Bundesgerichtshof, Urteil vom 09.10.2014, Az. III ZR 68/14

3. Zivilsenat | REWIS RS 2014, 2292

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Gegenstand

Winterdienstpflicht in Berlin: Haftungsprivileg für ein im Auftrag der Berliner Stadtreinigungsbetriebe tätiges Privatunternehmen bei Verletzung der Räum- und Streupflicht


Leitsatz

1. Der den Berliner Stadtreinigungsbetrieben (BSR) nach dem Berliner Straßenreinigungsgesetz zugewiesene Winterdienst (hier: im Bereich von Straßenbahnhaltestellen) stellt eine hoheitliche Aufgabe dar.

2. Beauftragt die BSR ein Privatunternehmen mit der Wahrnehmung des Winterdienstes, so handeln dessen Mitarbeiter in Ausübung eines ihnen anvertrauten öffentlichen Amtes im Sinne von Art. 34 Satz 1 GG mit der Folge, dass das Privatunternehmen für Verletzungen der Räum- und Streupflicht dritten Geschädigten gegenüber deliktsrechtlich nicht haftet.

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des 20. Zivilsenats des [X.] vom 13. Februar 2014 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des [X.] einschließlich der Kosten der Streithelferin der Beklagten werden der Klägerin auferlegt. Die Kosten des Streithelfers der Klägerin hat dieser selbst zu tragen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Klägerin ist eine Berufsgenossenschaft und verlangt von der beklagten Gesellschaft mit beschränkter Haftung aus übergegangenem Recht Schadensersatz. Die Klägerin behauptet, zwei bei ihr versicherte Personen seien am 20. Januar 2010 beziehungsweise am 5. Februar 2010 infolge unzureichenden Winterdienstes der Beklagten auf schneebedeckten Glatteisflächen im Bereich von Straßenbahnhaltestellen in [X.] gestürzt und hierdurch erheblich verletzt worden. Hierbei habe es sich um Arbeitsunfälle gehandelt, für die sie, die Klägerin, Ersatzleistungen von insgesamt 40.567,92 € erbracht habe. Die Räum- und Streupflicht habe den [X.]er Stadtreinigungsbetrieben (im Folgenden: [X.]), einer rechtsfähigen Anstalt des öffentlichen Rechts, der Streithelferin der Beklagten, obgelegen, die diese durch rechtsgeschäftliche Vereinbarung an die Beklagte übertragen habe.

2

Die Parteien haben insbesondere um die Frage der Passivlegitimation der Beklagten gestritten. Die Klägerin hat gemeint, die Beklagte hafte selbst für unzureichenden Winterdienst, weil sie diese Aufgabe übernommen habe. Die Beklagte hat sich demgegenüber darauf berufen, dass es sich bei der Wahrnehmung der Räum- und Streupflicht in den betreffenden [X.] um eine hoheitliche Aufgabe handele mit der Folge, dass sie gemäß Art. 34 Satz 1 GG nicht passiv legitimiert sei.

3

Das [X.] hat die Klage abgewiesen. Das [X.] hat die hiergegen eingelegte Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe

4

Die zulässige Revision ist unbegründet.

I.

5

Das [X.]erufungsgericht (Grundeigentum 2014, 588) hat in Übereinstimmung mit dem [X.] die Passivlegitimation der [X.] verneint und hierzu im Wesentlichen ausgeführt: Die Räum- und Streupflicht sei in [X.] gesetzlich als öffentliche Aufgabe geregelt, die für das Land [X.] von der [X.] hoheitlich durchgeführt werde. Werde diese Pflicht aufgrund eines (privatrechtlichen) Vertrags einem Privatunternehmen - wie hier: der [X.] - übertragen, so handelten deren Mitarbeiter in Ausübung eines öffentlichen Amtes im Sinne von Art. 34 GG und seien somit gegenüber [X.] haftungsrechtlich freigestellt. Für eine Aufspaltung der Räum- und Streupflicht in einen beim Hoheitsträger verbleibenden Überwachungs- und Kontrollteil einerseits und einen dem Privatunternehmen zugewiesenen privatrechtlichen Übertragungsteil andererseits finde sich kein Anhalt. Die [X.]eklagte sei mit der [X.]eauftragung durch die [X.] zum Verwaltungshelfer geworden. Mit der rechtsgeschäftlichen Übertragung auf die [X.]eklagte habe sich der hoheitliche Charakter der Aufgabe nicht geändert. Entscheidend für die Einordnung als Verwaltungshelfer sei nicht die Rechtsform, unter der der [X.]eauftragte tätig werde, sondern die Funktion, die er wahrnehme. Die [X.]eklagte habe gleichsam als "Werkzeug" der [X.] gehandelt. Sie sei an die Vorgaben des [X.]es gebunden gewesen, ein eigener Ermessensspielraum habe ihr nicht zugestanden. Für einen Schuldbeitritt der [X.] gebe es keine Anhaltspunkte. Etwaige Haftungsregelungen im Vertrag zwischen der [X.] und der [X.] beträfen allein das Innenverhältnis zwischen den beiden Vertragsparteien.

