Bundesfinanzhof, Urteil vom 29.04.2014, Az. VIII R 9/13

8. Senat | REWIS RS 2014, 6047

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Gegenstand

(Anwendung des Abgeltungsteuersatzes bei Kapitalerträgen aus Darlehen zwischen Angehörigen i.S. des § 15 AO - Verfassungsmäßigkeit der Abgeltungsteuer)


Leitsatz

1. Die Privilegierung der Einkünfte aus Kapitalvermögen, die nach § 32d Abs. 1 EStG in Höhe von 25 % besteuert werden, gegenüber anderen progressiv besteuerten Einkunftsarten ist verfassungsgemäß .

2. Die Anwendung des gesonderten Steuertarifs für Einkünfte aus Kapitalvermögen gemäß § 32d Abs. 1 EStG ist nicht schon deshalb nach § 32d Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a EStG ausgeschlossen, weil Gläubiger und Schuldner der Kapitalerträge Angehörige i.S. des § 15 AO sind. Diese einschränkende Auslegung des Ausschlusstatbestands entspricht dem Willen des Gesetzgebers und ist auch aus verfassungsrechtlichen Gründen geboten .

3. Gewährt der Steuerpflichtige seinen Abkömmlingen ein Darlehen zur Anschaffung einer fremdvermieteten Immobilie und ist der Darlehensvertrag nach dem Maßstab des Fremdvergleichs der Besteuerung zugrunde zu legen, kann nicht bereits aufgrund des Fehlens einer Besicherung oder der Regelung über eine Vorfälligkeitsentschädigung auf eine missbräuchliche Gestaltung zur Ausnutzung des Abgeltungsteuersatzes geschlossen werden. Dies gilt auch dann, wenn aufgrund des Steuersatzgefälles bei dem Gläubiger und Schuldner der Kapitalerträge ein sog. Gesamtbelastungsvorteil entsteht .

Tatbestand

1

I. Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind [X.]heleute, die im [X.]treitjahr 2009 zusammen zur [X.]inkommensteuer veranlagt wurden.

2

In den Jahren 2007 und 2008 schlossen sie mit ihrem [X.] ([X.]) und ihren volljährigen [X.]nkeln ([X.] und [X.]) schriftliche Verträge über die Gewährung festverzinslicher Darlehen in Höhe von 650.000 € ([X.]), 110.000 € ([X.] 1) und 100.000 € ([X.] 2) ab. Die unbesicherten Darlehen dienten der Anschaffung fremdvermieteter Objekte durch die Darlehensnehmer. [X.]ine Vereinbarung über eine Vorfälligkeitsentschädigung wurde nicht getroffen. Die Kläger erzielten im [X.]treitjahr 2009 aus den Darlehen Kapitalerträge in Höhe von insgesamt 28.812 €.

3

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --[X.]--) berücksichtigte im [X.]inkommensteuerbescheid für das [X.]treitjahr diese Zinserträge als Kapitaleinkünfte, die der tariflichen [X.]inkommensteuer unterliegen. Mit ihrem [X.]inspruch machten die Kläger geltend, dass der gesonderte [X.]teuertarif für [X.]inkünfte aus Kapitalvermögen in Höhe von 25 % Anwendung finde (§ 32d Abs. 1 des [X.]inkommensteuergesetzes i.d.F. des [X.]treitjahres --[X.][X.]tG--). Das [X.] wies den [X.]inspruch zurück, da gemäß § 32d Abs. 2 [X.]atz 1 Nr. 1 Buchst. a [X.][X.]tG die Anwendung des [X.]es ausgeschlossen sei, wenn Gläubiger und [X.]chuldner der Kapitalerträge einander nahestehende Personen seien. Die hiergegen erhobene Klage wies das [X.] ([X.]) mit seinem in [X.]ntscheidungen der [X.]e 2012, 2009 veröffentlichten Urteil vom 18. Juni 2012  15 K 417/10 ab.

4

Am 21. Oktober 2013 erging aufgrund der Mitteilung über [X.] ein nach § 175 Abs. 1 [X.]atz 1 Nr. 1 der Abgabenordnung ([X.]) geänderter [X.]inkommensteuerbescheid für das [X.]treitjahr, der die [X.]treitfrage dieses Revisionsverfahrens nicht berührt.

