Bundesgerichtshof, Beschluss vom 05.09.2019, Az. III ZR 218/18

3. Zivilsenat | REWIS RS 2019, 3872

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Gegenstand

Auswirkung der gesetzlichen Verschiebung der Uferlinie eines Gewässers auf die Größe eines Ufergrundstücks - Uferkrawatte


Leitsatz

Uferkrawatte

Die Veränderung der Uferlinie infolge des Inkrafttretens von § 7 Abs. 1 bwWG am 1. März 1960 hat nicht zu einer Anwachsung des Eigentums an der dadurch entstandenen Landfläche (sogenannte "Uferkrawatte") zu den jeweiligen Ufergrundstücken geführt (Bestätigung von OLG Stuttgart, Urteil vom 8. Juli 1970 - 1 U 46/70, BeckRS 1970, 106561).

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Beschluss des 9. Zivilsenats des [X.] vom 24. September 2018 - 9 U 81/18 - wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Streitwert: 141.600 €

Gründe

I.

1

Der Kläger ist Eigentümer eines in der Gemarkung [X.]      gelegenen Grundstücks, das im Südwesten an den [X.] grenzt. Er begehrt gegenüber dem beklagten [X.] (im Folgenden Beklagter) die Feststellung, dass sich sein Grundstück über eine tatsächlich bestehende [X.] hinaus auf einen weiteren 118 m² großen Teil des Ufers bis zur Linie des [X.] des [X.]s erstreckt.

2

Der Beklagte ist (öffentlich-rechtlicher) Eigentümer des Bettes des [X.]s. Unter Geltung des Art. 7 Abs. 3 des [X.] vom 1. Dezember 1900 ([X.]. S. 921; fortan: [X.]) wurde die Grenze zwischen dem Bett des Gewässers und den Ufern der öffentlichen Gewässer (die Uferlinie) durch denjenigen Wasserstand bestimmt, welcher der regelmäßig wiederkehrenden Anschwellung des Gewässers entsprach, das heißt der Linie des mittleren [X.]s. Gemäß Art. 7 Abs. 4 [X.] bestand weiterhin die Möglichkeit - soweit ein Anlass hierzu vorlag -, die Uferlinie festzusetzen und in angemessener Weise zu bezeichnen, wovon die [X.] des [X.] mit Verfügung Nr. 10925 vom 26. Dezember 1906 vorliegend Gebrauch machte. Die Uferlinie wurde unter anderem im Bereich des nunmehr dem Kläger gehörenden Grundstücks [X.] und im Liegenschaftskataster eingetragen. Im Verlauf der nachfolgenden Jahrzehnte sank der mittlere [X.] um 11,9 cm ab.

3

Am 1. März 1960 trat das [X.] Wassergesetz in [X.] (GBl. Nr. 4 S. 17 [im Folgenden: a.[X.]]; derzeit gültig in der Fassung gemäß Art. 1 des [X.] in [X.] vom 3. Dezember 2013, GBl. Nr. 17 S. 389 [im Folgenden: n.[X.]]), das das [X.] Wassergesetz ersetzte. Gemäß § 7 Abs. 1 [X.] a.[X.] und n.[X.] wird die Grenze zwischen dem Bett eines Gewässers und den [X.] (Uferlinie) seitdem durch die Linie des Mittelwasserstands definiert. Der Mittelwasserstand bestimmt sich nach dem arithmetischen Mittel der Wasserstände der letzten 20 Jahre (§ 4 Abs. 3 Satz 1 [X.] a.[X.], § 5 Abs. 3 Satz 1 [X.] n.[X.]). Sie liegt damit unterhalb der zuvor maßgeblichen Uferlinie.

4

Der Kläger hat geltend gemacht, ihm sei aufgrund der jeweiligen - einerseits natürlichen und andererseits gesetzlichen - seewärtigen Verschiebungen der Uferlinie weiteres Eigentum von Gesetzes wegen zugewachsen.

5

Das [X.] hat die Klage abgewiesen. Das [X.] hat nach vorangegangenem Hinweisbeschluss die Berufung gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückgewiesen.

6

Der Kläger wendet sich mit seiner Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in der Entscheidung des Berufungsgerichts.

II.

7

[X.] ist unbegründet. Die Zulassungsvoraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO sind nicht erfüllt.

