BT-Drucksache 15/5116

Für eine zukunftsgerichtete Weiterführung der Lissabon-Strategie - Neue Impulse zur wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Erneuerung

Vom 16. März 2005


Deutscher Bundestag Drucksache 15/5116
15. Wahlperiode 16. 03. 2005

Antrag
der Abgeordneten Dr. Angelica Schwall-Düren, Günter Gloser, Kurt Bodewig,
Dr. Lale Akgün, Ingrid Arndt-Brauer, Ernst Bahr (Neuruppin), Doris Barnett, Klaus
Barthel (Starnberg), SörenBartol, Dr. Axel Berg, UteBerg, Hans-Werner Bertl, Petra
Bierwirth, Lothar Binding (Heidelberg), Gerd Friedrich Bollmann, Klaus Brandner,
Willi Brase, Bernhard Brinkmann (Hildesheim), Marco Bülow, Dr. Herta Däubler-
Gmelin, Martin Dörmann, Elvira Drobinski-Weiß, Martina Eickhoff, Marga Elser,
Elke Ferner, Rainer Fornahl, Gabriele Frechen, Uwe Göllner, Renate Gradistanac,
Dieter Grasedieck, Monika Griefahn,WolfgangGrotthaus, Bettina Hagedorn, Klaus
Hagemann,NinaHauer,HubertusHeil, ReinholdHemker,RolfHempelmann,Gustav
Herzog, Gabriele Hiller-Ohm, Stephan Hilsberg, Walter Hoffmann (Darmstadt), Iris
Hoffmann (Wismar), Lothar Ibrügger, Renate Jäger, Johannes Kahrs, Ulrich Kelber,
Lars Klingbeil, Astrid Klug, Dr. Bärbel Kofler, Dr. Heinz Köhler, Anette Kramme,
VolkerKröning,Dr. Hans-UlrichKrüger,AngelikaKrüger-Leißner,HorstKubatschka,
Ute Kumpf, Christian Lange (Backnang), Waltraud Lehn, Dr. Elke Leonhard,
Gabriele Lösekrug-Möller, DirkManzewski, LotharMark, UlrikeMehl, Petra-Evelyne
Merkel, Christian Müller (Zittau), Gesine Multhaupt, Dietmar Nietan, Holger Ortel,
Dr. Wilhelm Priesmeier, Florian Pronold, Dr. Carola Reimann, René Röspel,
Dr. Ernst Dieter Rossmann, Karin Roth (Esslingen), Michael Roth (Heringen),
GerhardRübenkönig, OrtwinRunde, ThomasSauer, Axel Schäfer (Bochum), Bernd
Scheelen, Siegfried Scheffler, Horst Schild, Wilhelm Schmidt (Salzgitter), Heinz
Schmitt (Landau), Carsten Schneider, Walter Schöler, Wilfried Schreck, Ottmar
Schreiner, Brigitte Schulte (Hameln), Reinhard Schultz (Everswinkel), Swen Schulz
(Spandau), Dr. Martin Schwanholz, Dr. Sigrid Skarpelis-Sperk, Jörg-Otto Spiller,
Jörg Tauss, Jella Teuchner, Hans-Jürgen Uhl, Simone Violka, Jörg Vogelsänger,
Gunter Weißgerber, Dr. Ernst Ulrich vonWeizsäcker, Dr. Rainer Wend, Lydia
Westrich, AndreaWicklein, Engelbert Wistuba, WaltraudWolff (Wolmirstedt),
Manfred Helmut Zöllmer, Franz Müntefering und der Fraktion der SPD
sowie der Abgeordneten Rainder Steenblock, Ulrike Höfken, Marianne Tritz, Hans-
Josef Fell, Werner Schulz (Berlin), Dr. Antje Vogel-Sperl, Volker Beck (Köln), Katrin
Göring-Eckardt, Krista Sager und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Für eine zukunftsgerichtete Weiterführung der Lissabon-Strategie – Neue Impulse
zur wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Erneuerung

Der Bundestag wolle beschließen:
I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:
Mit der Lissabon-Strategie hat sich die Europäische Union (EU) das ehrgeizige
Ziel gesetzt sich bis zum Jahr 2010 zum wettbewerbsfähigsten und dynamisch-