5

Die Kläger tragen zur Begründung ihrer Revision vor, dass allein aus dem Verwandtschaftsverhältnis zwischen Darlehensgeber und Darlehensnehmer nicht auf ein Näheverhältnis i.[X.]. des § 32d Abs. 2 [X.]atz 1 Nr. 1 Buchst. a [X.][X.]tG geschlossen werden könne. Hielten die Darlehensverträge einem Fremdvergleich stand, dürfe die Anwendung des gesonderten [X.]teuertarifs für [X.]inkünfte aus Kapitalvermögen nicht versagt werden.

6

Die Kläger beantragen,
das Urteil des Niedersächsischen [X.] vom 18. Juni 2012  15 K 417/10 aufzuheben und unter Änderung des [X.]inkommen-steuerbescheids für 2009 vom 21. Oktober 2013 die tariflich besteuerten [X.]inkünfte aus Kapitalvermögen um 28.812 € zu verringern, die nach § 32d Abs. 1 [X.][X.]tG besteuerten [X.]inkünfte um diesen Betrag zu erhöhen und die [X.]inkommensteuer entsprechend herabzusetzen.

7

Das [X.] beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

8

Der gesonderte [X.]teuertarif für [X.]inkünfte aus Kapitalvermögen komme gemäß § 32d Abs. 2 [X.]atz 1 Nr. 1 Buchst. a [X.][X.]tG vorliegend nicht zur Anwendung, da Gläubiger und [X.]chuldner der Kapitalerträge einander nahestehende Personen seien. Hierdurch würden Familienangehörige nicht gleichheitswidrig benachteiligt, da sich der Ausnahmetatbestand nicht auf Angehörige beschränke, sondern für alle einander nahestehenden Personen gelte. [X.]ine missbräuchliche Gestaltung sei nicht bereits deshalb auszuschließen, weil die Darlehensverträge steuerlich anzuerkennen seien. Die fehlende Besicherung lege als Motiv für die Vertragsgestaltung eine Vermögensverlagerung innerhalb der Familie nahe.

9

Das [X.] ([X.]) ist dem Verfahren beigetreten und schließt sich der Argumentation des [X.] an. Das gesetzgeberische Grundanliegen, dem Abfluss von Kapital in das Ausland durch die [X.]chaffung von Anonymität entgegenzuwirken, werde verfehlt, wenn die [X.]rfassung der [X.]rträge des Darlehensgebers aufgrund des [X.]chuldzinsenabzugs des Darlehensnehmers gesichert sei. Der Unterschied von Darlehensverträgen zwischen fremden Dritten und Familienangehörigen werde deutlich, wenn man die Familie als einheitlichen "Bilanzraum" begreife, in dem der Darlehensnehmer den niedrigeren [X.]teuersatz der Abgeltungsteuer beim Darlehensgeber auch für sich als Vorteil empfinde. Danach stelle der Fremdvergleich hinsichtlich der Darlehensbedingungen kein wirksames Mittel dar, um eine missbräuchliche Ausnutzung der [X.]teuersatzspreizung auszuschließen. Zudem sei es aus fiskalischen Gründen geboten gewesen, den [X.] für Familienangehörige auszuschließen.

Entscheidungsgründe

II. Die Revision ist begründet und der Klage stattzugeben (§ 126 Abs. 3 [X.]atz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--). [X.]ie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abänderung des [X.] für 2009 vom 21. Oktober 2013 mit der Maßgabe, dass die tariflich besteuerten [X.]inkünfte der Kläger aus Kapitalvermögen jeweils um 14.406 € verringert und die nach § 32d Abs. 1 [X.][X.]tG besteuerten [X.]inkünfte um diesen Betrag erhöht werden und die [X.]inkommensteuer entsprechend herabgesetzt wird. Die Berechnung der festzusetzenden [X.]inkommensteuer wird dem [X.] übertragen (§ 100 Abs. 2 [X.]atz 2 i.V.m. § 121 [X.]atz 1 [X.]O).

