Bundesgerichtshof, Beschluss vom 15.09.2011, Az. 3 StR 118/11

3. Strafsenat | REWIS RS 2011, 3338

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Gegenstand

Anfrage an die Strafsenate des BGH: Strafbarkeit wegen Bankrotts bei Beiseiteschaffen des Gesellschaftsvermögens ohne Handeln im Interesse der Gesellschaft - Aufgabe der Interessentheorie


Tenor

1. Der Senat beabsichtigt zu entscheiden:

Schafft der Geschäftsführer einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung bei drohender Zahlungsunfähigkeit der [X.] beiseite, so ist er auch dann wegen Bankrotts strafbar, wenn er hierbei nicht im Interesse der Gesellschaft handelt.

2. Der Senat fragt bei den anderen Strafsenaten an, ob an entgegenstehender Rechtsprechung festgehalten wird.

Gründe

I.

1

1. Das [X.] hatte die Angeklagten in einem ersten Urteil wegen Beihilfe zum Bankrott zu Geldstrafen verurteilt. Dieses Urteil hat der [X.]nat wegen unzureichender Feststellungen aufgehoben (Beschluss vom 10. Februar 2009 - 3 [X.], [X.], 2225). Nunmehr hat das [X.] die Angeklagten wegen Beihilfe zur Untreue in Tateinheit mit Beihilfe zum Bankrott zu Geldstrafen in Höhe von 300 Tagessätzen (Angeklagter [X.]) und 200 Tagessätzen (Angeklagte [X.]  ) verurteilt. Hiergegen wenden sich die Revisionen der Angeklagten mit Verfahrensrügen und sachlichrechtlichen Beanstandungen.

2

2. Nach den Feststellungen des [X.]s waren die Angeklagten zu nahezu gleichen Teilen an der nach dem Tode des [X.] übernommenen [X.] beteiligt. Der Angeklagte [X.]war Geschäftsführer der [X.] mit Sitz in [X.]  . Diese [X.] war Komplementärin der am selben Ort ansässigen [X.] & Co. KG (im Folgenden: [X.]), deren alleinige Kommanditisten der Angeklagte [X.]zu 51% und die Angeklagte [X.]  , geborene [X.], zu 49% waren. Die [X.] fungierte als Besitzgesellschaft und hielt die Anteile an der in [X.]  ansässigen [X.] (im Folgenden: [X.]GmbH) sowie an der ebenfalls in [X.]  ansässigen [X.].  Zucht- und Mastenten GmbH (im Folgenden: [X.].  GmbH), die wiederum die Anteile an weiteren Produktionsgesellschaften hielt. Der Angeklagte [X.]war auch in der [X.]GmbH und der [X.].  GmbH jeweils Geschäftsführer, der Angeklagten [X.]  war Prokura erteilt.

3

Die Angeklagten betrieben bis zum [X.] mit wirtschaftlichem Erfolg u.a. unter der Marke "B.  Enten" die Entenzucht und den weltweiten Vertrieb von Entenprodukten. Ein Umsatzeinbruch führte im Frühjahr 2003 zu einem erhöhten Kreditbedarf. Die beiden Hausbanken drängten auf die Einschaltung einer Unternehmensberatung, die nach einer Analyse der Firmengruppe angesichts weiter zu erwartender Verluste von knapp 4 Mio. € bis Ende 2003 neben betrieblichen Änderungen die Suche nach einem strategischen Partner für unbedingt erforderlich hielt. Das Angebot der Banken, weitere Kredite zu vergeben, sofern die Angeklagten teilweise dafür auch persönlich bürgten und den Banken einen Auftrag zur Anbahnung einer Fusion oder Übernahme erteilten, nahmen die Angeklagten nicht an, da sie befürchteten, das Interesse der Banken sei in erster Linie auf eine Übernahme ihrer Unternehmen durch einen Konkurrenten gerichtet. Sie bemühten sich in der Folgezeit unter Einschaltung externer Berater bei drei Bankhäusern vergeblich um eine Umfinanzierung.

