Bundespatentgericht, Beschluss vom 04.04.2012, Az. 10 W (pat) 46/08

10. Senat | REWIS RS 2012, 7480

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Gegenstand

Patentbeschwerdeverfahren – "Virtuelle Arbeitspunktbestimmung" - zum Übersetzungserfordernis: teilweise fremdsprachige Anmeldung – Zuerkennung des Anmeldetages ist durch deutschsprachigen Teil der Unterlagen erfüllt - keine Einreichung einer Übersetzung innerhalb von drei Monaten – kein Eintreten der Rechtsfolge: Anmeldung gilt als nicht erfolgt – keine Befreiung von der Pflicht zur Vorlage einer deutschen Übersetzungen für die fremdsprachigen Teile der Anmeldung – Sprache vor dem DPMA ist Deutsch: hieraus folgt eine Übersetzungspflicht


Leitsatz

Virtuelle Arbeitspunktbestimmung

1. Die in § 35 Abs. 2 Satz 2 PatG festgelegte Rechtsfolge, wonach die Anmeldung als nicht erfolgt gilt, tritt nicht ein, wenn im Nachgang zu einer teilweise fremdsprachigen Anmeldung innerhalb von drei Monaten überhaupt keine Übersetzung eingereicht wird, sofern die Mindesterfordernisse für die Zuerkennung des Anmeldetags von vornherein durch die deutschsprachigen Teile der Unterlagen erfüllt worden sind (im Anschluss an BGH GRUR 2012, 91 - Polierendpunktbestimmung).

2. Der Umstand, dass die Rechtfolge des § 35 Abs. 2 Satz 2 PatG trotz Ausbleibens einer vollständigen Übersetzung innerhalb der Dreimonatsfrist nicht ausgelöst wird, bedeutet nicht dass ein Anmelder von der Vorlage einer deutschen Übersetzung für die fremdsprachigen Teile der Anmeldung befreit wäre, denn eine Übersetzungspflicht folgt un mittelbar aus § 126 PatG, wonach die Sprache vor dem DPMA deutsch ist.

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Patentanmeldung 10 2007 056 773.3

(hier: wegen Übersetzungserfordernis, § 35 Abs. 1 Satz 1 [X.])

hat der 10. Senat (Juristischer Beschwerdesenat und Nichtigkeitssenat) des [X.] am 4. April 2012 unter Mitwirkung des Vorsitzenden [X.] Rauch, der Richterin [X.] und des [X.] Eisenrauch

beschlossen:

Auf die Beschwerde wird der Beschluss des [X.] – vom 16. September 2008 aufgehoben.

Gründe

I.

1

Die Anmelderin hat am 23. November 2007 beim [X.] ([X.]) eine Erfindung mit der Bezeichnung „Verfahren zum automatischen Bestimmen eines virtuellen Arbeitspunktes“ zum Patent angemeldet. Die [X.] bestehen aus dem ausgefüllten amtlichen Anmeldeformular, einer Seite Zusammenfassung, 28 Seiten Beschreibung, sieben Seiten Patentansprüchen sowie neun Blatt Zeichnungen mit insgesamt elf [X.]uren ([X.]. 1, 2, 3a, 3b, 4a, 4b und 5 bis 9). Die [X.]uren 2, 3a, 3b und 4b enthalten Begriffe in [X.]. Eine [X.] Übersetzung der fremdsprachigen Teile der Anmeldung hat die Anmelderin innerhalb von drei Monaten nach Einreichung der Anmeldung nicht zur Akte nachgereicht.

2

Nach entsprechendem Zwischenbescheid hat die Prüfungsstelle 32 mit Beschluss vom 16. September 2008 festgestellt, dass die am 23. November 2007 beim [X.] eingegangene Anmeldung als nicht erfolgt gelte. Zur Begründung wird ausgeführt, die Anmelderin habe es versäumt, die fremdsprachigen Teile der Anmeldung, nämlich die [X.] Begriffe in den [X.]n zu übersetzen. Das Übersetzungserfordernis ergebe sich aus § 35 Abs. 1 Satz 1 [X.] und betreffe alle Teile der [X.], die zur [X.] dienen könnten, daher auch die Zeichnungen. Für den Fall der Nichteinhaltung des Übersetzungserfordernisses - wie im vorliegenden Fall - bestimme § 35 Abs. 2 Satz 2 [X.], dass ein Anmeldetag nicht begründet werden könne.

3

Hiergegen wendet sich die Anmelderin mit der Beschwerde.

4

Sie beantragt,

5

den angefochtenen Beschluss aufzuheben und festzustellen, dass den beim [X.] eingegangenen Unterlagen als Anmeldetag der 23. November 2007 zukommt.

