Bundesgerichtshof, Beschluss vom 06.04.2017, Az. StB 6/17

3. Strafsenat | REWIS RS 2017, 12745

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Gegenstand

Untersuchungshaft: Haftfortdauer eines Terrorunterstützers


Tenor

Die Beschwerde des Beschuldigten gegen den Beschluss des Ermittlungsrichters des [X.] vom 23. Februar 2017 wird verworfen.

Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe

I.

1

Der Beschuldigte wurde am 22. November 2016 aufgrund des Haftbefehls des Ermittlungsrichters des [X.] vom 31. Oktober 2016 (5 [X.]) festgenommen. Er befindet sich seitdem ununterbrochen in Untersuchungshaft. Gegenstand des Haftbefehls ist der Vorwurf, der Beschuldigte habe in der [X.] von 2011 bis Dezember 2014 die außereuropäische terroristische Vereinigung "[X.]" durch mindestens sieben Lieferungen von technischen Geräten und Ferngläsern unterstützt.

2

Auf die mündliche Haftprüfung am 21. Februar 2017 hat der Ermittlungsrichter des [X.] mit Beschluss vom 23. Februar 2017 (5 [X.]) den Haftbefehl aufrechterhalten und den weiteren Vollzug der Untersuchungshaft angeordnet. Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Beschuldigten, mit der er insbesondere einen Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit geltend macht. Der Ermittlungsrichter des [X.] hat der Beschwerde nicht abgeholfen (Beschluss vom 1. März 2017, 5 [X.]/17).

II.

3

Die zulässige Beschwerde ist unbegründet.

4

1. Der Beschuldigte ist der ihm im Haftbefehl des Ermittlungsrichters des [X.] vorgeworfenen Taten dringend verdächtig.

5

a) Nach dem derzeitigen Ermittlungsstand ist im Sinne eines dringenden Tatverdachts von folgendem Sachverhalt auszugehen:

6

aa) Die Vereinigung [X.]

7

(1) Die [X.] ist aus den im [X.] gegründeten "Kata'ib [X.]" ("Brigaden der [X.]") hervorgegangen, die sich Ende des Jahres 2012 dem Bündnis "[X.]" ("[X.]") anschloss. Nach der damaligen Verlautbarung war Ziel der [X.]; mit militärischen und zivilen Mitteln sollte eine [X.] Gesellschaft entstehen, die gemäß den Regeln der Sharia regiert werden sollte. Nicht-Muslime wurden indes nicht als Feinde bezeichnet, in der militärischen Auseinandersetzung sollten Zivilisten geschont werden.

8

Ende Januar 2013 schlossen sich die "Kata'ib [X.]" mit drei anderen Gruppierungen zur [X.] zusammen. In dem dazu veröffentlichten Video mit dem Titel "Gründungserklärung der Harakat [X.] al-Islamiya" wurde nunmehr eine streng [X.] Ausrichtung der Organisation betont. Ende November 2013 löste sich die "[X.]" auf und gab zugleich die Gründung eines neuen, umfassenderen [X.] mit dem Namen "[X.]" bekannt, als dessen Ziele der Sturz des [X.] und die Gründung eines "rechtgeleiteten [X.]n Staates" unter der Geltung der Sharia in ihrer radikal-islamistischen Ausrichtung benannt wurden. Die [X.] wurde in der Erklärung als Gründungsmitglied bezeichnet; sie ist als eigenständige Vereinigung innerhalb des [X.] gleichwohl bestehen geblieben.

9

(2) Ziel der [X.] ist nach wie vor in erster Linie der Sturz des [X.]. Im Gegensatz zu früheren Verlautbarungen, in denen von Toleranz gegenüber Andersdenkenden und -gläubigen die Rede war, wird nunmehr eine salafistische Ausrichtung der Organisation betont, die den Schutz des Islam und die Errichtung einer Gesellschaftsordnung unter dem [X.] als weitere Ziele definiert. [X.] mit den teilweise engen Bindungen der [X.] zu etwa der [X.] und zum Teil auch dem [X.] sind die Ziele der [X.] von denen dieser jihadistisch ausgerichteten Gruppierungen nicht klar abzugrenzen: So akzeptiert die [X.] die derzeitigen Grenzen des [X.] nicht und beabsichtigt dementsprechend, den [X.]n Staat, dessen Errichtung sie anstrebt, über die Grenzen des heutigen [X.] hinaus auszudehnen. Eine politische Lösung des Konflikts lehnt die Organisation ab, der bewaffnete Kampf wird als einzige Möglichkeit angesehen. Das politische System des zu schaffenden Staates soll auf der Basis der Sharia autoritär geprägt sein, Säkularismus und Demokratie sieht die [X.] als Übel an, die in ihrem Staat keinen Platz hätten. Dem allgemeinen Ziel der [X.], einen transnationalen [X.]n Staat zu schaffen, stimmt die Vereinigung zu, wenn sie auch die Auffassung vertritt, dass bei der Erreichung dieses Ziels Realismus und Geduld von Nöten seien.

