Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 14.06.2017, Az. AK 26/17

3. Strafsenat | REWIS RS 2017, 9563

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[X.]:[X.]:[X.]:2017:140617BAK26.17.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

BESCHLUSS

AK 26/17
vom
14. Juni 2017
in dem Ermittlungsverfahren
gegen

wegen des Verdachts der Unterstützung einer ausländischen terroristischen

Vereinigung

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Der 3.
Strafsenat des [X.] hat nach Anhörung des [X.] sowie des Beschuldigten und seiner Verteidiger am 14. Juni 2017
gemäß §§ 121, 122 StPO beschlossen:

Die Untersuchungshaft hat [X.].
Eine etwa erforderliche weitere Haftprüfung durch den Bundesge-richtshof findet in drei Monaten statt.
Bis zu diesem [X.]punkt wird die Haftprüfung dem nach allgemei-nen Grundsätzen zuständigen Gericht
übertragen.

Gründe:
I.
Der Beschuldigte wurde am 22. November 2016 aufgrund des [X.] des [X.] vom 31.
Oktober 2016
(5 [X.]) festgenommen. Er befindet sich seitdem ununterbrochen in Untersuchungshaft. Gegenstand des Haftbefehls ist der Vorwurf, der Beschul-digte habe in der [X.] von 2011 bis Dezember 2014 die außereuropäische ter-roristische
Vereinigung "[X.]" durch mindestens sieben Lieferungen von technischen Geräten, Ferngläsern und [X.] unterstützt.
Auf die mündliche Haftprüfung am 21. Februar 2017 hat der Ermittlungs-richter des [X.] mit Beschluss vom 23. Februar 2017 (5 [X.]) den Haftbefehl aufrechterhalten und den weiteren Vollzug angeordnet. 1
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Die hiergegen gerichtete Beschwerde des Beschuldigten hat der Senat mit [X.] vom 6. April 2017 (StB 6/17) verworfen.
Mit Beschluss vom 18. Mai 2017 (5 [X.]) hat der [X.] des [X.] den Haftbefehl dahin abgeändert, dass der Be-schuldigte im [X.] nicht der Lieferung von vier [X.], sondern von vier Ferngläsern der Marke [X.] im [X.]raum von Juli bis September 2013 und im [X.] nicht der Lieferung von zwei Fernrohren und weite-ren Gegenständen, sondern von zwei Ferngläsern und weiteren Gegenständen dringend verdächtig ist.
II.
Die Voraussetzungen für die Fortdauer der Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus liegen vor.
1. Der Beschuldigte ist der ihm im Haftbefehl des Ermittlungsrichters des [X.] in Verbindung mit dessen Beschluss vom 18. Mai 2017 vorgeworfenen Taten dringend verdächtig.
a) Nach dem bisherigen Ermittlungsstand ist im Sinne eines dringenden Tatverdachts von folgendem Sachverhalt auszugehen:
[X.]) Die Vereinigung [X.]
(1) Die [X.] ist aus den im [X.] gegründeten "Kata'ib [X.]" ("Brigaden der [X.]") hervorgegangen,
die sich Ende des Jahres 2012 dem Bündnis "[X.]"
("[X.]") anschloss. Nach der damaligen Verlautbarung war 3
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Ziel der [X.]; mit militärischen und zivi-len Mitteln sollte eine [X.] Gesellschaft entstehen, die gemäß den [X.] der Sharia regiert werden sollte. Nicht-Muslime wurden indes nicht als Feinde bezeichnet, in der militärischen Auseinandersetzung sollten Zivilisten geschont werden.
Ende Januar 2013 schlossen sich die "Kata'ib [X.]" mit drei anderen Gruppierungen zur [X.] zusammen. In dem dazu veröffent-lichten Video mit dem Titel "Gründungserklärung der Harakat [X.]
al-Sham

