Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 02.08.2000, Az. 3 StR 502/99

3. Strafsenat | REWIS RS 2000, 1501

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[X.]/99vom2. August 2000in der Strafsachegegenwegen Vergewaltigung u.a.- 2 -Der 3. Strafsenat des [X.] hat nach Anhörung des [X.] und des [X.] - zu 2. auf dessen Antrag - am2. August 2000 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig [X.] Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Land-gerichts [X.] vom 24. Februar 1999 im [X.] mit den zugehörigen Feststellungen aufgeho-ben.2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer [X.] und Entscheidung, auch über die Kosten [X.], an eine andere [X.] des Landge-richts zurückverwiesen.3. Die weitergehende Revision wird verworfen.Gründe:Das [X.] [X.] hat den Angeklagten wegen [X.] wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis in zwei Fällen zu einer Gesamtfrei-heitsstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten verurteilt, seine Unterbrin-gung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet und der Verwaltungs-behörde untersagt, ihm vor Ablauf von fünf Jahren eine Fahrerlaubnis zu [X.]. Die Revision des Angeklagten hat zum Strafausspruch und zu den [X.] nach § 63 StGB und §§ 69, 69 a StGB Erfolg; im übrigen [X.] unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.- 3 -1. Die durch Rechtsanwalt [X.] eingelegte und mit der Sachrüge [X.] Revision ist zulässig.Rechtsanwalt [X.] hat am 26. Februar 1999 rechtzeitig Revision [X.]. Da erst die Zustellung des Urteils an den Angeklagten am 21. Mai 1999wirksam erfolgte, war auch die Revisionsbegründung durch Rechtsanwalt[X.] am 1. Juni 1999 rechtzeitig. Zwar war die erste Zustellung des Urteils anRechtsanwalt [X.] am 9. April 1999 unwirksam, da er nicht nach § 145 aAbs. 1 StPO ermächtigt war, Zustellungen für den Angeklagten in Empfang zunehmen. Er hatte am 9. Februar 1999 das Mandat als Wahlverteidiger [X.], womit die schriftliche Vollmacht vom 13. Oktober 1997 erledigt war (vgl.[X.]St 41, 303, 304); er ist danach nicht zum Pflichtverteidiger bestellt worden.Die Zustellung an den Angeklagten persönlich am 21. Mai 1999 ist [X.] § 37 Abs. 1 StPO i.V.m. §§ 211, 212, 195 Abs. 2, 191 ZPO wirksamerfolgt.Der Wirksamkeit der Revisionseinlegung und -begründung durchRechtsanwalt [X.] steht nicht entgegen, daß er das [X.] hatte, aber nicht zum Pflichtverteidiger bestellt worden war. [X.] offen bleiben, ob bereits darin, daß Rechtanwalt [X.] in der [X.] mit Willen des Angeklagten als dessen Verteidiger aufgetreten ist,eine konkludente Wiedererteilung eines Wahlverteidigermandats gesehenwerden kann. Denn auch ein Rechtsanwalt, dem die Verteidigung nicht über-tragen ist, kann Revision einlegen und die Begründungsschrift unterzeichnen,wenn er zum Zeitpunkt der Unterzeichnung der Erklärungen zur Einlegungbzw. Begründung der Revision bevollmächtigt ist (vgl. [X.]/[X.], [X.]. § 341 Rdn. 3, § 345 Rdn. 12); dies war der Fall, wiesich aus dem mit der Revisionsbegründung verbundenen [X.] 4 -gesuch vom 1. Juni 1999 ergibt, in dem Rechtsanwalt [X.] anwaltlich versi-chert hat, daß der Angeklagte ihn mit der Einlegung der Revision beauftragthabe, wie auch durch die Einlegung der Revision am [X.] doku-mentiert werde. Der Angeklagte habe davon ausgehen können, daß innerhalbder Rechtsmittelfrist ein Rechtsmittel eingelegt und begründet werden würde.Das Wiedereinsetzungsgesuch vom 1. Juni 1999 ist - wie bereits [X.] zutreffend ausgeführt hat - deshalb gegenstandslos;ebenso