BT-Drucksache 14/3370

Entwurf eines Gesetzes zur Verlängerung der Besetzungsreduktion bei Strafkammern

Vom 16. Mai 2000


Deutscher Bundestag Drucksache 14/3370
14. Wahlperiode 16. 05. 2000

Gesetzentwurf
der Abgeordneten Alfred Hartenbach, Joachim Stüncker, Hermann Bachmaier,
Anni Brandt-Elsweier, Bernhard Brinkmann (Hildesheim), Dr. Michael Bürsch,
Dr. Peter Wilhelm Danckert, Sebastian Edathy, Arne Fuhrmann, Hans-Joachim
Hacker, Nina Hauer, Anette Kramme, Christine Lambrecht, Winfried Mante,
Dirk Manzewski, Dr. Jürgen Meyer (Ulm), Volker Neumann (Bramsche), Margot
von Renesse, Wilhelm Schmidt (Salzgitter), Carsten Schneider, Richard
Schuhmann (Delitzsch), Erika Simm, Wieland Sorge, Ludwig Stiegler, Joachim
Stüncker, Rüdiger Veit, Ute Vogt (Pforzheim), Hedi Wegener, Dr. Rainer Wend,
Inge Wettig-Danielmeier, Barbara Wittig, Dr. Peter Struck und der Fraktion der SPD
sowie der Abgeordneten Volker Beck (Köln), Christian Ströbele, Irmingard
Schewe-Gerigk, Helmut Wilhelm (Amberg), Kerstin Müller (Köln), Rezzo Schlauch
und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Entwurf eines Gesetzes zur Verlängerung der Besetzungsreduktion
bei Strafkammern

A. Problem

Die Möglichkeit der großen Straf-, Wirtschaftsstraf- und Jugendkammern, in ge-
eigneten Fällen in reduzierter Besetzung mit zwei statt drei Berufsrichtern zu
verhandeln (Besetzungsreduktion), zuletzt verlängert durch Artikel 3 des Geset-
zes vom 22. Dezember 1997 (BGBl. I S. 3223), läuft am 31. Dezember 2000 aus.

B. Lösung

Die Geltungsdauer der entsprechenden Bestimmungen im Gerichtsverfas-
sungsgesetz und im Jugendgerichtsgesetz wird bis zum 31. Dezember 2002
verlängert.

Darüber hinaus sieht der Entwurf vor, dass die Unabänderlichkeit der Beset-
zungsentscheidung bei den großen Strafkammern, den Senaten der Oberlandes-
gerichte und den großen Jugendkammern bei Zurückverweisung einer Sache
durch das Revisionsgericht entfällt.

C. Alternativen

Keine

D. Kosten

Keine

Drucksache 14/3370 – 2 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Entwurf eines Gesetzes zur Verlängerung der Besetzungsreduktion
bei Strafkammern

Der Bundestag hat das folgende Gesetz beschlossen:

Artikel 1

In Artikel 15 Abs. 2 des Gesetzes zur Entlastung der
Rechtspflege vom 11. Januar 1993 (BGBl. I S. 50), das
durch Artikel 3 des Gesetzes vom 22. Dezember 1997
(BGBl. I S. 3223) geändert worden ist, wird die Angabe
„31. Dezember 2000“ durch die Angabe „31. Dezember
2002“ ersetzt.

Artikel 2

Änderung des Gerichtsverfassungsgesetzes

Das Gerichtsverfassungsgesetz in der Fassung der Be-
kanntmachung vom 9. Mai 1975 (BGBl. I S. 1077), zuletzt
geändert durch ..., wird wie folgt geändert:

1. Dem § 76 Abs. 2 wird folgender Satz angefügt:

„Ist eine Sache vom Revisionsgericht zurückverwiesen
worden, kann die nunmehr zuständige Strafkammer er-
neut nach Satz 1 über ihre Besetzung beschließen.“

2. Dem § 122 Abs. 2 wird folgender Satz angefügt:

„Ist eine Sache vom Revisionsgericht zurückverwiesen
worden, kann der nunmehr zuständige Strafsenat erneut
nach Satz 2 über seine Besetzung beschließen.“

Artikel 3

Änderung des Jugendgerichtsgesetzes

Dem § 33b Abs. 2 des Jugendgerichtsgesetzes in der
Fassung der Bekanntmachung vom 11. Dezember 1974
(BGBl. I S. 3427), das zuletzt durch ... geändert worden ist,
wird folgender Satz angefügt:

„Ist eine Sache vom Revisionsgericht zurückverwiesen
worden, kann die nunmehr zuständige Jugendkammer er-
neut nach Satz 1 über ihre Besetzung beschließen.“

Artikel 4

Inkrafttreten

Dieses Gesetz tritt am Tage nach der Verkündung in
Kraft.