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sten, wissensbasierten Wirtschaftsraum der Welt zu entwickeln. Die EU soll ein
Wirtschaftsraum werden, der ein dauerhaftes, nachhaltiges Wirtschaftswachs-
tum mit mehr und besseren Arbeitsplätzen und einem größeren sozialen Zusam-
menhalt und der gleichzeitig den Umweltschutz sichert. Das ist die große poli-
tische Aufgabe der kommenden Jahre. Angesichts der voranschreitenden
Globalisierung, des zunehmenden internationalen Wettbewerbsdrucks und der
Altersstruktur der Bevölkerung in Europa muss die Europäische Union ihr
Wachstum steigern und mehr Menschen in ein Beschäftigungsverhältnis brin-
gen. Die Veränderung der Alterstruktur der Bevölkerung zwingt zudem zu einer
grundlegenden Umstrukturierung der sozialen Sicherungssysteme.
Der Deutsche Bundestag bekräftigt seine Unterstützung gegenüber dem von den
Staats- und Regierungschefs beschlossenen Politikrahmen, der wirtschaftliche
Leistungsfähigkeit, gesunde und tragfähige Finanzen sowie ein hohes Beschäf-
tigungs- und Sozialschutzniveau als sich gegenseitig ergänzende und verstär-
kende Säulen einer Politik begreift. Mit diesem kohärenten Politikansatz, der
beim Europäischen Rat in Göteborg um die Umweltkomponente und um die
Europäische Nachhaltigkeitsstrategie erweitert wurde, sollen die komplexen
Herausforderungen des 21. Jahrhunderts gemeistert und das europäische Wirt-
schafts- und Sozialmodell weiterentwickelt werden.
Auf dem EU-Frühjahrsgipfel im März 2004 hat der Europäische Rat eine hoch-
rangige Sachverständigengruppe unter der Leitung des ehemaligen niederlän-
dischen Ministerpräsidenten Wim Kok beauftragt, einen Bericht zur Halbzeit-
überprüfung der bereits erzielten Ergebnisse vorzulegen sowie Vorschläge für
die vorrangigen Prioritäten in den Jahren 2006 bis 2010 zu unterbreiten. Der
Kok-Bericht zeichnet ein gemischtes Bild: Er bekräftigt die Angemessenheit der
Lissabon-Ziele nachdrücklich. Er stellt aber auch fest, dass die Agenda der
Lissabon-Strategie zu umfangreich sei, die Koordination unter den Staaten zu
ineffizient und die bisherige Umsetzung sich in einem operativen Rahmen sich
widersprechender Prioritäten bewegt hat.
Nach Ansicht der Kok-Gruppe konnte eine Reihe von Fortschritten erreicht
werden. Bei der Umsetzung von Reform- und Deregulierungsmaßnahmen im
Bereich der Finanzdienstleistungen, bei den netzgebundenen Industrien (z. B.
Energie, Post, Telekommunikationen) hat es europaweit große Fortschritte
gegeben. Viele Zielvorgaben der Lissabon-Strategie sind jedoch noch nicht
erreicht, insbesondere mit Blick auf die Vollendung des EU-Binnenmarktes und
die Reform der sozialen Sicherungssysteme.
Damit Europa seine Ziele erreichen und seinen Lebensstandard bei veränderten
weltwirtschaftlichen und demographischen Bedingungen bewahren und mög-
lichst erhöhen kann, muss es sein Beschäftigungs- undWachstumspotential aus-
bauen. Die nötigen Reformmaßnahmen betreffen sowohl die europäische als
auch die nationale Ebene.
Dies muss einhergehen mit größeren Anstrengungen, die europäischen Bürge-
rinnen und Bürger in diesen Prozess einzubinden und die Lissabon-Strategie und
ihre Bedeutung gegenüber der Bevölkerung in den Mitgliedstaaten besser zu
vermitteln.
Der Deutsche Bundestag teilt die Einschätzung des Kok-Berichts und bekräftigt
die prioritären Handlungsfelder. Die Umsetzung der in Lissabon vorgegebenen
Ziele ist angesichts des zunehmenden internationalen Wettbewerbsdrucks und
der demographischen Veränderungen in Europa dringender denn je. Die politi-
schen Akteure in der EU und in den Mitgliedstaaten müssen die nötigen An-
strengungen unternehmen, um diese Strategie effektiver umzusetzen und noch
energischer in Richtung nachhaltiges Wachstum und Beschäftigung zu lenken.
Hierbei müssen auch die nationalen und europäischen Reformprozesse besser

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 3 – Drucksache 15/5116

verzahnt werden. Dies muss verbunden werden mit der Förderung des sozialen
Zusammenhalts und der Umweltbelange.
Die Europäische Kommission hat im Rahmen der Halbzeitüberprüfung der
Lissabon-Strategie in ihrer Mitteilung für die Frühjahrstagung des Europäischen
Rates vom 2. Februar 2005 und vom 3. Februar 2005 ihre politischen Empfeh-
lungen vorgelegt. Der Kommissionsvorschlag beschränkt sich auf wenige prio-
ritäre Ziele:

Europa: ein attraktiver Ort zum Arbeiten und Investieren
Dazu gehören unter anderem die Vollendung des Binnenmarktes, offene und
wettbewerbsfähige Märkte innerhalb und außerhalb Europas, die Umlenkung
der staatlichen Beihilfen auf Wirtschaftszweige mit hohem Wachstumspoten-
zial, die Schaffung eines freundlichen Unternehmensumfelds für kleine und
mittlere Unternehmen, die Verbesserung des Zugangs zu Drittmärkten sowie die
Vereinfachung der europäischen und nationalen Vorschriften mit dem Ziel,
Bürokratie zu reduzieren und Investitionen zu beschleunigen. Wichtig in diesem
Zusammenhang sind auch der Ausbau und die Verbesserung der Infrastruktur in
der EU.

Wissen und Innovation für Wachstum
Zur Sicherung und Stärkung der europäischen Wettbewerbssituation sollen die
Gesamtausgaben für Forschung und Entwicklung bis 2010 auf drei Prozent des
Bruttoinlandsprodukts (BIP) erhöht werden, wobei zwei Drittel von der Wirt-
schaft und ein Drittel von der öffentlichen Hand (Bund und Länder) zu erbringen
sind. Dabei müssen Zukunftstechnologien wie Lebenswissenschaften, Bio-
technologien, Informations- und Kommunikationstechnologien, Nano- und
Mikrotechnologien, Klima- und Umweltforschung, Nachhaltigkeitsforschung,
Mobilitäts- und Verkehrsforschung, Energieeffizienz, Öko-Innovationen sowie
die Luftfahrtforschung prioritär gestärkt und mit Anreizen versehen werden.
Weitere Schwerpunkte sind die Förderung europäischer Technologieinitiativen
durch Partnerschaften zwischen öffentlicher Hand und Privatwirtschaft. Der
Wettbewerb um die besten Köpfe, Ideen und Unternehmen soll forciert werden.

