BT-Drucksache 16/10264

Sozialticket für die Deutsche Bahn AG

Vom 17. September 2008


Deutscher Bundestag Drucksache 16/10264
16. Wahlperiode 17. 09. 2008

Antrag
der Abgeordneten Katja Kipping, Katrin Kunert, Klaus Ernst, Dr. Gesine Lötzsch,
Dr. Dietmar Bartsch, Karin Binder, Dr. Lothar Bisky, Heidrun Bluhm, Eva Bulling-
Schröter, Dr. Martina Bunge, Roland Claus, Dr. Dagmar Enkelmann, Diana Golze,
Lutz Heilmann, Hans-Kurt Hill, Michael Leutert, Dorothee Menzner, Elke Reinke,
Volker Schneider (Saarbrücken), Dr. Ilja Seifert, Frank Spieth, Dr. Kirsten
Tackmann, Jörn Wunderlich und der Fraktion DIE LINKE.

Sozialticket für die Deutsche Bahn AG

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Das Recht auf Freizügigkeit, das in Artikel 11 des Grundgesetzes (GG), in
Artikel 13 der UN-Menschenrechtskonvention sowie in Artikel II-105 der
EU-Grundrechtscharta als Grundrecht festgeschrieben ist, bedarf einer mate-
riellen Unterfütterung, wenn es als Recht auch von Menschen, die von staat-
lichen Transferleistungen abhängig sind, tatsächlich ausgeübt werden können
soll. Mobilität ist ein elementares Merkmal unserer heutigen Gesellschaft. Mo-
bilität ist für viele Menschen notwendige Voraussetzung, um am gesellschaft-
lichen Leben teilzuhaben, um familiäre Kontakte zu pflegen, um sich politisch
zu betätigen und am Arbeitsleben teilzunehmen. Leistungen nach dem Zweiten
Buch Sozialgesetzbuch (SGB II), SGB XII sowie Asylbewerberleistungsgesetz
beinhalten aber keine ausreichenden Anteile für Mobilitätskosten. Der Eck-
regelsatz enthält nur 11,04 Euro pro Monat für Mobilität mit öffentlichen
Verkehrsmitteln sowie 2,99 Euro für Reisen. Dabei kostet ein Einzelfahrschein
im innerstädtischen öffentlichen Nahverkehr je nach Region bereits zwischen
1,20 und 2,20 Euro. Die Preise für Monatskarten oder für den Fernverkehr
übersteigen diesen Betrag um ein Vielfaches.

Deshalb und weil es immer mehr bedürftige Menschen gibt, bilden sich in
immer mehr Städten und Kommunen Bündnisse, die für die Einführung von
ermäßigten oder kostenfreien Sozialtickets für den lokalen oder regionalen
öffentlichen Nahverkehr eintreten. Diese konnten in einigen Städten und Regio-
nen bereits ein Sozialticket durchsetzen, so etwa in Berlin, in Dortmund, in
Leipzig oder in Köln. In vielen Orten stehen soziale Bündnisse in Verhandlun-
gen mit der örtlichen Verwaltung und Verkehrsunternehmen oder arbeiten an
Volksbegehren zur Durchsetzung eines Sozialtickets. Diese Bemühungen sind

zu unterstützen. Ihnen stehen auf der Ebene des überregionalen öffentlichen
Fernverkehrs keine vergleichbaren Möglichkeiten oder Initiativen gegenüber,
obwohl dies angesichts der Kosten für Fahrten mit der Deutschen Bahn AG, die
von Menschen im Transferleistungsbezug kaum aufzubringen sind, dringend
notwendig wäre. Die Einführung eines Sozialtickets für die Deutsche Bahn AG
würde dieses Defizit beseitigen.

