll zur Anti-Folter-Konvention der Vereinten Nationen wurde Ende
2002 von der Generalversammlung der Vereinten Nationen verabschiedet. Seit-
dem haben 49 Staaten das Zusatzprotokoll gezeichnet und 16 Staaten ratifiziert.

Zielrichtung des Protokolls ist die Verbesserung des präventiven Schutzes vor
Folter oder erniedrigender Behandlung durch die Einrichtung eines nationalen
Präventionsorgans. Kernaufgabe des Organs ist es, regelmäßige Besuche an al-
len Orten durchzuführen, an denen Menschen die Freiheit entzogen ist. Darunter
fallen in der Bundesrepublik Deutschland auf Bundesebene die Gewahrsamsein-
richtungen der Bundespolizei und die Einrichtungen zum Freiheitsentzug an
Soldaten durch Behörden der Bundeswehr. Auf Länderebene betroffen sind die
Bereiche Strafvollzug, Untersuchungshaft, psychiatrische Einrichtungen, Ab-
schiebehafteinrichtungen, Gewahrsamseinrichtungen der Polizei, Pflege- und
Altenheime, in denen Personen gemäß § 1906 des Bürgerlichen Gesetzbuchs
untergebracht sind, und Einrichtungen zur geschlossenen Unterbringung von
Kindern und Jugendlichen. Das nationale Gremium hat nach dem Zusatzproto-
koll die Befugnis, die Besuche unangekündigt durchzuführen und vertrauliche
Gespräche mit den Betroffenen zu führen. Auf der Grundlage der Besuche soll
das Organ Berichte erstellen und Empfehlungen für Exekutive und Legislative
abgeben sowie in einem regelmäßigen Dialog mit dem internationalen Unter-
ausschuss für die Prävention von Folter stehen.

Das Zusatzprotokoll macht bestimmte Vorgaben zur Errichtung und Ausgestal-
tung eines nationalen Präventionsorgans. Insbesondere soll die Unabhängigkeit
des Organs durch eine institutionelle Trennung von der Exekutive und die Frei-
heit in der Auswahl des Personals sichergestellt sein. Die Besetzung soll sowohl
die Interdisziplinarität als auch die Fachkunde der Experten sicherstellen. Zur
effektiven Ausführung der Aufgaben nach dem Zusatzprotokoll ist eine ange-
messene Ausstattung sowohl hinsichtlich der Zahl der Expertinnen und Exper-
ten als auch der Geschäftstelle für die fachliche und organisatorische Vorberei-

tung der Besuche und der Verfassung der Berichte und Empfehlungen notwen-
dig.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/360

Die Bundesrepublik Deutschland hat intensiv an der Ausarbeitung des Zusatz-
protokolls mitgewirkt. Sie hat es jedoch bislang noch nicht gezeichnet, da die
Zuständigkeit für die meisten betroffenen Gewahrsamseinrichtungen bei den
Ländern liegt. Nach dem Lindauer Abkommen ist das Einverständnis der Länder
für die Zeichnung und Ratifikation nötig. Die Innenministerkonferenz der Län-
der hat im Juli 2004 beschlossen, das Verfahren zur Zeichnung und späteren Ra-
tifizierung des Zusatzprotokolls zügig zu betreiben. Allerdings scheitert dieser
Prozess bisher an dem Widerstand von Sachsen, Niedersachsen und Sachsen-
Anhalt, drei unionsgeführte Länder mit Regierungsbeteiligung sowohl der FDP
als auch der SPD. Die Bundesregierung hatte in der vergangenen Legislaturpe-
riode versucht, den Bedenken dieser Länder Rechnung zu tragen und für die
Ausgestaltung des nationalen Präventionsorgans ein „schlankes Modell“ vorge-
schlagen, das die Einrichtung eines Gremiums des Bundes und eines gemeinsa-
men Gremiums der Länder vorsieht, die jeweils für alle vom Zusatzprotokoll
umfassten Sachbereiche zuständig sind. Trotz dieses ressourcensparenden Vor-
schlags, dessen „Schlankheit“ eher Bedenken hinsichtlich der Effektivität der so
gestalteten Gremien auslösen könnte, lassen sich nach wie vor einige Länder
nicht zu einem Einverständnis bewegen.

Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf, in ihren Bemühungen
um eine Einigung mit den Ländern zur schnellstmöglichen Zeichnung und Rati-
fizierung des Zusatzprotokolls nicht nachzulassen. Dabei muss die Ausge-
staltung des nationalen Präventionsorgans sicherstellen, dass das Organ seine
Monitoringaufgaben effektiv erfüllen kann. Im Kontext der aktuellen Debatte
um das Folterverbot hätte die baldige Zeichnung und Ratifizierung des Zusatz-
protokolls nicht nur innen- sondern auch außenpolitische Signalwirkung.

Antrag
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