BT-Drucksache 15/1575

Sicherung von Standort und Know-how des deutschen Seeschiffbaus

Vom 24. September 2003


Deutscher Bundestag Drucksache 15/1575
15. Wahlperiode 24. 09. 2003

Antrag
der Abgeordneten Dr. Margrit Wetzel, Klaus Brandner, Gerd Andres, Doris Barnett,
Dr. Hans-Peter Bartels, Uwe Beckmeyer, Dr. Axel Berg, Hans-Werner Bertl,
Bernhard Brinkmann (Hildesheim), Dr. Michael Bürsch, Sebastian Edathy, Karin
Evers-Meyer, Annette Faße, Monika Griefahn, Gabriele Groneberg, Wolfgang
Grotthaus, Hans-Joachim Hacker, Bettina Hagedorn, Anke Hartnagel, Hubertus
Heil, Rolf Hempelmann, Petra Heß, Monika Heubaum, Gabriele Hiller-Ohm, Iris
Hoffmann (Wismar), Walter Hoffmann (Darmstadt), Jann-Peter Janssen, Johannes
Kahrs, Hans-Ulrich Klose, Rolf Kramer, Anette Kramme, Volker Kröning, Angelika
Krüger-Leißner, Christian Lange (Backnang), Gabriele Lösekrug-Möller,
Götz-Peter Lohmann, Dr. Christine Lucyga, Dirk Manzewski, Lothar Mark, Caren
Marks, Ulrike Mehl, Angelika Mertens, Christian Müller (Zittau), Gesine Multhaupt,
Volker Neumann (Bramsche), Holger Ortel, Dr. Wilhelm Priesmeier, Dr. Carola
Reimann, Reinhold Robbe, Dr. Ernst Dieter Rossmann, Karin Roth (Esslingen),
Ortwin Runde, Thomas Sauer, Horst Schild, Wilhelm Schmidt (Salzgitter), Olaf
Scholz, Wilfried Schreck, Brigitte Schulte (Hameln), Dr. Martin Schwanholz,
Dr. Sigrid Skarpelis-Sperk, Dr. Cornelie Sonntag-Wolgast, Joachim Stünker,
Franz Thönnes, Hans-Jürgen Uhl, Hedi Wegener, Dr. Rainer Wend, Inge
Wettig-Danielmeier, Engelbert Wistuba, Dr. Wolfgang Wodarg, Franz Müntefering
und der Fraktion der SPD
sowie der Abgeordneten Werner Schulz (Berlin), Volker Beck (Köln),
Anja Hajduk, Fritz Kuhn, Katrin Göring-Eckardt, Krista Sager
und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Sicherung von Standort und Know-how des deutschen Seeschiffbaus

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:
Der Deutsche Bundestag unterstreicht die Schlüsselrolle von Werften, Häfen
und Schifffahrt für die deutsche Küstenwirtschaft an Nord- und Ostsee und für
die deutsche Volkswirtschaft insgesamt.
Der Deutsche Bundestag unterstützt die Politik der Bundesregierung zur Siche-
rung und Erhöhung der Wettbewerbsfähigkeit des maritimen Standortes
Deutschland, zur Sicherung von Beschäftigung, Wertschöpfung und Ausbil-
dung, zur Durchsetzung hoher maritimer Schiffssicherheits- und Umweltstan-
dards sowie der international vereinbarten Maßnahmen der Gefahrenabwehr
gegen Terrorismus.

Drucksache 15/1575 – 2 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

Der Deutsche Bundestag kennt die schwierige Situation, in der sich zurzeit die
deutsche Schiffbauindustrie befindet. Auf dem durch koreanische Dumping-
preise gestörten Schiffbauweltmarkt kann der deutsche Handelsschiffbau
gegenwärtig oft nur dank auftragsbezogener Beihilfen neue Aufträge akqui-
rieren. Auch deshalb sind von den Unternehmen zu leistende umfassende
Strukturverbesserungen unabdingbar, um einen wettbewerbsfähigen Schiffbau-
standort Deutschland zu sichern. Für diesen Strukturwandel sind günstige poli-
tische Rahmenbedingungen erforderlich.