II.

6

Diese Würdigung hält der rechtlichen Nachprüfung stand.

7

1. Zutreffend hat das [X.] eine eigene deliktsrechtliche Haftung der [X.] (§§ 823, 31, 831 [X.]. § 116 [X.]) abgelehnt. Diese ist gemäß § 839 [X.]G[X.] in Verbindung mit Art. 34 Satz 1 GG ausgeschlossen, weil die Mitarbeiter der [X.] in Ausübung eines ihnen anvertrauten öffentlichen Amtes gehandelt haben.

8

a) In seinem Anwendungsbereich verdrängt § 839 [X.]G[X.] als vorrangige Spezialregelung konkurrierende Ansprüche aus §§ 823 ff [X.]G[X.] (s. etwa Senatsurteile vom 18. Dezember 1972 - [X.], [X.], 54, 62 f; vom 5. Juli 1990 - [X.], [X.], 74, 75; vom 13. Dezember 2012 - [X.], [X.], 35, 43 Rn. 24 und vom 6. März 2014 - [X.]/12, [X.], 253, 259 Rn. 29 mwN). Im Rahmen der Haftung nach § 839 [X.]G[X.] tritt gemäß Art. 34 Satz 1 GG - im Wege der befreienden Haftungsübernahme - der Staat beziehungsweise die jeweilige [X.] als Anspruchsgegner des Geschädigten an die Stelle dessen, der in Ausübung eines ihm anvertrauten öffentlichen Amtes gehandelt hat; in diesem Falle scheidet eine persönliche Haftung des Amtsträgers gegenüber dem Geschädigten aus (Senat, Urteile vom 17. Februar 1983 - [X.], NVwZ 1983, 763; vom 6. Juli 1989 - [X.], [X.], 230, 232; vom 21. Januar 1993 - [X.], [X.], 161, 163; vom 22. Juni 2006 - [X.], NVwZ 2007, 487 Rn. 6 und vom 6. März 2014 aaO [X.] Rn. 29 mwN; [X.], Urteil vom 18. Februar 2014 - [X.], [X.], 502 Rn. 7).

9

b) Die Mitarbeiter der [X.] haben bei der Wahrnehmung des [X.]es in Ausübung eines ihnen anvertrauten öffentlichen Amtes gehandelt.

aa) Der [X.] an Straßenbahnhaltestellen in [X.] ist, wie das [X.]erufungsgericht zu Recht angenommen hat (s. auch KG, Urteil vom 30. März 2001 - 9 U 8905/99, [X.]eckRS 2001, 11879 Rn. 2 und 12 sowie [X.], 946), eine hoheitliche Aufgabe.

(1) Die öffentlich-rechtliche Körperschaft, der die Verkehrssicherung obliegt (hier das Land [X.]), hat grundsätzlich die Wahl, ob sie dieser Pflicht als Fiskus, also privatrechtlich, oder als Träger öffentlicher Gewalt, also hoheitsrechtlich, genügen will (Senatsurteil vom 18. Dezember 1972 aaO [X.], 58 ff; vgl. auch Senatsurteile vom 5. Juli 1990 aaO [X.] und vom 11. Juni 1992 - [X.], [X.]Z 118, 368, 369).