Das angefochtene Urteil ist bereits aus verfahrensrechtlichen Gründen aufzuheben (II.1.). Die Revision, die sich nach § 68 [X.]atz 1 [X.]O gegen den geänderten [X.]inkommensteuerbescheid vom 21. Oktober 2013 richtet, hat aber auch in der [X.]ache [X.]rfolg. Der während des Revisionsverfahrens erlassene [X.] ist rechtswidrig und dementsprechend zu ändern (§ 100 Abs. 2 [X.]atz 1, § 121 [X.]atz 1 [X.]O). Die von den Klägern gewährten Darlehen halten einem Fremdvergleich stand, sodass ihre daraus erzielten Kapitaleinkünfte der Besteuerung nach § 20 Abs. 1 Nr. 7 [X.][X.]tG unterliegen (II.2.). Jedoch ist der in § 32d Abs. 1 [X.][X.]tG geregelte gesonderte [X.]teuertarif für [X.]inkünfte aus Kapitalvermögen nicht gemäß § 32d Abs. 2 [X.]atz 1 Nr. 1 Buchst. a [X.][X.]tG ausgeschlossen, da zwischen den Klägern und den Darlehensnehmern kein Näheverhältnis im [X.]inne dieser Vorschrift vorlag (II.3.). Die [X.]inkommensteuer für die streitigen Kapitalerträge beträgt danach 25 % (§ 32d Abs. 1 [X.][X.]tG).

1. Das angefochtene Urteil ist bereits aus verfahrensrechtlichen Gründen aufzuheben. Das [X.] hat über den [X.]inkommensteuerbescheid für 2009 vom 7. Oktober 2010 in Gestalt der [X.]inspruchsentscheidung vom 17. November 2010 entschieden. Das [X.] hat im [X.] an das Urteil aufgrund von Mitteilungen über [X.] einen nach § 175 Abs. 1 [X.]atz 1 Nr. 1 AO geänderten [X.]inkommensteuerbescheid erlassen, der an die [X.]telle des ursprünglich mit der Klage angefochtenen [X.]inkommensteuerbescheids getreten ist. Damit liegt dem Urteil des [X.] ein nicht mehr existierender Bescheid zugrunde, sodass es keinen Bestand haben kann (Urteil des [X.] --[X.]-- vom 20. November 2003 IV R 31/02, [X.], 166, [X.], 7, m.w.N.).

Da sich durch die Änderung des Bescheids hinsichtlich der streitigen Punkte keine Änderungen ergaben und die Kläger auch keinen weitergehenden Antrag gestellt haben, bedarf es keiner Zurückverweisung der [X.]ache gemäß § 127 [X.]O. Das finanzgerichtliche Verfahren leidet nicht an einem Verfahrensmangel, sodass die vom [X.] getroffenen tatsächlichen Feststellungen durch die Aufhebung des Urteils nicht weggefallen sind; sie bilden daher nach wie vor die Grundlage für die [X.]ntscheidung des [X.]enats ([X.]-Urteil vom 23. Januar 2003 IV R 71/00, [X.], 269, [X.] 2004, 43).

2. Die Feststellung des [X.], dass die zwischen den Klägern und [X.], [X.] 1 und [X.] abgeschlossenen Darlehensverträge der Besteuerung zugrunde zu legen sind, sodass die von den Klägern erzielten Kapitalerträge der Besteuerung nach § 20 Abs. 1 Nr. 7 [X.][X.]tG unterliegen, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. [X.]s ist bei seiner Gesamtwürdigung von den höchstrichterlichen Maßstäben des Fremdvergleichs bei sog. Anschaffungsdarlehen (hierzu im [X.]inzelnen [X.]-Urteile vom 22. Oktober 2013 [X.], [X.], 516, [X.] 2014, 374; vom 17. Juli 2013 [X.], [X.], 209, [X.] 2013, 1015) ausgegangen, hat alle maßgeblichen Beweisanzeichen einbezogen und dabei nicht gegen Denkgesetze oder [X.]rfahrungssätze verstoßen ([X.]-Urteil vom 23. April 2009 IV R 24/08, [X.], 1427).

Die Darlehen dienten der Finanzierung des [X.]rwerbs von Immobilien zur [X.]rzielung von Vermietungseinkünften durch die Darlehensnehmer. Diese waren nach den Feststellungen des [X.] volljährig und wirtschaftlich unabhängig. Die schriftlich fixierten Vereinbarungen waren tatsächlich gewollt und wurden der Abrede gemäß durchgeführt. [X.]s ist daher revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, dass das [X.] bei einer Gesamtwürdigung die Darlehen der Besteuerung zugrunde gelegt hat, obwohl sie nicht besichert waren und keine Regelung über eine Vorfälligkeitsentschädigung vereinbart worden war ([X.]-Urteil in [X.], 516, [X.] 2014, 374).