8

1. Soweit der Kläger für sich in Anspruch nimmt, Eigentümer eines Teils der durch die gesetzliche Verschiebung der Uferlinie durch das [X.] Wassergesetz entstandenen sogenannten Uferkrawatte geworden zu sein, ist die Zulassung der Revision weder wegen grundsätzlicher Bedeutung oder zur Rechtsfortbildung noch zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung geboten.

9

a) Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache dann, wenn sie eine klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage aufwirft, die sich in einer unbestimmten Vielzahl weiterer Fälle stellen kann (zB Entwurf der Bundesregierung eines Gesetzes zur Reform des Zivilprozesses, [X.]. 14/4722 S. 104; [X.], Beschlüsse vom 4. Juli 2002 - [X.], [X.]Z 151, 221, 223 und vom 1. Oktober 2002 - [X.], [X.]Z 152, 181, 191). [X.] ist eine Rechtsfrage insbesondere dann, wenn sie vom [X.] bisher nicht entschieden worden ist und von einigen [X.]en unterschiedlich beantwortet wird, oder wenn dazu in der Literatur unterschiedliche Meinungen vertreten werden (zB [X.], Beschlüsse vom 15. August 2018 - [X.], [X.], 1766 Rn. 3; vom 24. April 2013 - [X.], NJW-RR 2013, 897 Rn. 4 und vom 8. Februar 2010 - [X.], NJW-RR 2010, 1047 Rn. 3). Ansichten in der Literatur, die vereinzelt geblieben oder nicht nachvollziehbar begründet sind, begründen jedoch keinen Klärungsbedarf ([X.], Beschluss vom 8. Februar 2010 - [X.], NJW-RR 2010, 978 Rn. 3).

Dies zugrunde gelegt, ist die von der Beschwerde aufgeworfene Frage, ob § 7 Abs. 1 [X.] die Grenze des Eigentums zwischen dem Gewässer und dem [X.] bilde, nicht klärungsbedürftig.

Ausgangspunkt des [X.] und des vorangegangenen Hinweisbeschlusses des Berufungsgerichts ist ein Urteil des [X.]s Stuttgart aus dem [X.], das in einem vergleichbaren Fall eines Ufergrundstücks am [X.] entschieden hatte, dass die einst zum Gewässerbett gehörende [X.]fläche, das heißt die Fläche zwischen alter und neuer Uferlinie (Uferkrawatte), infolge der Neuregelung gemäß § 7 Abs. 1 [X.] weder den Eigentümern der [X.] als Privateigentum zugewachsen noch kraft Gesetzes in das Eigentum des [X.] übergegangen, sondern herrenlos geworden und damit dem Aneignungsrecht des [X.] (§ 928 Abs. 2 BGB) unterworfen sei (BeckRS 1970, 106561). Der zuvor nach Inkrafttreten des Baden-[X.] in der Literatur - ohnehin nur vereinzelt ausgetragene - Meinungsstreit (vgl. dazu [X.], [X.]. 1968, 5 ff und 164 ff einerseits und Bulling, [X.]. 1968, 97 ff und 166 ff andererseits) ist damit geklärt worden. Er ist nach dieser Entscheidung auch nicht wieder aufgeflammt. Die Kommentar-literatur ist der Auffassung des [X.]s Stuttgart vielmehr gefolgt (vgl. Kibele, Wassergesetz für [X.], 3. Aufl., § 7 Rn. 10 [Stand: April 2018]; [X.], Wassergesetz für [X.], § 7 Rn. 3; [X.], Kommentar zum Wassergesetz für [X.], § 7 Rn. 4). Für abweichende Stimmen im sonstigen Schrifttum oder in der Rechtsprechung gibt es keinen Anhalt. Dementsprechend hat der [X.]gesetzgeber auf der Grundlage der Entscheidung des [X.]s Stuttgart aus dem [X.] mit dem durch Art. 1 Nummer 38 des am 1. Januar 1996 in [X.] getretenen Gesetzes zur Änderung des Wassergesetzes vom 13. November 1995 (GBl. [X.], 773) eingefügten § 123a [X.] den Zustand der Herrenlosigkeit beendet, indem das Eigentum an der "Uferkrawatte" dem Eigentümer des [X.] übertragen wurde (vgl. dazu auch Entwurf der [X.]regierung des vorgenannten Gesetzes, [X.]. 11/6166 S. 21 und 48 f). Einen aktuellen Meinungsstreit zeigt die Beschwerde nicht auf. Ebenso wenig ist ersichtlich, dass es in den vergangenen fast 50 Jahren überhaupt weitere vergleichbare Rechtsstreitigkeiten gegeben hat. Soweit § 123a [X.] inzwischen wieder außer [X.] getreten ist, liegt dies darin begründet, dass sich sein Regelungsgehalt mit Inkrafttreten der Vorschrift zum 1. Januar 1996 erledigt hat, weil damit ein gesetzlicher Eigentumsübergang eingetreten ist. Eine Auswirkung auf die bestehenden Eigentumsverhältnisse an der "Uferkrawatte" sollte damit nicht verbunden sein (vgl. Gesetzesentwurf der [X.]regierung zum [X.], [X.]. 15/3760 S. 170).