al-Islamiya" wurde nunmehr eine streng [X.] Ausrichtung der Organisation betont. Ende November 2013 löste sich die "[X.]" auf und gab zugleich die Gründung eines neuen, umfassenderen Bünd-nisses mit dem Namen "[X.]" bekannt, als dessen Ziele der Sturz des [X.] und die Gründung eines
"rechtgeleiteten [X.]n St[X.]-tes" unter der Geltung der Sharia in ihrer radikal-islamistischen Ausrichtung benannt wurden. Die [X.] wurde in der Erklärung als [X.] bezeichnet; sie blieb
als eigenständige Vereinigung innerhalb des
Bünd-nisses gleichwohl bestehen.
(2) Ziel der [X.] ist nach wie vor in erster Linie der Sturz des [X.]. Im Gegensatz zu früheren Verlautbarungen, in denen von [X.] gegenüber Andersdenkenden und -gläubigen die Rede war, wird nun-mehr
eine salafistische Ausrichtung der Organisation betont, die den Schutz des Islam und die Errichtung einer Gesellschaftsordnung unter dem [X.] als weitere Ziele definiert. [X.] mit den teilweise engen Bindungen der [X.] zu
etwa der [X.] und zum Teil auch dem [X.] sind die Ziele der [X.] von denen dieser jihadistisch ausgerichteten Gruppierungen nicht klar abzugrenzen: So akzep-9
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tiert die [X.] die derzeitigen Grenzen des syrischen St[X.]tes nicht und beabsichtigt dementsprechend, den [X.]n St[X.]t, dessen Errichtung sie anstrebt, über die Grenzen des heutigen [X.] hinaus auszudehnen. Eine politische Lösung des Konflikts lehnt die Organisation ab, der bewaffnete Kampf wird als einzige Möglichkeit angesehen. Das politische System des zu schaffenden St[X.]tes soll auf der Basis der Sharia autoritär geprägt sein, Säku-larismus und Demokratie sieht die [X.] als Übel an, die in ihrem St[X.]t keinen Platz hätten. Dem allgemeinen Ziel der [X.], einen transna-tionalen [X.]n St[X.]t zu schaffen, stimmt die Vereinigung zu, wenn sie auch die Auffassung vertritt, dass bei der Erreichung dieses Ziels Realismus und Geduld von Nöten seien.
(3) Im Lauf des Jahres 2013 wurde die [X.] mit 10.000 bis 20.000 Kämpfern zur stärksten Gruppierung innerhalb des [X.].
Sie setzt im Kampf gegen das Assad-Regime in erster Linie militärische Mittel und Einsatztaktiken ein. [X.] lehnt sie zwar ab, arbeitete aber bei Operationen mit der [X.] zusammen, deren Kämpfer dabei Selbstmordanschläge begingen. Bereits seit dem [X.] war sie bzw. ihre Vorgängerorganisation -
häufig in enger Zusammenarbeit mit Gruppierungen der späteren [X.] -
an fast allen wichtigen Operationen der syri-schen Aufständischen beteiligt, insbesondere an der Offensive in der Stadt [X.] im Juli 2012, der Einnahme der Provinzhauptstadt [X.] im März 2013, in Zusammenarbeit mit der [X.], dem "Islamischen St[X.]t im [X.] und [X.]" und anderen jihadistischen Gruppierungen ab dem 4. August 2013 an der Offensive gegen alawitische Dörfer im Gebirge in der [X.], bei der zahlreiche Zivilisten ermordet wurden, sowie im Februar 2014 an dem Angriff auf das Zentralgefängnis von [X.], an dem wiederum auch die
[X.] und weitere jihadistische Vereinigungen teilnahmen. Seit März 11
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2015 besteht ein dauerhaftes militärisches Zweckbündnis mit der Jabhat
al-Nusra.
(4) An der Spitze der Organisation stand bis September 2014 als politi-scher Führer [X.], der im Juni 2013 in einem Interview mit dem Nachrichtensender [X.] an die Öffentlichkeit trat und sich ausführlich zur [X.] und ihren Zielen äußerte. Nachdem [X.] mit anderen [X.] am 9. September 2014 getötet worden war, setzte der [X.] der Organisation bereits am Tag nach seinem Tod mit [X.] (Kampfname: [X.]) einen Nachfolger für ihn ein und mit [X.] den Nachfolger für den ebenfalls getöteten bisheri-gen [X.]verantwortlichen [X.]. Seit September 2015 führt [X.] (alias [X.]) die [X.]. Die zentrale Führung der [X.] besteht aus einem [X.] sowie Büros für [X.], Religi-on, Finanzen, humanitäre Aktivitäten und Öffentlichkeitsarbeit. Die Organisation verfügt nach eigenen Angaben über ein eigenes Medienbüro, das die diversen Videoveröffentlichungen erstellt; Verlautbarungen sowie Bekenner-
und Propa-gandavideos werden sowohl über [X.] Netzwerke, als auch über die eigene [X.]präsenz verbreitet. Als weitere Führungsebene fungieren die Anführer in den einzelnen [X.]. Die Mitglieder der Vereinigung stammen überwiegend aus [X.], in einigen Fällen auch aus anderen Ländern. Die Kampfeinheiten sind überwiegend mit erbeuteten ehemaligen Beständen der [X.] bewaffnet. Die Organisation verfügt über koordinierende Be-fehlsstrukturen; die Anweisungen und Planungen der höheren Ebenen werden durch die nachgeordneten Teile umgesetzt.
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bb) Die Tathandlungen des Beschuldigten
Der Beschuldigte unterstützte die [X.] in Kenntnis der Ziele und Methoden der Organisation in der [X.] von 2011 bis Dezember 2014 durch mindestens sieben Lieferungen von technischen Geräten und Ferngläsern wie folgt:
(1) Zwischen dem [X.] und dem 21. Mai 2013 erwarb der Beschul-digte bei der Firma T.