4

Am 11. Februar 2004 meldeten die Angeklagten gegenüber ihren Hausbanken einen Verlust für 2003 von 4,6 Mio. € und kündigten einen über die bestehenden Kredite und über einen ab Juni 2004 erwarteten Kredit zur Überbrückung saisonaler Absatzschwankungen hinausgehenden Kreditbedarf von 4,25 Mio. € an. Nach einem Gespräch mit den Banken am 13. Februar 2004, bei dem den [X.] nicht entsprochen wurde, erkannten die Angeklagten, dass der Bestand ihres Unternehmens ernsthaft in Gefahr war. Sie bemühten sich daraufhin erneut um eine Umschuldung und die Gewinnung eines weiteren [X.]ers, blieben damit aber erfolglos.

5

In dieser Situation bestellten die Angeklagten zum 1. März 2004 den ehemaligen Mitangeklagten [X.]  zum Geschäftsführer der [X.] in [X.]  sowie der [X.]GmbH und der [X.].  GmbH. Der Angeklagte [X.]schied als Geschäftsführer aus, die Prokura der Angeklagten [X.]  wurde widerrufen. Da der neue Geschäftsführer über keine Erfahrung in der Branche verfügte, blieben die Angeklagten weiter für die [X.]en tätig, wofür sie vom neuen Geschäftsführer pauschal jeweils 250.000 € erhalten sollten. Wegen der angespannten Liquiditätslage der [X.]en vereinbarten die Angeklagten mit dem früheren Mitangeklagten eine rein erfolgsabhängige Geschäftsführervergütung. Es kam indes nur zu einem nach dieser Vereinbarung provisionspflichtigen Geschäftsabschluss mit einem Volumen von 1,67 Mio. €, weitere in Aussicht genommene Verträge kamen nicht zustande.

6

In einem Gespräch mit [X.]n am 8. März 2004 kündigte [X.]  an, zur Verbesserung der Liquidität Reserven aufzulösen. Die [X.] untersagten ihm daraufhin weitere Verfügungen über den Banken zustehendes [X.] ohne deren Zustimmung, weil sie befürchteten, [X.]  wolle Waren oder Güter verschleudern. Tatsächlich hatte [X.]  zusammen mit dem Angeklagten [X.]schon am 27. Februar 2004 1.475 Tonnen Entenfleisch zum Gesamtpreis von 1,67 Mio. € - und damit erheblich unter den Gestehungskosten - verkauft und dabei die Bezahlung mit [X.] vereinbart, die sodann nicht bei den Hausbanken, sondern bei anderen Banken eingelöst wurden. Die Hausbanken wurden davon nicht informiert, der Gegenwert der Schecks wurde nicht an diese abgeführt. Dies verstieß sowohl hinsichtlich der Preisgestaltung als auch hinsichtlich der Entgegennahme des Kaufpreises gegen die mit den Banken bestehende [X.]. Ab 1. März 2004 ließ sich [X.]  eingehende Schecks vorlegen und brachte die Schecks unter Umgehung der Buchhaltung auf neu eröffneten Konten gut. Insgesamt reichte er in den folgenden Wochen Schecks im Wert von rund 3 Mio. € bei anderen Banken ein. In Absprache mit den Angeklagten, die auch sonst über alle wesentlichen Vorgänge informiert waren, verlagerte [X.]  ab Ende März 2004 das operative Geschäft auf die "[X.].  GmbH". Diese [X.], eine 100-prozentige Tochter der [X.].  GmbH, war die einzige innerhalb der [X.]-Firmengruppe, die keine unmittelbaren vertraglichen Beziehungen zu den Hausbanken hatte.

7

Mit Schreiben vom 9. März 2004 verlangten die Hausbanken binnen drei Tagen u.a. die Vorlage eines Liquiditätsstatus und eine Übersicht über bereits veräußertes [X.] und drohten für den Fall des fruchtlosen Verstreichens der Frist mit der außerordentlichen Kündigung des [X.]. [X.]  vertröstete sie auf den 23. März 2004. Die Banken kündigten daraufhin am 15. März 2004 und am 23. März 2004 die gesamte Geschäftsverbindung und setzten für die bestehenden Verbindlichkeiten aller [X.]en, insgesamt fast 23 Mio. €, eine Zahlungsfrist bis zum 2. April 2004. Weder die [X.]GmbH noch die [X.]-Gruppe in ihrer Gesamtheit waren in der Lage, diese Forderung bei Fälligkeit oder in den folgenden drei Wochen zu begleichen.

