Bundesgerichtshof, Beschluss vom 26.09.2012, Az. IV ZR 208/11

4. Zivilsenat | REWIS RS 2012, 2825

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Beschränkung der Revisionszulassung; Umdeutung der unzulässigen Revision in eine statthafte, unselbständige Anschlussrevision; Kosten der Anschlussrevision nach Revisionsrücknahme


Tenor

Die Beklagte wird, nachdem sie ihre Revision gegen das Urteil des 8. Zivilsenats des [X.] vom 29. September 2011 zurückgenommen hat, dieses Rechtsmittels für verlustig erklärt.

Das als [X.] zu behandelnde Rechtsmittel des Klägers gegen das vorbezeichnete Urteil hat aufgrund der Rücknahme der Revision durch die Beklagte seine Wirkung verloren (§ 554 Abs. 4 ZPO).

Die Kosten des Revisionsverfahrens trägt die Beklagte.

Der [X.] wird auf 3.411,80 € festgesetzt (Revision der Beklagten 2.500 €, [X.] des Klägers 911,80 €).

Gründe

1

I. Der Kläger, ein gemeinnütziger Verbraucherschutzverein, nimmt die Beklagte nach dem Unterlassungsklagengesetz darauf in Anspruch, es zu unterlassen, beim Abschluss von [X.] die von ihr verwandte sogenannte [X.] gemäß § 17 (5) c) cc) ihrer [X.] in neue Versicherungsverträge einzubeziehen oder sich bei der Abwicklung bestehender Verträge auf sie zu berufen.

2

Die [X.] lautet auszugsweise:

"Der Versicherungsnehmer hat … alles zu vermeiden, was eine unnötige Erhöhung der Kosten oder eine Erschwerung ihrer Erstattung durch die Gegenseite verursachen könnte … ."

3

Daneben begehrt der Kläger Erstattung der ihm im Rahmen der vorgerichtlichen Abmahnung entstandenen Anwaltskosten nach einem Streitwert von 25.000 € in Höhe von 911,80 € zuzüglich Zinsen.

4

Das [X.] hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt. Ihre Berufung hatte nur hinsichtlich der zuerkannten vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten Erfolg. Das Berufungsgericht hat die Revision mit der Begründung zugelassen, "die streitgegenständliche Frage betrifft eine Vielzahl von Versicherungsverträgen und ist deshalb von grundsätzlicher Bedeutung".

5

Mit seiner Revision verfolgt der Kläger sein Kostenerstattungsbegehren weiter. Die Beklagte hat ihre danach eingelegte Revision inzwischen zurückgenommen.

6

II. Die Revision des [X.] ist unzulässig.

7

Eine Fortführung als (unselbständige) [X.] ist nach Rücknahme der Revision durch die Beklagte nicht mehr möglich; die Anschließung hat dadurch ihre Wirkung verloren.

8

1. Das Berufungsgericht hat die Revision nur zugunsten der Beklagten, nicht jedoch zugunsten des [X.] zugelassen. Das ergibt sich zwar nicht aus der die Zulassung nicht einschränkenden Entscheidungsformel, aber durch Auslegung der Urteilsgründe.