(2) Gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 des [X.]er [X.]es (in der für die hier streitgegenständlichen Schadensfälle maßgeblichen, vom 1. November 2003 bis zum 27. November 2010 geltenden Fassung) obliegt die ordnungsgemäße Reinigung der in den [X.] und [X.] aufgeführten Straßen - zu der gemäß § 1 Abs. 4 [X.] auch der [X.] gehört - dem Land [X.] als öffentliche Aufgabe für die Anlieger und Hinterlieger. Nach § 4 Abs. 1 Satz 4 [X.] werden die Aufgaben des Landes [X.] von den [X.]er Stadtreinigungsbetrieben ([X.]) als (rechtsfähiger) Anstalt des öffentlichen Rechts hoheitlich durchgeführt (s. dazu auch § 1 Abs. 1 Nr. 1, § 3 Abs. 3 Nr. 2 des [X.]er [X.]etriebe-Gesetzes vom 14. Juli 2006, GV[X.]l. 2006, 827). Für den [X.] bestimmt § 4 Abs. 4 [X.], dass hierzu die Anlieger verpflichtet sind; für Gehwege und Gehwegteile, die keinem Anliegergrundstück zuzuordnen sind, ist der [X.] von der [X.] durchzuführen.

(3) Hiernach wird die [X.] im Rahmen des ihr obliegenden [X.]es für das Land [X.] hoheitlich tätig. Die dagegen erhobenen Einwände der Revision verfangen nicht.

Soweit die Revision darauf hinweist, dass in § 4 Abs. 4 [X.] (ebenso wie in § 3 Abs. 7 [X.]) nicht ausdrücklich von einer "hoheitlichen" [X.]etätigung der [X.] die Rede sei, verkennt dies, dass das [X.]er [X.] die Straßenreinigungspflicht einschließlich des [X.]es generell dem Land [X.] als "öffentliche Aufgabe" zuweist, die von der [X.] "hoheitlich durchgeführt" wird (§ 1 Abs. 4, § 4 Abs. 1 Satz 1 und 4 [X.]).

Eine Differenzierung des rechtlichen Charakters der [X.]etätigung der [X.] zwischen Straßenreinigung und [X.] findet im [X.]er [X.] keinen tragfähigen Anhalt. Ein solcher ergibt sich insbesondere weder aus der nach Straßenreinigung und [X.] unterscheidenden Regelung über die Kostentragung in § 7 Abs. 1 und 6 [X.] noch aus den Gesetzesmaterialien. Die Kostenregelung betrifft allein das interne Abrechnungsverhältnis zwischen dem Land [X.] und der [X.] als Anstalt des öffentlichen Rechts, für die das Land [X.] Gewährträger ist (§ 1 Abs. 1 Nr. 1, § 5 [X.]er [X.]etriebe-Gesetz). Sie gibt keine Grundlage dafür, die Wahrnehmung des [X.]es als nichthoheitliche Aufgabe einzuordnen. Dass die zusätzlichen Kosten des von der [X.] wahrzunehmenden [X.]es allein vom Land [X.] zu tragen sind, spricht weit mehr dafür, den [X.] als Aufgabe des Landes [X.] anzusehen, denn - wie die Revision es meint - als (von vornherein "eigene", nichthoheitliche) Aufgabe der [X.]. Entsprechendes gilt für die von der Revision herangezogene Vorlage des Senats von [X.] zum Siebten Gesetz zur Änderung des [X.]es vom 14. September 2010 (Abgeordnetenhaus von [X.], Drucks. 16/3460). Danach sollte angesichts der vielen Unfälle im Winter 2009/2010 die Durchführung des [X.]es in [X.] anstelle der Anlieger, die für den gehwegseitigen [X.] verantwortlich waren, nunmehr "komplett" auf die [X.] übertragen werden (aaO Vorlage, S. 1 f und Gesetzesentwurf mit [X.]egründung, S. 12). In der Gesetzesbegründung zu § 4 Abs. 4a [X.] nF (aaO S. 12) heißt es, dass der [X.] in den öffentlichen Plätzen "als hoheitliche Aufgabe ebenfalls auf die [X.]er Stadtreinigungsbetriebe übertragen" werde. Dies weist bestärkend darauf hin, dass der Landesgesetzgeber die [X.]etätigung der [X.] im [X.]ereich des [X.]es insgesamt als "hoheitlich" ansieht. Die [X.]egriffe "Verantwortung der [X.]" oder "Sache der [X.]" sagen nichts Gegenteiliges, sondern bringen nur zum Ausdruck, dass die Durchführung der Aufgabe (hier: des [X.]es) bei der [X.] liegt.

bb) Die [X.]eklagte hat die hoheitliche Aufgabe des [X.]es aufgrund der vertraglichen Vereinbarung mit der [X.] ihrerseits als Amtsträger im Sinne von Art. 34 Satz 1 GG wahrgenommen.

