Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 21.08.2019, Az. 7 AZR 452/17

7. Senat | REWIS RS 2019, 4266

ARBEITSRECHT BUNDESARBEITSGERICHT (BAG) ARBEITSVERTRAG INDIVIDUAL-ARBEITSRECHT BEFRISTUNG

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Gegenstand

Sachgrundlose Befristung - Vorbeschäftigung


Leitsatz

Nach Ablauf von 22 Jahren seit der Beendigung eines Arbeitsverhältnisses kann bei der erneuten Einstellung des Arbeitnehmers bei demselben Arbeitgeber in der Regel eine Befristung ohne Sachgrund vereinbart werden. In einem solchen Fall ist es geboten, § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG in verfassungskonformer Auslegung der Vorschrift nicht anzuwenden, soweit nicht besondere Umstände vorliegen, die die Anwendung des Verbots dennoch gebieten könnten.

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des [X.] vom 27. Juli 2017 - 4 [X.]/16 - aufgehoben.

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des [X.] vom 15. Juni 2016 - 1 Ca 358 b/16 - wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat auch die Kosten der Berufung und der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses aufgrund einer sachgrundlosen Befristung.

2

Zwischen den Parteien bestand in der [X.] vom 22. Oktober 1991 bis zum 30. November 1992 ein Arbeitsverhältnis. Ausweislich des schriftlichen Arbeitsvertrags vom 31. Oktober 1991 war die Klägerin als Aushilfsangestellte zur Vertretung beim Arbeitsamt N eingestellt. Ihr war laut Verfügung vom 31. Oktober 1991 eine Tätigkeit als Hilfsbearbeiterin für Kindergeld zugewiesen. Nach dem im Jahre 1993 ausgestellten Zeugnis gehörten zu den Aufgaben der Klägerin die entscheidungsreife Bearbeitung von Kindergeldanträgen, einfacher Schriftverkehr insbesondere durch die Verwendung von Formblättern sowie die Erteilung von telefonischen Auskünften in Kindergeldangelegenheiten.

3

Mit Wirkung zum 15. Oktober 2014 stellte die Beklagte die Klägerin erneut auf der Grundlage eines Arbeitsvertrags vom 1. Oktober 2014 zunächst befristet bis zum 30. Juni 2015 ein. Durch Änderungsvereinbarung vom 3. Juni 2015 wurde das Arbeitsverhältnis bis zum 30. Juni 2016 verlängert. Die Klägerin übte eine Tätigkeit als Telefonserviceberaterin im Servicecenter aus.

4

Mit ihrer am 21. März 2016 beim Arbeitsgericht eingegangenen und der Beklagten am 24. März 2016 zugestellten Klage hat die Klägerin die Unwirksamkeit der Befristung zum 30. Juni 2016 geltend gemacht und die Auffassung vertreten, die Befristung sei wegen ihrer Vorbeschäftigung nicht nach § 14 Abs. 2 [X.] gerechtfertigt.

5

Die Klägerin hat - soweit für die Revision von Interesse - beantragt

        

festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis vom 1. Oktober 2014 / 3. Juni 2015 nicht aufgrund der Befristung mit Ablauf des 30. Juni 2016 geendet hat.

6

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, das frühere Arbeitsverhältnis stehe einer Befristung ohne Sachgrund nach § 14 Abs. 2 Satz 2 [X.] nicht entgegen, da das Ende des vorangegangenen Arbeitsverhältnisses bei der erneuten Einstellung ca. 22 Jahre zurückgelegen habe. Auch sei die Tätigkeit der Klägerin im Rahmen des ersten Arbeitsverhältnisses sowohl inhaltlich als auch ihrer Art nach anders gewesen als im Rahmen des sachgrundlos befristeten Arbeitsverhältnisses. Die Anwendung des Verbots der sachgrundlosen Befristung nach einer Vorbeschäftigung sei daher im vorliegenden Fall unzumutbar.

