BT-Drucksache 16/10216

Datenschutz stärken - Bewusstsein schaffen - Datenmissbrauch vorbeugen

Vom 12. September 2008


Deutscher Bundestag Drucksache 16/10216
16. Wahlperiode 12. 09. 2008

Antrag
der Abgeordneten Silke Stokar von Neuforn, Volker Beck (Köln), Birgitt Bender,
Cornelia Behm, Alexander Bonde, Hans-Josef Fell, Britta Haßelmann, Ulrike
Höfken, Renate Künast, Fritz Kuhn, Markus Kurth, Monika Lazar, Nicole Maisch,
Jerzy Montag, Brigitte Pothmer, Christine Scheel, Dr. Gerhard Schick, Dr. Wolfgang
Strengmann-Kuhn, Dr. Harald Terpe, Wolfgang Wieland, Josef Philip Winkler
und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Datenschutz stärken – Bewusstsein schaffen – Datenmissbrauch vorbeugen

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,
einen Gesetzentwurf vorzulegen, der folgende Regelungen umfasst:

1. Grundlegende Modernisierung des Bundesdatenschutzgesetzes

Im Datenschutz muss das Prinzip gelten „Meine Daten gehören mir“. Das
Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) muss künftig angemessen der Tatsache
Rechnung tragen, dass die Privatwirtschaft mittlerweile der größte Datensamm-
ler ist und dass der Staat den Schutz des Einzelnen auch gegenüber privaten
Unternehmen zu gewährleisten hat. Das Bundesdatenschutzgesetz ist grundle-
gend zu modernisieren und im Sinne der nachfolgenden Punkte neu auszurich-
ten.

2. Stärkung des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung im BDSG

Wer informationelle Selbstbestimmung stärken will, darf das Grundrecht nicht
durch immer neue Ausnahmeregelungen aushöhlen. Künftig sollen daher weni-
ger bereichspezifische Regelungen in Sondergesetzen außerhalb des BDSG
geschaffen werden. Das BDSG selbst soll vielmehr zu einem allgemeinen
Datenschutzgesetzbuch weiter entwickelt werden. Grundsätzlich gelten für alle
die gleichen Rechte und Pflichten. Auch innerhalb des BDGS sollen nur dort
Sondervorschriften geschaffen werden, wo sie zu Gunsten besonders schutz-
bedürftiger Gruppen erforderlich sind, beispielsweise im Arbeitnehmerdaten-
schutz oder im Verbraucherdatenschutz.

3. Sensible Daten besser schützen – Geo-Scoring verbieten

Sensible Daten sind im Interesse der betroffenen Menschen besonders zu schüt-

zen. Aber auch bei anderen Daten besteht durch ihre Kombination die Gefahr,
dass Betroffene diskriminiert werden. Wenn beispielsweise bei der Über-
prüfung der Kreditwürdigkeit – wie im Regierungsentwurf zur Novellierung
vorgesehen – an verhaltensunabhängige (Geo-)Daten wie die Adressdaten an-
geknüpft wird, hat dieses eine verheerende Wirkung für das soziale Zusammen-
leben. Die Nutzung dieser Geodaten beim sog. Kreditscoring führt zu Ausgren-
zung und Sippenhaft – Geoscoring ist zu verbieten.

Drucksache 16/10216 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

4. Einwilligung stärken – Kopplungsverbote einführen

Der Grundsatz „Meine Daten gehören mir“ wird dort eingehalten, wo der Be-
troffene wirksam eingewilligt hat. Dieser Grundsatz wurde in der Vergangen-
heit durch zahlreiche gesetzliche Erlaubnisse ausgehöhlt. Künftig muss die aus-
drückliche Einwilligung wieder zur Regel, die gesetzliche Erlaubnis die Aus-
nahme werden. Den Betroffenen ist keine stillschweigende bzw. mutmaßliche
Einwilligung zu unterstellen; es darf nicht zu sog. Scheineinwilligungen kom-
men. Firmen dürfen es nicht mehr zur Bedingung eines Vertragsschlusses ma-
chen, dass die Kunden der Nutzung ihrer Daten zustimmen, obwohl es für den
Vertragsschluss gar nicht erforderlich ist. Hierzu sind sogenannte Kopplungs-
verbote einzuführen, wie es sie wenigstens im Ansatz bereits im Telemedien-
gesetz oder im Telekommunikationsgesetz gibt. Wird der Betroffene über den
Zweck der Datenerhebung getäuscht oder nicht aufgeklärt, wie etwa bei be-
stimmten Preisausschreiben oder Glücksspielen, so ist dies sittenwidrig und
muss klar sanktioniert werden. Immer muss diese Einwilligung widerruflich
bleiben.