(1) Ob sich das Handeln einer Person als Ausübung eines ihr anvertrauten öffentlichen Amtes darstellt, bestimmt sich danach, ob die eigentliche Zielsetzung, in deren Sinn der [X.]etreffende tätig wird, hoheitlicher Tätigkeit zuzurechnen ist und ob zwischen dieser Zielsetzung und der schädigenden Handlung ein so enger äußerer und innerer Zusammenhang besteht, dass die Handlung ebenfalls als noch dem [X.]ereich hoheitlicher [X.]etätigung angehörend angesehen werden muss. Dabei ist nicht auf die Person des Handelnden, sondern auf seine Funktion, das heißt auf die Aufgabe, deren Wahrnehmung die im konkreten Fall ausgeübte Tätigkeit dient, abzustellen (st. Rspr.; s. nur Senat, Urteil vom 14. Mai 2009 - [X.], [X.]Z 181, 65, 67 Rn. 10; [X.]eschluss vom 31. März 2011 - [X.], NVwZ-RR 2011, 556 Rn. 7; Urteile vom 15. September 2011 - [X.], [X.]Z 191, 71, 75 f Rn. 13 und vom 6. März 2014 aaO [X.] Rn. 31 mwN). Hiernach können auch Mitarbeiter eines privaten Unternehmens Amtsträger im haftungsrechtlichen Sinne sein. Dies kommt neben den Fällen der [X.]eleihung eines Privatunternehmens mit hoheitlichen Aufgaben auch dann in [X.]etracht, wenn Private als Verwaltungshelfer bei der Erledigung hoheitlicher Aufgaben tätig werden (vgl. Senat, Urteile vom 21. Januar 1993 aaO [X.]; vom 14. Oktober 2004 - [X.], [X.]Z 161, 6, 10 und vom 2. Februar 2006 - [X.], [X.], 966 Rn. 7). Dafür ist erforderlich, dass ein innerer Zusammenhang und eine engere [X.]eziehung zwischen der [X.]etätigung des [X.] und der hoheitlichen Aufgabe besteht, wobei die öffentliche Hand in so weitgehendem Maße auf die Durchführung der Arbeiten Einfluss nimmt, dass der Private gleichsam als bloßes "Werkzeug" oder "Erfüllungsgehilfe" des [X.] handelt und dieser die Tätigkeit des [X.] deshalb wie eine eigene gegen sich gelten lassen muss (s. dazu Senat, Urteile vom 19. Januar 1984 - [X.], NJW 1985, 677, 678; vom 21. Januar 1993 aaO; [X.]eschluss vom 31. März 2011 aaO [X.] Rn. 9 und Urteil vom 15. September 2011 aaO [X.] Rn. 13; vgl. auch Senatsurteile vom 2. Februar 2006 aaO und vom 14. Mai 2009 aaO [X.] Rn. 18 sowie [X.], Urteil vom 18. Februar 2014 aaO Rn. 5). Je stärker der hoheitliche Charakter der Aufgabe in den Vordergrund tritt, je enger die Verbindung zwischen der übertragenen Tätigkeit und der von der öffentlichen Hand zu erfüllenden hoheitlichen Aufgabe und je begrenzter der Entscheidungsspielraum des [X.] ist, desto näher liegt es, ihn als [X.]eamten im haftungsrechtlichen Sinne anzusehen. Jedenfalls im [X.]ereich der [X.] kann sich die öffentliche Hand der Amtshaftung für fehlerhaftes Verhalten ihrer [X.]ediensteten grundsätzlich nicht dadurch entziehen, dass sie die Durchführung einer Maßnahme durch privatrechtlichen Vertrag auf einen privaten Unternehmer überträgt (Senat, Urteile vom 21. Januar 1993 aaO [X.] und vom 14. Oktober 2004 aaO [X.]; [X.], Urteil vom 18. Februar 2014 aaO mwN).