8

Um im Falle einer Insolvenz weiter im Entengeschäft verbleiben zu können, erwarben die Angeklagten am 25. März 2004 von der [X.].  GmbH zu je 17.000 € die Anteile an der "[X.].  GmbH". Am 31. März 2004 erwarben sie von der [X.]GmbH für 464.000 € die Rechte an der Marke "B.  Enten".

9

In der [X.] vom 31. März bis zum 7. April 2004 stellte [X.]  in Absprache und nach Vereinbarung mit den Angeklagten der [X.]GmbH und der [X.].  GmbH drei Rechnungen über insgesamt fast 2 Mio. €, die nunmehr - entgegen der ursprünglichen Vereinbarung - auch eine erfolgsunabhängige Vergütung sowie Erfolgshonorare für tatsächlich nicht zustande gekommene Geschäfte zum Gegenstand hatten, und vereinnahmte diesen Betrag aus dem Vermögen der [X.]GmbH. Nach der ursprünglichen Vereinbarung hätte ihm ein Anspruch in Höhe von allenfalls knapp 200.000 € zugestanden. Die Angeklagten waren einverstanden, weil sie sich aus den Beträgen, die [X.]  erhielt, ihrerseits je 250.000 € erwarteten und mit Hilfe dieser Summe zusammen mit der erworbenen [X.] "[X.].  GmbH" und der Marke "B.  Enten" einen [X.]ustart des Familienunternehmens schaffen wollten. Sie kannten die fehlende Berechtigung der Forderungen, wussten zum [X.]punkt ihrer Zustimmung um die wirtschaftliche Lage der Unternehmensgruppe, insbesondere, dass eine infolge der Kündigungen erforderliche fristgerechte Zahlung der bei den Banken bestehenden Verbindlichkeiten nicht geleistet werden konnte und sich die [X.]-Gruppe daher im Zustand der drohenden Zahlungsunfähigkeit befand. [X.]  zahlte aus dem entnommenen Betrag an die beiden Angeklagten insgesamt 500.000 €. Über das Vermögen der [X.]GmbH und der [X.].  GmbH wurde auf Antrag der Banken das Insolvenzverfahren eröffnet.

3. Das [X.] hat das Verhalten des früheren Mitangeklagten [X.]  - die Entnahme von mehr als 1,77 Mio. €, auf die ein Rechtsanspruch nicht bestand - als Untreue zum Nachteil der [X.]GmbH gewertet. Das Einverständnis der Angeklagten hat das [X.] wegen der Gefährdung der wirtschaftlichen Existenz der [X.] durch die Entnahme als unwirksam angesehen. Zugleich hat es das Verhalten als Bankrotthandlung nach § 283 Abs. 1 Nr. 1 StGB gewertet. Zwar habe [X.]  nicht im Interesse der [X.]GmbH, sondern eigennützig gehandelt, hierauf komme es indes nicht an. Das Verhalten der Angeklagten hat das [X.] als Beihilfe zu den Taten des früheren Mitangeklagten [X.]  beurteilt.

II.

Die gegen das Urteil von beiden Angeklagten übereinstimmend erhobenen Verfahrensrügen sind im Ergebnis unbegründet. Die Beweiswürdigung des [X.]s, die sich zur Feststellung der drohenden Zahlungsunfähigkeit auf zahlreiche wirtschaftskriminalistische Beweisanzeichen stützt (vgl. [X.], Beschluss vom 17. Februar 1993 - 3 StR 474/92, [X.]R StGB § 283 Abs. 1 Zahlungsunfähigkeit 3 mwN), hält sachlichrechtlicher Nachprüfung stand. Auch die rechtliche Würdigung des [X.]s enthält nach Auffassung des [X.]nats keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten.

