Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 29.10.2013, Az. 5 B 71/13

5. Senat | REWIS RS 2013, 1600

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Gegenstand

Einheitswert von Grundstücken als Bemessungsgrundlage für die Entschädigung


Gründe

1

Die [X.]eschwerde hat keinen Erfolg. Das [X.]eschwerdevorbringen führt auf keinen Revisionszulassungsgrund im Sinne des § 132 Abs. 2 VwGO.

2

1. Der gerügte Verfahrensfehler (vgl. § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) liegt nicht vor. Das angefochtene Urteil verletzt den Kläger nicht in seinem Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs. Das Gebot, gemäß Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO rechtliches Gehör zu gewähren, verpflichtet das Gericht, die Ausführungen der Verfahrensbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und bei der Entscheidungsfindung in Erwägung zu ziehen (stRspr, vgl. [X.], Urteil vom 8. Juli 1997 - 1 [X.]vR 1621/94 - [X.]E 96, 205 <216>). Das Gericht ist zwar nicht gehalten, das gesamte Vorbringen in den Entscheidungsgründen wiederzugeben und zu jedem einzelnen Gesichtspunkt Stellung zu nehmen. Der Anspruch auf rechtliches Gehör ist aber jedenfalls dann verletzt, wenn im Einzelfall besondere Umstände deutlich machen, dass das Gericht nach seinem Rechtsstandpunkt zentrale Argumente eines [X.]eteiligten nicht zur Kenntnis genommen oder sich mit ihnen nicht auseinandergesetzt hat (Urteil vom 13. Mai 1976 - [X.]VerwG 2 C 26.74 - [X.] 237.4 § 35 Hmb[X.]G Nr. 1 S. 15, [X.]eschluss vom 14. Dezember 2012 - [X.]VerwG 5 [X.] 12.12 - juris Rn. 2).

3

Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt. Das Verwaltungsgericht hat das Vorbringen des [X.] zur Kenntnis genommen, dass die [X.]emessungsgrundlage für die zu entschädigende Teilfläche des [X.] seines Erachtens zu niedrig angesetzt sei. Die Aufteilung des Einheitswerts für das Gesamtgrundstück dürfe nicht proportional nach den [X.] erfolgen, sondern müsse die höhere Werthaltigkeit der zu [X.] bebauten Teilfläche berücksichtigen. Im Tatbestand des angefochtenen Urteils ([X.]) wird die Argumentation des [X.] wiedergeben, dass es anderenfalls zu einer Ungleichbehandlung bei der [X.]ewertung von Teilflächen käme. Fälle, in denen ein Einheitswert bekannt sei, würden nach der Rechtsauffassung des [X.] willkürlich anders behandelt als Fälle, in denen kein Einheitswert bekannt sei. Das Verwaltungsgericht referiert im Tatbestand seiner Entscheidung auch die Ansicht des [X.], dass die Aufteilung in entsprechender Anwendung des Erlasses des [X.]undesfinanzministeriums vom 13. Juli 2000 erfolgen müsse. Es hat diese zentralen Argumente des [X.] auch ersichtlich bei seiner Entscheidung in Erwägung gezogen. Zwar stützt es in den Entscheidungsgründen des Urteils seine gegenteilige Rechtsauffassung in erster Linie darauf, dass das [X.] im [X.]eschluss vom 31. Mai 2006 (- [X.]VerwG 3 [X.] 148.05 - [X.] 428.41 § 3 [X.] Nr. 2) eine flächenmäßig anteilige Aufteilung vorgegeben habe. Es setzt dann aber der Argumentation des [X.] entgegen, der Umstand, dass bei den verschiedenen [X.]ewertungsarten des § 3 [X.] unterschiedliche Kriterien angewandt würden, sei in Anbetracht der im Vermögensrecht als grundsätzlich zulässig erachteten Pauschalierung hinzunehmen. Dies sei auch mit dem vom Kläger angesprochenen materiellen Gerechtigkeitsprinzip vereinbar ([X.] f.). Darin liegt eine zwar knappe, aber erkennbare Auseinandersetzung mit dem zentralen Vorbringen des [X.].

4

2. Die Revision ist auch nicht wegen grundsätzlicher [X.]edeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) zuzulassen. Dies wäre nur dann zu bejahen, wenn für die Entscheidung des [X.] eine konkrete, jedoch fallübergreifende Rechtsfrage von [X.]edeutung war, die auch für die Entscheidung im Revisionsverfahren vor dem [X.] erheblich wäre und deren höchstrichterliche Klärung zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder zu einer bedeutsamen Weiterentwicklung des Rechts geboten erscheint (stRspr, vgl. [X.]eschluss vom 2. Juni 2008 - [X.]VerwG 5 [X.] 188.07 - juris).

