Bundesgerichtshof, Beschluss vom 13.03.2017, Az. 1 StR 476/15

1. Strafsenat | REWIS RS 2017, 14236

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Gegenstand

Gehörsverletzung in Strafsachen: Begründungspflicht bei Revisionsverwerfung ohne Hauptverhandlung


Tenor

Die Anhörungsrügen der Verurteilten werden zurückgewiesen.

Die Verurteilten haben die Kosten ihres jeweiligen Rechtsbehelfs zu tragen.

Gründe

1

Der [X.] hat die Revisionen der Verurteilten gegen das Urteil des [X.] vom 6. Februar 2015 durch Beschluss vom 22. Dezember 2016 gemäß § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen. Mit Schreiben vom 5. Januar 2017, am selben Tag per Telefax beim [X.] eingegangen, haben beide Verurteilte beantragt, das Verfahren gemäß § 356a StPO in die Lage vor Erlass des [X.] zurückzuversetzen und Termin zur Hauptverhandlung anzuberaumen. Die zulässigen Anhörungsrügen sind unbegründet.

2

1. Mit ihren Anhörungsrügen machen die Verurteilten geltend, der [X.] habe bei seiner Revisionsentscheidung ihren Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt, weil er entscheidungserhebliches Vorbringen der [X.] entweder nicht zur Kenntnis genommen oder bei seiner Entscheidung nicht in Erwägung gezogen habe.

3

Insbesondere sei nicht berücksichtigt worden, dass in der Revisionsbegründung des Verteidigers   [X.]   vom 25. November 2015 geltend gemacht worden sei, das [X.] habe Tatsachen festgestellt, die eine inländische Geschäftsleitung der luxemburgischen Holdinggesellschaften durch den ehemaligen Mitangeklagten [X.]      begründeten. Der gesondert verfolgte [X.]      sei als vertretungsbefugtes Organ dieser Gesellschaften bestellt gewesen. Damit habe in Folge von § 10 AO eine unbeschränkte inländische Steuerpflicht der Gesellschaften vorgelegen. Dies sei bei der Subsumtion des Sachverhalts unter § [X.] zu berücksichtigen gewesen, weil die Zwischenschaltung einer inländischen Kapitalgesellschaft in der Rechtsprechung noch in keinem Fall als missbräuchlich behandelt worden sei. Die betreffende [X.] könne nicht mit den Argumenten hinweggedacht werden, die in dem angefochtenen Urteil und in der Antragsschrift des [X.] enthalten seien.

4

2. Die innerhalb der Frist des § 356a Satz 2 StPO erhobenen Anhörungsrügen sind zulässig. Sie haben jedoch in der Sache keinen Erfolg; denn es liegt keine Verletzung des rechtlichen Gehörs vor (§ 356a StPO).

5

a) Der [X.] hat bei seinem Verwerfungsbeschluss weder in einer Art. 103 Abs. 1 GG widersprechenden Weise Tatsachen oder Beweisergebnisse verwertet, zu denen die Verurteilten nicht gehört worden wären, noch hat er bei der Entscheidung zu berücksichtigendes Vorbringen der Verurteilten übergangen oder in sonstiger Weise deren Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt.

6

b) Eine Verletzung rechtlichen Gehörs ergibt sich auch nicht daraus, dass der [X.] die Revisionen der Verurteilten ohne Begründung gemäß § 349 Abs. 2 StPO verworfen hat. Einer Begründung bedurfte es bei der hier einstimmig gemäß § 349 Abs. 2 StPO ergangenen Entscheidung nicht. Das Grundgesetz gebietet bei letztinstanzlichen Entscheidungen regelmäßig keine Begründung (vgl. nur [X.] [Kammer], Beschluss vom 30. Juni 2014 - 2 BvR 792/11 mwN, [X.], 434). Auch die Gewährleistungen der [X.] verlangen eine Begründung der Entscheidung des [X.] nicht ([X.], Entscheidung vom 13. Februar 2007 - 15073/03, [X.], 274, 276; siehe auch [X.], Beschluss vom 12. November 2013 - 3 [X.], StraFo 2014, 121). Denn grundsätzlich ist davon auszugehen, dass die Gerichte das von ihnen entgegengenommene [X.] zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen haben (vgl. [X.] aaO mwN).