1. Für die Annahme einer Untreue (§ 266 StGB) durch den früheren Mitangeklagten [X.]  gilt Folgendes: Dieser handelte bei der Überweisung von mehr als 1,77 Mio. € als Geschäftsführer der [X.]GmbH. Das Einverständnis der Angeklagten, die als alleinige Kommanditisten der Besitzgesellschaft [X.] und - wie dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe zu entnehmen ist - als alleinige [X.]er der Komplementärin, der [X.] in [X.]  , Inhaber des zu betreuenden Vermögens waren, ändert an der Pflichtwidrigkeit seines Handelns nichts. Zwar können der [X.] mit beschränkter Haftung mit Zustimmung ihrer [X.]er grundsätzlich Vermögenswerte entzogen werden, weil sie gegenüber ihren [X.]ern keinen Anspruch auf ihren ungeschmälerten Bestand hat. Ein Einverständnis der [X.]er ist allerdings unwirksam und die Vermögensverfügung des Geschäftsführers deshalb missbräuchlich, wenn - wie hier - unter Verstoß gegen [X.]srecht die wirtschaftliche Existenz der [X.] gefährdet wird, etwa durch Beeinträchtigung des Stammkapitals entgegen § 30 GmbHG, durch Herbeiführung oder Vertiefung einer Überschuldung oder durch Gefährdung der Liquidität ([X.], Urteil vom 13. Mai 2004 - 5 [X.], [X.]St 49, 147, 157 ff.; Beschluss vom 10. Februar 2009 - 3 [X.], [X.], 2225, 2227; Beschluss vom 31. Juli 2009 - 2 [X.], [X.]St 54, 52, 57 ff.; Beschluss vom 30. August 2011 - 3 [X.]/11).

2. Zutreffend hat das [X.] auch angenommen, dass sich der frühere Mitangeklagte [X.]  wegen Bankrotts strafbar gemacht hat, obwohl er allein eigennützig und zum Schaden der [X.], der [X.]GmbH, handelte.

a) Die Vorschrift des § 283 StGB stellt ein Sonderdelikt dar, dessen Täter nur der Schuldner sein kann, also die (natürliche oder juristische) Person, die für die Erfüllung einer Verbindlichkeit haftet. Ist der Schuldner - wie hier - eine juristische Person, die nur durch ihre Organe/Vertreter handeln kann, so gilt § 14 StGB. Diese Vorschrift setzt für die strafrechtliche Zurechnung voraus, dass die handelnde Person "als" Organ oder Vertreter (Abs. 1) bzw. "auf Grund dieses Auftrags" (Abs. 2) agiert. Nach bisheriger Rechtsprechung des [X.] und der wohl herrschenden Auffassung in der Literatur ist es danach für eine Strafbarkeit des Vertreters nach § 283 StGB erforderlich, dass er zumindest auch im Interesse des Geschäftsherrn handelt. Liegen ausschließlich eigennützige Motive vor, so kann eine Strafbarkeit wegen Untreue nach § 266 StGB in Betracht kommen; eine Verurteilung wegen Bankrotts scheidet hingegen aus (sog. [X.] - vgl. [X.], Urteil vom 20. Mai 1981 - 3 [X.], [X.]St 30, 127, 128 f.; Urteil vom 6. November 1986 - 1 [X.], [X.]St 34, 221, 223; Urteil vom 17. Dezember 1991 - 5 StR 361/91, [X.]R StGB § 283 Abs. 1 Konkurrenzen 3; Beschluss vom 14. Dezember 1999 - 5 StR 520/99, [X.], 206, 207; zustimmend [X.], StGB, 12. Aufl., § 14 Rn. 50; im Ergebnis auch NK-StGB-Kindhäuser, 3. Aufl., vor § 283 Rn. 56; [X.], StGB, 12. Aufl., vor § 283 Rn. 85; [X.]/[X.], § 283 Rn. 103 f. [Stand: März 2002]; S/[X.] StGB, 28. Aufl., § 14 Rn. 26; [X.], StGB, 58. Aufl., § 283 Rn. 4d; differenzierend [X.]/[X.], vor § 283 Rn. 55).