5. Datenhandel grundsätzlich verbieten – „Opt-In“ einführen

Der Handel mit persönlichen Daten anderer ist grundsätzlich zu beschränken –
und bei sensiblen Daten ganz zu verbieten. Daten Dritter sollen künftig nur
noch dann gehandelt werden dürfen, wenn der Betroffene in diesen Handel aus-
drücklich eingewilligt hat. Hier ist das derzeitige Regel-Ausnahme-Verhältnis
zwischen Erlaubnis und Einwilligung ebenfalls auf den Prüfstand zu stellen.
Künftig sollen Verbraucherinnen und Verbraucher nicht länger die Notbremse
des „Opt-Out“ ziehen müssen, um Datenklau gerade noch zu verhindern. Statt-
dessen soll der Grundsatz der ausdrücklichen Einwilligung (Opt-In) auch im
Datenschutzgesetz eingeführt werden. Dabei ist eine informierte Einwilligung
zu fordern, d. h. der Erwerber muss vorher aufgeklärt haben, wofür er die Daten
haben will.

6. Stärkung der Auskunfts- und Informationsrechte der Betroffenen

Bürgerinnen und Bürger sollen künftig wissen, wer über ihre Daten verfügt.
Der Datenweg muss nachvollziehbar werden. Die Betroffenen sind grundsätz-
lich automatisch von einer Datenweitergabe zu benachrichtigen, und die Daten
müssen mit einer Herkunftskennzeichnung versehen werden. Im Fokus stehen
hier Auskunfteien, die anhand sog. Scoring-Verfahren die Kreditwürdigkeit
von Verbraucherinnen und Verbraucher bewerten. Betroffene sollen in Zukunft
automatisch informiert werden, wenn ihre Daten zu einem Datenprodukt mit
Werturteil (z. B. Scorewert) verarbeitet werden sowie wenn dieser Scorewert
weitergegeben wird. Verbraucherinnen und Verbraucher sollen nicht nur – wie
im Regierungsentwurf zur Novellierung vorgesehen – einmal jährlich eine
kostenlose Selbstauskunft über ihre Scorewerte erhalten können. Branchen-
übergreifende Auskunftssysteme sind zu begrenzen und die Auskunfteitätigkeit
ist auf relevante Informationen zu Zahlungsverhalten, Einkommens- und Ver-
mögensverhältnisse zu beschränken. Damit jeder selbst überprüfen kann, wel-
che Unternehmen Daten über ihn zusammenstellen, ist ein Portal zu schaffen,
das als Wegweiser zu allen Auskunfteien dient. Auf diesem Bürgerportal muss
es allein den Betroffenen möglich sein, mit einem Mausklick alle Informatio-
nen darüber zu erhalten, was über sie gespeichert ist.

7. Datenschutzaudit - Gütesiegel im Datenschutz einführen

Wo Datenschutz draufsteht, muss künftig auch Datenschutz drin sein. Das
„Datenschutzaudit“ soll mit einem Gütesiegel Verbraucherinnen und Ver-

braucher in die Lage versetzen, sich selbst ein besseres Bild über den Daten-
schutzstandard eines Unternehmens machen zu können. Und Unternehmen

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/10216

können nach zahlreichen Datenschutzskandalen verlorenes Vertrauen zurück-
gewinnen. Datenschutzaudit ist ein Schlüssel für die positive Entwicklung des
elektronischen Handels.

8. Sorgfaltspflichten und neue Verbraucherrechte

Sorgfaltspflichten der Unternehmen beim Umgang mit Kundendaten sind neu
zu definieren. Unternehmen müssen Verstöße und Datenpannen melden.
Banken müssen mehr kritisches Bewusstsein und stichprobenartige Plausibili-
tätsprüfungen beim Einzugsverfahren entwickeln. Kundinnen und Kunden sind
bei Hinweisen auf illegale Abbuchungen umgehend zu informieren – insbeson-
dere, wenn bereits Beschwerden über nicht genehmigte Bankeinzüge vorliegen.
Bei Verdacht auf Straftaten ist auch die Staatsanwaltschaft zu informieren. Zu-
mindest bei der ersten Abbuchung sollte sich das Kreditinstitut vergewissern,
dass eine Einzugsermächtigung tatsächlich vorliegt. Werden Daten dennoch er-
schwindelt, sollen die Betroffenen künftig bei den betreffenden Unternehmen
einen Auskunftsanspruch geltend machen können, damit die Datenweiterlei-
tungskette komplett zurückverfolgt und die Daten überall gelöscht werden.