(3) Im Lauf des Jahres 2013 wurde die [X.] mit 10.000 bis 20.000 Kämpfern zur stärksten Gruppierung innerhalb des [X.]. Sie setzt im Kampf gegen das Assad-Regime in erster Linie militärische Mittel und Einsatztaktiken ein. [X.] lehnt sie zwar ab, arbeitete aber bei Operationen mit der [X.] zusammen, deren Kämpfer dabei Selbstmordanschläge begingen. Bereits seit dem [X.] war sie bzw. ihre Vorgängerorganisation - häufig in enger Zusammenarbeit mit Gruppierungen der späteren Islamischen Front - an fast allen wichtigen Operationen der syrischen Aufständischen beteiligt, insbesondere an der Offensive in der [X.] [X.] im Juli 2012, der Einnahme der Provinzhauptstadt [X.] im März 2013, in Zusammenarbeit mit der [X.], dem "[X.] im [X.] und [X.]" und anderen jihadistischen Gruppierungen ab dem 4. August 2013 an der Offensive gegen alawitische Dörfer im Gebirge in der [X.], bei der zahlreiche Zivilisten ermordet wurden, sowie im Februar 2014 an dem Angriff auf das Zentralgefängnis von [X.], an dem wiederum auch die [X.] und weitere jihadistische Vereinigungen teilnahmen. Seit März 2015 besteht ein dauerhaftes militärisches Zweckbündnis mit der [X.].

(4) An der Spitze der Organisation stand bis September 2014 als politischer Führer [X.], der im Juni 2013 in einem Interview mit dem Nachrichtensender [X.] an die Öffentlichkeit trat und sich ausführlich zur [X.] und ihren Zielen äußerte. Nachdem [X.] mit anderen Führungspersönlichkeiten der Vereinigung am 9. September 2014 getötet worden war, setzte der [X.] der Organisation bereits am Tag nach seinem Tod mit [X.] (Kampfname: [X.]) einen Nachfolger für ihn ein und mit [X.] den Nachfolger für den ebenfalls getöteten bisherigen Militärverantwortlichen [X.]. Seit September 2015 führt [X.] (alias [X.]) die [X.]. Die zentrale Führung der [X.] besteht aus einem [X.] sowie Büros für Militär, Religion, Finanzen, humanitäre Aktivitäten und Öffentlichkeitsarbeit. Die Organisation verfügt nach eigenen Angaben über ein eigenes Medienbüro, das die diversen Videoveröffentlichungen erstellt; Verlautbarungen sowie [X.] und [X.] werden sowohl über [X.] Netzwerke, als auch über die eigene Internetpräsenz verbreitet. Als weitere Führungsebene fungieren die Anführer in den einzelnen [X.]. Die Mitglieder der Vereinigung stammen überwiegend aus [X.], in einigen Fällen auch aus anderen Ländern. Die Kampfeinheiten sind überwiegend mit erbeuteten ehemaligen Beständen der [X.] bewaffnet. Die Organisation verfügt über koordinierende Befehlsstrukturen; die Anweisungen und Planungen der höheren Ebenen werden durch die nachgeordneten Teile umgesetzt.

b) Der Beschuldigte unterstützte die [X.] in Kenntnis der Ziele und Methoden der Organisation in der [X.] von 2011 bis Dezember 2014 durch mindestens sieben Lieferungen von technischen Geräten und Ferngläsern wie folgt:

aa) Zwischen dem [X.] und dem 21. Mai 2013 erwarb der Beschuldigte bei der Firma T.    zwei Funkscanner des Typs [X.] im Wert von 800 €, die er an Vertreter der [X.] in [X.] lieferte.

bb) Im [X.]raum vom 16. August bis zum 21. September 2013 transportierte er vier Zielfernrohre der Marke    Z.  nach [X.] zur [X.].

cc) Zwischen dem 28. Juli 2013 und dem 7. August 2013 transportierte der gesondert verfolgte       [X.]  zwei Ferngläser und ein nicht näher bezeichnetes optisches Gerät des Unternehmens C.     sowie 1.000 € Bargeld nach [X.] zu "   O.  " als Vertreter der [X.], nachdem der Beschuldigte die erforderlichen Kontakte zu Mitgliedern dieser Vereinigung hergestellt hatte.