zwei Funkscanner des Typs [X.] im Wert -Sham in [X.] lieferte.
(2) Im [X.]raum von Juli bis September 2013 lieferte der Beschuldigte vier Ferngäser der Marke [X.] nach [X.] zur [X.].
(3) Zwischen dem 28. Juli 2013 und dem 7. August 2013 transportierte der gesondert verfolgte

S.

zwei Ferngläser und ein nicht näher bezeichnetes optisches Gerät des Unternehmens C.

r-geld nach [X.] zu "

O.

" als Vertreter der [X.], nachdem der Beschuldigte die erforderlichen Kontakte zu Mitgliedern dieser Vereinigung her-gestellt hatte.
(4) Am 12. Dezember 2013 übergab der Beschuldigte dem gesondert Verfolgten

S.

zwei Ferngläser, eine quadratische Antenne mit Ka-bel, zwei Router, einen Laptop sowie Antennen, die dieser nach den Vorgaben des Beschuldigten mit einem Krankenwagen zum Büro der [X.] an einem
türkisch-syrischen Grenzübergang transportieren ließ, wo die Geräte am 20. Dezember 2013 eintrafen.
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(5) Im Januar und Februar 2014 finanzierte der Beschuldigte im Zusam-menwirken mit dem gesondert verfolgten

H.

den Ankauf von fünf .

, die im [X.] unter Beteiligung des

S.

nach [X.] zur [X.] transportiert wurden.
(6) Im April 2014 veranlasste der Beschuldigte die Lieferung von zwei Ferngläsern nebst Trägern, weiteren zwei Ferngläsern, mehreren Routern und weiteren
technischen Geräten u.a. für den Aufbau einer Satelliten-[X.]verbindung an drei Führungspersonen der [X.].
(7) Im November 2014 beschaffte der Beschuldigte zehn Ferngläser und bewirkte gemeinsam mit den gesondert verfolgten

Sa.

und

S.