das Wiedereinsetzungsgesuch vom 27. Dezember 1999 durch den am9. Dezember 1999 bestellten Pflichtverteidiger [X.].2. Die Revision ist in dem aus der [X.]ußformel ersichtlichen Umfangbegründet.a) Die mit Schriftsatz vom 2. Mai 2000 erhobenen Verfahrensrügen sindunzulässig, weil sie nicht innerhalb der [X.] sind. Die Revision hat jedoch mit der Sachrüge zum gesamtenRechtsfolgenausspruch Erfolg.Zwar sind die verhängten [X.] von sechs Jahren undzweimal sechs Monaten, die Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren undsechs Monaten und die diesen Strafen zugrundeliegenden Feststellungen ansich nicht zu beanstanden. Der Strafausspruch unterliegt aber deshalb derAufhebung, weil das Revisionsgericht von Amts wegen zu berücksichtigen hat,wenn das Verfahren nach Erlaß des tatrichterlichen Urteils in erheblicherWeise unter Verstoß gegen das [X.]eunigungsgebot des Art. 6 Abs. 1 [X.] verzögert worden ist. Zwar ist eine Verletzung des [X.] 5 -bots im Revisionsverfahren grundsätzlich nur aufgrund einer entsprechendenVerfahrensrüge zu prüfen ([X.]R StGB § 46 II Verfahrensverzögerung 12;[X.]R [X.]. 6 Abs. 1 Satz 1 Verfahrensverzögerung 7, 9; [X.]; [X.], [X.]. vom 21. Januar 2000 - 3 StR 367/99). Eine [X.] kann aber (noch) nicht mit einer Verfahrensrüge geltend gemachtwerden, wenn sie im wesentlichen erst nach Ablauf der [X.] eintritt. In solchen Fällen hat das Revisionsgericht die rechtsstaats-widrige Verfahrensverzögerung auf die zulässige Revision eines Angeklagtenin entsprechender Anwendung des § 354 a StPO von Amts wegen zu berück-sichtigen ([X.]R StGB § 46 II Verfahrensverzögerung 8; [X.] StV 1998, 377;[X.] wistra 1999, 261). Der Senat hat nach Auswertung des [X.] des [X.] festgestellt, daß nach Urteilsverkündung die fehler-hafte Sachbehandlung durch die Strafverfolgungsbehörden eine Verfahrens-verzögerung von annähernd einem Jahr zur Folge hatte.Die Akten sind beim Revisionsgericht am 16. Juni 2000, d.h. erst knappsechzehn Monate nach der am 24. Februar 1999 erfolgten [X.]. Aufgrund des Umstandes, daß der Vorsitzende der [X.] Schreiben des Rechtsanwalts [X.] vom 9. Februar 1999, mit dem dieserdas Wahlverteidigermandat niedergelegt hatte, erst am 14. Mai 1999 [X.] genommen hat, wurde dem Angeklagten nicht umgehend, d.h. vor [X.] vom 24. Februar 1999, ein Pflichtverteidiger bestellt. [X.] nicht nur dazu, daß die erste Zustellung des Urteils an Rechtsanwalt[X.] vom 9. April 1999 unwirksam war, sondern auch zu Zweifeln bei [X.] darüber, ob Rechtsanwalt [X.] zur [X.] -begründung überhaupt bevollmächtigt war. Dennoch wurde dem Ange-klagten auch am 14. Mai 1999 noch kein Pflichtverteidiger bestellt. Dies ge-- 6 -schah erst am 9. Dezember 1999. Zudem waren Bedenken gegen eine wirk-same Bevollmächtigung des Rechtsanwalts [X.] spätestens durch das Wie-dereinsetzungsgesuch vom 1. Juni 1999 die Grundlage entzogen, in dem die-ser mit Willen des Angeklagten in der Hauptverhandlung als Verteidiger [X.] Rechtsanwalt anwaltlich versicherte, der Angeklagte habe ihn unver-züglich mit der Einlegung der Revision beauftragt gehabt. Bereits nach [X.] der mit dem genannten Wiedereinsetzungsantrag verbundenen Revisi-onsbegründung vom 1. Juni 1999 und nicht erst nach zahlreichen weiterenüberflüssigen Verfahrenshandlungen hätte die Akte über die Staatsanwalt-schaft und den [X.] dem Senat vorgelegt werden müssen,der dann spätestens im [X.] 1999 statt Anfang August 2000 über die Revi-sion entschieden hätte.Eine Sachentscheidung, d.h. eine Herabsetzung der verhängten