9

a) Nach ständiger Rechtsprechung des [X.] kann sich eine Beschränkung der Revision auch aus den Entscheidungsgründen ergeben ([X.], Beschlüsse vom 8. Mai 2012 - [X.], [X.], 1211 Rn. 6 und vom 17. April 2012 - [X.]/11, [X.], 728 Rn. 4; Urteil vom 27. September 2011 - II ZR 221/09, [X.], 2223 Rn. 18; jeweils m.w.[X.]). Unter Auslegung des Tenors im Lichte der Urteilsgründe kann eine Beschränkung der Revisionszulassung auf einzelne Prozessparteien in Betracht kommen, sofern die Zulassung zur Klärung einer als grundsätzlich angesehenen Rechtsfrage erfolgt ist, die das Berufungsgericht zum Nachteil nur einer Prozesspartei entschieden hat und von der die andere nicht betroffen ist ([X.], Urteil vom 15. November 2001 - I ZR 264/99, [X.], 964; [X.]/[X.], ZPO 29. Aufl. § 543 Rn. 20). Die Zulassung wirkt dann nicht zugunsten der gegnerischen Partei, die das Urteil aus einem völlig anderen Grunde angreift ([X.], Beschlüsse vom 8. Mai 2012 aaO und vom 11. Juli 1952 - [X.]/52, [X.]Z 7, 62, 63 f.; Urteile vom 5. November 2003 - [X.], NJW-RR 2004, 426 und vom 24. Mai 1995 - [X.], [X.]Z 130, 50, 59; jeweils m.w.[X.]). Eine solche Beschränkung bei unbeschränkter Zulassung im [X.] ist aber nur anzuerkennen, wenn sie sich klar und eindeutig den Entscheidungsgründen entnehmen lässt ([X.], Urteile vom 10. Mai 2012 - [X.], [X.], 1351 Rn. 11; vom 29. Januar 2003 - [X.], [X.]Z 153, 358, 361 f. und vom 3. Dezember 1987 - [X.], [X.]Z 102, 293, 295).

b) Das ist hier der Fall.

Das Berufungsgericht hat die Revision ausdrücklich mit Blick auf die von der streitgegenständlichen Frage betroffene Vielzahl von Versicherungsverträgen zugelassen. Dieser Bezug besteht aber nur zu der vom Unterlassungsbegehren des [X.] erfassten [X.], wie sie in den gängigen Allgemeinen Versicherungsbedingungen von Rechtsschutzversicherungen enthalten ist (vgl. nur [X.] 94 § 17 (5) c) cc) und [X.] 75 § 15 (1) d) cc) - abgedruckt in [X.]/[X.]/Armbrüster, [X.].; [X.] 2000 § 17 (5) c) cc) - abgedruckt in [X.]/[X.] 17 (5) c) cc) - abgedruckt in [X.]/[X.]/Armbrüster, [X.]). Die Frage einer Erstattungsfähigkeit von vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten weist einen solchen Bezug entgegen der Auffassung der Revision des [X.] nicht auf. Sie wird nicht in Versicherungsverträgen behandelt, sondern richtet sich gemäß §§ 5 [X.], 12 Abs. 1 Satz 2 UWG danach, ob die Aufwendungen erforderlich sind. Damit ist die Erstattungsfrage kein Spezifikum von Versicherungsverträgen, sie stellt sich vielmehr generell im Rahmen von Abmahnungen bei Unterlassungsbegehren jedweder Art. Zulassungsfähige Fragen zu Versicherungsverträgen einschließlich der einbezogenen Versicherungsbedingungen im Allgemeinen und der streitgegenständlichen [X.] im Besonderen werden davon nicht angesprochen.

Das Berufungsgericht hat damit deutlich zum Ausdruck gebracht, dass es nur der Beklagten Gelegenheit hat geben wollen, seine Entscheidung zu der von ihm angenommenen Intransparenz der [X.] überprüfen zu lassen. Die vom Kläger angegriffenen Feststellungen zur fehlenden Notwendigkeit, bei der Abmahnung einen Rechtsanwalt einzuschalten, hat das Berufungsgericht dagegen nicht zur Überprüfung gestellt. Die Entscheidungsgründe belegen, dass es insoweit nicht von umstrittenen und klärungsbedürftigen Rechtsgrundsätzen ausgegangen ist. Ein Wille, die Revision über den zugesprochenen Teil der Klage hinaus auch für die [X.]eite zuzulassen, ist ihnen nicht zu entnehmen. Dafür gibt es auch sonst keinen erkennbaren Anhalt.

2. Die Revision des [X.] kann auch nicht als [X.] fortgeführt werden.

Die - nach Umdeutung der unzulässigen Revision - entstandene statthafte [X.] hat durch die Revisionsrücknahme der Beklagten ihre Wirkung verloren, § 554 Abs. 4 ZPO. Darüber ist allein noch (deklaratorisch) und nicht mehr über die Hauptrevision zu befinden. Über ein eingelegtes Rechtsmittel ist einheitlich zu entscheiden, auch wenn das [X.] unzulässig war und erst zu einem späteren Zeitpunkt als Anschlussrechtsmittel fortgeführt wird (zum Ganzen [X.], Urteil vom 8. Mai 2012 aaO Rn. 9 m.w.[X.]).

