Bundessozialgericht, Beschluss vom 26.09.2022, Az. B 8 SO 35/22 BH

8. Senat | REWIS RS 2022, 8112

© Bundessozialgericht, Dirk Felmeden

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Sozialgerichtliches Verfahren - Nichtzulassungsbeschwerde - Verfahrensmangel - Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör - Inaussichtstellung einer sitzungspolizeilichen Anordnung zum Tragen einer Mund- und Nasenbedeckung im Gerichtssaal


Tenor

Der Antrag des [X.], ihm für das Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des [X.] vom 28. April 2022 - L 23 SO 50/21 - Prozesskostenhilfe zu bewilligen und Rechtsanwältin S, [X.], beizuordnen, wird abgelehnt.

Die Beschwerde des [X.] gegen die Nichtzulassung der Revision in dem bezeichneten Urteil wird als unzulässig verworfen.

Außergerichtliche [X.]osten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe

1

I. Im Streit steht zwischen den Beteiligten die Verurteilung des Beklagten zur Erstattung von Kosten für die Anschaffung von zwei Tonerkartuschen iHv insgesamt 53,58 Euro. Dies hatte der Beklagte abgelehnt (Bescheid vom 30.6.2018). Der Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 6.11.2018). Das Sozialgericht (SG) [X.] hat die Klage, in der der Kläger weitere Feststellungsanträge stellte, abgewiesen sowie die Berufung nicht zugelassen.

2

Das [X.] ([X.]) hat die Berufung als unzulässig verworfen (Urteil vom 28.4.2022). Die Berufung sei nicht statthaft, da der Wert des [X.] Euro nicht übersteige. Die Berufung sei auch nicht in dem Gerichtsbescheid zugelassen worden.

3

Gegen die Nichtzulassung der Revision in dem bezeichneten Urteil wendet sich der Kläger mit seiner Beschwerde und beantragt zugleich die Bewilligung von Prozesskostenhilfe ([X.]) unter Beiordnung einer Rechtsanwältin. Es sei kein Beweis erhoben worden über die Regelbedarfssätze sowie die vom Kläger vorgetragene unzureichende Versorgung, an der er über Jahre hinweg erkrankt sei. Bei ihm liege eine dauerhafte Unterversorgung vor, was durch das [X.] weiter hätte ermittelt werden müssen.

4

II. [X.] kann dem Kläger nicht bewilligt werden. [X.] ist nur zu bewilligen, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint (§ 73a Abs 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz <[X.]> iVm § 114 Zivilprozessordnung ); daran fehlt es hier. [X.] Aussicht auf Erfolg wäre nur zu bejahen, wenn einer der drei in § 160 Abs 2 [X.] abschließend aufgeführten Zulassungsgründe durch einen zugelassenen Prozessbevollmächtigten (§ 73 Abs 4 [X.]) mit Erfolg geltend gemacht werden könnte, denn nur diese Gründe können zur Zulassung der Revision führen. Dies ist vorliegend nicht der Fall.

5

Der Rechtssache kommt nach Aktenlage keine grundsätzliche Bedeutung zu (§ 160 Abs 2 [X.]). Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Klärungsbedürftige Rechtsfragen auf die Voraussetzungen der Zulässigkeit der Berufung bestehen nicht (siehe nur [X.] vom 22.8.1990 - 10 [X.] 29/88 - [X.], 194 = [X.] 3-5870 § 27 [X.], Rd[X.]4; BSG vom [X.] [X.]/16 B - juris Rd[X.]1; [X.] in [X.]/[X.]/[X.]/[X.], [X.], 13. Aufl 2020, § 144 Rd[X.]4a).

6

Nach dem Vorstehenden ist auch nicht erkennbar, dass eine [X.] (§ 160 Abs 2 [X.] [X.]) mit Aussicht auf Erfolg geltend gemacht werden könnte.

7

Es ist schließlich auch nicht erkennbar, dass ein Verfahrensmangel (§ 160 Abs 2 [X.] 3 Halbsatz 1 [X.]) mit Aussicht auf Erfolg geltend gemacht werden könnte. Das [X.] durfte in Abwesenheit des [X.] aufgrund mündlicher Verhandlung entscheiden da er ordnungsgemäß in der Terminsmitteilung auf diese Möglichkeit hingewiesen worden war ([X.] ff [X.]-Akte). Das [X.] konnte auch in der Besetzung der Berichterstatterin als Vorsitzende mit zwei ehrenamtlichen Richtern bzw Richterin entschieden. Gemäß § 153 Abs 5 [X.] kann der Senat in den Fällen, in denen erstinstanzlich durch Gerichtsbescheid entschieden wurde, durch Beschluss dem berufenen Berichterstatter übertragen, der zusammen mit den ehrenamtlichen Richtern entscheidet. Dies ist vorliegend durch Beschluss vom [X.] ([X.] 136 [X.]-Akte) geschehen. Der Beschluss wurde dem Kläger zur Kenntnis gebracht. Der Kläger wurde zuvor angehört ([X.] 131 [X.]-Akte). Ein Verfahrensfehler ist nach der bereits zitierten Rechtsprechung auch nicht darin zu sehen, dass die Berufung als unzulässig verworfen wurde, weil abgesehen von dem auf dem Gegenstand des Verwaltungsverfahrens entsprechenden Antrag auf Erstattung der Kosten von Tonerkartuschen die übrigen zehn erst im Klageverfahren gestellten Feststellungsanträge keinerlei Bezug zu diesem Streitgegenstand haben und als rechtsmissbräuchlich gestellte Anträge nicht zur Erhöhung der Berufungssumme führen (BSG vom 22.8.1990 - 10 [X.] 29/88 -, [X.], 194 = [X.] 3-5870 § 27 [X.], Rd[X.]4; [X.] in [X.]/[X.]/[X.]/[X.], [X.], 13. Aufl 2020, § 144 Rd[X.]4a).