Mehr und bessere Arbeitsplätze schaffen, auch für Ältere
Angesichts der sich abzeichnenden demographischen Veränderungen müssen
mehr Menschen in das Erwerbsleben einbezogen, die Jugendarbeitslosigkeit
verringert und die sozialen Sicherungssystememodernisiert werden. Die Anpas-
sungsfähigkeit von Erwerbspersonen und Unternehmen, die Flexibilität der Ar-
beitsmärkte sowie Investitionen in bessere Bildung und Ausbildung und die För-
derung lebensbegleitenden Lernens müssen erhöht werden.
Die Europäische Kommission regt an, eine neue Partnerschaft für Wachstum
und Beschäftigung zwischen Parlamenten, Sozialpartnern und der Zivilgesell-
schaft in der EU ins Leben zu rufen und für größere Transparenz und Kohärenz
bei der Umsetzung dieser Strategie zu sorgen. Die Kommission schlägt vor,
diese Maßnahmen künftig in jeweils einem nationalen Aktionsplan sowie einem
Aktionsplan auf EU-Ebene zu bündeln. Darin soll dargelegt werden, welche
Modernisierungsmaßnahmen auf nationaler bzw. auf EU-Ebene vorangebracht
werden. Es kommt darauf an, die Wachstumsfelder zu identifizieren und zu ent-
wickeln, welche zukunftsfähige Arbeitsplätze schaffen.

Wachstum und Erneuerung für Deutschland
Angesichts des erhöhten internationalenWettbewerbsdrucks und des hohen Bei-
trags der Industrie zu Wachstum und Beschäftigung, muss bei der europäischen

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Rechtssetzung der Industrie, als Rückgrat der deutschen und der europäischen
Wirtschaft, mehr Aufmerksamkeit gewidmet werden. Eine bessere und umfas-
sendere Gesetzesfolgenabschätzung in der EU, die Beschäftigung, soziale Aus-
wirkungen sowie Umweltbelange einbezieht sowie ein besonderes Augenmerk
auf die industrielle Wettbewerbsfähigkeit legt, muss besser als bisher sicher-
gestellt und konsequent ausgebaut werden. Der Deutsche Bundestag ruft die
diesbezügliche Initiative von Bundeskanzler Gerhard Schröder gemeinsam mit
Präsident Jaques Chirac und Premierminister Tony Blair in Erinnerung und
unterstützt diese. Er bekräftigt gleichzeitig, dass eine angemessene Balance zwi-
schen der Erhöhung der industriellenWettbewerbsfähigkeit einerseits und wich-
tigen verbraucher-, umwelt- und sozialpolitischen Anliegen andererseits für den
Erhalt und die Stärkung des europäischen Gesellschaftsmodells entscheidend
ist. Eine innovationsorientierte Wirtschaftspolitik beinhaltet auch eine Politik
der ökologischen Modernisierung. Wachstum, Arbeitsplätze und das Umwelt-
und Sozialmodell dürfen nicht auseinander dividiert werden. Das europäische
Leitbild einer nachhaltigen Entwicklung muss aufrechterhalten werden. Es ist
sinnvoll, sich hier am Kok-Bericht zu orientieren, nach dessen Meinung
Umweltschutz einen Wettbewerbsvorteil darstellt, in dem Europa seine vorhan-
dene Führungsrolle ausbauen sollte. Ziel muss es allerdings sein, die Wirtschaft
von ordnungspolitisch nicht gerechtfertigten bürokratischen Hemmnissen zu be-
freien. Dabei muss den berechtigten Interessen der Verbraucher im Binnenmarkt
Rechnung getragen werden.
Ein älter werdendes Europa fragt qualitativ hoch stehende Leistungen im
Sozialbereich, in der Gesundheitsversorgung und in der Pflege nach. Moderne
Produkte und Dienstleistungen im Gesundheitsbereich bieten auch angesichts
der demographischen Entwicklung wichtige Wachstumschancen.
Auch in den großen ländlichen Räumen Europas bestehen erhebliche Innova-
tions- und Beschäftigungspotentiale. Auf Grundlage der formulierten Position
der EU-Kommission sollte die Politik für die ländlichen Regionen in Zukunft
stärker auf die Schaffung von Arbeitsplätzen und nachhaltiges Wachstum
ausgerichtet werden. In der Landwirtschaft, im Handwerk, in Verarbeitung und
Handel, im Tourismus, der Landschaftspflege, in der Produktion nachwach-
sender Rohstoffe und mit erneuerbaren Energien kann ein wichtiger Beitrag für
Wachstum undWettbewerbsfähigkeit für ländliche Gemeinden, Küstenregionen
und Regionen in äußerster Randlage erbracht werden.
Die Erhöhung von Wachstum und die Verwirklichung der Wissensgesellschaft
sind nur mit einer konsequenten Förderung von Forschung und Entwicklung so-
wie mit deutlichen Verbesserungen im Bildungsbereich zu erreichen. Dabei
müssen die Weichen so gestellt werden, dass sich die sozialen Gegensätze auf
dem Weg in die Wissensgesellschaft verringern. Zugleich muss es noch besser
gelingen, ein gesellschaftliches Bewusstsein und innovationsfreundliches Klima
für die notwendigen Veränderungen zu schaffen. Der Deutsche Bundestag unter-
stützt daher die Forderung der Bundesregierung, das 7. Forschungsrahmenpro-
gramm der EU auf die Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit der europäischen
Wirtschaft und Industrie zu konzentrieren. Er fordert darüber hinaus, die Effi-
zienz der F&E-Ausgaben (F&E: Forschung und Entwicklung) hinsichtlich ihrer
Wirkung auf den Arbeitsmarkt und das Innovationspotenzial in Zukunftsbran-
chen zu steigern sowie die Grundlagenforschung auf europäischer Ebene zu stär-
ken. Er unterstreicht die Bedeutung einer verstärkten Förderung von kleinen und
mittleren Unternehmen im Bereich der Innovation und Wettbewerbsfähigkeit.
Um dieses Potenzial und Know-how besser nutzen zu können, sollte das
7. Forschungsrahmenprogramm dergestalt ausgerichtet werden, dass die Teil-
nahme von kleinen Forschungsbereichen und kleinen und mittleren Unter-
nehmen (KMU) vereinfacht wird. Weiterhin muss auch die Bereitstellung von
Wagniskapital für KMU in Innovationsbranchen deutlich verbessert werden.