3. Jedoch ist im [X.]treitfall der gesonderte [X.]teuertarif für [X.]inkünfte aus Kapitalvermögen gemäß § 32d Abs. 1 [X.][X.]tG nicht nach § 32d Abs. 2 [X.]atz 1 Nr. 1 Buchst. a [X.][X.]tG ausgeschlossen, da keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Kläger als Gläubiger und [X.], [X.] 1 und [X.] als [X.]chuldner der Kapitalerträge einander nahestehende Personen im [X.]inne dieser Vorschrift waren.

a) Gemäß § 32d Abs. 2 [X.]atz 1 Nr. 1 Buchst. a [X.][X.]tG gilt der gesonderte [X.]teuertarif des § 32d Abs. 1 [X.][X.]tG nicht für Kapitaleinkünfte i.[X.]. des § 20 Abs. 1 Nr. 7 [X.][X.]tG, wenn Gläubiger und [X.]chuldner der Kapitalerträge einander nahestehende Personen sind. Das [X.] hat die Anwendung dieses Ausnahmetatbestands in seinen [X.]chreiben vom 22. Dezember 2009 IV C 1-[X.] 2252/08/10004 (B[X.]tBl I 2010, 94) und vom 9. Oktober 2012 IV C 1-[X.] 2252/10/10013 (B[X.]tBl I 2012, 953) --jeweils Rz 134-- für das [X.]treitjahr in verfassungskonformer Rechtsfortbildung dahingehend eingeschränkt, dass der [X.] nur dann ausgeschlossen sein soll, wenn die den Kapitalerträgen entsprechenden Aufwendungen beim [X.]chuldner Betriebsausgaben oder Werbungskosten im Zusammenhang mit [X.]inkünften sind, die der inländischen Besteuerung unterliegen. Dies ist vorliegend der Fall, sodass entscheidungserheblich ist, ob die Kläger als Darlehensgeber und deren Abkömmlinge als Darlehensnehmer einander nahestehende Personen im [X.]inne der gesetzlichen Regelung sind.

b) Bei dem Begriff "einander nahestehende Personen" handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der auslegungsbedürftig ist. Dies steht dem rechtsstaatlichen [X.]rfordernis nach Normenbestimmtheit nicht entgegen, da unüberwindliche [X.] nicht ersichtlich sind.

c) Was unter dem Begriff der "nahestehenden Person" zu verstehen ist, wird im [X.]inkommensteuergesetz selbst nicht geregelt. Zwar ist der Begriff in § 1 Abs. 2 des Außensteuergesetzes (A[X.]tG) und § 138 der Insolvenzordnung ([X.]) gesetzlich definiert. [X.]ine analoge Anwendung ist jedoch aufgrund des unterschiedlichen Zwecks der Regelungen ausgeschlossen. Während es Ziel des § 1 Abs. 2 A[X.]tG ist, das ertragsteuerliche [X.]rgebnis am Maßstab des Fremdvergleichs zu korrigieren, ist nach dem Wortlaut des § 32d Abs. 2 [X.]atz 1 Nr. 1 Buchst. a [X.][X.]tG die Marktüblichkeit der Zinsvereinbarung für den Ausschluss des [X.]es ohne Bedeutung. Gegen eine analoge Anwendung der Definition des § 138 [X.] spricht, dass diese auf einen anderen Regelungsbereich zugeschnitten ist (vgl. auch Urteil des [X.] vom 17. Februar 2011 IX ZR 131/10, [X.], 363). Gleiches gilt für den von der Rechtsprechung des [X.] entwickelten Begriff der "nahestehenden Person" bei einer verdeckten Gewinnausschüttung ([X.], Der [X.]rbschaft-[X.]teuer-Berater --[X.]rb[X.]tB-- 2010, 151, 154; [X.]/ [X.], Betriebs-Berater --BB-- 2008, 2319, 2321; a.[X.]/Treiber, § 32d [X.][X.]tG Rz 69; [X.] in [X.], [X.][X.]tG, 13. Aufl., § 32d Rz 11) und für die Regelung des § 10 Abs. 5 Nr. 1 des Umsatzsteuergesetzes.