3. Die Kosten des Revisionsverfahrens hat die Beklagte zu tragen, §§ 97 Abs. 1, 516 Abs. 3 Satz 1, 565 ZPO.

Nach ständiger Rechtsprechung des [X.], der sich der [X.] schon frühzeitig angeschlossen hat, sind Rechtsmittelklägern grundsätzlich auch die Kosten eines zulässig erhobenen [X.] aufzuerlegen, wenn dieses infolge Rücknahme des Rechtsmittels seine Wirkung verliert ([X.], 343, 345; 95, 121 f.; [X.], Beschlüsse vom 17. Dezember 1951 - [X.], [X.]Z 4, 229, 235; vom 26. Januar 2005 - [X.], NJW-RR 2005, 727 f. und vom 23. Februar 2005 - II ZR 147/03, NJW-RR 2005, 651). Der Rechtsmittelführer hat es durch eine in seinem Belieben stehende Rücknahme in der Hand, eine gerichtliche Sachentscheidung auch über das Anschlussrechtsmittel, das kein eigenständiges Rechtsmittel, sondern lediglich ein Angriff innerhalb des vom Gegner geführten Rechtsmittelverfahrens ist, zu verhindern. Das rechtfertigt es, ihn auch insoweit als Unterlegenen anzusehen, der nach den gesetzlichen Regeln die Kosten zu tragen hat.

Auch im Falle der Umdeutung einer unzulässigen Revision in eine (unselbständige) [X.] kann nichts anderes gelten ([X.], Beschluss vom 8. Mai 2012 - [X.], [X.], 1211 Rn. 12; zur Berufung: [X.], Beschluss vom 7. Februar 2007 - [X.], [X.], 631 f. m.[X.] zum [X.] bei wechselseitigen Berufungen).

Der erkennende Senat schließt sich dieser Rechtsauffassung an. Die vorgenannte Begründung zur grundsätzlichen Kostenverteilung bei zurückgenommenem [X.] und verbliebenem unselbständigen Anschlussrechtsmittel trägt auch in dieser Fallvariante und zwar unabhängig davon, wann das Rechtsmittel, das nach dem Prozessverlauf als unzulässiges Anschlussrechtsmittel zu qualifizieren ist, eingelegt wurde. Die gesetzliche Kostenverteilung knüpft grundsätzlich daran an, wer im Rechtsstreit unterlegen ist (arg.e. §§ 91, 92, 97, 516 ZPO), und nicht an etwaige Billigkeits- oder Vertrauensschutzerwägungen. Der Unterlegene hat die Kosten zu tragen. Bei Erfolg eines unselbständigen [X.] ist dies der Rechtsmittelführer - gleich, ob das Anschlussrechtsmittel zuvor als selbständig eingelegtes Rechtsmittel unzulässig war. Verhindert dieser durch seine Rücknahme eine gerichtliche Entscheidung über die Erfolgsaussicht des [X.], begibt er sich auch insoweit freiwillig in die Position des Unterlegenen. Auf diese von ihm allein abhängige Gestaltung des [X.] hat der verbliebene Anschlussrechtsmittelführer keine Einflussmöglichkeiten. Gemessen an den Grundsätzen der gesetzlichen Kostenverteilung nach dem Unterliegen und Obsiegen fehlt daher auch in diesen Fällen jede rechtliche Grundlage, ihn als teilweise unterlegenen Kostentragungspflichtigen zu behandeln.