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 5 – Drucksache 15/5116

Wissenschaftliche Erkenntnisse und technische Informationen sollten in alle
Bereiche des wirtschaftlichen Handelns einbezogen werden, indem man die
Teilhabe an und den Transfer von Wissen fördert und garantiert (Wissens-
management).
Die Investition in Menschen muss nachhaltig sein. Ohne eine umfassende Bil-
dungsstrategie können wir unseren Verpflichtungen nicht nachkommen. Daher
müssen wir die Lissabon-Strategie durch Erhöhung der Mittel für Bildung, Aus-
bildung und lebensbegleitendes Lernen stärken. Lebensbegleitendes Lernen ist
ein entscheidender Punkt im Kampf gegen soziale Ausgrenzung und für die Er-
höhung der Zahl von älteren Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen. Außerdem
müssen wir jedem jungen Menschen den Zugang zu qualitativ hochwertiger
Bildung und Ausbildung ermöglichen.
Um die bestenWissenschaftler für Europa zu gewinnen, müssen wir administra-
tive Hindernisse weiter abbauen und die internationale und EU-interneMobilität
sowie die gegenseitige Anerkennung von Berufsabschlüssen fördern. Auf der
Grundlage der Zusammenarbeit und desWissenstransfers zwischen Forschungs-
zentren, Universitäten und Unternehmen sollten Kompetenzzentren errichtet
werden. Bei jungen Menschen, insbesondere Frauen, muss aktiv für Wissen-
schaftskarrieren geworben und deren Rahmenbedingungen verbessert werden.
Als Bestandteil der Lissabon-Strategie hat die EU-Kommission im Januar 2004
einen „Vorschlag für eine Richtlinie über Dienstleistungen im Binnenmarkt“
vorgelegt. Die Wettbewerbsfähigkeit des Dienstleistungssektors im EU-Binnen-
markt zu erhöhen, ist für die Erreichung der Lissabon-Ziele wichtig. Der Deut-
sche Bundestag sieht an dem Richtlinienvorschlag jedoch einen erheblichen und
grundlegenden Veränderungsbedarf. Der Deutsche Bundestag unterstützt vor
diesem Hintergrund die Forderung des deutschen Bundeskanzlers Gerhard
Schröder und des französischen Staatspräsidenten Jaques Chirac, bei ihrem
informellen Treffen in Blomberg am 7. März 2005 an die Kommission, den
Richtlinienentwurf neu zu überarbeiten. Der Deutsche Bundestag stellt fest, dass
die intensive Debatte und Beratung zu dieser Richtlinie noch nicht abgeschlos-
sen ist.
Die Neuausrichtung der Lissabon-Strategie muss der Bedeutung des sozialen
Zusammenhalts für das europäische Wirtschafts- und Sozialmodell angemessen
Rechnung tragen. In diesem Zusammenhang unterstützt der Deutsche Bundes-
tag den hohen Stellenwert der künftigen sozialpolitischen Agenda der EU 2006
bis 2010 zur Festigung des europäischen Gesellschaftsmodells. Vor diesem Hin-
tergrund müssen die Reformen der sozialen Sicherungssysteme die nachhaltige
Sicherung des Sozialstaates für kommende Generationen ermöglichen. Bei der
Modernisierung der Binnenmarkt- undWettbewerbsregeln muss der besonderen
sozialen Verantwortung der Dienste von allgemeinem Interesse im Kommunal-
und Sozialbereich selbstverständlich Rechnung getragen werden.
Eine innovationsorientierte Wirtschaftspolitik lässt sich gezielt mit einer Politik
der ökologischen Modernisierung verbinden. Die Stärkung von Industrien und
ProduzierendemGewerbe, derenModernisierung im Hinblick auf mehr Produk-
tivität der Arbeit und der Ressourcennutzung sind ebenso wichtig wie die lang-
fristige Energieversorgung unter Nutzung der in Europa und denMitgliedstaaten
verfügbaren Ressourcen. Neben anderen Spitzentechnologien kommen insbe-
sondere Umwelttechnologien eine Schlüsselrolle bei der Schaffung von Arbeits-
plätzen und innovativen Produkten zu. Umweltinnovationen können Pionier-
märkte für Ökotechnologien schaffen, was die europäische Wirtschaft im inter-
nationalen Wettbewerb stärken wird. Ökotechnologien beschränken sich dabei
nicht auf die Verwendung erneuerbarer Energien. Sie umfassen auch die stoff-
liche Nutzung nachwachsender Rohstoffe, Bioraffinerien, Recycling, umwelt-
freundlichen Verkehr, nachhaltige Landwirtschaft, gesunde Lebensmittel, um-
weltfreundliches Bauen oder energie- und ressourceneffiziente Technologien.