dd) Am 12. Dezember 2013 übergab der Beschuldigte dem gesondert Verfolgten      [X.]  zwei Ferngläser, eine quadratische Antenne mit Kabel, zwei Router, einen Laptop sowie Antennen, die dieser nach den Vorgaben des Beschuldigten mit einem Krankenwagen zum Büro der [X.] am [X.] Grenzübergang transportieren ließ, wo die Geräte am 20. Dezember 2013 eintrafen.

ee) Im Januar und Februar 2014 finanzierte der Beschuldigte im Zusammenwirken mit dem gesondert verfolgten    [X.]den Ankauf von fünf Funkscannern im Gesamtwert von 2.000 € bei der Firma T.    , die im Frühjahr 2014 unter Beteiligung des     [X.] nach [X.] zur [X.] transportiert wurden.

ff) Im April 2014 veranlasste der Beschuldigte die Lieferung von zwei Fernrohren nebst Trägern, zwei Ferngläsern, mehreren Routern und weiteren technischen Geräten u.a. für den Aufbau einer Satelliten-Internetverbindung an drei Führungspersonen der [X.].

gg) Im November 2014 beschaffte der Beschuldigte zehn Ferngläser und bewirkte gemeinsam mit den gesondert verfolgten     Sa.    und      [X.] die Lieferung dieser sowie eines Leistungsmessers nach [X.] zur [X.], wo die Geräte im Dezember 2014 eintrafen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Haftbefehl des Ermittlungsrichters des [X.] vom 31. Oktober 2016 Bezug genommen.

c) Der dringende Tatverdacht folgt, soweit er die Vereinigung [X.] betrifft, aus öffentlich zugänglichen Quellen und den vorliegenden Strukturerkenntnissen zu dieser Organisation. Hinsichtlich der Einzelheiten wird Bezug genommen insbesondere auf die Gutachten des Sachverständigen Dr. St.     vom 19. Februar 2015 und vom 21. März 2016 (vorläufige [X.], Fach "Struktur der [X.]") sowie den Auswertebericht des [X.] vom 1. November 2015 (vorläufige [X.], Fach "Struktur der [X.]").

Der dringende Verdacht betreffend die Tathandlungen des Beschuldigten ergibt sich aus der Auswertung der durch das [X.] zur Verfügung gestellten Audio-Files aus vorangegangenen Maßnahmen nach dem Gesetz zur Beschränkung des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses (vorläufige [X.]. 3 bis 5, Inhalte aus G-10-Maßnahmen; [X.] Bericht des [X.] vom 18. Juni 2015, vorläufige [X.] Fach "Verfahrensgang") sowie den bei dem Beschuldigten und bei Mitbeschuldigten sichergestellten Datenträgern und Notizen, deren Auswertung andauert. Weitere belastende Hinweise ergeben sich aus den Angaben der Mitbeschuldigten     [X.] (Vernehmung vom 22. November 2016, vorläufige [X.] 2 Fach "Vernehmungen") und         [X.] (richterliche Vernehmung vom 23. November 2016, vorläufige [X.] 2 Fach "Vernehmungen").

2. Es besteht nach alledem der dringende Tatverdacht, dass sich der Beschuldigte wegen Unterstützung einer terroristischen Vereinigung im Ausland nach § 129a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 5 Satz 1, § 129b Abs. 1 Satz 1 und 2 StGB strafbar gemacht hat.

a) Die Gruppierung [X.] stellt sich nach den vorliegenden Erkenntnissen dar als ein auf gewisse Dauer angelegter, freiwilliger organisatorischer Zusammenschluss von mindestens drei Personen, die bei Unterordnung des Willens des Einzelnen unter den Willen der Gesamtheit gemeinsame Zwecke verfolgen und unter sich derart in Beziehung stehen, dass sie sich als einheitlicher Verband fühlen und mithin als Vereinigung im Sinne der §§ 129 ff. StGB (vgl. etwa [X.], Urteil vom 3. Dezember 2009 - 3 [X.], [X.]St 54, 216, 221 [X.]). Ihre Zwecke und ihre Tätigkeit sind darauf gerichtet, Mord und Totschlag (§§ 211, 212 StGB) zu begehen, wobei die Opfer nicht nur Soldaten des von ihr bekämpften [X.] sind, sondern - wie etwa die [X.] zeigen - auch Zivilisten zu ihren Zielen gehören.

b) Der Beschuldigte hat diese Vereinigung durch die Lieferung von Ausrüstungsgegenständen unterstützt.

c) [X.] Strafrecht ist anwendbar (vgl. im Einzelnen [X.], Beschluss vom 6. Oktober 2016 - AK 52/16, juris Rn. 33 ff.).

d) Die nach § 129b Abs. 1 Satz 2 und 3 StGB erforderliche Ermächtigung zur strafrechtlichen Verfolgung von Mitgliedern oder Unterstützern der [X.], die sich in der [X.] aufhalten, hat das [X.] am 25. Juli 2014 erteilt (Aktenzeichen [X.] 4030 E [1027] 21 1158/2013).