b) Vor diesem Hintergrund besteht ebenso wenig das Bedürfnis an einer richtungsweisenden Orientierungshilfe, weshalb es auch einer Zulassung der Revision zur Fortbildung des Rechts nicht bedarf (vgl. dazu allgemein [X.], Beschluss vom 4. Juli 2002 aaO S. 225).

c) Schließlich ist die Zulassung der Revision nicht zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich; insbesondere sind die eingehend begründeten und abgewogenen Entscheidungen des [X.]s entgegen der Auffassung der Beschwerde nicht als willkürlich zu betrachten.

So hat sich das Berufungsgericht in seinem Hinweisbeschluss gemäß § 522 Abs. 2 Satz 2 ZPO zumindest gut vertretbar mit dem Passus aus der Gesetzesbegründung zu § 7 Abs. 1 [X.] befasst, nach dem sich "nach dem Entwurf das Eigentum der Anlieger künftig auf den Uferstreifen zwischen der Linie des mittleren [X.]es und der Linie des [X.]" erstreckt. Diese Wendung mag zwar zunächst für die Auffassung des [X.] sprechen. [X.] ging sogar [X.] ([X.]. 1968, 5, 8; 164, 165), der den Zuwachs der "Uferkrawatte" in das Eigentum der Anlieger befürwortete, nicht davon aus, dass dieser Teil der Entwurfsbegründung im Gesetz selbst seine normative Umsetzung erfahren hat. Der Autor nahm vielmehr an, dass eine Gesetzeslücke vorlag, die durch eine analoge Anwendung von § 8 Abs. 2 Satz 1 [X.] a.[X.] zu schließen sei (aaO).

Unbehelflich ist ferner der Hinweis der Beschwerde darauf, dass die in § 7 Abs. 1 [X.] bestimmte Uferlinie zugleich eine Eigentumsgrenze bedeutet. Dies trifft zwar insoweit zu, als die Uferlinie bei - wie im Fall des [X.]s - öffentlichen Gewässern das öffentliche Eigentum des [X.] oder der Gemeinde begrenzt und landseitig Privateigentum herrscht. Dies besagt aber nichts darüber aus, wer Inhaber des privaten Eigentums ist oder geworden ist.

2. Zur Frage, ob es bereits vor Inkrafttreten des Baden-[X.] gemäß Art. 9 Abs. 1 [X.] zu einer Anwachsung von [X.] an das klägerische Grundstück infolge des abgesunkenen Wasserspiegels des [X.]s gekommen ist oder ob die Grundstücksgrenze infolge der [X.] aufgrund der Verfügung der [X.] [X.] aus dem Jahr 1906 unveränderlich festgelegt worden ist, macht der Kläger keine Zulassungsgründe geltend.

3. Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 544 Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 2 ZPO abgesehen.

[X.]    

        

Reiter    

        

Arend 

        

Böttcher    

        

Kessen    

        

Meta

III ZR 218/18

05.09.2019

Bundesgerichtshof 3. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG Stuttgart, 24. September 2018, Az: 9 U 81/18, Beschluss

§ 7 Abs 1 WasG BW vom 25.02.1960

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 05.09.2019, Az. III ZR 218/18 (REWIS RS 2019, 3872)

Papier­fundstellen: MDR 2019, 1442-1443 REWIS RS 2019, 3872


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. III ZR 218/18

Bundesgerichtshof, III ZR 218/18, 05.09.2019.


Az. 9 U 81/18

Oberlandesgericht Hamm, 9 U 81/18, 11.01.2019.


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