Drucksache 15/5116 – 6 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

Umweltinnovationen sollen durch die Ökologisierung des öffentlichen Beschaf-
fungswesens auf nationaler und europäischer Ebene stimuliert werden.
Wie auf der CEBIT deutlich wurde, hat Deutschland in der Informationstechno-
logie eine internationale Vorreiterrolle. Diese Technologiekompetenz gilt es
weiterhin auszubauen.
Die Expertengruppe unter Leitung von Wim Kok sowie die Europäische Kom-
mission haben darauf hingewiesen, dass es Aufgabe der Mitgliedstaaten sei,
Strukturreformen durchzusetzen und die nationalen Innovationskapazitäten zu
verbessern.
Eine Rolle der Kommission als „moralische Instanz“, die Gruppendisziplin und
den Reformeifer der Mitgliedstaaten durch „naming“, „shaming“, „blaming“ zu
praktizieren, ist aufgrund der Komplexität der Reformen und der erforderlichen
sozialen Zumutbarkeit und Akzeptanz in den Mitgliedstaaten jedoch nicht
angemessen. Stattdessen setzt sich der Deutsche Bundestag für eine kontinuier-
liche partnerschaftliche Zusammenarbeit ein. Einem solchen partnerschaftlichen
Ansatz sollten auch die nationalen Aktionspläne der Mitgliedstaaten folgen. Der
im Prozess der offenen Koordinierung angelegte Benchmarkingprozess bietet
auch Vorteile für die Umsetzung von Reformen, denn er kann den Legitima-
tionsdruck auf die nationalen Regierungen erhöhen.
Die Bundesregierung hat in Deutschland mit der Agenda 2010 ein konsistentes
Gesamtpaket struktureller Reformen auf denWeg gebracht, das sich in die euro-
päische Reformagenda einfügt. Die Bundesregierung verfolgt mit dieser Agenda
das Ziel einer Überwindung der Wachstumsschwäche Deutschlands, die seit
mehreren Jahren zu verzeichnen ist.
Der Deutsche Bundestag unterstützt die Reformpolitik der Bundesregierung und
bekräftigt, dass damit ein entscheidender Beitrag zur Modernisierung von Wirt-
schaft und Gesellschaft geleistet wird. Der Deutsche Bundestag stellt fest, dass
die Reformmaßnahmen unabdingbare Schritte auf dem Weg zur Erhaltung so-
wie zukunftsgerichteten und generationengerechten Modernisierung unseres
Sozialsystems, zur Stärkung des Investitionsstandorts Deutschland, zu mehr
Wettbewerbsfähigkeit, Wachstum und Beschäftigung sind. Er unterstreicht
zugleich, dass eine europäische Wettbewerbsfähigkeitsstrategie, die die soziale
Dimension und die Erhaltung von Arbeitnehmerrechten miteinbezieht sowie die
so genannten Win-win-Möglichkeiten im Bereich der Technologie- und Öko-
Innovationen ausschöpft, am effektivsten positive Arbeitsmarkteffekte schafft.
Ausschließlich Deregulierung ist nicht die Antwort auf die komplexen Fragen
von Reformprozessen im Rahmen der Lissabon-Strategie.
Mit der Verwirklichung der Hartz-Reformen hat die rot-grüne Regierungskoa-
lition innerhalb eines Jahres die größte Arbeitsmarktreform in der Geschichte
unserer Republik durchgesetzt. Diese Leistung hebt auch der gemeinsame
Beschäftigungsbericht 2004/2005 von Kommission und Rat besonders positiv
hervor. Die angestoßenen Reformen brauchen für die Entfaltung ihrer Wirkung
Zeit. Die stärkere Aufmerksamkeit der Wirtschaftspolitik auf die Binnennach-
frage und die nachhaltige Sicherung von Investitionen unterstützt den begonne-
nen Reformprozess. Im Rahmen des Reformprozesses für mehr Wachstum und
Beschäftigung sollte der Stärkung von privaten und öffentlichen Investitionen
besondere Bedeutung beigemessen werden. Dabei spielt die Stärkung der Inves-
titionskraft kleiner und mittlerer Unternehmen ebenso eine wichtige Rolle wie
die Stärkung des Verbrauchervertrauens.
Die mit der Agenda 2010 eingeleiteten Maßnahmen sind ein wichtiges Signal
für die Reformfähigkeit Deutschlands. Weitere Reformmaßnahmen müssen und
werden folgen. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf, in
ihren Reformanstrengungen nicht nachzulassen.