7

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das [X.] das erstinstanzliche Urteil abgeändert und der Klage stattgegeben. Mit ihrer Revision begehrt die Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils. Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

8

Die Revision der [X.]eklagten ist begründet. Das [X.] hat das Urteil des Arbeitsgerichts zu Unrecht abgeändert und der Klage stattgegeben. Die zulässige Klage ist unbegründet.

9

I. Die Klage ist zulässig. Der Klageantrag ist bei gebotener Auslegung hinreichend bestimmt iSd. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.

1. Nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO muss der Streitgegenstand so konkret umschrieben werden, dass der Umfang der [X.] nicht zweifelhaft ist ([X.] 27. Juli 2016 - 7 [X.] - Rn. 13 mwN). [X.]ei einer [X.]efristungskontrollklage sollte zwar das Datum der [X.] neben dem streitbefangenen [X.] im Klageantrag bezeichnet werden, um die notwendige [X.]estimmtheit eindeutig zu gewährleisten [X.]/[X.] 12. Aufl. § 17 [X.] Rn. 11; [X.]/[X.] 19. Aufl. [X.] § 17 Rn. 15). Es genügt aber, wenn sich der Vertrag, der die angegriffene [X.]efristung enthält, im Wege der Auslegung aus dem weiteren Klagevorbringen ergibt (vgl. [X.] 23. Januar 2019 - 7 [X.] - Rn. 9 mwN).

2. Dies ist hier der Fall. Zwar begehrt die Klägerin mit dem Klageantrag die Feststellung, „dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis vom 1. Oktober 2014 / 3. Juni 2015 nicht aufgrund der [X.]efristung mit Ablauf des 30. Juni 2016 geendet hat“. Damit ist im Klageantrag sowohl der 1. Oktober 2014 als auch der 3. Juni 2015 als Datum der [X.] genannt. Die Klägerin hat jedoch bereits in der Klageschrift vom 18. März 2016 unter [X.]eifügung der entsprechenden Vertragsunterlagen dargestellt, dass die Parteien zunächst unter dem 1. Oktober 2014 einen zum 30. Juni 2015 befristeten Arbeitsvertrag geschlossen hatten und diese [X.]efristung mit der [X.] vom 3. Juni 2015 bis zum 30. Juni 2016 verlängert wurde. Daraus ergibt sich mit der erforderlichen Klarheit, dass die Klägerin die letzte, am 3. Juni 2015 vereinbarte [X.]efristung angreifen will.

II. Die Klage ist unbegründet. Die [X.]efristung ist entgegen der Auffassung des [X.]s wirksam.

1. Die [X.]efristung zum 30. Juni 2016 gilt allerdings nicht schon nach § 17 Satz 2 [X.] iVm. § 7 Halbs. 1 KSchG als wirksam. Die Klägerin hat rechtzeitig iSd. § 17 Satz 1 [X.] [X.]efristungskontrollklage erhoben. Die Klageschrift wurde der [X.]eklagten am 24. März 2016 zugestellt. Eine Klageerhebung noch vor dem vereinbarten Ende des befristeten Arbeitsverhältnisses wahrt die Frist des § 17 Satz 1 [X.] ([X.]Rspr. vgl. nur [X.] 27. September 2017 - 7 [X.] - Rn. 11 mwN).