b) Die von der Rechtsprechung entwickelte [X.] ist in der Literatur auf Ablehnung gestoßen, weil sie für die Insolvenzdelikte nur einen geringen Anwendungsbereich lässt, wenn Schuldner im Sinne des § 283 StGB eine Handelsgesellschaft ist (LK/[X.] aaO vor § 283 Rn. 80; [X.]/[X.] aaO § 283 Rn. 103; [X.]/[X.] aaO vor § 283 Rn. 55; [X.], wistra 1985, 1, 6 ff.; jeweils mwN). Dieser Kritik ist zuzugeben, dass die in § 283 StGB aufgezählten Bankrotthandlungen ganz überwiegend dem wirtschaftlichen Interesse der [X.] widersprechen und der vom Gesetzgeber intendierte Gläubigerschutz in der wirtschaftlichen Krise insbesondere von Kapitalgesellschaften bei Anwendung der [X.] weitgehend leerläuft (vgl. [X.], [X.] 16/2009 [X.]). Besonders augenfällig wird dies in Fällen der Ein-Mann-GmbH, in denen der [X.]er/Geschäftsführer der [X.] angesichts der drohenden Insolvenz zur Benachteiligung der Gläubiger Vermögen entzieht und auf seine privaten Konten umleitet, nach wirtschaftlicher Betrachtung also aus eigennützigen Motiven handelt. Nach der [X.] ist er nicht des Bankrotts schuldig, obwohl er die Insolvenz gezielt herbeigeführt hat (vgl. [X.], Urteil vom 20. Mai 1981 - 3 [X.], [X.]St 30, 127, 128 f.; kritisch dazu LK/[X.] aaO vor § 283 Rn. 80, 85).

Während Einzelkaufleute in vergleichbaren Fällen regelmäßig wegen Bankrotts strafbar sind, entstehen so [X.] für Vertreter oder Organe von Kapitalgesellschaften. Angesichts der besonderen Insolvenzanfälligkeit von in der Rechtsform der GmbH betriebenen Unternehmen wird der Schutzzweck der Insolvenzdelikte dadurch konterkariert (vgl. [X.]/[X.] aaO; [X.]/[X.] aaO). Dies gilt insbesondere, wenn man die Interessenformel konsequent auch auf die Bankrotthandlungen anwendet, die die Verletzung von Buchführungs- oder [X.] sanktionieren (§ 283 Abs. 1 Nr. 5-7 StGB): Entfällt wegen des fehlenden Interesses der [X.] die Bankrottstrafbarkeit, scheitert eine Verurteilung wegen Untreue regelmäßig am nicht festzustellenden oder nicht nachzuweisenden Vermögensschaden der [X.] (vgl. [X.], NStZ 1990, 570, 572; LK/[X.] aaO vor § 283 Rn. 84). Über diese nicht gerechtfertigte Privilegierung von [X.] gegenüber [X.] hinaus wird der Zweck der § 283 Abs. 1 Nr. 5-7, § 283b StGB unterlaufen, der Verstöße gegen Buchführungs- und Bilanzierungsvorschriften wegen der besonderen Gefahr von Fehleinschätzungen mit schwerwiegenden wirtschaftlichen Folgen als eigenständiges Unrecht erfassen will (vgl. [X.], NStZ 1990, 570, 572).