II. Der Deutsche Bundestag begrüßt:
l Die Initiativen der Bundesregierung zur Einsetzung eines Maritimen Koor-

dinators und der Einberufung regelmäßiger Nationaler Maritimer Konferen-
zen als Foren für die breite Diskussion zwischen Unternehmen, Gewerk-
schaften, Politik und Wissenschaft der Themen der Zukunftssicherung des
maritimen Standortes Deutschland, insbesondere auch des deutschen Schiff-
baus und der Meerestechnik.
Auf der Dritten Nationalen Maritimen Konferenz in Lübeck am 26. Mai
2003 haben die Lage der deutschen Werften und die vor ihnen stehenden
Herausforderungen einen breiten Raum eingenommen.

l Die Ankündigung der Bundesregierung einer Vierten Nationalen Maritimen
Konferenz. Mit der konsequenten Weiterführung ihrer Politik des Dialoges
setzt die Bundesregierung ihre „Leitlinien zur Förderung der Maritimen
Wirtschaft“ um, durch aufeinander abgestimmte Maßnahmen Deutschlands
internationale Wettbewerbsfähigkeit auch als Schiffbaustandort zu erhalten
und verbessern.

l Die auf der Dritten Nationalen Maritimen Konferenz in Lübeck erklärte Ab-
sicht der Bundesregierung, zwischen den Konferenzen regelmäßige Ergeb-
nis- bzw. Fortschrittskontrollen vorzunehmen, um effizient und ergebnis-
orientiert die politische Umsetzung der Konferenzergebnisse in allen
Bereichen sicherzustellen.

Der Deutsche Bundestag begrüßt
die Initiative „LeaderSHIP 2015“ des europäischen Schiffbauverbandes CESA.
Die Initiative fordert u. a., die europäischen Werften müssten ihre führende
Rolle im Markt für komplexe Handelsschiffe (z. B. Passagierschiffe und Spezi-
alschiffe) stärken, aber parallel dazu auch eine qualifizierte Präsenz in Segmen-
ten des Marktes für Standardschiffe (z. B. Containerschiffe) erhalten.
Dieses Nebeneinander von zwei unterschiedlichen Bereichen des Schiffbaus ist
für die deutsche Schiffbauindustrie typisch: Im Passagier- und Spezialschiffbau
erfolgreiche, zumeist kleine oder mittelständische Werften arbeiten neben gro-
ßen, Containerschiffe bauenden Werften, die auf einem sehr schwierigen Markt
speziell in Konkurrenz zu Korea stehen.
Für das im europäischen Maßstab große Schiffbauland Deutschland ist der Bau
von Standardschiffen in Serie, wie z. B. Containerschiffen für den Charter-
markt, zukünftig unverzichtbar. Nur in diesem Bereich lassen sich große
Marktvolumina und entsprechende Beschäftigungseffekte erreichen.
Die erforderlichen Strukturverbesserungen innerhalb der deutschen Schiffbau-
industrie sind in erster Linie von den Unternehmen selbst zu leisten, müssen
jedoch im Interesse der Sicherung und Schaffung von wettbewerbsfähigen
Arbeitsplätzen durch entsprechende Rahmenbedingungen begleitet und wirk-
sam gefördert werden. „LeaderSHIP 2015“ enthält auch hierfür Vorschläge und
Forderungen.

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 3 – Drucksache 15/1575

Der Deutsche Bundestag begrüßt
l die Absicht der Bundesregierung, zur Flankierung von Strukturverbesserun-

gen in der deutschen Schiffbauindustrie eine besser den Bedürfnissen des
Schiffbaus entsprechende Förderung von Forschung und Entwicklung sowie
anwendungsorientierter Innovation einzuführen. Dabei sind auch umwelt-
freundliche Antriebstechnologien wie Biotreibstoffe und Windantriebe zu
erforschen.
In den aktuellen Haushaltsplanungen ist ein 60 Mio. Euro-Programm für die
Jahre 2004 bis 2007 vorgesehen.
In diese Förderung wird die gesamte Wertschöpfungskette beginnend bei der
Schiffbauzulieferindustrie bis zu den Schiffswerften einbezogen. Es sollen
beispielsweise Darlehen für innovative schiffbauliche Komponenten oder
innovative Schiffsentwicklungen (Prototypen) gewährt werden, die bei ei-
nem Erfolg der Innovationen zurückzuzahlen sind. Sie sollen zugleich zu
Verbesserungen der Strukturen des deutschen Schiffbaus führen.