d) Nach dem Wortsinn fallen unter den Begriff der "nahestehenden Person" alle natürlichen und juristischen Personen, die zueinander in enger Beziehung stehen. Hierzu gehören auch Angehörige i.[X.]. des § 15 AO, da bei diesem Personenkreis bereits das auf der Verwandtschaft, dem Verlöbnis oder der [X.]heschließung beruhende Näheverhältnis auf eine enge Bindung schließen lässt (so das [X.] in seinen [X.]chreiben in B[X.]tBl I 2010, 94, und in B[X.]tBl I 2012, 953, jeweils Rz 136; [X.]/[X.], [X.][X.]tG, 33. Aufl., § 32d Rz 8; Boochs in [X.], [X.][X.]tG, § 32d [X.][X.]tG Rz 18a; a.A. [X.]torg in [X.], [X.][X.]tG, [X.] 2011, § 32d Rz 20a; [X.]/[X.] in [X.]/[X.]/[X.], § 32d [X.][X.]tG Rz 20; [X.], [X.]rb[X.]tB 2010, 151, 154; [X.]/ [X.], [X.], 2319, 2321; [X.], Deutsches [X.]teuerrecht --D[X.]tR-- 2008, 2189, 2191 ff.; [X.]/Treiber, a.a.[X.], § 32d Rz 69; [X.] in [X.], a.a.[X.], § 32d Rz 11; [X.], D[X.]tR 2007, 1898 f.; [X.]/[X.], Abgeltungsteuer 2011, 3. Aufl., [X.]. 124; [X.]/[X.], [X.], Rz 200 ff.).

Diese weite Auslegung des gesetzlichen Tatbestands widerspricht jedoch dem Willen des Gesetzgebers, den er in der Gesetzesbegründung zu § 32d Abs. 2 [X.]atz 1 Nr. 1 Buchst. a [X.][X.]tG zum Ausdruck gebracht hat. Danach soll ein Näheverhältnis nur dann vorliegen, wenn die Person auf den [X.]teuerpflichtigen einen beherrschenden [X.]influss ausüben kann oder umgekehrt der [X.]teuerpflichtige auf diese Person einen beherrschenden [X.]influss ausüben kann oder eine dritte Person auf beide einen beherrschenden [X.]influss ausüben kann oder die Person oder der [X.]teuerpflichtige imstande ist, bei der Vereinbarung der Bedingungen einer Geschäftsbeziehung auf den [X.]teuerpflichtigen oder die nahestehende Person einen außerhalb dieser Geschäftsbeziehung begründeten [X.]influss auszuüben oder wenn einer von ihnen ein eigenes wirtschaftliches Interesse an der [X.]rzielung der [X.]inkünfte des anderen hat (BTDrucks 16/4841, [X.]. 61). Danach ist ein lediglich aus der Familienangehörigkeit abgeleitetes persönliches Interesse nicht ausreichend, um ein Näheverhältnis i.[X.]. des § 32d Abs. 2 [X.]atz 1 Nr. 1 Buchst. a [X.][X.]tG zu begründen.

Legt man der Auslegung des § 32d Abs. 2 [X.]atz 1 Nr. 1 Buchst. a [X.][X.]tG diese vom Gesetzgeber intendierte Definition des Begriffs der "nahestehenden Person" zugrunde, ist der [X.] vorliegend nicht erfüllt. [X.]s lag zwischen den Klägern und den Darlehensnehmern kein Beherrschungsverhältnis vor. [X.]elbst wenn man davon ausgeht, dass grundsätzlich jede --also auch eine natürliche-- Person beherrscht werden kann, setzt dies voraus, dass der beherrschten Person aufgrund eines absoluten Abhängigkeitsverhältnisses im Wesentlichen kein eigener [X.]ntscheidungsspielraum verbleibt. Dies gilt auch für Beziehungen zwischen [X.]heleuten untereinander und zwischen [X.]ltern und Kindern (vgl. [X.] in [X.]/[X.]/[X.]/ [X.]chönfeld, [X.], § 1 Rz 841 f.). Dass dies bei den Klägern und deren wirtschaftlich unabhängigen Abkömmlingen der Fall war, ist nicht ersichtlich. [X.]s gibt weder Anhaltspunkte dafür, dass die Kläger und die Darlehensnehmer [X.], [X.] 1 und [X.] auf den jeweils anderen einen außerhalb der Geschäftsbeziehung begründeten [X.]influss ausübten, noch dass die Vertragsparteien ein eigenes wirtschaftliches Interesse an der [X.]rzielung der [X.]inkünfte des anderen hatten. [X.]ine missbräuchliche Gestaltung zur Ausnutzung des gesonderten [X.]teuertarifs für [X.]inkünfte aus Kapitalvermögen liegt danach nicht vor.