deren
Lieferung sowie eines Leistungsmessers nach [X.] zur [X.], wo die Geräte im Dezember 2014 eintrafen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Haftbefehl des Ermitt-lungsrichters des [X.] vom 31. Oktober 2016 und seinen [X.] vom 18.
Mai 2017 Bezug genommen.
b) Der dringende Tatverdacht folgt, soweit er die Vereinigung [X.]
al-Sham betrifft, aus öffentlich zugänglichen Quellen und den vorliegenden Strukturerkenntnissen zu dieser Organisation. Hinsichtlich der Einzelheiten wird Bezug genommen insbesondere auf die Gutachten des Sachverständigen
Dr. St.

vom 19. Februar 2015 und vom 21. März 2016 (vorläufige [X.]
1, Fach "Struktur der [X.]") und den Auswertebericht
des Bun-deskriminalamts vom 1. November 2015 (vorläufige [X.], Fach "Struktur der [X.]").
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Betreffend die Tathandlungen des Beschuldigten ergibt sich
der drin-gende Tatverdacht
aus der Auswertung der durch das [X.] zur Verfügung gestellten Audio-Files aus vorangegangenen [X.] nach dem Gesetz zur Beschränkung des Brief-, Post-
und Fernmelde-geheimnisses (vorläufige [X.]. 3 bis 5, Inhalte aus G-10-Maßnahmen; Zu-sammenfassender Bericht des [X.] vom 18. Juni 2015, vorläufige [X.] Fach Verfahrensgang) sowie den bei dem Beschul-digten und bei Mitbeschuldigten sichergestellten Datenträgern und Notizen, de-ren Auswertung andauert. Weitere belastende Hinweise ergeben sich aus den Angaben der Mitbeschuldigten

H.

(Vernehmung vom 22. November 2016, vorläufige [X.] 2 Fach Vernehmungen), der lediglich Hilfslieferungen nach [X.] organisiert haben will, und

S.

(richterliche Verneh-mung vom 23. November 2016, vorläufige [X.]
2 Fach Vernehmungen), der sich zum Vorwurf der Lieferung von [X.] dahin eingelassen hat, dass der Beschuldigte A.

damit die Kommunikation von Krankenwagen unterei-nander ermöglichen wollte. Dieser Verwendungszweck liegt
indes schon [X.] fern, weil die Geräte nach Angaben des Zeugen

Th.

(Ver-nehmung vom 10. März 2017,
vorläufige SA
Bd.
6, [X.]. 73-74) allein zum
Empfang, nicht aber zum Senden geeignet sind. Der Mitbeschuldigte Ha.

hat in seiner richterlichen Vernehmung am 22. November 2016 (vorläufige SA
Bd.
2, [X.]. 207-209) eingeräumt, vier von ihm zunächst über das [X.] bezo-gene Ferngläser an den Beschuldigten A.

verkauft zu haben, will aber über den Zielort [X.] hinaus nicht gewusst haben, wer der Empfänger habe sein sollen; er habe geglaubt, die Ferngläser seien für die Krankenversorgung bestimmt.
Aus den Auswertungen der beim Beschuldigten sichergestellten Gegen-stände ergeben sich weitere belastende Hinweise: So wurden auf
seinem
Mo-24
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biltelefon Verbindungen mit weiteren Beschuldigten erkennbar; auf handschrift-lichen Notizen wurden Auflistungen der Ausgaben für Tages-
und Nachtfern-gläser sowie Zahlungen der mutmaßlichen Empfänger festgestellt und neben dem Namen eines Empfängers bei der [X.] fand sich das Wort "Scharfschützenfernglas". Hinsichtlich der weiteren Beschuldigten

S.

und

H.