In der Rechtsprechung des [X.] ist die [X.] bei Vertretern von Personengesellschaften für die praktisch relevanten Fälle, dass die [X.]er der Bankrotthandlung zustimmen (vgl. dazu [X.], wistra 1985, 1, 7), zudem nicht durchgehalten worden; ein Handeln, das aus wirtschaftlicher Sicht im vollständigen Widerstreit zu den Interessen der vertretenen [X.] steht, soll etwa bei der Kommanditgesellschaft gleichwohl von dem durch das Einverständnis erweiterten Auftrag des Schuldners - also der [X.] - gedeckt sein, wenn der Komplementär zustimmt ([X.], Urteil vom 6. November 1986 - 1 [X.], [X.]St 34, 221, 223 f. = [X.] StV 1988, 14, 15 m. [X.]. [X.]). Die Einschränkung der [X.] sei insbesondere aus Gründen des Gläubigerschutzes geboten ([X.], Urteil vom 6. November 1986 - 1 [X.], [X.]St 34, 221, 224). Diese Rechtsprechung hat der [X.] in der Folge auch auf Fälle der [X.] erstreckt, in denen der Geschäftsführer einer Komplementär-GmbH die Bankrotthandlungen mit Zustimmung der [X.]er dieser Kapitalgesellschaft und damit der Komplementärin vorgenommen hatte ([X.], Urteil vom 12. Mai 1989 - 3 StR 55/89, [X.], 264, 267; aA [X.], Urteil vom 29. November 1983 - 5 [X.], [X.], 71; [X.], Urteil vom 17. März 1987 - 5 StR 272/86, [X.] 1988, 254, 255 f. m. abl. [X.]. [X.]; offen gelassen von [X.], Urteil vom 3. Mai 1991 - 2 StR 613/90, NJW 1992, 250, 252). Der Gläubigerschutz hat aber bei den in der Rechtsform der GmbH betriebenen [X.]en kein geringeres Gewicht als bei Personengesellschaften oder insbesondere der Mischform der [X.], so dass mit dieser Argumentation nicht nachvollziehbar erscheint, warum die Zustimmung der [X.]er einer Komplementär-GmbH den Auftrag des Geschäftsführers erweitern kann, das Einverständnis der [X.]er bei einer reinen Kapitalgesellschaft für die Frage, ob der Geschäftsführer als Organ oder im Auftrag der [X.] handelt, hingegen bedeutungslos sein soll.

Der [X.]nat will deshalb von der bisherigen Rechtsprechung des [X.] zur Strafbarkeit eines Vertreters wegen Bankrotts abweichen und die Abgrenzung zwischen den [X.] der §§ 283 ff. StGB und insbesondere der Untreue nach § 266 StGB, aber auch den Eigentumsdelikten gemäß §§ 242, 246 StGB nicht mehr nach der Interessenformel vornehmen, zumal das Abstellen auf das Interesse des Vertretenen und damit auf ein subjektives Element vom Wortlaut des § 14 StGB nicht gefordert wird ([X.], NStZ 1990, 570, 574; LK/[X.] aaO vor § 283 Rn. 84). Er will vielmehr für die Zurechnung der [X.] im Sinne der §§ 283 ff. StGB maßgeblich daran anknüpfen, ob der Vertreter im Sinne des § 14 StGB im [X.] tätig geworden ist. Dies wird bei rechtsgeschäftlichem Handeln zu bejahen sein, wenn der Vertreter entweder im Namen des Vertretenen auftritt oder letzteren wegen der bestehenden Vertretungsmacht jedenfalls im Außenverhältnis die Rechtswirkungen des Geschäfts unmittelbar treffen (vgl. [X.]/[X.] vor § 283 Rn. 58; [X.], GmbHR 2009, 875, 876; [X.], [X.], 233, 237; S/[X.] aaO § 14 Rn. 26; [X.], wistra 1985, 59, 60). Gleiches gilt, wenn sich der Vertretene zur Erfüllung seiner außerstrafrechtlichen, aber gleichwohl strafbewehrten Pflichten (vgl. § 283 Abs. 1 Nr. 5-7 StGB) eines Vertreters bedient (LK/[X.] aaO vor § 284 Rn. 84, S/[X.] aaO; [X.]/[X.] vor § 283 Rn. 58; [X.], NStZ 1990, 570, 572; Winkelbauer, [X.] 1988, 33, 34). Bei faktischem Handeln muss die Zustimmung des Vertretenen - unabhängig von der Rechtsform, in der dieser agiert - ebenfalls dazu führen, dass der Vertreter in seinem Auftrag handelt und ihm die Schuldnerstellung zugerechnet wird ([X.]/[X.], vor § 283 Rn. 58; [X.]/[X.] aaO § 283 Rn. 106).

