Bundespatentgericht, Beschluss vom 07.06.2013, Az. 10 W (pat) 1/11

10. Senat | REWIS RS 2013, 5212

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Gegenstand

Patentbeschwerdeverfahren – „Beschichtung für einen optischen Reflektor“ – zum Übersetzungserfordernis: teilweise englischsprachige Anmeldung – Zuerkennung eines Anmeldetages


Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Patentanmeldung 10 2009 030 810.5

(hier: wegen Übersetzungserfordernis, § 35 Abs. 1 Satz 1 [X.])

hat der 10. Senat (Juristischer Beschwerdesenat und Nichtigkeitssenat) des [X.] am 7. Juni 2013 unter Mitwirkung des Vorsitzenden [X.] Rauch, der Richterin [X.] und des [X.] Prof. Dr. Dr. Ensthaler

beschlossen:

1. Auf die Beschwerde wird der Beschluss des [X.] – Prüfungsstelle 51 – vom 12. August 2010 aufgehoben.

2. Der Antrag auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

2flow“. Im Übrigen ist die Anmeldung auf [X.] verfasst. Eine [X.] Übersetzung der fremdsprachigen Teile der Anmeldung hat die Anmelderin innerhalb von drei Monaten nach Einreichung der Anmeldung nicht zur Akte nachgereicht.

2

Nach entsprechendem Zwischenbescheid hat die Prüfungsstelle 51 des [X.] mit [X.]eschluss vom 12. August 2010 festgestellt, dass die Anmeldung als nicht erfolgt gelte. Zur [X.]egründung wird ausgeführt, die Anmelderin habe es versäumt, für die teilweise nicht in [X.]r Sprache abgefassten Unterlagen fristgerecht eine Übersetzung einzureichen. Das Aktenzeichen werde daher gelöscht.

3

Hiergegen wendet sich die Anmelderin mit der [X.]eschwerde.

4

Sie beantragt sinngemäß,

5

- den angefochtenen [X.]eschluss aufzuheben,

6

- festzustellen, dass den beim [X.] eingegangenen Unterlagen der 26. Juni 2009 als Anmeldetag zukommt,

7

- das Aktenzeichen der Anmeldung nicht zu löschen und

8

- die [X.]eschwerdegebühr zurückzuzahlen.

9

Zur [X.]egründung beruft sich die Anmelderin auf Art. 4 A, [X.] der [X.] ([X.]), wonach es zur [X.]egründung der Priorität ausreiche, dass eine im Hinblick auf die Vorschriften des jeweiligen Nationalstaats ordnungsgemäße Hinterlegung erfolgt sei. Hierfür komme es nur auf den Zeitpunkt der Hinterlegung und nicht auf das spätere Schicksal der Anmeldung an. Damit sei unvereinbar, dass eine fremdsprachige Anmeldung im Falle nicht rechtzeitiger Nachreichung der [X.]n Übersetzung als von [X.]eginn an unwirksam betrachtet werde. Durch die im angegriffenen [X.]eschluss angeordnete Löschung des Aktenzeichens der eingereichten Patentanmeldung sei die Inanspruchnahme der Priorität dieser Patentanmeldung bei anderen Patentämtern unmöglich.

Außerdem sei die Anmelderin erst einen Monat nach Ablauf der durch § 35 [X.] bestimmten Dreimonatsfrist auf den völligen [X.] hinsichtlich der Anmeldung hingewiesen worden. Dies stelle einen erheblichen Verstoß gegen das [X.] und gegen den Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs sowie einen Verstoß gegen Treu und Glauben (§ 242 [X.]G[X.]) dar, zumal es der Anmelderin leicht möglich gewesen wäre, eine Übersetzung der in [X.] abgefassten Textstellen in die [X.] Sprache nachzureichen.

II.

Die zulässige [X.]eschwerde führt zur Aufhebung des angefochtenen [X.]eschlusses. Die von der Prüfungsstelle getroffene Feststellung, wonach die Anmeldung als nicht erfolgt gelte, erweist sich als unzutreffend.