e) Diese nach dem Willen des Gesetzgebers erforderliche [X.]inschränkung des § 32d Abs. 2 [X.]atz 1 Nr. 1 Buchst. a [X.][X.]tG ist auch aus verfassungsrechtlichen Gründen geboten.

aa) Zwar bestehen gegen die Ungleichbehandlung der [X.]inkünfte aus Kapitalvermögen, die nach dem [X.] gemäß § 32d Abs. 1 [X.][X.]tG besteuert werden, gegenüber anderen [X.]inkunftsarten, die nach dem progressiven [X.]inkommensteuertarif des § 32a Abs. 1 [X.][X.]tG besteuert werden, keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Der Gesetzgeber ist von [X.] wegen nicht gehindert, die ihrer Natur nach nicht einer bestimmten Person zugeordnete und geographisch nicht gebundene [X.]rwerbsgrundlage "Finanzkapital" dadurch zu erfassen, dass er alle Kapitaleinkünfte --unabhängig von ihrer Anlageform und buchungstechnischen [X.]rfassung-- an der Quelle besteuert und mit einer Definitivsteuer belastet, die in einem linearen [X.]atz den absetzbaren Aufwand und den Progressionssatz in Durchschnittswerten typisiert (Urteil des [X.] vom 27. Juni 1991  2 BvR 1493/89, BVerfG[X.] 84, 239).

bb) Jedoch läge eine mit Art. 6 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) unvereinbare Diskriminierung der Familie vor (vgl. BVerfG–[X.]ntscheidung vom 18. März 1970  1 BvR 498/66, BVerfG[X.] 28, 104), wenn der Ausschluss des gesonderten [X.]teuertarifs für Kapitaleinkünfte nach § 32d Abs. 2 [X.]atz 1 Nr. 1 Buchst. a [X.][X.]tG ausschließlich an bestimmte enge familienrechtliche Beziehungen i.[X.]. des § 15 AO geknüpft und --anders als bei fremden [X.] auch dann eintreten würde, wenn der Darlehensvertrag einem Fremdvergleich standhält (so aber das [X.] in seinen [X.]chreiben in B[X.]tBl I 2010, 94, und in B[X.]tBl I 2012, 953, jeweils Rz 136).

cc) [X.]ine solche Benachteiligung von Familienangehörigen wäre sachlich nicht gerechtfertigt. Zwar ist es verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn Verträge zwischen Familienangehörigen wegen der grundsätzlich gleichgerichteten Interessen nur dann der Besteuerung zugrunde gelegt werden, wenn zu Beginn der Vertragsbeziehungen eine bürgerlich-rechtlich wirksame, klare und eindeutige Vereinbarung abgeschlossen wird, die inhaltlich wie unter Fremden ausgestaltet ist und auch tatsächlich so vollzogen wird (s. z.B. BVerfG-Beschluss vom 7. August 1985  1 BvR 707/85, Deutsche [X.]teuer-Zeitung/[X.]ildienst 1985, 277). Ist dies aber --wie vorliegend-- der Fall, ist es verfassungsrechtlich unzulässig, eine missbräuchliche Ausnutzung des [X.]es durch [X.]hegatten und Familienangehörige in jedem Fall unwiderlegbar zu vermuten (vgl. BVerfG-[X.]ntscheidung vom 24. Januar 1962  1 BvL 32/57, BVerfG[X.] 13, 290; [X.] vom 15. Juli 1969  1 BvL 22/65, BVerfG[X.] 26, 321; vom 12. März 1985  1 BvR 571/81, 1 BvR 494/82, 1 BvR 47/83, BVerfG[X.] 69, 188). Dies gilt auch dann, wenn einzelne [X.]achverhaltsmerkmale der Darlehensgewährung vom Üblichen abweichen (BVerfG-Beschluss vom 7. November 1995  2 BvR 802/90, [X.] 1996, 34, unter [X.]; [X.]-Urteil in [X.], 516, [X.] 2014, 374), sodass nicht bereits aufgrund der fehlenden Besicherung und Regelung über eine Vorfälligkeitsentschädigung auf eine missbräuchliche Ausnutzung des [X.]es geschlossen werden kann.