ergaben sich aus der [X.] [X.] auf zahlreiche Transporte von Ausrüstungsgegenständen nach [X.], die teilweise unter falschem Namen beschafft wurden.
2. Es besteht nach alledem der dringende Tatverdacht, dass sich der Beschuldigte in sieben Fällen wegen Unterstützung einer terroristischen Verei-nigung im Ausland nach §
129a Abs.
1 Nr.
1, Abs. 5 Satz 1, § 129b Abs. 1 Satz
1 und 2 StGB strafbar gemacht hat.
a) Die Gruppierung [X.] stellt sich nach den vorliegenden Er-kenntnissen dar als auf gewisse Dauer angelegter, freiwilliger organisatorischer Zusammenschluss von mindestens drei Personen, die bei Unterordnung des Willens des Einzelnen unter den Willen der Gesamtheit gemeinsame Zwecke verfolgen und unter sich derart in Beziehung stehen, dass sie sich als einheitli-cher Verband fühlen,
mithin als Vereinigung im Sinne der §§ 129 ff. StGB
(st. Rspr.; etwa [X.], Urteil vom 3.
Dezember 2009 -
3 [X.], [X.]St 54, 216, 221 mwN). Ihre Zwecke und ihre Tätigkeit sind darauf gerichtet, Mord und Totschlag (§§ 211, 212 StGB) zu begehen, wobei die Opfer nicht nur Soldaten des von ihr bekämpften [X.] sind, sondern -
wie etwa die [X.] zeigen -
auch Zivilisten zu ihren Zielen gehören.
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Selbst eine angenommene Ausrichtung allein auf die Bekämpfung der syrischen Regierungstruppen würde nichts an dieser Einordnung
ändern,
da weder völkervertragsrechtliche noch völkergewohnheitsrechtliche Grundsätze Kampfhandlungen
gegen deren Soldaten zu rechtfertigen vermögen.
b) Der Beschuldigte hat diese Vereinigung durch die Lieferung von [X.] unterstützt.
c) [X.] Strafrecht ist anwendbar (vgl. im Einzelnen [X.], [X.] vom 6. Oktober 2016 -
AK 52/16, juris Rn. 33 ff.).
d) Die nach § 129b Abs. 1 Satz 2 und 3 StGB erforderliche Ermächti-gung zur strafrechtlichen Verfolgung von Mitgliedern oder Unterstützern der [X.], die sich in der [X.] aufhalten, hat das [X.] am 25. Juli 2014 er-teilt (Aktenzeichen [X.] 4030 E [1027] 21 1158/2013).
3. Es besteht der Haftgrund der Fluchtgefahr (§ 112 Abs. 2 Nr. 2 StPO). Durch weniger einschneidende Maßnahmen als den Haftvollzug kann der Zweck der Untersuchungshaft nach wie vor nicht erreicht werden (§ 116 Abs. 1 StPO).
Die Gesamtwürdigung der Umstände des Falles macht es wahrscheinli-cher, dass sich der Beschuldigte
-
würde er aus der Haft entlassen -
dem Straf-verfahren entzieht, als dass er sich ihm zur Verfügung halten werde. Der Be-schuldigte ist aufgrund der bisherigen Ermittlungen als eine zentrale Figur bei der Beschaffung von Ausrüstungsgegenständen für die [X.] anzuse-hen und hat daher mit einer empfindlichen Freiheitsstrafe zu rechnen, die einen hohen Fluchtanreiz bietet. Fluchthemmende Umstände, die geeignet sind, dem 28
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von der zu erwartenden Freiheitsstrafe ausgehenden Fluchtanreiz hinreichend entgegenzuwirken, liegen nicht vor: Seine Anstellung als Ingenieur bei der HU.

[X.] GmbH in N.

wurde
seitens des Arbeitgebers ge-kündigt; nach Auskunft seines ehemaligen Vorgesetzten erscheint eine Wie-dereinstellung ausgeschlossen (Bericht

[X.].

, vorläufige SA
Bd. 6, [X.].
91). Auf eine Berufstätigkeit in [X.] ist er ohnehin nicht angewiesen; seine beruflichen Fähigkeiten und Fremdsprachenkenntnisse dürften ihm ohne weiteres erlauben, im Ausland eine Erwerbstätigkeit aufzunehmen. Die familiä-ren Bindungen des Beschuldigten in [X.] sind einer Flucht nicht hinder-lich, weil seine Ehefrau ohnehin in die [X.] auswandern möchte (Protokoll der mündlichen Haftprüfung vom 21. Februar 2017, Haftsachakte

A.

, [X.]. 401; Aktenvermerk des [X.].