4. Der Revisionsstreitwert wird auf 3.411,80 € festgesetzt. Davon entfallen auf die Revision der Beklagten 2.500 € und auf die [X.] des [X.] 911,80 €. Beide Werte sind gemäß § 45 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 und 3 GKG zusammenzurechnen ([X.], Beschluss vom 8. Mai 2012 aaO Rn. 13 m.[X.]).

a) Das für die Wertfestsetzung der Revision der Beklagten maßgebliche Interesse der Prozesspartei bemisst sich in [X.] gemäß §§ 1, 4 [X.] in [X.] ausschließlich nach dem Interesse der Allgemeinheit an der Beseitigung der gesetzeswidrigen [X.]. Insbesondere kommt der wirtschaftlichen Bedeutung eines [X.]werks bzw. der betroffenen [X.]n ebenso wenig ein maßgebliches Gewicht zu wie dem Zugang zum Revisionsgericht oder etwaigen Gebühreninteressen beteiligter [X.] und des [X.]. Dadurch ist sichergestellt, dass Verbraucherschutzverbände bei der Wahrnehmung der ihnen im Allgemeininteresse eingeräumten Befugnis zur Befreiung des Rechtsverkehrs von unwirksamen Allgemeinen Geschäftsbedingungen vor Kostenrisiken möglichst geschützt sind ([X.], Beschlüsse vom 28. September 2006 - [X.], NJW-RR 2007, 497; vom 17. September 2003 - [X.], [X.], 131; vom 18. Juli 2000 - [X.], NJW-RR 2001, 352; jeweils m.w.[X.] und ständig; [X.], Beschluss vom 1. Juli 2011 - 7 W 25/11).

Bei der Bewertung dieses allein maßgeblichen Allgemeininteresses hat sich in der Praxis - von der Rechtsprechung und Literatur einhellig gebilligt - ein Regelstreitwert von 2.500 € pro zu kontrollierender [X.] als angemessen herausgebildet, wovon unter Berücksichtigung einer gewissen [X.] eines klagenden [X.] je nach den Besonderheiten des Einzelfalles nach oben oder nach unten abgewichen werden kann (vgl. vorstehend [X.] aaO und Urteil vom 8. Februar 2011 - [X.], juris; aus der obergerichtlichen Rechtsprechung vgl. [X.] aaO; [X.], Urteil vom 30. September 2010 - 2 U 1388/09, juris Rn. 58, 71; [X.], 703 = juris; [X.], Urteil vom 30. Juni 2005 - 6 U 19/05, juris Rn. 22; [X.]/[X.], ZPO 29. Aufl. § 3 Rn. 16 Stichwort "Allgemeine Geschäftsbedingungen"; jeweils m.w.[X.]). Umstände, die im Streitfall eine solche Abweichung rechtfertigen könnten, sind weder ausreichend dargetan noch sonst ersichtlich. Mit Blick auf die Bewertungspraxis gerade auch zur gerichtlichen Überprüfung einer einzelnen [X.]-[X.] (vgl. [X.] aaO) und der vom Kläger angestrengten zahlreichen gleichartigen Unterlassungsklagen zu der streitgegenständlichen [X.] und des dadurch kumulierten Kostenrisikos ([X.] aaO) fehlt es im Gegenteil an Anhaltspunkten, die die Angemessenheit des [X.] in Zweifel ziehen könnten. Auch in den vom Kläger vorgelegten Beschlüssen des [X.] (vom 16. November 2011 - 12 W 54/11) und des [X.] in [X.] (vom 18. April 2012 - 2 U 6/11) werden solche streitwertrelevanten Gesichtspunkte nicht aufgezeigt.

b) Die vom Kläger geltend gemachten vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten sind nicht streitwertneutrale Nebenkosten gemäß § 4 Abs. 1 ZPO, § 43 Abs. 1 GKG, sondern für die [X.] Hauptforderung und bestimmen deren Streitwert (vgl. [X.], Beschluss vom 8. Mai 2012 aaO Rn. 15).

Mayen                            Wendt                                       Felsch

                Lehmann                          Dr. Brockmöller

Meta

IV ZR 208/11

26.09.2012

Bundesgerichtshof 4. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG Celle, 29. September 2011, Az: 8 U 146/11, Urteil

§ 91 ZPO, § 92 ZPO, § 97 ZPO, § 516 Abs 3 ZPO, § 543 ZPO, § 554 Abs 4 ZPO, § 565 ZPO, § 1 UKlaG, § 4 UKlaG, § 5 UKlaG, § 17 Abs 5 Buchst c DBuchst cc ARB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 26.09.2012, Az. IV ZR 208/11 (REWIS RS 2012, 2825)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 2825

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen
Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.