6

Der angefochtene Beschluss sei fehlerhaft, weil es nicht gerechtfertig sei, allein wegen fremdsprachiger Begriffe, die sich in den Zeichnungen befänden, die Zuerkennung eines Anmeldetages zu verweigern. Im Falle vollständig fehlender Zeichnungen habe der Anmelder gemäß § 35 Abs. 2 Satz 3 [X.] die Option, keine Zeichnungen nachzureichen und dennoch für seine Anmeldung den ursprünglichen [X.] als Anmeldetag zu sichern. Wenn der Gesetzgeber es als zulässig betrachte, dass ein Anmelder trotz Nichtnachreichung von nicht vorhanden Zeichnungen den Anmeldetag behalten könne, so sei es mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht zu vereinbaren, wenn die Zuerkennung eines Anmeldetages nur deshalb scheitern würde, weil in tatsächlich eingereichten Zeichnungen fremdsprachigen Begriffe vorhanden seien. Zudem würde eine Entfernung von fremdsprachigen Begriffen aus den Zeichnungen zu keiner unzulässigen Erweiterung des [X.] führen.

II.

7

Die zulässige Beschwerde führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses. Die von der Prüfungsstelle getroffene Feststellung, wonach die Anmeldung als nicht erfolgt gelte, erweist sich nach dem vorliegenden Sachverhalt als unzutreffend. Das Fehlen einer Übersetzung zu den [X.]uren 2, 3a, 3b und 4b, die Begriffe in [X.] enthalten, hat die Rechtsfolge des § 35 Abs. 2 Satz 2 [X.] nicht ausgelöst.

8

Als Anmeldetag einer Patentanmeldung ist gemäß § 35 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 [X.] der Tag anzusehen, an dem die Unterlagen nach § 34 Abs. 3 Nr. 1 und 2 [X.] und Unterlagen, soweit sie jedenfalls Angaben enthalten, die dem Anschein nach als Beschreibung anzusehen sind, nach § 34 Abs. 3 Nr. 4 [X.] beim Patentamt eingehen. Erforderlich für die Zuerkennung eines Anmeldetages ist somit, dass die an dem betreffenden Tag eingereichte Anmeldung den Namen (Firma) des Anmelders, einen Antrag auf Erteilung des Patents, in dem die Erfindung kurz und genau bezeichnet ist, sowie Ausführungen, die als Beschreibung der Erfindung angesehen werden können, enthält. Im Falle vollständig oder teilweise in einer fremden Sprache abgefasster Unterlagen ist jedoch gemäß § 35 Abs. 2 Satz 2 [X.] die Zuerkennung eines Anmeldetages zusätzlich davon abhängig, dass eine Übersetzung innerhalb der in § 35 Abs. 1 Satz 1 [X.] vorgesehenen dreimonatigen, mit Einreichung der Anmeldung beginnenden Frist nachgereicht wird. Der vorliegende Sachverhalt erfüllt indessen nicht den Tatbestand dieser Regelung, der nämlich eng auszulegen ist.

9

Im vorliegenden Fall hat die Anmelderin am 23. November 2007 beim [X.] in [X.]r Sprache, unter Nennung ihrer Firma sowie einer kurzen und genauen Bezeichnung der Erfindung, einen Antrag auf Erteilung eines Patents eingereicht. Dem Antrag sind 47 Seiten Anlagen beigefügt, wobei auf drei [X.]n insgesamt vier [X.]uren mit Begriffen in [X.] versehen sind. Aufgrund der fehlenden Übersetzung für diese Teile der [X.] hat die Anmelderin zwar dem in § 35 Abs. 1 Satz 1 [X.] festgelegten Erfordernis nicht genügt. Daraus folgt aber nicht zwingend, dass die Anmeldung gemäß § 35 Abs. 2 Satz 2 [X.] als nicht erfolgt gilt. Denn nach der Entscheidung des [X.] vom 18. Juli 2011, [X.]. [X.] ([X.], 91, 92 - „[X.]“), ist § 35 Abs. 2 Satz 2 [X.] in Zusammenhang mit § 35 Abs. 2 Satz 1 [X.] zu lesen. Die Rechtsfolge, die in der [X.] besteht, tritt somit nur dann ein, wenn solche Teile der Anmeldung ursprünglich in einer Fremdsprache eingereicht worden sind, die nach § 35 Abs. 2 Satz 1 [X.] für die Begründung des Anmeldetages unabdingbare Voraussetzung sind. Nur wenn diesbezüglich das Erfordernis der Nachreichung einer Übersetzung innerhalb von drei Monaten nicht erfüllt wird, kommt kein Anmeldetag zustande.

Daraus folgt im Umkehrschluss, dass die in § 35 Abs. 2 Satz 2 [X.] festgelegte Rechtsfolge nicht eintritt, wenn eine Übersetzung geliefert wird, die zwar unvollständig ist, aber immerhin solche Teile der Anmeldung umfasst, die zu den [X.]n für die Zuerkennung des Anmeldetages zählen. Dasselbe gilt, wenn im Nachgang zu einer teilweise fremdsprachigen Anmeldung innerhalb von drei Monaten überhaupt keine Übersetzung eingereicht wird, sofern die [X.] von vornherein durch [X.] Teile der Unterlagen erfüllt worden sind.