Drucksache 16/10264 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung deshalb auf,

darauf hinzuwirken, dass ein Sozialticket für die Deutsche Bahn AG eingeführt
wird, um Bezieherinnen und Beziehern bedürftigkeitsgeprüfter Transferleistun-
gen Mobilität im öffentlichen Fernverkehr zu ermöglichen, und die Vertreterin-
nen und Vertreter in den Gesellschaftsgremien der Deutschen Bahn AG auf die
Einführung eines solchen Sozialtickets zu verpflichten.

Dieses soll sich an folgenden Kriterien orientieren:

1. Das Sozialticket für die Deutsche Bahn AG entspricht der Bahncard 25,
die Anspruchsberechtigte zum Preis von 5 Euro erhalten.

2. Anspruchsberechtigt sind Leistungsbeziehende nach dem SGB II, dem
SGB XII und dem Asylbewerberleistungsgesetz sowie deren Angehörige.

3. Die Ausgabe des Sozialtickets für den Bahnverkehr erfolgt möglichst
unbürokratisch und nicht stigmatisierend.

Berlin, den 16. September 2008

Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine und Fraktion

Begründung

Der Bund kann über seine Vertretung in den Aufsichtsgremien der Deutschen
Bahn AG Einfluss auf die Preisgestaltung und die Gewährung von Ermäßigun-
gen für bestimmte Personengruppen nehmen. Als Hüter der Verfassung hat er
die Pflicht, die Ausübung der Grundrechte zu gewährleisten und seinen ver-
fassungsmäßigen sozialstaatlichen Auftrag zu erfüllen. Hierzu gehört, die in
Artikel 11 GG gewährte Freizügigkeit auch materiell zu ermöglichen und die
Menschenwürde zu wahren, indem soziale Ausgrenzung verhindert wird. Die
Ermöglichung von Mobilität ist hierfür zentral. Ihre Förderung sollte aus öko-
logischen Gesichtspunkten auf den öffentlichen Personenverkehr ausgerichtet
sein. Mobilität muss sowohl durch eine ausreichende Berücksichtigung im
staatlich garantierten Existenzminimum als auch auf dem Wege der Ermäßi-
gung von Fahrkartenpreisen auf regionaler und überregionaler Ebene gewähr-
leistet werden. Deshalb soll in Ergänzung zu einer sofortigen Anhebung des
Eckregelsatzes im SGB II und SGB XII auf 435 Euro sowie der Anhebung der
Leistungen des Asylbewerberleistungsgesetzes auf das Niveau dieser Systeme
ein Sozialticket für den Bahnverkehr eingeführt werden, das zum Bezug deut-
lich verbilligter Fahrkarten berechtigt.

Aus Gründen der Praktikabilität kann ein solches Sozialticket wie folgt in das
bestehende Preis- und Ermäßigungssystem der Deutschen Bahn AG eingepasst
werden: Menschen, die über ihren Transferleistungsbescheid bzw. den ihrer
Bedarfsgemeinschaft ihre Berechtigung für ein Sozialticket für den Bahnfern-
verkehr nachweisen können, erhalten an den DB-Verkaufsstellen eine Bahn-
card 25 zum Preis von 5 Euro. Diese ermöglicht in Kombination mit den so
genannten Sparpreisen eine Ermäßigung von bis zu 62,5 Prozent. Mit einer
Bahncard 50 wären hingegen nur maximal 50 Prozent Ermäßigung möglich.
Damit wird dem Interesse des Unternehmens an einfacher Handhabbarkeit
ebenso Rechnung getragen wie dem Interesse von Hilfebedürftigen an mög-
lichst hohen Ermäßigungen und einem unbürokratischen, nicht stigmatisieren-
den Verfahren.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/10264

Es ist davon auszugehen, dass die Deutsche Bahn AG aufgrund einer ver-
stärkten Nutzung des Bahnfernverkehrs durch Transferleistungsbezieherinnen
und -bezieher Verluste, die ihr durch die verbilligte Abgabe der Bahncard 25
entstehen, wieder ausgleichen kann.

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