2. Die [X.]efristung ist jedoch nach § 14 Abs. 2 [X.] ohne Vorliegen eines Sachgrundes zulässig.

a) Nach § 14 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 1 [X.] ist die kalendermäßige [X.]efristung eines Arbeitsvertrags ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes bis zur Dauer von zwei Jahren zulässig. [X.]is zu dieser Gesamtdauer ist nach § 14 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 [X.] auch die höchstens dreimalige Verlängerung eines sachgrundlos befristeten Arbeitsvertrags zulässig. Nach § 14 Abs. 2 Satz 2 [X.] ist die sachgrundlose [X.]efristung eines Arbeitsvertrags nach § 14 Abs. 2 Satz 1 [X.] nicht zulässig, wenn mit demselben Arbeitgeber bereits zuvor ein befristetes oder unbefristetes Arbeitsverhältnis bestanden hat.

b) Die in § 14 Abs. 2 Satz 1 [X.] genannten Voraussetzungen wurden mit der Gesamtdauer des Arbeitsverhältnisses von ca. einem Jahr und neun Monaten sowie der einmaligen Vertragsverlängerung eingehalten. Das [X.] hat rechtsfehlerhaft angenommen, die Parteien hätten wegen der Vorbeschäftigung der Klägerin in der [X.] vom 22. Oktober 1991 bis zum 30. November 1992 gemäß § 14 Abs. 2 Satz 2 [X.] keine sachgrundlose [X.]efristung vereinbaren können. Entgegen der Auffassung des [X.]s erfasst das Verbot in § 14 Abs. 2 Satz 2 [X.] nicht ausnahmslos jede frühere [X.]eschäftigung des Arbeitnehmers bei demselben Arbeitgeber. Der Anwendungsbereich des Verbots ist vielmehr in verfassungskonformer Auslegung der Vorschrift einzuschränken in Fällen, in denen das Verbot für die Parteien unzumutbar wäre. Dies ist hier der Fall. Das hat das [X.] verkannt.

aa) Das [X.] hat zu Recht angenommen, dass § 14 Abs. 2 Satz 2 [X.] entgegen der vom [X.] vertretenen Auffassung nicht verfassungskonform dahin auszulegen ist, dass die Vorschrift der sachgrundlosen [X.]efristung eines Arbeitsvertrags nicht entgegensteht, wenn ein vorangegangenes Arbeitsverhältnis zwischen denselben Arbeitsvertragsparteien mehr als drei Jahre zurückliegt (vgl. [X.] 21. September 2011 - 7 [X.] - Rn. 23 ff., [X.]E 139, 213; ähnlich [X.] 6. April 2011 - 7 [X.] - Rn. 27, [X.]E 137, 275: „verfassungsorientierte Auslegung“). Nach der Rechtsprechung des [X.] überschreitet die Annahme, eine sachgrundlose [X.]efristung des Arbeitsvertrags sei nur dann unzulässig, wenn eine Vorbeschäftigung weniger als drei Jahre zurückliegt, die Grenzen vertretbarer Auslegung gesetzlicher Vorgaben durch die Gerichte, weil der Gesetzgeber gerade dieses Regelungsmodell erkennbar nicht wollte ([X.] 6. Juni 2018 - 1 [X.], 1 [X.]vR 1375/14 - [X.]E 149, 126).

bb) Allerdings verlangt auch das [X.] eine verfassungskonforme Auslegung des § 14 Abs. 2 Satz 2 [X.] ([X.] 6. Juni 2018 - 1 [X.], 1 [X.]vR 1375/14 - Rn. 62 f., [X.]E 149, 126).