(2) Nach diesen Grundsätzen hat das [X.] die [X.]eklagte zu Recht als Verwaltungshelfer eingeordnet, dessen Handeln oder Unterlassen sich die öffentliche Hand wie eine eigene (Un-)Tätigkeit zurechnen lassen muss.

Schaltet die öffentliche Hand für die Wahrnehmung der hoheitlich ausgestalteten Räum- und Streupflicht im Wege der rechtsgeschäftlichen Vereinbarung einen privaten Unternehmer ein, so handeln die Mitarbeiter dieses Unternehmens wie "Werkzeuge" oder "verlängerte Arme" des [X.]. Relevante eigene Entscheidungsspielräume stehen ihnen nicht zu, da sie bei der Erledigung dieser Aufgabe an die gleichen Vorgaben gebunden sind wie die öffentliche Hand (vgl. für ähnliche Fallgestaltungen auch [X.], NVwZ-RR 2009, 863 f; [X.], NVwZ-RR 2010, 955 f). Die vom Land [X.] als rechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts errichtete [X.] kann sich ihrer Amtshaftung für unzureichenden [X.] nicht durch die Einschaltung Privater entledigen. Mit dem Amtshaftungsanspruch bekommt der Geschädigte einen solventen Anspruchsgegner, was bei einem Schadensersatzanspruch gegen ein Privatunternehmen nicht stets der Fall wäre. Das [X.] des § 839 Abs. 1 Satz 2 [X.]G[X.] bringt dem Geschädigten insoweit keine Nachteile, weil diese Regelung auf die Haftung der öffentlichen Hand wegen Verletzung der Verkehrssicherungspflicht nicht anwendbar ist (s. Senatsurteile vom 11. Juni 1992 aaO [X.] ff und vom 1. Juli 1993 - [X.], [X.]Z 123, 102, 104 ff).

Entgegen der Ansicht der Revision hat die [X.]eauftragung eines [X.] mit der Erledigung der hoheitlichen Räum- und Streupflicht somit - anders als bei der Abwälzung von Straßenverkehrssicherungspflichten auf die Anlieger und deren Auftragserteilung an Dritte (s. dazu Senatsurteil vom 11. Juni 1992 aaO [X.] und [X.], Urteil vom 22. Januar 2008 - [X.], [X.], 1440, 1441 Rn. 9 mwN) - nicht zur Folge, dass die haftungsrechtliche Verantwortung der öffentlichen Hand auf die Verletzung von Kontroll- und Überwachungspflichten verkürzt wird. Die Aufgabe wird hier im Rechtssinne nicht auf den [X.] "delegiert", sondern dieser wird lediglich als Helfer oder "Werkzeug" der öffentlichen Hand tätig.

cc) Soweit die Revision für den Schadensfall vom 20. Januar 2010 ("Fall H.         ") geltend machen möchte, dass nicht die [X.]eklagte, sondern ein von der [X.] beauftragter Subunternehmer eingeschaltet worden sei, steht dies im Widerspruch zu der vom [X.]erufungsgericht getroffenen Feststellung, wonach das Vorbringen der Klägerin darin bestanden hat, dass die "mit der [X.] beauftragte [X.]eklagte … nicht geräumt habe". Diese Feststellung ist für das Revisionsgericht bindend (§ 559 Abs. 1, § 314 ZPO), nachdem ein [X.] nicht gestellt worden ist (s. dazu [X.], Urteile vom 8. Januar 2007 - II ZR 334/04, NJW-RR 2007, 1434, 1435 Rn. 11; vom 1. Dezember 2008 - [X.], [X.]Z 179, 71, 79 f Rn. 16 und vom 16. Dezember 2010 - I ZR 161/08, [X.], 1513, 1514 Rn. 12). Einen anderslautenden Parteivortrag in den Vorinstanzen zeigt die Revision auch nicht auf. Abgesehen davon wäre dieser Vortrag in der Sache selbst unerheblich, denn die Einschaltung von Subunternehmern ändert für sich genommen nicht die Rechtsnatur der hoheitlichen [X.]etätigung der [X.].