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 7 – Drucksache 15/5116

Die nachhaltige Konsolidierung der öffentlichen Finanzen sowie die Sicherung
der Zukunftsfähigkeit unserer sozialen Sicherungssysteme sind von entscheiden-
der Bedeutung. Der Deutsche Bundestag unterstützt die Verpflichtung Deutsch-
lands sowie aller Mitgliedstaaten, im Rahmen des Stabilitäts- und Wachstums-
paktes dauerhaft solide öffentliche Finanzen sicherzustellen. Der Deutsche
Bundestag sieht den Stabilitäts- undWachstumspakt als ein sinnvolles Regelwerk
in der EU an. Der Deutsche Bundestag unterstützt daher die Forderung der Bun-
desregierung sowie denKommissionsvorschlag, den Stabilitäts- undWachstums-
pakt entsprechend der veränderten ökonomischen Rahmenbedingungen sinnvoll
weiterzuentwickeln. Ausgehend von den zentralen Vertragskriterien zur Ober-
grenze beim gesamtstaatlichen Defizit sowie dem Schuldenstand ist die Anwen-
dung des Stabilitäts- undWachstumspaktes stärker am Einzelfall und an den wirt-
schaftlichen Rahmenbedingungen auszurichten.
Die Lissabon-Strategie wird nur erfolgreich sein, wenn Zielkonflikte zwischen
einzelnen Politikfeldern zwischen den EU-Mitgliedstaaten und der europäischen
Ebene in einen konsistenten Politikansatz und eine kohärente Strategie eingebet-
tet werden.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,
1. die Kohärenz der europäischen und nationalen Politiken zu verstärken und

das partnerschaftliche Zusammenwirken zwischen Europäischer Kommis-
sion, Europäischem Parlament und Rat unter umfassender Einbeziehung der
nationalen Parlamente zu verbessern. Nur so kann das ehrgeizige Ziel der
Lissabon-Strategie erreicht und die Wettbewerbsfähigkeit Europas gegen-
über anderen Weltregionen nachhaltig und langfristig verbessert werden;

2. eine Partnerschaft für Wachstum und Beschäftigung sowohl in Europa als
auch in den Mitgliedstaaten voranzutreiben und sich an der Diskussion auf
europäischer Ebene zur konkreten Ausgestaltung dieser Partnerschaft aktiv
zu beteiligen. Diese Partnerschaft wird vor allem dann erfolgreich sein, wenn
alle Beteiligten ihre Stärken und Kompetenzen angemessen einbringen kön-
nen und auch die politischen Akteure in den Mitgliedstaaten frühzeitig und
effizient in diesen Prozess eingebunden werden;

3. darauf hinzuwirken, dass bei der Konkretisierung des Kommissionsansatzes
einer „Partnerschaft für Wachstum und Beschäftigung“ zwischen der EU und
den Mitgliedstaaten auch dem Ziel des sozialen Zusammenhalts Rechnung
getragen wird. Dabei müssen unter Berücksichtigung der Stärken und Kom-
petenzen, die nationalen und europäischen Verfahren vereinfacht und die
nationalen Akteure besser in die politische Planung auf europäischer Ebene
eingebunden werden. Die Festlegung länderspezifischer Maßnahmen kann
nur durch die Mitgliedstaaten erfolgen. Der Deutsche Bundestag begrüßt,
dass in jedemMitgliedstaat ein einheitlicher Ansprechpartner (von der Kom-
mission als „Mr./Mrs. Lissabon“ bezeichnet) benannt werden soll. Dies wird
die effiziente und kohärente Umsetzung der Lissabon-Strategie ermöglichen;

4. darauf hinzuwirken, dass der Deutsche Bundestag bei der Erstellung und
Umsetzung des Nationalen Aktionsplanes, frühzeitig und umfassend infor-
miert und die Zusammenarbeit mit ihm sichergestellt werden soll, damit eine
effektive parlamentarische Begleitung gewährleistet werden kann. Auch die
Sozialpartner und die Zivilgesellschaft müssen in diesen Konsultations-
prozess der Bundesregierung miteinbezogen werden, damit eine öffentliche
Begleitung sichergestellt werden kann;

5. sich dafür einzusetzen, die Agenda der Lissabon-Strategie thematisch zu
fokussieren und dazu beizutragen, dass ihre Umsetzung von bürokratischen
Hemmnissen befreit wird. Eine unter ordnungspolitischen Gesichtspunkten
bewertete Entbürokratisierung muss auf europäischer und nationaler Ebene

Drucksache 15/5116 – 8 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

stattfinden. Der Deutsche Bundestag unterstützt die Bemühungen der Bun-
desregierung, die Strategie stärker auf die Kernziele nachhaltiges Wachstum
und qualifizierte Beschäftigung auszurichten, die Binnennachfrage zu stär-
ken, die Investitionskraft kleiner und mittlerer Unternehmen zu stärken,
wobei die Gesamtbalance zwischen sozialen und Umweltbelangen einerseits
und wirtschaftspolitischen andererseits gewahrt werden muss;

6. darauf hinzuwirken, dass vor dem Hintergrund des sich verschärfenden
Standortwettbewerbs der Stärkung der industriellen Wettbewerbsfähigkeit
sowie der Stimulierung von Innovation undWettbewerbsfähigkeit noch mehr
Aufmerksamkeit beigemessen wird. Dazu gehören u. a. Investitionen in For-
schung und Entwicklung insbesondere für junge innovative Unternehmen
sowie eine verbesserte Folgenabschätzung europäischer Gesetzgebungs-
vorhaben auch mit Blick auf Beschäftigungs- und Umweltwirkungen, ein
weiterer Bürokratieabbau auf allen Ebenen, die Durchsetzung des Aktions-
planes zur Modernisierung des Gesellschaftsrechts und zur Kontrolle und
Führung von Unternehmen, aber auch der Erhalt der Mitbestimmung als
wichtiger Faktor für den sozialen Frieden und als Produktivfaktor;