9. Gewinne abschöpfen, Sanktionen verschärfen

Unternehmen, die Verstöße gegen Datenschutzregelungen bewusst in Kauf
nehmen, um Kasse zu machen, sollen diesen Gewinn nicht länger behalten
dürfen. Ähnlich wie im Wettbewerbs- und Kartellrecht ist der Gewinn ab-
zuschöpfen, und zwar auch bei Fahrlässigkeit. Bisher sind Verstöße gegen die
§§ 28, 29 BDGS in der Regel allenfalls Ordnungswidrigkeiten. Nur wenige
Verstöße können bisher mit dem maximalen Ordnungsgeld von bis zu 250 000
Euro geahndet werden – die besonders praxisrelevanten Verstöße des § 43
Abs. 1 BDSG haben nur ein maximales Bußgeld von 25 000 Euro. Das ist an-
gesichts der wachsenden Bedeutung der Datenhighways und des Datenhandels
nicht länger akzeptabel. Der Bußgeldkatalog ist insgesamt transparenter zu ge-
stalten und der Bußgeldrahmen muss an der Leistungsfähigkeit des Unter-
nehmens orientiert werden. Schwerste Verstöße müssen auch strafrechtlich
sanktioniert werden.

10. Kontrollinstanzen stärken

Die Unabhängigkeit und Kompetenz des Bundesbeauftragten für den Daten-
schutz und die Informationsfreiheit sind gesetzlich zu stärken.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,
weitere flankierende Maßnahmen zur Stärkung des Datenschutzes zu er-
greifen:

1. Finanzielle Ausstattung verbessern

Neben der Änderung weiterer Bundesgesetze ist es erforderlich, den Bundes-
beauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit organisatorisch
und personell besser auszustatten.

2. Illegale Praktiken aufdecken, Verbandsklage einführen

Heimlichem Datenklau unter Vorspiegelung falscher Tatsachen ist präventiv zu
begegnen. Ein schriftliches Widerrufsrecht genügt dabei nicht. Vertrags-
abschlüsse, die durch unerlaubtes Telefonmarketing oder rechtswidrige Daten-
nutzung angebahnt wurden, bedürfen einer nochmaligen Bestätigung. Uner-
warteten Überrumpelungssituationen wird so entgegengewirkt. Anerkannte
Verbraucherverbände sollten bei Datenschutzverstößen künftig das Recht der

Verbandsklage erhalten, um illegale Praktiken frühzeitig aufzudecken.

Drucksache 16/10216 – 4 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

3. Bund-Länder-Kooperation verbessern

Auf die Länder soll eingewirkt werden, die dortigen Datenschutzbeauftragten
ebenfalls organisatorisch und personell besser auszustatten, genauso die Ermitt-
lungsbehörden. Weiterer Missbrauch mit den bereits umlaufenden Daten-
mengen ist dadurch zu begrenzen, dass noch stärker als bisher ermittelt wird.
Wir brauchen Schwerpunktstaatsanwaltschaften und wir brauchen eine regel-
mäßige Zusammenarbeit von Strafverfolgung und Datenschützern, ähnlich wie
bei der institutionalisierten Vernetzung von Strafverfolgung und Gewerbeauf-
sicht. Nur so können bei der Strafverfolgung von Datenmissbrauch Schwach-
stellen bereits frühzeitig erkannt werden.

4. Staat als Vorbild – Mehr Datensparsamkeit

Wenn der IT-Sektor im Datenbereich staatlich reguliert wird, dann muss der
Staat dabei mit gutem Beispiel vorangehen. Die Bundesregierung ist aufgefor-
dert, den staatlichen Umgang mit Daten an folgenden Grundsätzen zu orientie-
ren:

● Datensparsamkeit und Zweckbindung müssen nicht nur das Gebot der
Stunde, sondern selbstverständlicher Standard sein, immer und überall.

● Das Gleiche gilt für die Verschlüsselung von Daten.

● Der Staat muss selbst grundsätzlich darauf verzichten, Daten auf Vorrat zu
speichern und er darf erst recht nicht private Unternehmen dazu anhalten
– wie zum Beispiel im Telekommunikationsbereich – auf Vorrat zu spei-
chern, sonst wird der Anlass für künftige Begehrlichkeiten geschaffen.