Mit den am 23. November 2007 eingereichten Unterlagen sind die in § 35 Abs. 2 Satz 1 [X.] genannten [X.] für den Anmeldetag in [X.]r Sprache erfüllt worden. Die Anmelderin hat nämlich nicht nur die Unterlagen gemäß § 34 Abs. 3 Nr. 1 und 2 [X.] (Firma der Anmelderin, Erteilungsantrag mit kurzer und genauer Bezeichnung der Erfindung), sondern auch eine 28 Seiten umfassende Beschreibung der Erfindung in [X.]r Sprache vorgelegt. Unerheblich ist hierbei, ob die englischsprachigen Begriffe in den [X.]uren 2, 3a, 3b und 4b ebenfalls als Teil der Beschreibung anzusehen sind. Im Sinne des [X.]s gemäß § 35 Abs. 2 Satz 1 [X.] genügt es, wenn die ursprünglich in [X.]r Sprache eingereichten Ausführungen (oder die innerhalb von drei Monaten eingereichte Übersetzung ursprünglich fremdsprachiger Ausführungen) als eine Beschreibung der Erfindung angesehen werden können und diese für sich genommen die [X.] erfüllen. Dies ist hier in Bezug auf die ausdrücklich als Beschreibung gekennzeichneten 28 Seiten zweifelsohne der Fall. Damit ist am 23. November 2007 der Anmeldetag wirksam begründet worden.

Da der vorliegenden Patentanmeldung somit die Wirksamkeit nicht abgesprochen werden kann, wird das Anmeldeverfahren vom [X.] fortzuführen sein. Die Prüfungsstelle wird somit auf die Nachreichung veröffentlichungsfähiger Unterlagen hinzuwirken haben. Sie kann dies, falls die Anmelderin die [X.]uren 2, 3a, 3b und 4b nicht insgesamt fallen lässt, z. B. dadurch erreichen, dass sie die Anmelderin zur Nachreichung neuer [X.] auffordert, in denen die englischsprachigen Begriffe durch die entsprechenden [X.]n Begriffe ersetzt worden sind, sofern es sich hierbei nicht bereits um üblich gewordene Fachbegriffe handeln sollte, die keiner Übersetzung bedürfen.

Der Umstand, dass die Rechtsfolge des § 35 Abs. 2 Satz 2 [X.] trotz Ausbleibens einer vollständigen Übersetzung innerhalb der Dreimonatsfrist nicht ausgelöst wird, bedeutet nicht, dass ein Anmelder von der Vorlage einer [X.]n Übersetzung für die fremdsprachigen Teile seiner Anmeldung befreit wäre. Die Pflicht, die gemäß § 34 Abs. 3 [X.] erforderlichen (und auch sonstigen) [X.] in [X.]r Sprache einzureichen, folgt unmittelbar aus § 126 [X.], wonach die [X.] beim [X.] deutsch ist (vgl. Senatsbeschluss vom 22. Juli 2010, [X.]. 10 W (pat) 10/08, B[X.]E 52, 73, 76, Abschnitt II. 1. - „Umschalter“ = GRUR 2011, 360, 361). Durch § 126 [X.] wird klargestellt, dass nur Unterlagen in [X.]r Sprache die Anforderungen des § 34 Abs. 3 [X.] erfüllen. Die Regelung des § 35 Abs. 1 Satz 1 [X.] bestimmt insoweit nur eine Ausnahme von dieser Regel, als sie dem Anmelder eine gesetzliche Nachfrist gewährt, innerhalb der er dem Gebot des § 126 [X.] Genüge zu tun hat (vgl. [X.]/

Die Prüfungsstelle kann daher in jeder Lage des Anmeldeverfahrens - gegebenenfalls auch bereits vor Ablauf der in § 35 Abs. 1 Satz 1 [X.] geregelten dreimonatigen [X.] - auf fremdsprachige Teile in den [X.] und auf die Notwendigkeit zu deren Übersetzung hinweisen. Nach Ablauf der genannten dreimonatigen [X.] kann die Prüfungsstelle - wenn kein Fall des Anmeldetagverlusts nach § 35 Abs. 2 Satz 2 [X.] vorliegt - in unmittelbarer Anwendung von § 42 Abs. 1 i. V. m. § 126 [X.] und § 34 Abs. 3 [X.] in der Offensichtlichkeitsprüfung oder auch noch in einem späteren Prüfungsverfahren nach § 45 Abs. 1 i. V. m. § 126 [X.] und § 34 Abs. 3 [X.] das Vorhandensein von fremdsprachigen Teilen in den Unterlagen als einen Mangel der Anmeldung beanstanden und im Falle des fruchtlosen Ablaufs einer gesetzten Frist die Anmeldung nach Maßgabe des § 42 Abs. 3 [X.] oder gegebenenfalls nach § 48 [X.] zurückweisen.

Meta

10 W (pat) 46/08

04.04.2012

Bundespatentgericht 10. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 04.04.2012, Az. 10 W (pat) 46/08 (REWIS RS 2012, 7480)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 7480

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Referenzen
Wird zitiert von

10 W (pat) 1/11

Zitiert

X ZB 10/10

10 W (pat) 10/08

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