(1) Die Vorschrift schränkt die durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte [X.]erufsfreiheit und die Vertragsfreiheit von Arbeitnehmern und Arbeitgebern ein. Diese [X.]eeinträchtigungen wiegen schwer. Sie erweisen sich jedoch in der Abwägung mit dem Schutz der [X.]eschäftigten im Arbeitsverhältnis (Art. 12 Abs. 1 GG) und den im Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1, Art. 28 Abs. 1 GG verankerten sozial- und beschäftigungspolitischen Zielsetzungen grundsätzlich als zumutbar. Dies gilt jedenfalls insoweit, als die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer des mit § 14 Abs. 2 Satz 2 [X.] bezweckten Schutzes tatsächlich bedürfen, weil eine Gefahr der Kettenbefristung in Ausnutzung der strukturellen Unterlegenheit der [X.]eschäftigten und auch eine Gefahr für die [X.] Sicherung durch eine Abkehr vom unbefristeten Arbeitsverhältnis als Regelbeschäftigungsform besteht ([X.] 6. Juni 2018 - 1 [X.], 1 [X.]vR 1375/14 - Rn. 53, [X.]E 149, 126). Die mit § 14 Abs. 2 Satz 2 [X.] einhergehenden [X.]eeinträchtigungen der Rechte der [X.] und der Arbeitgeber, erneut einen Arbeitsvertrag sachgrundlos zu befristen, stehen auch nicht außer Verhältnis zu den angestrebten Zwecken, da die Arbeitsgerichte die Anwendung der Norm in verfassungskonformer Auslegung auf Fälle ausschließen können, in denen dies für die [X.]eteiligten unzumutbar wäre ([X.] 6. Juni 2018 - 1 [X.], 1 [X.]vR 1375/14 - Rn. 55, aaO).

(2) Ein Verbot der sachgrundlosen [X.]efristung bei nochmaliger Einstellung bei demselben Arbeitgeber ist danach unzumutbar, soweit eine Gefahr der Kettenbefristung in Ausnutzung der strukturellen Unterlegenheit der [X.]eschäftigten nicht besteht und das Verbot der sachgrundlosen [X.]efristung nicht erforderlich ist, um das unbefristete Arbeitsverhältnis als Regelbeschäftigungsform zu erhalten. Der mit § 14 Abs. 2 Satz 2 [X.] verfolgte Schutzzweck kann in diesen Fällen das Verbot einer sachgrundlos befristeten Wiedereinstellung nicht rechtfertigen, soweit das legitime Interesse der Arbeitssuchenden an einer auch nur befristeten [X.]eschäftigung und das ebenfalls legitime Flexibilisierungsinteresse der Arbeitgeber entgegensteht ([X.] 6. Juni 2018 - 1 [X.], 1 [X.]vR 1375/14 - Rn. 62, [X.]E 149, 126). Das kann insbesondere dann der Fall sein, wenn eine Vorbeschäftigung sehr lang zurückliegt, ganz anders geartet war oder von sehr kurzer Dauer gewesen ist ([X.] 6. Juni 2018 - 1 [X.], 1 [X.]vR 1375/14 - Rn. 63, aaO). So liegt es nach Ansicht des [X.] etwa bei geringfügigen Nebenbeschäftigungen während der Schul- und Studien- oder Familienzeit, bei [X.] und studentischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Rahmen ihrer [X.]erufsqualifizierung (vgl. dazu [X.] 6. April 2011 - 7 [X.]  - Rn. 2, [X.]E 137, 275 ) oder bei einer erzwungenen oder freiwilligen Unterbrechung der [X.], die mit einer beruflichen Neuorientierung oder einer Aus- und Weiterbildung einhergeht ([X.] 6. Juni 2018 - 1 [X.], 1 [X.]vR 1375/14 - Rn. 63 mwN, aaO).

cc) Der Entscheidung des [X.] kommt nach § 31 Abs. 2 iVm. § 13 Nr. 11 [X.]G Gesetzeskraft zu. Jedenfalls dann, wenn der Tenor - wie hier - ausdrücklich auf die Entscheidungsgründe [X.]ezug nimmt, erstreckt sich die [X.]indungswirkung auch auf die Ausführungen des [X.] zu der verfassungskonformen Auslegung einer einfachgesetzlichen Norm (vgl. [X.] 30. Juni 1976 - 2 [X.] - zu [X.] der Gründe, [X.]E 42, 258; 10. Juni 1975 - 2 [X.]vR 1018/74 - zu [X.] I 3 der Gründe, [X.]E 40, 88; [X.] 23. Januar 2019 - 7 [X.] - Rn. 22 mwN). Dementsprechend hat der [X.] seine Rechtsprechung aus dem [X.] zur zeitlichen Einschränkung des Verbots in § 14 Abs. 2 Satz 2 [X.] inzwischen aufgegeben ( [X.] 23. Januar 2019 - 7 [X.]  - Rn. 18 ; -  7 [X.]  - Rn. 15 ; -  7 [X.]  - Rn. 14 ; vgl. auch [X.] 20. März 2019 - 7 [X.]  - Rn. 24 ).