, vorläufige SA
Bd. 1 [X.]. 213) und die Versorgung seiner erst kurze [X.] in [X.] lebenden Eltern durch die Einreise seines Bruders sichergestellt ist (Meldebestätigung des K.

A.

, Haftsachakte

A.

, [X.]. 416). Die angebotene Kaution sowie die Bereitschaft, Reisedokumente bei der Polizei zu hinterlegen, reichen
vor diesem Hintergrund auch in der Zusammenschau aller fluchthem-menden Umstände nicht aus, zumal der Beschuldigte enge Verwandte in
[X.] bzw. in den [X.] und der [X.] hat und Kontakte zu Mitgliedern und Unterstützern der [X.] pflegt, die bei einer Flucht behilflich sein
könnten. Die genannten Umstände begründen die Gefahr, dass die alsbaldige Aufklärung und Ahndung der Tat ohne die weitere Inhaftierung des Beschuldigten vereitelt werden könnte.
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Unter den gegebenen Umständen vermögen Maßnahmen nach § 116 Abs. 1 StPO nicht die Erwartung zu begründen, dass auch durch sie der Zweck der Untersuchungshaft erreicht werden kann.
4. Die Voraussetzungen für die Fortdauer der Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus (§ 121 Abs. 1 StPO) liegen vor. Der Umfang der Ermitt-lungen
und ihre besondere Schwierigkeit haben ein Urteil noch nicht zugelas-sen und rechtfertigen den weiteren Vollzug der Untersuchungshaft:
Das komplexe Ermittlungsverfahren richtet sich gegen insgesamt fünf Beschuldigte; der Tatzeitraum erstreckt sich über mehrere Jahre und umfasst zahlreiche Lieferungen der Beschuldigten nach [X.], die auf ihren Bezug zur [X.] zu überprüfen sind. Die Auswertung der bei der Durchsuchung von zehn Objekten am 22. November 2016 sichergestellten umfangreichen Beweismittel dauert an. Neben zahlreichen [X.] sind neun [X.], 26
Laptops, 35 USB-Speichergeräte, 33 Mobiltelefone und 108 Festplatten auszuwerten; allein die dem Beschuldigten A.

zugeordneten [X.] umfassen etwa zwei Terabyte Daten, die auch in gelöschten Speicherbe-reichen ausgewertet werden müssen. Die Speichermedien wurden
zwischen-zeitlich trotz teilweise von den Beschuldigten nicht zutreffend angegebener Passwörter nahezu vollständig gesichert. Die inhaltliche Auswertung dauert indes noch an.
Sie wird dadurch erschwert, dass zahlreiche Inhalte in [X.] abgefasst sind, und konnte deshalb trotz des Einsatzes von re-gelmäßig zwei Dolmetschern bisher nicht abgeschlossen werden. Die [X.] der mobilen Endgeräte ist weitgehend beendet; bislang wurden 35 Geräte entschlüsselt, technisch gesichert und inhaltlich gesichtet. Bei der Auswertung der Mobiltelefone, die mit Ausnahme eines Gerätes durchgeführt
ist, wurden bisher 690.000 Mediendateien (unter anderem Bilder, [X.] und Audiodatei-34
35
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en) gesichtet (Sachstandsbericht des [X.] vom 12. Mai 2017, [X.]. 28). Bei 12 Geräten sind noch weitere Dolmetschertätigkeiten erforderlich; bei 16 Geräten noch abschließende Ermittlungen und Bewertun-gen.
5. Der weitere Vollzug der Untersuchungshaft steht zu den gegen den Beschuldigten erhobenen Vorwürfen nicht außer Verhältnis (§
120 Abs. 1 Satz 1 StGB; vgl. [X.],
Beschluss vom 6. April 2017 -
StB 6/17, juris
Rn. 34-36).
Becker Schäfer Hoch
37

Meta

AK 26/17

14.06.2017

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Sachgebiet: False

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 14.06.2017, Az. AK 26/17 (REWIS RS 2017, 9563)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 9563

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