● Sofern der Staat Daten speichern muss, sind die Informationsrechte Betrof-
fener zu stärken und die Auskunftsrechte Dritter stärker einzuschränken.
Auch hier muss der Grundsatz gelten keine Weitergabe ohne Einwilligung.

● Zentrale Datenbanken gehören auf den Prüfstand, erst recht neue Daten-
banken wie das Bundesmelderegister. Bei der bevorstehenden Schaffung des
Bundesmeldegesetzes sind die vorhandenen Auskunftsrechte Dritter wei-
testgehend zu beschränken. Betroffene sollen ein Widerspruchsrecht haben.
Die Weitergabe von Meldedaten darf keine weitere Grundlage für illegalen
Datenhandel legen.

Berlin, den 12. September 2008

Renate Künast, Fritz Kuhn und Fraktion

Begründung

Eine Kette von Datenschutzskandalen und Affären hat der Bevölkerung vor
Augen geführt, wie schlecht es derzeit um den Schutz ihrer persönlichen Daten
in Deutschland bestellt ist. Diese Daten künftig besser zu schützen, auch gegen-
über privaten Unternehmen, ist die Aufgabe des Parlaments.

Die Ursprünge des jetzigen BDSG liegen im Volkszählungsurteil des Bundes-
verfassungsgerichts aus dem Jahre 1983. Damals waren in vielen Behörden und
Unternehmen noch Karteikarten weiter verbreitet, die Informationstechnologie
steckte in den Kinderschuhen. Die Geschäftswelt und der Alltag haben sich
durch neue Technologien seitdem sprunghaft weiter entwickelt. Die Summe der

verfügbaren Daten hat sich potenziert – und die Gefahr ihres Missbrauchs
ebenfalls.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 5 – Drucksache 16/10216

Der Gesetzgeber hat mit dieser technologischen Entwicklung bisher überhaupt
nicht Schritt gehalten. Das BDSG ist nicht mehr auf der Höhe der Zeit. Die
ohnehin anstehende Datenschutznovelle bietet nun die Chance, das BDSG
nicht nur im Bereich der Auskunfteien zu ergänzen, sondern den Datenschutz
insgesamt zu modernisieren – und den notwendigen Schutz der Bürgerinnen
und Bürger endlich sicherzustellen.

Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat bereits einen Gesetzentwurf zur
Aufnahme des Datenschutzes in das Grundgesetz vorgelegt (vgl. Bundestags-
drucksache 16/9607). Durch das Grundgesetz sollen Behörden und Gerichte,
aber auch das Parlament in Zukunft verpflichtet werden, die Grundsätze der Da-
tensparsamkeit und Zweckbindung besser einzuhalten und Datenpannen vorzu-
beugen. Parallel dazu schlägt dieser Antrag umfangreiche Änderungen am
BDSG vor, verbunden mit einem Maßnahmekatalog zur Stärkung des Daten-
schutzes.

Die technologische Entwicklung in der Informationsgesellschaft hat in den ver-
gangenen Jahren die Arbeitsabläufe rasant verändert. Die Informationstechno-
logie wird nicht nur zur Kontrolle und Überwachung der Arbeitnehmerinnen
und Arbeitnehmer eingesetzt, vielmehr werden auch die Kundendaten zur
begehrten Handelsware. Die Skandale bei der Überwachung im Einzelhandel,
die Bespitzelung von Aufsichtsräten und Gewerkschaftsmitgliedern, die Daten-
pannen bei Meldebehörden oder Datenklau und Datenmissbrauch beim Daten-
handel – das ist bisher nur die Spitze des Eisberges.