dd) Danach liegen die Voraussetzungen einer verfassungskonformen [X.]eschränkung des Anwendungsbereichs von § 14 Abs. 2 Satz 2 [X.] im vorliegenden Fall vor. Die Anwendung des Verbots wäre für die Parteien unzumutbar.

(1) Das [X.] hat nicht näher definiert, wann eine Vorbeschäftigung „sehr lang“ zurückliegt, „ganz anders“ geartet oder „von sehr kurzer“ Dauer war. Dies ist unter [X.]erücksichtigung des Grundes für die verfassungskonforme Auslegung, die Anwendung von § 14 Abs. 2 Satz 2 [X.] auf Fälle, in denen das Verbot der sachgrundlosen [X.]efristung unzumutbar wäre, auszuschließen, sowie unter [X.]erücksichtigung der vom [X.] genannten [X.]eispielsfälle zu beurteilen. Letztlich bedarf es hierzu einer Würdigung des Einzelfalls ([X.] 17. April 2019 - 7 [X.] - Rn. 22 mwN; 23. Januar 2019 - 7 [X.] - Rn. 24 mwN).

(2) Danach ist vorliegend das Verbot der sachgrundlosen [X.]efristung nicht zumutbar. Im [X.]punkt der erneuten Einstellung der Klägerin lag ihre Vorbeschäftigung fast 22 Jahre zurück. Nach einer solchen [X.]spanne ist es in der Regel geboten, § 14 Abs. 2 Satz 2 [X.] in verfassungskonformer Auslegung der Vorschrift nicht anzuwenden. Nach der Entscheidung des [X.] genügt es zwar nicht, dass die Vorbeschäftigung lang zurückliegt, sie muss vielmehr sehr lang zurückliegen. Das ist jedoch bei einem [X.]raum von mehr als 22 Jahren regelmäßig anzunehmen, sofern nicht besondere Umstände dennoch eine Anwendung des Verbots erfordern. [X.]ei einer solchen [X.]spanne besteht keine Gefahr der Kettenbefristung. Auch der vom Gesetzgeber mit der Regelung in § 14 Abs. 2 Satz 2 [X.] verfolgte Zweck, das unbefristete Arbeitsverhältnis als Regelbeschäftigungsform zu erhalten (vgl. [X.] 6. Juni 2018 - 1 [X.], 1 [X.]vR 1375/14 - Rn. 49, [X.]E 149, 126; [X.] 23. Januar 2019 - 7 [X.] - Rn. 26), ist nicht gefährdet.

[X.]ei der Frage, ob der Anwendungsbereich von § 14 Abs. 2 Satz 2 [X.] einer verfassungskonformen Einschränkung bedarf, ist zu beachten, dass die sachgrundlose [X.]efristung bei der erneuten Einstellung eines Arbeitnehmers bei demselben Arbeitgeber auf Ausnahmefälle beschränkt ist ([X.] 23. Januar 2019 - 7 [X.] - Rn. 26). Das bleibt gewährleistet, wenn dieselben Arbeitsvertragsparteien nach 22 Jahren erneut einen Arbeitsvertrag mit einer sachgrundlosen [X.]efristung abschließen können. Da ein Erwerbsleben bei typisierender [X.]etrachtung ca. 40 Jahre umfasst (vgl. [X.] 18. März 2014 - 3 [X.] - Rn. 27, [X.]E 147, 279), ist bei der erneuten Einstellung des Arbeitnehmers mehr als ein halbes [X.]erufsleben vergangen. Eine nochmalige - dritte - Einstellung des Arbeitnehmers bei demselben Arbeitgeber mit einem sachgrundlos befristeten Arbeitsvertrag nach Ablauf weiterer 22 Jahre kommt typischerweise nicht in [X.]etracht, da der Arbeitnehmer zu diesem [X.]punkt bereits die Regelaltersgrenze erreicht hat. Damit bleibt die sachgrundlose [X.]efristung die Ausnahme. Dafür, dass ein [X.]raum von 22 Jahren als sehr lang im Sinne der Rechtsprechung des [X.] anzusehen ist, spricht auch die ebenfalls den [X.]estandsschutz betreffende Regelung des § 622 Abs. 2 Nr. 7 [X.]G[X.], nach der die längste Kündigungsfrist nach einer Dauer von 20 Jahren eingreift.