7. im Rahmen der Lissabon-Strategie die Energie- und Ressourceneffizienz
deutlich zu berücksichtigen. Mit ökologischen Innovationen werden neue
Beschäftigungspotentiale geschaffen, Produktionskosten reduziert und damit
auch für diesen Bereich europäische Wettbewerbsfähigkeit gestärkt. Die
Empfehlung des Kok-Berichtes, Umweltschutz und Umwelttechnologien als
einen Wettbewerbsvorteil zu beachten, ist genauso wie Umwelt- und
Ressourcenschutz Voraussetzung für eine nachhaltige Entwicklung. Nach-
haltige Produktions- und Verbrauchsmuster sind ebenso von Bedeutung wie
Ökoeffizienz und die Stärkung von Umwelttechnologien;

8. sich dafür einzusetzen, dass die beschäftigungspolitische Dimension noch
konsequenter als bisher in allen Politikbereichen der Gemeinschaft berück-
sichtigt wird. Denn die Komplexität der Reformen und Anpassungen macht
eine noch engere Verflechtung mit anderen Politikfeldern wie der Binnen-
markt- und Industriepolitik und der Wettbewerbs- und Handelspolitik erfor-
derlich. Die Investitionen in Bildung, Forschung und Infrastruktur sind wich-
tige Impulsgeber in einer solchen Gesamtstrategie. Der Modernisierung des
europäischen Wirtschafts- und Sozialmodells, der Verringerung der Arbeits-
losigkeit, Erhöhung der Beschäftigungsquote und Verminderung von Armut
und sozialer Ausgrenzung muss weiterhin höchste Aufmerksamkeit beige-
messen werden. Hierbei kommt, wie auch von der Sachverständigengruppe
unter Leitung von Wim Kok nachdrücklich betont, der Entwicklung einer
Strategie zur Förderung lebensbegleitendem Lernen auf nationaler und
europäischer Ebene entscheidende Bedeutung zu. Die Bundesregierung setzt
alles daran, den Anteil der unter 25-Jährigen, an Weiter- oder Ausbildungs-
maßnahmen, zu erhöhen. Gleichzeitig gilt es, Barrieren am Arbeitsplatz und
solche, die gesellschaftlich bedingt sind, abzubauen, um einen höheren Anteil
von älteren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, Frauen sowie anderen
bislang unterrepräsentierten Personengruppen am Arbeitsmarkt zu erreichen.
Die Reduzierung der Abgabelasten auf Arbeitseinkommen bleibt ein wich-
tiges Ziel;

9. darauf hinzuwirken, die auf dem Barcelona-Gipfel 2002 gesetzten Ziele für
die Kinderbetreuung zu erreichen. Dazu gehören der Ausbau der Kinder-
betreuung für unter 3-Jährige (TAG) über die Entlastung der Kommunen und
auch das Programm für Ganztagsschulen, das den Ländern eine Förderung
von 4 Mrd. Euro zur Verfügung stellt. Dabei müssen innerstaatlich von
Ländern und Kommunen diese Instrumente stärker genutzt und in vollem
Umfang für diese Ziele eingesetzt werden;

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 9 – Drucksache 15/5116

10. sich dafür einzusetzen, die Dienste von allgemeinen Interesse im Kommu-
nal- und Sozialbereich zu wahren und weiterzuentwickeln;

11. sich dafür einzusetzen, das 7. Forschungsrahmenprogramm der EU inhalt-
lich und finanziell so auszugestalten, dass es einen deutlichen Beitrag zur
Erreichung des 3-Prozent-Ziels auf dem Weg zur Wissensgesellschaft und
damit für mehr Wachstum und Beschäftigung leistet. Dabei müssen ins-
besondere die Stärkung der europäischen Grundlagenforschung und die
besonderen Bedingungen der KMU berücksichtigt werden. Zentrales Kri-
terium der europäischen Forschungsförderung und Projektauswahl muss
Exzellenz sein. Insgesamt muss die Effizienz der Mittelverwendung hin-
sichtlich ihrer Wirkung auf den Arbeitsmarkt und das Innovationspotenzial
in Zukunftsbranchen gesteigert werden, um mehr Investitionen in Wissen
und Bildung zu erreichen;

12. sich dafür einzusetzen die gesamte Palette von Instrumenten zur Umsetzung
der sozialpolitischen Agenda, wie Rechtsvorschriften, den sozialen Dialog,
die Strukturpolitik wie z. B. den Europäischen Sozialfonds, dieMethode der
offenen Koordinierung sowie die Maßnahmen der Mitgliedstaaten noch
intensiver und kohärenter zu nutzen. Die Bürgerinnen und Bürger müssen in
die Lage versetzt werden, die anstehenden Veränderungen zu bewältigen
und als Chance zu begreifen. Einer aktiven Verbraucherpolitik und demVer-
brauchervertrauen kommt bei der Herstellung eines gemeinsamen Binnen-
marktes eine besondere Bedeutung zu. Die soziale und ökologische Markt-
wirtschaft bleibt dabei unser Leitmotiv;