[X.]ine sachliche Rechtfertigung für den Ausschluss des [X.]es für Angehörige i.[X.]. des § 15 AO ergibt sich auch nicht aus einem Gesamtbelastungsvorteil, der entstehen kann, wenn die [X.]ntlastung des Darlehensnehmers durch den [X.]chuldzinsenabzug höher ist als die steuerliche Belastung des Darlehensgebers. [X.]ine solche Vorstellung von der Familie als einheitlichem "Bilanzraum" beruht auf unzutreffenden Voraussetzungen; denn abgesehen von der durch die Regelung der Unterhaltspflichten (§§ 1360 ff. des Bürgerlichen Gesetzbuchs) bedingten "Unterhaltsgemeinschaft", begründen [X.]he und Familie als solche bei der [X.]inkünfteermittlung keine Vermögensgemeinschaft (vgl. BVerfG-[X.]ntscheidungen in BVerfG[X.] 13, 290; vom 20. März 1963  1 BvL 20/61, BVerfG[X.] 15, 328; in BVerfG[X.] 26, 321). Das "nahe persönliche Verhältnis" führt nicht notwendig oder typischerweise zu einer [X.] oder einer wirtschaftlichen Abhängigkeit, durch die Familienangehörige in die Rolle unselbständiger "[X.]trohmänner" gedrängt würden (BVerfG-Beschluss vom 10. Juni 1963  1 BvR 345/61, BVerfG[X.] 16, 203, 208 f.).

dd) Auch bei Personen, die nicht unter den [X.]chutz des Art. 6 Abs. 1 GG fallen, sodass Maßstab für die Prüfung der [X.]mäßigkeit des Ausschlusses des [X.]es der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG ist, kann ein solcher Gesamtbelastungsvorteil allein nicht zum Ausschluss des in § 32d Abs. 1 [X.][X.]tG geregelten [X.]es führen. Dieser Vorteil ist keine Tatsachenbasis für die Feststellung, dass eine missbräuchliche Gestaltung zur Ausnutzung der [X.]teuersatzspreizung vorliegt, da die unterschiedliche steuerliche Belastung von Kapitalerträgen im Vergleich zu den mit dem progressiven [X.]teuersatz besteuerten [X.]inkünften im [X.]ystem der mit der Abgeltungsteuer eingeführten [X.]chedule angelegt ist. Zudem wird die [X.]inkommensteuer vom Grundsatz der Individualbesteuerung beherrscht (Beschluss des Großen [X.]enats des [X.] vom 17. Dezember 2007 Gr[X.] 2/04, [X.][X.] 220, 129, [X.] 2008, 608), sodass eine Gesamtbetrachtung der [X.]teuerbelastung und [X.]teuerentlastung verschiedener [X.]teuerpflichtiger in der Regel allenfalls dann gerechtfertigt sein kann, wenn ein Missbrauchstatbestand erfüllt ist. [X.]s liegen jedoch keine konkreten Anhaltspunkte dafür vor, dass dies vorliegend der Fall war.

ee) [X.]chließlich sind auch fiskalische [X.]rwägungen, die nach den Ausführungen des [X.] zur [X.]inschränkung des Anwendungsbereichs der Abgeltungsteuer geführt haben, für sich genommen nicht geeignet, eine Ungleichbehandlung von Angehörigen i.[X.]. des § 15 AO bei der Anwendung des [X.]es zu rechtfertigen (vgl. [X.] vom 9. Dezember 2008  2 BvL 1/07, 2 BvL 2/07, 2 BvL 1/08, 2 BvL 2/08, BVerfG[X.] 122, 210).

Meta

VIII R 9/13

29.04.2014

Bundesfinanzhof 8. Senat

Urteil

vorgehend Niedersächsisches Finanzgericht, 18. Juni 2012, Az: 15 K 417/10, Urteil

§ 32d Abs 1 EStG 2009, § 32d Abs 2 S 1 Nr 1 Buchst a EStG 2009, § 20 Abs 1 Nr 7 EStG 2009, § 15 AO, Art 6 Abs 1 GG, Art 3 Abs 1 GG, § 1 Abs 2 AStG, § 138 InsO, § 10 Abs 5 Nr 1 UStG 2005, EStG VZ 2009, Art 2 Abs 1 GG, Art 20 Abs 3 GG, § 32a Abs 1 EStG 2009

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 29.04.2014, Az. VIII R 9/13 (REWIS RS 2014, 6047)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 6047

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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