7

So verhält es sich auch hier. Der [X.] hat bei seiner Entscheidung das Revisionsvorbringen der Verurteilten in vollem Umfang bedacht und gewürdigt, es aber nicht für durchgreifend erachtet. Zu den steuerrechtlichen Vorfragen hat er jeweils auch die einschlägige Rechtsprechung des [X.] sowie des Gerichtshofs der [X.] herangezogen und seiner Revisionsentscheidung zugrunde gelegt. Bei seiner Entscheidung hat der [X.] auch das Vorbringen und die Ausführungen der Beschwerdeführer zu § 10 AO berücksichtigt. Er hat jedoch deren Auffassung nicht geteilt, dass hier ein Sachverhalt vorliege, bei dem die Anwendung dieser Vorschrift dazu führen würde, dass die vom [X.] angenommenen verdeckten Gewinnausschüttungen nicht gegeben seien.

8

Soweit die Beschwerdeführer die erhobenen Beweise anders als das [X.] würdigen und hieraus andere rechtliche Schlüsse ziehen, ergibt sich weder ein Rechtsfehler zum Nachteil der Beschwerdeführer noch ein Gehörsverstoß. Die Beweiswürdigung des [X.]s, dass das Konzept der Installierung einer Holding nicht tatsächlich umgesetzt wurde und die Tochtergesellschaften weiterhin durch den anderweitig verfolgten [X.]      von [X.] aus geleitet wurden, während die Muttergesellschaft hierauf keinen Einfluss nahm ([X.] f.), hält ebenso rechtlicher Nachprüfung stand, wie die Würdigung des [X.]s, dass die Firmen B.              und S.              nur formal vorgeschoben waren, um die tatsächlichen Gegebenheiten zur verschleiern ([X.]). Indem die Beschwerdeführer davon ausgehen, es sei „eine inländische Geschäftsleitung der luxemburgischen Holdinggesellschaften“ begründet worden (Anhörungsrüge, Rn. 8) und dabei unterstellen, bei der Holding seien geschäftsleitende Entscheidungen getroffen worden (so die dort in Bezug genommene Revisionsbegründung des Verteidigers    [X.]  vom 25. November 2015, Rn. 27), lösen sie sich von den rechtsfehlerfrei getroffenen Urteilsfeststellungen.

9

Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführer verstößt ihre Verurteilung wegen Beihilfe zur Einkommensteuerhinterziehung des anderweitig verfolgten [X.] (§ 370 AO, § 27 StGB) weder gegen die Rechtsprechung des [X.] noch gegen die des Gerichtshofs der [X.]. Das [X.] ist hinsichtlich der Annahme einer verdeckten Gewinnausschüttung im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG, die auf [X.] des Gesellschafters zu Einkünften aus Kapitalvermögen führt - wie schon der [X.] in seinen Antragsschriften aufgezeigt hat - von zutreffenden Grundsätzen ausgegangen. Die vom [X.] rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen belegen auch einen Zufluss im Sinne des § 11 Abs. 1 Satz 1 EStG beim gesondert verfolgten [X.] (vgl. dazu auch § 39 AO sowie [X.], Beschluss vom 2. November 2010 - 1 [X.], Rn. 103 ff., [X.] 2012, 75). Nach den Urteilsfeststellungen konnte dieser über die auf den Konten der [X.] Gesellschaften eingehenden Geldbeträge frei verfügen ([X.]). Auch das bei der [X.] in K.    für die B.               eingerichtete Konto diente nach den Feststellungen des [X.]s lediglich dazu, dass [X.]      die dort eingehenden Geldbeträge nach eigenem Gutdünken verwenden konnte (UA S. 33).

3. Die Kostenentscheidung folgt aus einer entsprechenden Anwendung des § 465 Abs. 1 StPO (vgl. u.a. die [X.]sbeschlüsse vom 22. Mai 2015 - 1 [X.] und vom 2. September 2015 - 1 [X.], [X.], 151).

Raum     

      

Jäger     

      

Bellay

      

Cirener     

      

Fischer     

      

Meta

1 StR 476/15

13.03.2017

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Wuppertal, 6. Februar 2015, Az: 26 KLs 32/12

§ 349 Abs 2 StPO, § 356a StPO, Art 103 Abs 1 GG, Art 6 Abs 1 MRK

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 13.03.2017, Az. 1 StR 476/15 (REWIS RS 2017, 14236)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 14236

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