13. zur Unterstützung des gesellschaftlichen Wandels bedarf es in den EU-Mit-
gliedstaaten entwickelter, nationaler Strategien für das lebensbegleitende
Lernen, die mit den Sozialpartnern entwickelt worden sind, einer Strategie
für das Altern der Gesellschaft und der Ausarbeitung einer europäischen
Vorgehensweise zur Steuerung der Zuwanderung mit dem Ziel der besseren
Integration von Zuwanderern und bereits im Lande ansässiger ethnischer
Minderheiten;

14. sich dafür einzusetzen, dass die Dienstleistungsrichtlinie zum Erreichen der
sozialen Ziele, wie sie in der neuen Verfassung der EU beschlossen sind, so-
wie zur Erhaltung der Qualität der öffentlichen Dienstleistungen für alle
Bürger sowie der Daseinsvorsorge beiträgt. Die Bundesregierung soll sich
bei den Verhandlungen über die EU-Dienstleistungsrichtlinie unter Berück-
sichtigung des Subsidiaritätsprinzips für die berechtigten Schutzbelange
u. a. im Sozial-, Gesundheits-, Ökologie-, Transport-, Bildungs-, Kultur-,
Audiovisuellen Dienstleistungsbereich sowie im Daseinsvorsorgebereich
und beim Verbraucherschutz einsetzen. Die EU-Dienstleistungsrichtlinie
darf auf keinen Fall zu einemDumping bei der Entlohnung und den Arbeits-
bedingungen führen oder die fundamentalen Rechte der Arbeitnehmer
beeinträchtigen, die in den nationalen Gesetzgebungen der europäischen
Länder oder in nationalen Kollektivverträgen niedergelegt sind. Harmo-
nisierung und gegenseitige Anerkennung auf hohem Qualitätsniveau müs-
sen im Rahmen der Subsidiarität die Grundlagen des europäischen Binnen-
marktes für Dienstleistungen sein, ebenso der zügige Abbau unnötiger
bürokratischer Hemmnisse bei gleichen Chancen für inländische und aus-
ländische Anbieter. Das Herkunftslandsprinzip kann grundsätzlich nur in
den Bereichen Anwendung finden, in denen eine europäische Harmoni-
sierung erreicht ist. Die öffentliche Kontrolle muss in jedem Fall bei den
nationalen Behörden des Landes verbleiben, in dem die Dienstleistungen
erbracht werden;

15. dafür einzutreten, dass die Lissabon-Strategie dazu genutzt wird, wichtige
nationale und europäische Instrumente für die Herstellung eines sozialen
Zusammenhalts beizubehalten. Dabei muss sichergestellt werden, dass

Drucksache 15/5116 – 10 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

deren Umsetzung im Einklang mit diesen Instrumenten und Zielen steht.
Durch ein effizientes Zusammenwirken der europäischen und nationalen
Strukturpolitik (im Rahmen der von der Bundesregierung und anderen Mit-
gliedstaaten geforderten Ausgabenbegrenzung des künftigen EU-Haushal-
tes) und eine entsprechende Ausgestaltung der europäischen Wettbewerbs-
politik muss es auch künftig möglich sein, strukturschwache Regionen, je
nach ihrer Bedürftigkeit gezielt unterstützen zu können. Eine stärkere Be-
teiligung der Regionen und ihrer Vertreter an der Verfolgung und Verwirk-
lichung der Lissabon-Ziele muss sichergestellt werden;

16. künftig sicherzustellen, dass Gesetze und Verordnungen auf Wachstums-,
Umwelt- und Sozialverträglichkeit überprüft werden und das Ergebnis der
Überprüfung dokumentiert wird;

17. darauf hinzuwirken, dass die Erreichung der Lissabonziele nicht dazu be-
nutzt wird, einseitige und unrealistische Forderungen an den EU-Haushalt
für den Zeitraum 2007 bis 2013 zu stellen und insbesondere den Nettozah-
lern erhebliche zusätzliche Belastungen aufzubürden. Auch im Bereich der
Haushalts- und Finanzpolitik muss der Grundsatz der Kohärenz gelten. Es
wäre den Bürgerinnen und Bürgern nicht vermittelbar, einerseits in den
nationalen Haushalten einen strikten Konsolidierungskurs zu verfolgen, um
die Kriterien des Stabilitäts- und Wachstumspaktes zu erfüllen, andererseits
aber die Ausgaben für den EU-Haushalt massiv zu erhöhen;

18. sich weiterhin dafür einzusetzen, auf europäischer Ebene eine Weiterent-
wicklung des Stabilitäts- und Wachstumspakts zu erreichen, die die allge-
meinen wirtschaftlichen, Rahmenbedingungen sowie die Solidarleistungen
eines Mitgliedstaates berücksichtigt, um in Zukunft eine stärker auf das
Wirtschaftswachstum sowie auf die Nachhaltigkeit der öffentlichen Finan-
zen ausgerichtete Anwendung des Paktes zu gewährleisten;

19. dafür Sorge zu tragen, dass die Vermittlung der Lissabon-Strategie und die
Kommunikation ihrer Bedeutung gegenüber der Bevölkerung in Deutsch-
land umgehend verbessert wird.

Berlin, den 16. März 2005
Franz Müntefering und Fraktion
Katrin Göring-Eckardt, Krista Sager und Fraktion

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