Verbraucherinnen und Verbraucher, die ihre Einkäufe zunehmend online und
mit bargeldlosen Zahlungsmitteln erledigen, werden zum Objekt der Markt-
forschung. Die verwendete Speicherungs- und Verarbeitungskapazität für die
Kundendaten waren noch um die Jahrtausendwende kaum vorstellbar. Für viele
Unternehmen, beispielsweise für Auskunfteien wie die Schufa, sind diese
Kundendaten längst die eigentliche Geschäftsgrundlage. Um Auskünfte über
die Kreditwürdigkeit anderer liefern zu können, werden sog. Scoring-Werte er-
stellt. Weitere Informationen werden den Verbraucherinnen und Verbrauchern
durch Meinungsumfragen, Glücksspiele oder Kundenkartenprogramme wie
Payback oder HappyDigits entlockt. In sog. sozialen Netzwerken wie StudiVZ
oder Xing tauschen die Beteiligten auch in ihrer Freizeit private Daten ganz be-
wusst und öffentlich, gleichzeitig wird auch ihr individuelles Surfverhalten im
Internet durch Softwareanbieter erfasst. Erfasst wird auch, wer wohin Flug-
zeuge, Schiffe oder Züge bucht und Auto fährt. Wer Mobiltelefone nutzt, der
kann auch durch private Anbieter zielgenau und kostengünstig lokalisiert wer-
den. Komplettiert werden diese Daten durch gezielte Telefonanrufe der Call-
Center-Branche und die Erfassung und Kartierung ganzer Stadtteile durch
Firmen wie Google. Die Kombination solcher Daten erlaubt längst die Er-
stellung von Persönlichkeitsprofilen, sie können zudem mit frei verfügbaren
Daten aus öffentlichen Registern (Beispiel: Meldedaten) noch kombiniert wer-
den. Die Gefahren des Missbrauchs dieser Daten sind heute größer als jemals
zuvor – ohne dass ein ausreichender Schutz dagegen vorhanden wäre.

Die vorhandenen gesetzlichen Regelungen sind nicht mehr geeignet, die Per-
sönlichkeitsrechte der Bürgerinnen und Bürger wirksam zu schützen. Sofern
das BDSG bislang überhaupt geändert wurde, zielte es häufig nicht auf ein
Mehr, sondern ein weniger an Datenschutz. So wurde der Datenschutz durch
zahlreiche bereichsspezifische Regelungen in anderen Gesetzen verwässert,
wurden weitere Erlaubnisse für die Datenerhebung geschaffen, oder der Grund-
satz der Einwilligung in die Freigabe von Daten weiter ausgehöhlt. Die Unter-
stellung von „konkludenten“ oder „mutmaßlichen“ Einwilligungen geht dabei
bedenklich weit (vgl. BGH, Urteile vom 17. Juli 2008, Az. I ZR 195/05 – FC

Troschenreuth – und Az. I ZR 75/06 – Royal Cars –) und soll gesetzgeberisch
unterbunden werden.

Drucksache 16/10216 – 6 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Datenschutzbeauftragte, Verbraucherschutzverbände, Bürgerrechtsorganisatio-
nen und die Gewerkschaften fordern seit langem klare gesetzliche Regelungen
zum besseren Schutz der Persönlichkeitsrechte – und die Modernisierung des
Datenschutzgesetzes. Auch das Parlament hat mehrfach anlässlich des Tätig-
keitsberichts des Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informa-
tionsfreiheit auf den Reformbedarf im Datenschutz hingewiesen (vgl.
Bundestagsdrucksachen 13/11168, 14/5353, 15/4597 und 16/4882).

Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat für viele Bereiche bereits de-
taillierte Vorschläge zur Verbesserung des Datenschutzes vorgelegt, sei es ge-
gen Vorratsdatenspeicherung (vgl. Bundestagsdrucksache 16/1622), gegen
uferlosen Datenaustausch (Bundestagsdrucksache 16/9360), zum Scoring
(Bundestagsdrucksache 16/683) oder für mehr Arbeitnehmerdatenschutz (Bun-
destagsdrucksache 16/9311).

Hat die Bundesregierung immerhin anerkannt, dass hinsichtlich der Auskunf-
teien Reparaturbedarf beim BDSG besteht, so zeigen sich bereits jetzt neue
Schutzlücken beim Datenhandel. Die deshalb ohnehin anstehende Datenschutz-
novelle bietet nun die Chance, das BDSG grundlegend zu modernisieren. Die
auf dem Datenschutzgipfel am 4. September 2008 vereinbarten Änderungen
des Bundesdatenschutzgesetzes gehen diesbezüglich nicht weit genug. Zu viele
Fragen bleiben unbeantwortet oder wurden gar nicht angesprochen: Wie ist das
Problem des bereits entstandenen und bestehenden Datenhandels, insbesondere
beim Handel mit den Meldedaten, zu lösen? Welche Auswirkungen hat die
staatliche Vorratsdatenspeicherung auf die Datenpannen in der Privatwirtschaft
gehabt? Es sind daher weitere flankierende Maßnahmen zur Stärkung des
Datenschutzes erforderlich.

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.