3. Es besteht der Haftgrund der Fluchtgefahr (§ 112 Abs. 2 Nr. 2 StPO). Durch weniger einschneidende Maßnahmen als den Haftvollzug kann der Zweck der Untersuchungshaft nach wie vor nicht erreicht werden (§ 116 Abs. 1 StPO).

Die Gesamtwürdigung der Umstände des Falles macht es wahrscheinlicher, dass sich der Beschuldigte dem Strafverfahren entzieht, als dass er sich ihm zur Verfügung halten wird. Der Beschuldigte hat mit einer empfindlichen Freiheitsstrafe zu rechnen, die einen hohen Fluchtanreiz bietet. Demgegenüber sind die fluchthemmenden Umstände, insbesondere die familiären Bindungen des Beschuldigten in [X.] und seine Arbeit als Ingenieur bei der [X.].             GmbH in [X.]      , die angebotene Kaution und die Bereitschaft, Reisedokumente bei der Polizei zu hinterlegen, auch in der Zusammenschau mit den weiteren fluchthemmenden Umständen nicht geeignet, dem von der zu erwartenden Freiheitsstrafe ausgehenden Fluchtanreiz hinreichend entgegenzuwirken, zumal der Beschuldigte enge Verwandte in [X.] bzw. in den [X.] und der [X.] hat und Kontakte zu Mitgliedern und Unterstützern der [X.] pflegt, die bei einer Flucht behilflich sein könnten.

4. Der weitere Vollzug der Untersuchungshaft verstößt auch nicht gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Die Untersuchungshaft hat mit Blick auf das Spannungsverhältnis zwischen dem [X.] und dem Interesse der Allgemeinheit an einer effektiven Strafverfolgung bei Berücksichtigung und Abwägung der gegebenen Besonderheiten des vorliegenden Verfahrens fortzudauern; das Beschwerdevorbringen ist nicht geeignet, ein anderes Ergebnis zu rechtfertigen. Insofern gilt:

a) Im Hinblick auf das in Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG gewährleistete Recht des Einzelnen auf persönliche Freiheit ist der Entzug der Freiheit eines der Straftat lediglich Verdächtigen wegen der Unschuldsvermutung nur ausnahmsweise zulässig. Den vom Standpunkt der Strafverfolgung aus erforderlich und zweckmäßig erscheinenden Freiheitsbeschränkungen muss - unter maßgeblicher Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit - der Freiheitsanspruch des noch nicht rechtskräftig verurteilten Beschuldigten als Korrektiv gegenübergestellt werden. Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verlangt in diesem Zusammenhang auch, dass die Dauer der Untersuchungshaft nicht außer Verhältnis zu der zu erwartenden Strafe steht, und setzt ihr auch unabhängig von der Straferwartung Grenzen. Mit zunehmender Dauer der Untersuchungshaft vergrößert sich regelmäßig das Gewicht des Freiheitsanspruchs gegenüber dem Interesse an einer wirksamen Strafverfolgung. Daraus folgt, dass die Anforderungen an die [X.] in einer Haftsache mit der Dauer der Untersuchungshaft steigen, aber auch die Anforderungen an den die [X.] rechtfertigenden Grund zunehmen ([X.], Beschluss vom 21. April 2016 - StB 5/16, [X.], 217 f. [X.]).

Das damit angesprochene Beschleunigungsgebot in Haftsachen verlangt, dass die Strafverfolgungsbehörden und Strafgerichte alle möglichen und zumutbaren Maßnahmen ergreifen, um die notwendigen Ermittlungen mit der gebotenen Schnelligkeit abzuschließen und eine gerichtliche Entscheidung über die einem Beschuldigten vorgeworfenen Taten herbeizuführen. Zur Durchführung eines geordneten Strafverfahrens und einer Sicherstellung der etwaigen späteren Strafvollstreckung kann die Untersuchungshaft deshalb nicht mehr als notwendig anerkannt werden, wenn ihre Fortdauer durch vermeidbare Verfahrensverzögerungen verursacht ist. Insgesamt ist eine auf den Einzelfall bezogene Prüfung des [X.] erforderlich. Zu würdigen sind auch die voraussichtliche Gesamtdauer des Verfahrens und die für den Fall einer Verurteilung konkret im Raum stehende Straferwartung (st. Rspr.; vgl. etwa [X.], Beschluss vom 17. Januar 2013 - 2 BvR 2098/12, juris Rn. 39 ff. [X.]; [X.], Beschluss vom 23. Februar 2017 - StB 4/17, juris Rn. 10).