l Die Initiative der Bundesregierung, mit der sie sich (wie z. B. bei der 3. Na-
tionalen Maritimen Konferenz am 26. Mai 2003 in Lübeck) bei der mari-
timen Industrie dafür einsetzt, dass sich die Unternehmen in Schiffbau und
Meerestechnik über ihre bisherige Ausbildung hinaus freiwillig an einer zu-
sätzlichen Ausbildungsinitiative beteiligen.

l Die Haltung der Bundesregierung gegenüber der EU-Kommission, nach-
drücklich und konsequent darauf hinzuwirken, dass neue EU-Regelungen
über staatliche Beihilfen für den Schiffbau (Nachfolge der Verordnung (EG)
Nr. 1540/98) notwendige Strukturverbesserungen des deutschen Schiffbaus
effektiv unterstützen, eine wirkungsvolle Förderung von Forschung und
Entwicklung sowie marktnaher, anwendungsorientierter schiffbaulicher In-
novation zulassen sowie einen deutlichen Bürokratieabbau ermöglichen
(Verzicht auf Einzelnotifizierungen).

l Die sich abzeichnenden Ergebnisse aus Verhandlungen der Bundesregierung
mit der EU-Kommission über die Zulässigkeit von Landesbürgschaften für
Schiffbaukredite.

l Die Ergänzung bewährter vorhandener Instrumente der deutschen Schiffs-
finanzierung durch Übernahme des auf Basis der neuen OECD-Exportkre-
ditvereinbarung geregelten CIRR-Systems (Commercial Interest Reference
Rate).

l Die Haltung der Bundesregierung, in den von der EU-Kommission geführ-
ten Verhandlungen über ein neues OECD-Schiffbauübereinkommen mög-
lichst schnell zu einem Ergebnis zu kommen. Damit wird die Schaffung
eines praktikablen und wirksamen weltweiten Wettbewerbsrahmens gefor-
dert, der den Abbau von Stützungsmaßnahmen, das Verbot schädigender
Preisgestaltung und ein Streitschlichtungsverfahren regelt.

III. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,
1. rechtzeitig darauf hinzuwirken, dass bei einer Verlängerung des WTO-

Streitbeilegungsverfahrens gegen Südkorea und dem Fortbestehen der Wett-
bewerbsverzerrungen auf dem Schiffbauweltmarkt den deutschen und euro-
päischen Werften auch weiterhin mit befristeten Schutzmaßnahmen gegen
Preisdumping geholfen werden kann. Zum 31. März 2004 läuft die EU-Ver-
ordnung (EG) Nr. 1177/2002 aus, in der die befristeten Schutzmaßnahmen
geregelt sind. Die Tatsache, dass Südkorea bei der WTO eine „Gegenklage“
gegen die Schiffbaupolitik der EU eingereicht hat, lässt die Befürchtung zu,

Drucksache 15/1575 – 4 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode
dass das WTO-Verfahren nicht bis Ende März 2004 abgeschlossen werden
kann.

2. die Anstrengungen der meerestechnischen Industrie, sich verstärkt neue
Märkte zu erschließen, im Rahmen der geltenden Finanzplanung wirksam
zu flankieren. Hier kommt es vor allem darauf an, dass das Antragsverfahren
im Bereich der FuE- und Innovationsförderung effektiver gestaltet, Koope-
rationen und Vernetzungen gefördert und die internationale Vermarktung
deutscher Meerestechnik unterstützt werden.

3. bei der Veräußerung einer großen deutschen Werft konsequent im Interesse
der Erhaltung des Werftstandortes und der Sicherung des deutschen Know-
hows im Marineschiffbau auf ein zukunftsorientiertes wirtschaftliches Kon-
zept hinzuwirken, das sich auch in zukünftige europäische Strukturen ein-
fügt.
Die Förderung einer Marinewerftenlösung mit dem Ergebnis eines starken
Marinewerftenverbundes und der Sicherung des deutschen Einflusses wäre
ein wesentlicher Beitrag zu den notwendigen Strukturverbesserungen in der
deutschen Schiffbauindustrie.
Dazu notwendig sind auch Änderungen in der Außenwirtschaftsgesetz-
gebung des Bundes.

Berlin, den 24. September 2003
Franz Müntefering und Fraktion
Katrin Göring-Eckardt, Krista Sager und Fraktion

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