Berlin, den 16. Mai 2000

Dr. Peter Struck und Fraktion
Kerstin Müller (Köln), Rezzo Schlauch und Fraktion

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 3 – Drucksache 14/3370

Begründung

Allgemeine Begründung

Gemäß § 76 Abs. 1 des Gerichtsverfassungsgesetzes (GVG)
sind die großen Strafkammern mit drei Berufsrichtern und
zwei Schöffen besetzt. Dies gilt ausnahmslos, sofern die
große Strafkammer als Schwurgericht entscheidet. Im Übri-
gen hat das Gesetz zur Entlastung der Rechtspflege vom
11. Januar 1993 (RpflEntlG, BGBl. I S. 50) in § 76 Abs. 2
GVG für die großen Strafkammern die Möglichkeit einge-
führt, in der Hauptverhandlung in der Besetzung mit zwei
Berufsrichtern und zwei Schöffen zu verhandeln, sofern
nicht nach Umfang oder Schwierigkeit der Sache die Mit-
wirkung eines dritten Richters notwendig erscheint. Eine
ähnliche Regelung ist in Artikel 7 Nr. 2 RpflEntlG für die
großen Jugendkammern getroffen worden (§ 33b Abs. 2 des
Jugendgerichtsgesetzes).

Diese Maßnahmen galten zunächst befristet bis zum
28. Februar 1998 (Artikel 15 RpflEntlG). Mit Artikel 3 des
Gesetzes zur weiteren Verlängerung strafrechtlicher Ver-
jährungsfristen und zur Änderung des Gesetzes zur Entlas-
tung der Rechtspflege vom 22. Dezember 1997 (BGBl. I
S. 3223) wurden sie bis zum 31. Dezember 2000 verlängert,
da die Notsituation der Justiz in den neuen Ländern noch
nicht behoben war und weitere Erfahrungen mit der Be-
setzungsreduktion abgewartet werden sollten.

Die Bundesregierung hat dem Deutschen Bundestag im Fe-
bruar 2000 einen Bericht über die mit der Besetzungsreduk-
tion gesammelten Erfahrungen vorgelegt. Darin kommt die
Bundesregierung zu dem Ergebnis, dass sich die Beset-
zungsreduktion in der Praxis bewährt hat. Insbesondere seit
1997 hat der Anteil der Verfahren, in denen von der Beset-
zungsreduktion Gebrauch gemacht wird, in den meisten
Bundesländern noch einmal deutlich zugenommen. Bundes-
weit lag der Anteil der Verfahren mit Besetzungsreduktion
1998 durchschnittlich bei 51,2 %. Am intensivsten machen
die großen Strafkammern von dieser Möglichkeit Gebrauch;
hier liegt in einigen Bundesländern die Ausschöpfung sogar
bei um die 70 %. Die Zahlen bei den großen Wirtschafts-
straf- und Jugendkammern sind uneinheitlicher; dennoch
kann festgestellt werden, dass der Anteil der Verfahren, in
denen diese Spruchkörper eine reduzierte berufsrichterliche
Besetzung beschließen, in den meisten Bundesländern in
den vergangenen Jahren stetig gestiegen ist. Soweit die
Ausschöpfungsdichte von Bundesland zu Bundesland, in-
nerhalb eines Bundeslandes oder innerhalb der Beobach-
tungszeiträume voneinander abweichen, zeigt dies, dass die
Gerichte nicht stereotyp, sondern situationsbedingt und an
den Erfordernissen des Einzelfalles orientiert von der Mög-
lichkeit der verringerten Besetzung Gebrauch machen.