1. Als Anmeldetag einer Patentanmeldung ist gemäß § 35 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 [X.] der Tag anzusehen, an dem die Unterlagen nach § 34 Abs. 3 Nr. 1 und 2 [X.] und Unterlagen, soweit sie jedenfalls Angaben enthalten, die dem Anschein nach als [X.]eschreibung anzusehen sind, nach § 34 Abs. 3 Nr. 4 [X.] beim Patentamt eingehen. Erforderlich für die Zuerkennung eines Anmeldetages ist somit, dass die an dem betreffenden Tag eingereichte Anmeldung den Namen (Firma) des Anmelders, einen Antrag auf Erteilung des Patents, in dem die Erfindung kurz und genau bezeichnet ist, sowie Ausführungen, die als [X.]eschreibung der Erfindung angesehen werden können, enthält. Im Falle vollständig oder teilweise in einer fremden Sprache abgefasster Unterlagen ist jedoch gemäß § 35 Abs. 2 Satz 2 [X.] die Zuerkennung eines Anmeldetages zusätzlich davon abhängig, dass eine Übersetzung innerhalb der in § 35 Abs. 1 Satz 1 [X.] vorgesehenen dreimonatigen, mit Einreichung der Anmeldung beginnenden Frist nachgereicht wird.

2. Im vorliegenden Fall hat die Anmelderin am 26. Juni 2009 beim [X.] in [X.]r Sprache, unter Nennung ihrer Firma sowie einer kurzen und genauen [X.]ezeichnung der Erfindung, einen Antrag auf Erteilung eines Patents eingereicht. Im Hinblick auf die teilweise in [X.] abgefassten Teile der [X.]eschreibung (und möglicherweise auch im Hinblick auf die in den [X.] verwendeten [X.] [X.]egriffe, soweit diese überhaupt der Übersetzung bedürfen, vgl. hierzu [X.]/Rudloff-Schäffer, [X.], 8. Aufl., § 126 Rn. 8) hat die Anmelderin zwar dem in § 35 Abs. 1 Satz 1 [X.] festgelegten Erfordernis nicht genügt. Daraus folgt aber nicht zwingend, dass die Anmeldung gemäß § 35 Abs. 2 Satz 2 [X.] als nicht erfolgt gelten muss. Denn § 35 Abs. 2 Satz 2 [X.] ist in Zusammenhang mit § 35 Abs. 2 Satz 1 [X.] zu lesen. Die Rechtsfolge, die in der [X.] besteht, tritt somit nur dann ein, wenn solche Teile der Anmeldung ursprünglich in einer Fremdsprache eingereicht worden sind, die nach § 35 Abs. 2 Satz 1 [X.] für die [X.]egründung des Anmeldetages unabdingbare Voraussetzung sind. Nur wenn diesbezüglich das Erfordernis der Nachreichung einer Übersetzung innerhalb von drei Monaten nicht erfüllt wird, kommt kein Anmeldetag zustande ([X.]GH GRUR 2012, 91, 92 - [X.]; Senatsbeschluss vom 4. April 2012, 10 W (pat) 46/08, [X.]. 2012, 272 = [X.][X.]E 53, 169 – Virtuelle Arbeitspunktbestimmung; [X.] in: [X.] u. a., [X.], 4. Aufl., § 35 Rn. 52).

Daraus folgt im Umkehrschluss, dass die in § 35 Abs. 2 Satz 2 [X.] festgelegte Rechtsfolge nicht eintritt, wenn eine Übersetzung geliefert wird, die zwar unvollständig ist, aber immerhin solche Teile der Anmeldung umfasst, die zu den [X.]n für die Zuerkennung des Anmeldetages zählen. Dasselbe gilt, wenn im Nachgang zu einer teilweise fremdsprachigen Anmeldung innerhalb von drei Monaten überhaupt keine Übersetzung eingereicht wird, sofern die [X.] von vornherein durch [X.] Teile der Unterlagen erfüllt worden sind.

3. Mit den am 26. Juni 2009 eingereichten Unterlagen sind die in § 35 Abs. 2 Satz 1 [X.] genannten [X.] für den Anmeldetag in [X.]r Sprache erfüllt worden. Die Anmelderin hat nämlich nicht nur die Unterlagen gemäß § 34 Abs. 3 Nr. 1 und 2 [X.] (Firma der Anmelderin, Erteilungsantrag mit kurzer und genauer [X.]ezeichnung der Erfindung), sondern auch eine [X.]eschreibung der Erfindung vorgelegt, die teilweise (nämlich über insgesamt ca. 10 Seiten) in [X.]r Sprache verfasst ist. Im Sinne des [X.]s gemäß § 35 Abs. 2 Satz 1 [X.] genügt es, wenn die ursprünglich in [X.]r Sprache eingereichten Ausführungen als eine [X.]eschreibung der Erfindung angesehen werden können und diese für sich genommen die [X.] erfüllen. Dies ist hier in [X.]ezug auf die [X.]n Teile der [X.]eschreibung zweifelsohne der Fall. Damit ist am 26. Juni 2009 der Anmeldetag wirksam begründet worden.