Bei Beachtung dieser Grundsätze kann die trotz gleichartiger Verhaltensweisen mit der [X.] verbundene Ungleichbehandlung zwischen [X.] und [X.] ebenso vermieden werden (vgl. [X.] aaO) wie [X.] bei Verstoß gegen Buchführungs- und [X.], wodurch der Gläubigerschutz verbessert wird [X.], [X.] 2009, 341, 343; [X.], [X.], 589, 590; [X.], [X.], 2228; [X.], [X.], 8). Soweit der Vertreter eigennützig handelt, wird häufiger als bisher eine Verurteilung wegen Bankrotts in Tateinheit mit Untreue oder einem Eigentumsdelikt in Betracht kommen, insbesondere wenn die Zustimmung der [X.]er (oder des alleinigen [X.]ers/Geschäftsführers) einer GmbH wegen des damit verbundenen existenzgefährdenden Eingriffs in das [X.]svermögen kein tatbestandsausschließendes Einverständnis mit der nachteiligen Vermögensverfügung darstellt (vgl. [X.], Urteil vom 24. August 1988 - 3 [X.], [X.]St 35, 333; [X.], Urteil vom 13. Mai 2004 - 5 [X.], [X.]St 49, 147, 158; [X.], Urteil vom 11. [X.]ptember 2003 - 5 StR 524/02, [X.], 457, 460; [X.], Urteil vom 22. März 2006 - 5 [X.], [X.], 265). Dieses Ergebnis ist jedoch gerechtfertigt, weil in diesen Fällen durch dieselbe Handlung unterschiedliche Rechtsgüter - der Schutz der Gläubiger einerseits und das Vermögen bzw. das Eigentum der [X.] andererseits - beeinträchtigt werden.

Der [X.]nat gibt deshalb seine entgegenstehende Rechtsprechung (Urteil vom 20. Mai 1981 - 3 [X.], [X.]St 30, 127) auf.

c) Der beabsichtigten Verwerfung der Revision stehen jedoch Entscheidungen anderer Strafsenate des [X.] entgegen (u.a. 1. Strafsenat: Beschluss vom 21. Oktober 1980 - 1 [X.]; Urteil vom 6. November 1986 - 1 [X.], [X.]St 34, 221; 2. Strafsenat: Urteil vom 3. Mai 1991 - 2 StR 613/90, NJW 1992, 250; 4. Strafsenat: Beschluss vom 10. Juli 1979 - 4 StR 270/79; 5. Strafsenat: Urteil vom 29. November 1983 - 5 [X.], [X.], 71; Urteil vom 17. Dezember 1991 - 5 StR 361/91, [X.]R StGB § 283 Abs. 1 Konkurrenzen 3; Beschluss vom 14. Dezember 1999 - 5 StR 520/99, [X.], 206). Der [X.]nat fragt an, ob an der diesen und gegebenenfalls weiteren Entscheidungen zugrundeliegenden Rechtsansicht festgehalten wird.

Becker      

     Pfister     

Schäfer

[X.] befindet sich
im Urlaub und ist daher
gehindert zu unterschreiben.

Becker

Menges      

Meta

3 StR 118/11

15.09.2011

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Stade, 27. September 2010, Az: 3 KLs 50/09, Urteil

§ 14 StGB, § 266 StGB, § 283 StGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 15.09.2011, Az. 3 StR 118/11 (REWIS RS 2011, 3338)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 3338


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. 3 StR 118/11

Bundesgerichtshof, 3 StR 118/11, 15.05.2012.

Bundesgerichtshof, 3 StR 118/11, 15.09.2011.


Az. 4 ARs 17/11

Bundesgerichtshof, 4 ARs 17/11, 10.01.2012.


Az. 2 ARs 403/11

Bundesgerichtshof, 2 ARs 403/11, 22.12.2011.


Az. 1 ARs 19/11

Bundesgerichtshof, 1 ARs 19/11, 29.11.2011.


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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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