In ihren im Zusammenhang mit dem Bericht abgegebenen
Stellungnahmen hat die Mehrzahl der Bundesländer betont,
dass der Besetzungsreduktion eine effizienzsteigernde Wir-
kung zukomme. Sie erlaube die Abdeckung konkreter
Mehrbelastungen der großen Straf- und Jugendkammern
ohne Einsatz zusätzlichen Personals.

Die Besetzungsreduktion hat daher den bei ihrer Einführung
beabsichtigten Zweck, eine Ausschöpfung der Binnenreser-
ven der Justiz bei gleichzeitiger Sicherung der hohen Quali-
tät richterlicher Entscheidungsfindung zu ermöglichen, er-
füllt. Die Gründe, die den Deutschen Bundestag 1997 zu
einer Verlängerung dieser Maßnahmen veranlasst haben,
bestehen fort. Ein Auslaufen der Regelungen zum Ende des
Jahres 2000 würde die betroffenen Kammern dazu zwingen,
ab Januar 2001 stets wieder in voller Besetzung zu entschei-
den, was zu einer Mehrbelastung führen und gerichtsorgani-
satorische Maßnahmen noch im Jahre 2000 erfordern
würde. Die Verlängerung der entsprechenden Bestimmun-
gen über das Jahr 2000 hinaus ist daher dringend geboten.

Darüber hinaus sieht der Entwurf vor, dass die Unabänder-
lichkeit der Besetzungsentscheidung bei den großen Straf-
kammern, den Senaten der Oberlandesgerichte und den gro-
ßen Jugendkammern bei Zurückverweisung einer Sache
durch das Revisionsgericht entfällt.

Die Verlängerung der Möglichkeit der Besetzungsreduktion
hat keine Auswirkungen auf Einzelpreise, auf das allge-
meine Preisniveau und das Verbraucherpreisniveau.

Zu den einzelnen Vorschriften

Zu Artikel 1

Artikel 1 ändert Artikel 15 Abs. 2 des RpflEntlG, der die
Geltungsdauer der Bestimmungen des § 76 Abs. 2 GVG und
des § 33b Abs. 2 JGG festlegt, und verlängert deren Geltung
bis 31. Dezember 2002. Damit wird die Fortgeltung der Be-
setzungsreduktion auf weitere zwei Jahre befristet.

Die Bundesregierung prüft gegenwärtig die Möglichkeit ei-
ner Reform des Strafverfahrens, deren Ziel es sein soll, die
Verfahren ohne Einbußen bei der Wahrheitsfindung auf die
jeweils entscheidenden Fragen zu konzentrieren. Diese ge-
plante Reform weist Verbindungen zu den Regelungen über
die Besetzung der Spruchkörper auf, die in diesem Zusam-
menhang ebenfalls zu überprüfen sein werden. Die bewähr-
ten Vorschriften sollen daher als Übergangslösung verlän-
gert werden, um sie dann im Zuge einer möglichen Reform
des Strafverfahrens in ein schlüssiges Gesamtkonzept ein-
zupassen.

Zu Artikel 2

Zu Nummer 1

Die Unabänderlichkeit der Besetzungsentscheidung nach
§ 76 Abs. 2 GVG entfällt bei Zurückverweisung einer
Sache durch das Revisionsgericht. In diesen Fällen soll eine
neue Entscheidung über die Besetzung ermöglicht werden.

Zu Nummer 2

In Anlehnung an § 76 Abs. 2 GVG entfällt bei Zurückver-
weisung einer Sache durch das Revisionsgericht die Unab-
änderlichkeit der Besetzungsentscheidung. In diesen Fällen

Drucksache 14/3370 – 4 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

soll eine neue Entscheidung über die Besetzung ermöglicht
werden.

Zu Artikel 3

In Anlehnung an § 76 Abs. 2, § 122 Abs. 2 GVG entfällt die
Unabänderlichkeit der Besetzungsentscheidung bei Zurück-

verweisung einer Sache durch das Revisionsgericht. In die-
sen Fällen soll eine neue Entscheidung über die Besetzung
ermöglicht werden.

Zu Artikel 4

Dieses Gesetz tritt am Tage nach der Verkündung in Kraft.

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