4. Da der vorliegenden Patentanmeldung somit die Wirksamkeit nicht abgesprochen werden kann, wird das Anmeldeverfahren vom [X.] fortzuführen sein. Die Prüfungsstelle wird somit auf die Nachreichung veröffentlichungsfähiger Unterlagen hinzuwirken haben. Sie kann dies z. [X.]. dadurch erreichen, dass sie die Anmelderin zur Nachreichung einer Übersetzung der englischsprachigen Teile der [X.]eschreibung und ggf. auch der auf den Zeichnungsblättern verwendeten [X.] [X.]egriffe (sofern es sich hierbei nicht um üblich gewordene Fachbegriffe handeln sollte, die keiner Übersetzung bedürfen) auffordert.

Der Umstand, dass die Rechtsfolge des § 35 Abs. 2 Satz 2 [X.] trotz Ausbleibens einer vollständigen Übersetzung innerhalb der Dreimonatsfrist nicht ausgelöst wird, bedeutet nicht, dass ein Anmelder von der Vorlage einer [X.]n Übersetzung für die fremdsprachigen Teile seiner Anmeldung befreit wäre. Die Pflicht, die gemäß § 34 Abs. 3 [X.] erforderlichen (und auch sonstigen) [X.] in [X.]r Sprache einzureichen, folgt unmittelbar aus § 126 [X.], wonach die [X.] beim [X.] deutsch ist. Durch § 126 [X.] wird klargestellt, dass nur Unterlagen in [X.]r Sprache die Anforderungen des § 34 Abs. 3 [X.] erfüllen. Die Regelung des § 35 Abs. 1 Satz 1 [X.] bestimmt insoweit nur eine Ausnahme von dieser Regel, als sie dem Anmelder eine gesetzliche Nachfrist gewährt, innerhalb der er dem Gebot des § 126 [X.] Genüge zu tun hat (vgl. [X.]/

Die Prüfungsstelle kann daher in jeder Lage des Anmeldeverfahrens auf fremdsprachige Teile in den [X.] und auf die Notwendigkeit zu deren Übersetzung hinweisen. Nach Ablauf der genannten dreimonatigen [X.] kann die Prüfungsstelle - wenn kein Fall des Anmeldetagverlusts nach § 35 Abs. 2 Satz 2 [X.] vorliegt - in unmittelbarer Anwendung von § 42 Abs. 1 i. V. m. § 126 [X.] und § 34 Abs. 3 [X.] in der Offensichtlichkeitsprüfung oder auch noch in einem späteren Prüfungsverfahren nach § 45 Abs. 1 i. V. m. § 126 [X.] und § 34 Abs. 3 [X.] das Vorhandensein von fremdsprachigen Teilen in den Unterlagen als einen Mangel der Anmeldung beanstanden und im Falle des fruchtlosen Ablaufs einer gesetzten Frist die Anmeldung nach Maßgabe des § 42 Abs. 3 [X.] oder gegebenenfalls nach § 48 [X.] zurückweisen.

5. Der Antrag auf Rückzahlung der [X.]eschwerdegebühr ist nicht begründet. Eine Rückzahlung aus [X.]illigkeitsgründen gemäß § 80 Abs. 3 [X.] kommt nur dann in [X.]etracht, wenn eine sachliche Fehlbeurteilung vorliegt und diese entweder völlig neben der Sache liegt, nicht nachvollziehbar ist oder z. [X.]. von einer gefestigten Amtspraxis oder ständigen Rechtsprechung abweicht (vgl. [X.], a. a. [X.], § 73 Rn. 130). Hier liegt zwar - wie ausgeführt - eine falsche [X.]eurteilung des Sachverhalts vor, diese lag aber gemessen am Wortlaut des §35 Abs.1 Satz1 [X.] („oder teilweise nicht in [X.]r Sprache“) nicht so neben der Sache, dass eine Rückzahlung der [X.]eschwerdegebühr gerechtfertigt wäre. Mangels einer (jedenfalls) zum Zeitpunkt der [X.]eschwerdeeinlegung gefestigten Amtspraxis oder ständigen Rechtsprechung kann im vorliegend angegriffenen [X.]eschluss des [X.] auch kein entsprechender Abweichungstatbestand erblickt werden.

Meta

10 W (pat) 1/11

07.06.2013

Bundespatentgericht 10. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 07.06.2013, Az. 10 W (pat) 1/11 (REWIS RS 2013, 5212)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 5212

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