8

Soweit der Kläger sich auf eine Verletzung der Amtsermittlungspflicht nach § 103 [X.] stützt, ist nicht ersichtlich, welche Tatsachen dem [X.] als klärungsbedürftig hätten erscheinen müssen.

9

Es ist auch nicht ersichtlich, dass ein zugelassener Prozessbevollmächtigter eine Verletzung rechtlichen Gehörs (§ 62 [X.], Art 103 Abs 1 Grundgesetz ) geltend machen könnte. Die vorliegend vor der mündlichen Verhandlung in Aussicht gestellte sitzungspolizeiliche Anordnung (§ 176 Abs 1 Gerichtsverfassungsgesetz <[X.]>), voraussichtlich wegen der andauernden COVID 19-Pandemie im Gerichtssaal eine Mund- und Nasenbedeckung tragen zu müssen, wäre grundsätzlich wegen erkennbar vernünftigen Gründen des Gemeinwohls gerechtfertigt gewesen, weil sie geeignet ist, mögliche Infektionen im Gerichtssaal zu verhindern oder zumindest die Wahrscheinlichkeit hierfür zu senken (vgl [X.] vom 28.9.2020 - 1 BvR 1948/20 - [X.] 2020, 1523; [X.] in [X.]/[X.], [X.], 10. Aufl 2021, § 176 Rd[X.]5a; [X.], [X.] 2020, 256); darin liegt auch kein Verstoß gegen das in § 176 Abs 2 Satz 1 [X.] normierte Verhüllungsverbot. Letztlich kann dies dahinstehen, da der Kläger trotz eines kurz vor der mündlichen Verhandlung vorgelegten ärztlichen Attests, in welchem die Unzumutbarkeit des Tragens einer Atmungsschutzmaske attestiert wird, gar nicht an der mündlichen Verhandlung teilgenommen und dem Vorsitzenden nicht die Möglichkeit gegeben hat, in seinem Einzelfall zu prüfen, ob die sitzungspolizeiliche Anordnung insoweit ohne Ausnahme zu erlassen war. Auf die Möglichkeit eines Befreiungstatbestands wurde der Kläger ordnungsgemäß hingewiesen. Zur mündlichen Verhandlung war der Kläger ordnungsgemäß geladen worden; sein persönliches Erscheinen war nicht angeordnet worden, um Terminsverlegung hat er nicht gebeten. Damit kann eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör oder aus Art 2 Abs 1 GG und dem Rechtsstaatsprinzip abgeleiteten allgemeinen Prozessgrundrecht auf ein faires Verfahren nicht bezeichnet werden. Ohnehin stellt sich die Entscheidung des [X.] in der Sache als zutreffend dar, sodass auch nicht ersichtlich ist, welcher Vortrag in der Sache dem Kläger zum Erfolg hätte verhelfen können.

Damit entfällt auch die Beiordnung eines Prozessbevollmächtigten im Rahmen der [X.] (§ 73a Abs 1 [X.] iVm § 121 Abs 1 ZPO).

Die vom Kläger selbst eingelegte Beschwerde entspricht nicht den zwingenden gesetzlichen Vorschriften. Der Kläger muss sich vor dem BSG gemäß § 73 Abs 4 [X.] durch einen zugelassenen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Er kann eine Prozesshandlung rechtswirksam nicht vornehmen, folglich auch nicht selbst Beschwerde einlegen. Schon die Beschwerdeschrift muss von einem nach § 73 Abs 4 [X.] zugelassenen Prozessbevollmächtigten unterzeichnet sein. Hierauf wurde der Kläger ausdrücklich hingewiesen. Die nicht formgerecht eingelegte Beschwerde ist schon deshalb nach § 160a Abs 4 Satz 1 iVm § 169 Satz 3 [X.] ohne Beteiligung [X.] als unzulässig zu verwerfen.

Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 Abs 1 [X.].

[X.]

Meta

B 8 SO 35/22 BH

26.09.2022

Bundessozialgericht 8. Senat

Beschluss

Sachgebiet: SO

vorgehend SG Berlin, 10. Februar 2021, Az: S 88 SO 1529/18, Gerichtsbescheid

§ 160a Abs 1 S 1 SGG, § 160 Abs 2 Nr 3 SGG, § 62 SGG, § 176 Abs 1 GVG, § 176 Abs 2 S 1 GVG, Art 103 Abs 1 GG

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Beschluss vom 26.09.2022, Az. B 8 SO 35/22 BH (REWIS RS 2022, 8112)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 8112

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

B 8 SO 61/22 BH (Bundessozialgericht)

Sozialgerichtliches Verfahren - Prozesskostenhilfe für Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren - hinreichende Erfolgsaussicht - Verfahrensrüge - Ablehnungsgesuch - offensichtliche …


B 14 AS 183/16 B (Bundessozialgericht)

Sozialgerichtliches Verfahren - Verfahrensfehler - Bezeichnung des Klagegenstandes - Prozess- statt Sachentscheidung - Zurückweisung der …


B 1 KR 13/21 BH (Bundessozialgericht)


B 14 AS 33/16 B (Bundessozialgericht)

Sozialgerichtliches Verfahren - Nichtzulassungsbeschwerde - Verfahrensmangel - Besetzungsrüge - Urteilsverkündung allein durch den Vorsitzenden in …


B 8 SO 71/10 B (Bundessozialgericht)

Nichtzulassungsbeschwerde - kein Verfahrensmangel - Unzulässigkeit der Berufung wegen fehlender Schriftform


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

1 BvR 1948/20

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.