[X.]esondere Umstände, die im vorliegenden Fall dennoch eine Anwendung von § 14 Abs. 2 Satz 2 [X.] gebieten könnten, sind nicht vorgetragen oder sonst ersichtlich.

(3) Der [X.] kann selbst darüber entscheiden, ob die Vorbeschäftigung der Klägerin bei der [X.]eklagten der streitgegenständlichen sachgrundlosen [X.]efristung entgegensteht. Zwar hat das [X.] in dem [X.]eschluss vom 6. Juni 2018 (-  1 [X.] , 1 [X.]vR 1375/14  - [X.]E 149, 126) andere Kriterien für die Ausnahme von dem Verbot der erneuten sachgrundlosen [X.]efristung aufgestellt als der [X.] in seinen im [X.] getroffenen Entscheidungen. Die vom [X.] aufgestellten Kriterien enthalten Wertungsspielräume („sehr lang“ zurückliegend, „ganz anders“ geartet, „von sehr kurzer“ Dauer). Grundsätzlich obliegt diese [X.]ewertung den Tatsacheninstanzen. Sind alle für die [X.]ewertung maßgeblichen Tatsachen festgestellt, kann der [X.] diese [X.]ewertung allerdings auch selbst vornehmen. Die Klägerin hat mit ihren Schriftsätzen vom 27. Juli 2018 und vom 19. Dezember 2018 zu den Kriterien des [X.] Stellung genommen, die [X.]eklagte mit Schriftsatz vom 11. September 2018. Weiterer Tatsachenvortrag war daher nicht zu erwarten. Insbesondere bedurfte es keiner weiteren Feststellungen in [X.]ezug auf das legitime Interesse der Klägerin an einer auch nur befristeten [X.]eschäftigung und das legitime Flexibilisierungsinteresse der [X.]eklagten. Diese typischerweise bestehenden Interessen von Arbeitnehmern und Arbeitgebern sind nach dem [X.] der Anlass für die Prüfung der Unzumutbarkeit des Verbots (vgl. [X.] 6. Juni 2018 - 1 [X.], 1 [X.]vR 1375/14 - Rn. 62, aaO) und müssen nicht im Einzelfall gesondert festgestellt werden (teilw. aA wohl [X.]/[X.] NZA 2019, 1029, 1034). Einer Zurückverweisung an das [X.] zur neuen Verhandlung und Entscheidung bedurfte es daher nicht.

III. [X.] folgt aus § 91 Abs. 1, § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Gräfl    

        

    M. Rennpferdt    

        

    Klose    

        

        

        

    Meißner    

        

    [X.]    

                 

Meta

7 AZR 452/17

21.08.2019

Bundesarbeitsgericht 7. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG Neumünster, 15. Juni 2016, Az: 1 Ca 358 b/16, Urteil

§ 14 Abs 2 TzBfG

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 21.08.2019, Az. 7 AZR 452/17 (REWIS RS 2019, 4266)

Papier­fundstellen: MDR 2020, 357-358 REWIS RS 2019, 4266

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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