5

Die von der [X.]eschwerde aufgeworfene Frage, ob bei der Ermittlung der [X.]emessungsgrundlage gemäß § 3 Abs. 1 [X.] für die Teilfläche eines Grundstücks der Einheitswert des [X.] flächenmäßig je Quadratmeter aufzuteilen ist oder ob er anteilig entsprechend den tatsächlichen Wertverhältnissen der Teilflächen zuzuordnen ist, hat keine grundsätzliche [X.]edeutung mehr. Sie ist - wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat - im [X.]eschluss vom 31. Mai 2006 (a.a.[X.] Rn. 6) dahingehend entschieden worden, dass "für eine Teilflächenentschädigung der Einheitswert entsprechend dem Anteil der zu [X.] Teilfläche an der Gesamtfläche heranzuziehen" ist. Entgegen der Ansicht des [X.] ist diese flächenmäßige Aufteilung des [X.] im [X.]eschluss vom 31. Mai 2006 auch nicht für eine gleichmäßige, insgesamt unbebaute Grundstücksfläche vorgeschrieben worden. Vielmehr ging es im damaligen Ausgangsfall - ebenso wie hier - um ein zum Zeitpunkt der Schädigung bebautes Gesamtgrundstück (vgl. [X.], Urteil vom 18. Juli 2005 - 9 K 3261/02 - juris Rn. 2).

6

Dem [X.]eschluss vom 31. Mai 2006 liegt die Erwägung zu Grunde, dass der Gesetzgeber auch für die Teilflächenentschädigung durch deren ausdrückliche Erwähnung in § 3 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 [X.] eine Orientierung am zuletzt festgestellten Einheitswert vorgeschrieben und damit gerade keine Hilfswertberechnung im Sinne des § 3 Abs. 3 [X.] vorgesehen hat. Die vom Kläger befürwortete Aufteilung "nach den tatsächlichen Wertverhältnissen" würde aber die Durchführung von Hilfsberechnungen zur Wertermittlung der unterschiedlichen Grundstücksteile erforderlich machen. Der Rückgriff auf die in der Vergangenheit verbindlich festgelegten Einheitswerte in § 3 Abs. 1 [X.] dient hier - wie in anderem Zusammenhang - der Verwaltungsvereinfachung und Verfahrensbeschleunigung (vgl. Urteil vom 30. Juni 2011 - [X.]VerwG 5 C 23.10 - [X.] 428.42 § 2 NS-V[X.] Nr. 9 Rn. 16). Der Zweck einer einfachen und unstreitigen Wertermittlung kann bei Teilflächen aber nur durch eine dem Flächenanteil entsprechende Aufteilung des [X.] erreicht werden, während eine Aufteilung auf Grund erneuter [X.]ewertung der Teilflächen nicht nur für die Verwaltung zeitaufwändig wäre, sondern zwangsläufig [X.]ewertungsstreitigkeiten nach sich ziehen würde, die durch den Rückgriff auf den Einheitswert gerade vermieden werden sollten. Daher entspricht nur die flächenmäßige Aufteilung des [X.] dem Regelungszweck des § 3 Abs. 1 [X.].

7

Dass der Einheitswert des Grundstücks als [X.]emessungsgrundlage für die Entschädigung verfassungsgemäß ist, ist ebenfalls grundsätzlich geklärt ([X.], Urteil 22. November 2000 - 1 [X.]vR 2307/94 u.a. - [X.]E 102, 254 <308>). Wie das Verwaltungsgericht zutreffend angemerkt hat, gilt dies auch dann, wenn der aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung und Verfahrensbeschleunigung in § 3 Abs. 1 [X.] angeordnete Rückgriff auf einen vorhandenen Einheitswertbescheid dem Prinzip der materiellen Gerechtigkeit weniger entspricht als eine Hilfswertberechnung nach § 3 Abs. 3 [X.]. Denn dem Gesetzgeber kommt auf dem Gebiet der Wiedergutmachung auch im Rahmen des Art. 3 Abs. 1 GG ein besonders weites [X.]eurteilungsermessen zu ([X.], Urteil vom 22. November 2000 a.a.[X.] S. 299). Er ist insbesondere nicht gehindert, aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung und -beschleunigung pauschalierende und typisierende Regelungen einzuführen. Dabei muss auch systembedingt eine Ungleichbehandlung grundsätzlich hingenommen werden, die dadurch entsteht, dass im Ausnahmefall eine pauschalierende Lösung in Form des Rückgriffs auf einen Einheits- oder Ersatzeinheitswertbescheid nicht möglich ist. Dass die Ermittlung der [X.]emessungsgrundlage nach § 3 Abs. 1 [X.] einerseits und § 3 Abs. 3 [X.] anderseits im Einzelfall zu unterschiedlich hohen Werten führen kann, stellt damit in der Regel keine nicht zu rechtfertigende Ungleichbehandlung dar. In diesem Punkt unterscheidet sich die besondere Situation bei der Teilflächenentschädigung auch nicht von den übrigen Fällen der Grundstücksentschädigung. Eine weitere Ungleichbehandlung kommt - entgegen der Ansicht der [X.]eschwerde - auch nicht dadurch hinzu, dass bei einer Hilfswertberechnung für eine Teilflächenentschädigung nach § 3 Abs. 3 [X.] allein von der [X.]eschaffenheit der Teilfläche auszugehen wäre. Vielmehr liegt es in diesen Fällen nahe, ebenso - wie in § 3 Abs. 1 [X.] - von einer [X.]etrachtung der Gesamtfläche auszugehen.

Meta

5 B 71/13

29.10.2013

Bundesverwaltungsgericht 5. Senat

Beschluss

Sachgebiet: B

vorgehend VG Dresden, 17. Juli 2013, Az: 6 K 550/11, Urteil

§ 3 Abs 1 EntschG, § 3 Abs 3 EntschG

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 29.10.2013, Az. 5 B 71/13 (REWIS RS 2013, 1600)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 1600

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1 BvR 2307/94

1 BvR 1621/94

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