Einzel-freiheitsstrafen und der Gesamtfreiheitsstrafe durch den Senat kommt nicht [X.], weil angesichts der maßvollen Strafen nicht ausgeschlossen [X.], daß der neue Tatrichter auch unter Berücksichtigung des Verstoßes ge-gen das [X.]eunigungsgebot gleich hohe (vgl. dazu [X.]St 45, 308 = NJW2000, 748) oder nur unwesentlich niedrigere Strafen verhängen wird. Der neueTatrichter hat dabei allerdings das Ausmaß der Kompensation für den vom [X.] festgestellten Verstoß gegen das [X.]eunigungsgebot des Art. 6 Abs. 1Satz 1 [X.] jeweils unter Vergleich der ohne Berücksichtigung des [X.] angemessenen mit der tatsächlich verhängten Strafe ausdrück-lich und konkret zu bestimmen ([X.] NStZ 1999, 181 f. m.w.Nachw.).- 7 -b) Die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einem psych-iatrischen Krankenhaus hat, auch schon für sich genommen, ebenfalls keinenBestand.Das [X.] ist sachverständig beraten davon ausgegangen, beidem Angeklagten müsse aufgrund des spezifischen Zusammenwirkens voneiner leichten Intelligenzminderung und persönlichkeitsspezifischen Faktorenin der Phase einer familiären Belastungssituation sowie einer alkoholischenEnthemmung (max. [X.] 1 - 1,5 %o) von einer erheblich verminderten [X.] ausgegangen werden. Auch seien von ihm infolge seines [X.], vornehmlich der leichten Intelligenzminderung, weitere [X.] zu erwarten, so daß der Angeklagte für die Allgemeinheit gefährlichsei. Damit hat das [X.] aber weder hinreichend die [X.] positiv festzustellenden erheblich verminderten Schuldfähigkeit i.S.d.§ 21 StGB dargelegt, noch das Vorliegen eines dauerhaften Zustandes i.S.d.§ 63 StGB begründet. Zwar könnte für einen solchen Zustand der [X.], daß der Angeklagte lediglich über einen IQ von 49 verfügt, [X.] sich dies nicht eindeutig aus den bisherigen [X.], da das[X.], ersichtlich dem Sachverständigen folgend, durchgängig von einer"leichten Intelligenzminderung" ausgeht, ohne dies näher zu begründen. [X.] Beeinträchtigung der Persönlichkeit des Angeklagten und derSchuldfähigkeit bei der konkreten Tatausführung versteht sich danach [X.] selbst. Auch die für eine Unterbringung nach § 63 StGB erforderliche Ge-fährlichkeitsprognose ist nur unzureichend begründet. Diese erfordert eine ein-gehende Gesamtwürdigung des [X.] und der Tat. Das [X.] legt [X.], warum nunmehr die schon in der Vergangenheit vorliegende [X.] die Gefahr weiterer erheblicher Straftaten des Angeklagten begrün-- 8 -den soll. Bisher hat er neben leichteren Verkehrsstraftaten [X.]. Ob diese auf die Intelligenzminderung zurückzuführen sind, teilt [X.] nicht mit. Bei der abgeurteilten Vergewaltigung handelt es sichum die erste Straftat, bei der der Angeklagte Gewalt gegen Personen ange-wendet hat. Die [X.] prüft ferner nicht, ob es sich nicht um eine [X.] oder [X.] handelt, die unabhängig von einem möglicherweisefestzustellenden dauerhaften (krankhaften) Zustand begangen worden [X.] (vgl. [X.] NStZ 1985, 309; 1991, 528; [X.] StGB 23. Aufl. § 63 Rdn. 6ff. m.w.[X.]) Der [X.] gemäß § 69 a Abs. 1 Satz 3, § 69 Abs. 1StGB begegnet ebenfalls rechtlichen Bedenken, weil die isolierte Sperrfrist vonfünf Jahren nur formelhaft begründet ist.[X.] von [X.]Ri[X.] [X.] ist urlaubsbedingt ortsabwesend und deshalb an der Unterschrift gehindert. [X.]

Meta

3 StR 502/99

02.08.2000

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 02.08.2000, Az. 3 StR 502/99 (REWIS RS 2000, 1501)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2000, 1501

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