dd) Ebenso ohne Erfolg rügt die Revision bezüglich des Schadensfalls vom 5. Februar 2010 ("[X.].    "), dass die [X.]eklagte insoweit nicht von der [X.], sondern von den [X.]er Verkehrs-[X.]etrieben ([X.]VG) - einer anderen vom Land [X.] errichteten rechtsfähigen Anstalt des öffentlichen Rechts (§ 1 Abs. 1 Nr. 2 [X.]er [X.]etriebe-Gesetz) - mit der Wahrnehmung des [X.]es beauftragt worden sei. Auch hier zeigt die Revision keinen dahin gehenden Parteivortrag in den Vorinstanzen auf. Nach den tatbestandlichen Feststellungen des [X.]erufungsgerichts hat die Klägerin vorgebracht, dass die [X.]eklagte "von der Streithelferin zu 2 (nachfolgend: [X.]) mit der [X.] beauftragt" worden sei. Auch diese Feststellung ist für das Revisionsgericht bindend (§ 559 Abs. 1, § 314 ZPO), nachdem ein [X.] nicht angebracht worden ist.

2. Ohne Erfolg bleibt der Versuch der Revision, die Schadensersatzforderung der Klägerin aus übergegangenem Recht ihrer Versicherten gegen die [X.]eklagte (auch) aus einem Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter herzuleiten.

a) Das durch die Rechtsprechung entwickelte [X.] mit Schutzwirkung zugunsten Dritter beruht auf einer maßgeblich durch das Prinzip von Treu und Glauben (§ 242 [X.]G[X.]) geprägten ergänzenden Vertragsauslegung (§ 157 [X.]G[X.]). Danach wird ein Dritter in die aus einem Vertrag folgenden Sorgfalts- und Schutzpflichten einbezogen, wenn er mit der Hauptleistung nach dem Inhalt des Vertrags bestimmungsgemäß in [X.]erührung kommen soll, ein schutzwürdiges Interesse des Gläubigers an der Einbeziehung des [X.] besteht, den Interessen des Schuldners durch Erkennbarkeit und Zumutbarkeit der Haftungserweiterung Rechnung getragen wird und der Dritte schutzbedürftig ist (s. nur [X.], Urteil vom 18. Februar 2014 aaO [X.] Rn. 9 und Senatsurteil vom 24. Oktober 2013 - [X.], [X.]eckRS 2013, 20079 Rn. 12 , jeweils mwN).

b) Zu den danach erforderlichen Voraussetzungen für die Annahme eines Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter (hier zugunsten der Versicherten der Klägerin) hat die Klägerin in den Vorinstanzen indessen nichts vorgebracht. Sie hat sich dort auf dieses Rechtsinstitut nicht berufen und insbesondere keinen Vortrag zur insoweit maßgeblichen Auslegung des Vertrags zwischen der [X.] und der [X.] gehalten. Dementsprechend hat das [X.]erufungsgericht hierzu keine Würdigung vorgenommen. Eine Nachholung des erforderlichen Tatsachenvortrags in der Revisionsinstanz ist der Klägerin versagt (§ 559 Abs. 1 ZPO). Es braucht daher nicht entschieden zu werden, ob der Geschädigte nach den vorstehend beschriebenen Grundsätzen angesichts des ihm zustehenden Amtshaftungsanspruchs schutzbedürftig ist.

3. Nach alledem scheidet eine Haftung der [X.] gegenüber der Klägerin beziehungsweise deren Versicherten aus. Passiv legitimiert ist gemäß Art. 34 Satz 1 GG die [X.], der die Durchführung der Straßenreinigung einschließlich des [X.]es als hoheitliche Aufgabe obliegt und die die [X.]eklagte und deren Mitarbeiter als Verwaltungshelfer mit der Wahrnehmung des [X.]es betraut hat. Die [X.] kann als rechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts haftpflichtige Körperschaft im Sinne des Art. 34 Satz 1 GG sein; ob ihr beamtenrechtliche Dienstherreneigenschaft zukommt, ist dabei ohne [X.]elang (s. Senatsurteil vom 22. Oktober 2009 - [X.], [X.], 346, 348 Rn. 15, 17 mwN).

Schlick                      Herrmann                       Hucke

              Tombrink                       Remmert

Meta

III ZR 68/14

09.10.2014

Bundesgerichtshof 3. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend KG Berlin, 13. Februar 2014, Az: 20 U 141/13

§ 839 BGB, Art 34 S 1 GG, § 4 StrReinG BE

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 09.10.2014, Az. III ZR 68/14 (REWIS RS 2014, 2292)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 2292

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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