b) Gemessen an diesen Anforderungen ist der weitere Vollzug der Untersuchungshaft nicht unverhältnismäßig.

aa) Er steht zunächst nicht außer Verhältnis zur Bedeutung der Sache und der im Falle einer Verurteilung zu erwartenden Strafe (§ 112 Abs. 1 Satz 2, § 120 Abs. 1 Satz 1 StPO).

Das aufzuklärende Tatgeschehen stellt sich nicht nur nach der gesetzlichen Strafandrohung als eine erhebliche Straftat dar, sondern wiegt auch unter den konkret gegebenen Umständen schwer, da der Beschuldigte nach den bisherigen Ermittlungen eine zentrale Funktion bei der Beschaffung von Ausrüstungsgegenständen für die [X.] in [X.] innehatte. Die im Falle der Verurteilung des Angeklagten zu erwartende und zu verbüßende Strafe wird deshalb bis auf weiteres die Dauer der Untersuchungshaft nicht nur unwesentlich übersteigen. Die von der Verteidigung aufgestellte These, der Beschuldigte habe sein Engagement für die [X.] mit Zunahme der Radikalisierung dieser Vereinigung zurückgeschraubt, findet bisher in den Ermittlungsergebnissen keine Stütze. Auch die Erwägung, dass sechs der vorgeworfenen Fälle vor Erteilung einer Strafverfolgungsermächtigung nach § 129b Abs. 1 Satz 3 StGB datieren, relativiert das Gewicht der mutmaßlichen Taten nicht. Deren Unrechtsgehalt ist unabhängig von der Ermessensentscheidung des [X.] (vgl. dazu [X.], StGB, 64. Aufl., § 129b Rn. 14 [X.]) über die Erteilung der bis zum [X.] nachholbaren Prozessvoraussetzung zu bewerten.

bb) Das Verfahren ist bisher auch mit der in Haftsachen gebotenen Beschleunigung geführt worden. Die Auswertung der sichergestellten umfangreichen Beweismittel dauert an und wird mit Nachdruck betrieben. Im Rahmen der Durchsuchungen in insgesamt zehn Objekten wurden am 22. November 2016 neben zahlreichen [X.] neun [X.], 26 Laptops, 35 USB-Speichergeräte, 33 Mobiltelefone und 108 Festplatten sichergestellt; allein die dem Beschuldigten zugeordneten Speichermedien umfassen etwa zwei Terabyte Daten, die auch in gelöschten [X.] ausgewertet werden müssen. Die technische Sicherung der Mobiltelefone ist zwischenzeitlich nahezu vollständig durchgeführt worden. Zwar hat der Beschuldigte Passwörter mitgeteilt, welche die Auswertung seiner Speichermedien erleichtern; es reicht indes zur Ermittlung des Sachverhalts nicht aus, nur diese in den Blick zu nehmen. Zudem wird die Auswertung dadurch erschwert, dass zahlreiche Inhalte in [X.] abgefasst sind. Trotz des Einsatzes von regelmäßig zwei Dolmetschern dauert deren Auswertung noch an. Aus den Auswertungen der beim Beschuldigten sichergestellten Gegenstände ergeben sich weitere belastende Hinweise: So wurden durch Auswertung seines Mobiltelefons Verbindungen mit weiteren Beschuldigten erkennbar; auf handschriftlichen Notizen wurden Auflistungen der Ausgaben für Tages- und Nachtferngläser sowie Zahlungen der mutmaßlichen Empfänger festgestellt und neben dem Namen eines Empfängers bei der [X.] fand sich das Wort "Scharfschützenfernglas". Hinsichtlich der weiteren Beschuldigten      [X.]und    [X.] ergaben sich aus der [X.] Hinweise auf zahlreiche Transporte von Ausrüstungsgegenständen nach [X.], die teilweise unter falschem Namen beschafft wurden.

[X.]            Hoch

Meta

StB 6/17

06.04.2017

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: False

§ 129 StGB, §§ 129ff StGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 06.04.2017, Az. StB 6/17 (REWIS RS 2017, 12745)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 12745

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2 BvR 2098/12

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